Botanik: Ein rauer Geselle - Pelargonium radens *

Begonnen von Fahrenheit, September 16, 2022, 14:39:40 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

zum Mikroskopikertreffen in Bexbach hatte Maria Beier einige Pelargonienarten mitgebracht. Dabei ist mir die Raspelblättrige Pelargonie wegen ihrer stark geteilten Blätter und der schon mit bloßem Auge erkennbaren borstigen Behaarung besonders ins Auge gefallen und ich möchte sie Euch hier im mikroskopischen Schnitt vorstellen.

Interessantes zur Pflanze selbst

Die Gattung Pelargonium gehört zur Familie der Geraniaceae in der Ordnung Geraniales, einer großen Familie mit 11 Gattungen und 800 Arten in der subtropischen und tropischen Welt. Es gibt 270 Arten von Pelargonium, die in Süd-, Ost- und Nordostafrika, Asien, St. Helena, Tristan da Cunha, Madagaskar, Australien und Neuseeland beheimatet sind; 219 Arten kommen alleine im südlichen Afrika vor.
Die Gattung Pelargonium hat ihren Namen von der Ähnlichkeit der Fruchtform mit dem Schnabel eines Storches, griechisch pelargos, abgeleitet. Der Artname radens (lateinisch), der von radula (lateinisch) Raspel oder Feile abgeleitet ist, bezieht sich auf die raspelartig behaarten Blätter. Pelargonium radens wurde schon im Jahr 1774 in England eingeführt und erreichte von dort als kultivierte Gartenpflanze die anderen Europäischen Länder.

Pelargonium radens kommt im südlichen und östlichen Kapgebiet, in der Nähe von Barrydale und ostwärts bis Engcobo vor. Im Allgemeinen findet man sie in Schluchten oder Kuhlen in der Nähe von Bächen oder zwischen Sträuchern an Berghängen.

Bild 1: Ein beet mit Raspelblättrigen Geranien

Aus Wikipedia, User QWERTZY2, CC BY-SA 3.0

Die Raspelblättrige Pelargonie, auch Rosengeranie, ist ein aufrechter, dicht verzweigter Strauch, der gewöhnlich weniger als 1,5 m hoch wird. Die jüngeren Zweige bleiben krautig und schlank, ältere Zweige verholzen an der Basis. Wie alle oberirdischen Pflanzenteile sind die krautigen Zweige mit steifen Borsten besetzt und fühlen sich dadurch rau an (-> Name).

Die stark gefiederten Blätter haben eine dreieckige Form und sind 30-50 x 30-60 mm groß. Wenn sie gerieben werden, verströmen sie einen stechenden Geruch. Die Blattränder sind zur Unterseite hin eingerollt, auf beiden Seiten findet man steife Trichome und blasige Drüsenhaare.

Bild 2: Blatt und Blattstiel der Pflanze


Bild 3: Die Blattoberseite im Detail


Die Blüten sind blassviolett bis rosa mit tiefvioletter Zeichnung auf den oberen beiden Blütenblättern. Die Pflanze blüht von August bis Januar. Die Samen werden unmittelbar nach der Blütezeit gebildet.
Am elliptischen Samen befindet sich ein spiralförmig aufgerollte, gefiederter Auswuchs, mit dem sich der Samen bei ausreichend Feuchtigkeit in den Boden bohren und somit verankern kann. 

Bild 4: Blüten von Pelargonium radens

Aus Wikipedia, User Consultaplantas, CC BY-SA 4.0

Aus der Kreuzung zwischen P. radens und P. capitatum geht eine nach Rosen duftende Pelargonium-Hybride hervor. Sie ist eine von mehreren Arten, die zur Gewinnung ätherischer Öle genutzt werden. Dabei verleihen die ätherischen Öle Citronellol, Geranoil, Linalool und Nerol den Pflanzen den typischen Rosenduft.

Die essbaren Blätter von Pelargonium radens werden auch heute noch in traditionellen Südafrikanischen Gerichten als Gewürz oder in Kräutertees genutzt.

Quellen:
https://en.wikipedia.org/wiki/Pelargonium_radens
http://pza.sanbi.org/pelargonium-radens
http://www.staudenfuehrer.de/de/pelargonium-radens
https://www.zimmerpflanzenlexikon.info/ueberarbeiten/pelargonium-radens


Bevor wir zu den Schnittbilder kommen, kurz zur Präparation:

Geschnitten habe ich den frischen Spross und den frischen Blattstiel freistehend und das frische Blatt in Möhreneinbettung auf dem Zylindermikrotom mit Leica 818 Einmalklingen im SHK-Klingenhalter.
Die Schnittdicke der Spross- und Blattstielquerschnitte beträgt ca. 50 µm, die von der Blattspreite ca. 60 µm.

Fixiert wurden diese für ca. 20 Minuten in AFE. Beim Versuch, AFE nachzugießen, habe ich versehendlich die Flasche mit Etzold FCA erwischt. Die so entstandene Färbung ließ sich retten, daher haben wir nun zwei Färbungen im Rennen.

Regulär gefärbt habe ich nach W3Asim I von Rolf-Dieter Müller. Entsprechende Arbeitsblätter können im Downloadbereich der MKB-Webseite herunter geladen werden. Eine ausführliche Beschreibung der Färbung findet sich hier.

Anschließend habe ich wieder gut mit Aqua dest. gespült und für ca. 20 Minuten mit mehrmaligem Wechsel des Wassers sanft differenziert.

Eingedeckt wurden die Schnitte nach gründlichem Entwässern mit reinem Isopropanol wie immer in Euparal.


Und noch ein wenig zur Technik:

Die regulären Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem NPlan 5x sowie den PlanApos 10x, 20x und 40x entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.

Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.

Allerdings habe ich gleich vor Ort im Hotel in Bexbach aufnahmen der frischen Präparate mit dem Handy und der Celestron Halterung NexYZ auf meinem kleinen Leitz SM gemacht. Diese sind an der Vignettierung zu erkennen und ich zeige sie hier ebenfalls.


Jetzt aber zu den Schnitten!

Beginnen wir mit dem Spross!

Bilder 5a-d: Der Spross von Pelargonium radens in der Übersicht, Bilder 5b&d mit Beschriftung





Von außen nach innen sehen wir die Epidermis (Ep) mit der recht dünnen Cuticula (Cu), sowie viele - leider meist angeschnittene - borstenförmige Haare (TR). Darunter liegt eine zwei- bis dreireihige Hypodermis (Hyp), deren Zellen die Chloroplasten enthalten, die hier wegen der Präparation nicht mehr zu sehen sind. Im Anschluss folgt dann das Rindenparenchym (RP) mit vielen eingelagerten Drusen (D).
Darunter liegen dann die Leitbündel (LB) mit ihren nicht verholzten Sklerenchymkappen (Skl). Hier finden wir Phloem (Pl), Cambium (Ca), Das Xylem (Xl) mit den Tracheen (T) sowie das primäre Xylem (pXl) und schließlich das Markparenchym (MP), das ebenfalls Calciumoxalatdrusen (D) enthält.
Auf den Bildern 5a&b ist außerdem ein im Rindenparenchym liegendes Leitbündel zu erkennen: eine Blattspur. Die Färbung ist Etzold FCA.

Schauen wir nun etwas genauer hin:

Bilder 6a-d: Der Spross im Detail, Bild 6c mit Beschriftung, Bild 6d Polarisationskontrast





Hier sehen wir in Bild 6a noch einmal die Blattspur im Detail sowie in den folgenden Bilder ein Leitbündel in W3Asim 1 Färbung und im Polarisationskontrast. Beschriftung wie in den Bildern 5.
Hier zeigt sich schön, dass die W3Asim Färbung das unverholzte Sklerenchym in Gelber Farbe besser hervorhebt, als es die Etzold FCA Färbung leisten kann.

Und nun noch einige Handy-Bilder vom Leitz SM:

Bilder 7a-d: Aufnahmen vom Leitz SM, frische Etzold FCA Färbung, Bild 7d W3Asim I





Wenden wir uns nun dem Blattstiel zu:

Bilder 8a-e: Der Blattstiel von Pelargonium radens, Bilder 8c&e mit Beschriftung






Wieder von außen nach innen finden wir: die Epidermis (Ep) mit der dünnen Cuticula (Cu) und den Borstenhaaren (Tr). Es sind allerdings auch Reste der Drüsenhaare zu sehen, die sich nicht nur an der Blattspreite finden. Die darunterliegende Hypodermis (Hyp) ist im Gegensatz zum Spross nur einreihig. Es folgt ein klassischer Sklerenchymring (SklR), dessen Zellen auch verholzt sind, wie es die rote Zellwandfärbung zeigt.
Darunter finden sich einzelnen Leitbündel (LB) mit Phloem (Pl) und Xylem (Xl). Ein Cambium ist nicht vorhanden. Das Zentrum wird wieder von den Zellen des Markparenchyms (MP) gebildet. Sowohl im Rindenparenchym als auch im Markparenchym finden sich zahlreiche Calciumoxalatdrusen (D).

Und wieder einige Handy-Aufnahmen vom Leitz SM:

Bilder 9a-d: Aufnahmen vom Leitz SM, frische Etzold FCA Färbung





Bleibt noch der Blick auf die Blattspreite!

Bilder 10a,b :Die Blattspreite von Pelargonium radens, Bild 10b mit Beschriftung



Diesmal von der Blattoberseite zur Blattunterseite: Den Anfang macht wieder die Epidermis (Ep) mit der Cuticula (Cu). Auf ihr befinden sich viele Borstenhaare (Trichome, T) und mehrzellige Drüsenhaare (DH). Darunter liegt das Assimilationsparenchym (AP), das mit vielen langgestreckten Zellen als Palisadenparenchym ausgeprägt ist. Wie zu erwarten, folgt darauf das Schwammparenchym (SP) und zwischen den beiden einzelne Leitbündel (LB) und Idioblasten mit Calciumoxalatdrusen (D). Den Abschluss bilden wieder Epidermis (EP) und Cuticula (Cu). Von den kleinen Stomata konnte ich leider kein wirklich fotogenes Exemplar finden. Deutlich ist zu sehen, dass auch die Blattunterseite mit den steifen Trichomen (Tr) und Drüsenhaaren (DH) besetzt ist.

Und auch hier wieder einige Aufnahmen direkt vom Treffen:

Bilder 11: Aufnahmen vom Leitz SM, frische W3Asim I Färbung




Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik ist wie immer willkommen.
Diesmal möchte ich aber noch eine Bitte hinzufügen: Maria, vielleicht magst Du einige Deiner tollen Aufnahmen von den Drüsenhaaren hier anfügen.

Herzliche Grüße
Jörg 
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

jcs

Hallo Jörg,

wieder einmal, wie gewohnt von Dir, eine sehr umfangreiche und detaillierte Dokumentation einer interessanten Pflanzenart. Sehr nützlich sind auch Deine Färbungen mit den unterschiedlichen Rezepturen. Da sieht man sehr schön, wo die Stärken und Schwächen der gebräuchlichsten Farbstoffmischungen sind.

LG

Jürgen

Fahrenheit

Guten Morgen Jürgen,

vielen Dank für Dein Lob, das mich sehr freut.

Die unterschiedlichen Färbungen sind ja ein Unfall gewesen, da ich das Etzold FCA versehentlich während der Fixierung zum AFE geschüttet habe. Die Etzoldfärbung fällt daher etwas blasser aus und verbleicht schneller, als es bei korrekter Anwendung der Fall wäre.
Aber prinzipiell sieht man schon, dass die W3A Färbefamilie gerade bei unverholztem Festigungsgewebe im Vorteil ist.

Herzliche Grüße
Jörg
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M Beier

Hallo Jörg,
zu Pelargonium radens kann ich auch noch zwei  Bilder beisteuern.
Ich habe das Blatt noch mal im Makro und die Blattunterseite im Auflicht aus ca 200 Aufnahmen gestackt.
Man sieht gut, warum das Blatt eine sehr rauhe Oberfläche hat.
Gruß
Maria

Hans-Jürgen Koch

Hallo Jörg,

super Beitrag.
Die Wacker-Färbung ist und bleibt unschlagbar.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Fahrenheit

Guten Morgen Maria und Hans-Jürgen,

auch Euch vielen Dank für Euer Lob! :)

Ja, mit der W3A Färbung ist Robin Wacker ein wirklich großer Wurf gelungen und Rolf-Dieter Müller hat mit der Entwicklung des W3Asim dafür gesorgt, dass die Färbung mit geringen Einbußen genau so einfach anzuwenden ist, wie die Etzold-Färbungen. Leider leben beide schon nicht mehr.

Liebe maria, Dir auch vielen Dank für die beiden tollen Aufnahmen vom Blatt der P. radens! Habe ich das falsch in Erinnerung? Ich dachte, Deine Aufnahmen von den Drüsenhaare seien auch von dieser Pflanze?

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
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