Paläobotanik Rhodomyrtophyllum sinuatum von der Grube Messel

Begonnen von Klaus Herrmann, Juli 24, 2012, 10:25:16 VORMITTAG

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Klaus Herrmann

Hallo zusammen,

schnibbeln kann jeder, wenn die Pflanzen aber fossiliert sind muss man anders vorgehen.

Beim letzten Treffen der Stuttgarter Mikroskopiker hat uns Frau Marit Kamenz vom Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart
in einem schönen Vortrag einen Einblick in der Arbeitsweise der dortigen Forschergruppe gegeben. Unter der Leitung von Frau Dr. A. Roth-Nebelsick wird an folgendem Thema gearbeitet: Rekonstruktion des atmosphärischen CO2-Gehalts und des Klimas im mittleren Eozän anhand von Pflanzenfossilien der Grube Messel Die Stomata-Dichte ist umgekehrt proportional zum CO2-Gehalt, so dass man möglichst viel Blattunterseiten auswerten muss. Frau Kamenz konnte fundiert über das Thema sprechen, sie ist Präparatorin in der Forschergruppe.
Man arbeitet eng mit derm Senckenberg Forschungsinstitut  zusammen.

Um niemand zu vergessen zitiere ich einfach aus dem Mail von Frau Kamenz:

ZitatFrau Roth-Nebelsick hat nichts dagegen und die Herstellerin der Präparate Michaela Grein auch nicht ("Ich persönlich habe nichts dagegen, wenn der Herr die Fotos in seinem Mikroskopierforum zeigt! Ich habe die Präparate zwar gemacht und sie lagern im SMNS, aber sie gehören offiziell der Sektion Paläobotanik vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt (Ansprechpartner: PD Dr. Volker Wilde). Das sollte man vielleicht erwähnen...")

Frau Dr.Grein hat die Präparate in ihrer Doktorarbeit gemacht und die waren dann für uns interessantes Anschauungsmaterial, dem wir uns nach dem Vortrag intensiv gewidmet haben.

Beim Fossilieren sind damals die Pflanzen unter Luftabschluss, Wärme und Druck inkohlt, nur die Wachschicht der Kutikula blieb erhalten. Das ist der Ansatzpunkt für die Vorgehensweise: Mit Salzsäure wird Kalk gelöst; mit Flußsäure die Silikate; und mit dem Schultzschen Gemisch - Salpetersäure und Kaliumchlorat - die Kohle oxidiert. Übrig bleibt die Wachsschicht der Kutikula.

Frau Kamenz hat die Methodik ausführlich erklärt. Ich zitiere aus ihrer Mail:

ZitatDas Blattstückchen wird mit einem Skalpell oder Rasierklinge entnommen und dann in 5% HCl-Lösung und anschließend in HF vom Gestein gelöst (in säurerestistenten Plastikbechern); die Vormatzeration mit Schulz´schem Gemisch erfolgt in Glasnäpfchen. Meistens arbeitet man dann nur noch mit Krümeln, die man mit Pipetten transportiert. Anschließend arbeitet man auf dem Objektträger unterm Binokular. Werkzeuge sind lange Nadeln und selbstgebastelte Lanzettchen und Spatel (Gebogene und geplättete Nadel mit Griff), ausgedünnte Pinsel und zurechtgeschnittene Filterecken zum Absaugen der Flüssigkeit vom Objektträger (alles ziemlich fizzelig). Man versucht zwar so große Stücke wie möglich zu erhalten, aber meistens bleiben wirklich nur kleine Krümel übrig. Für die Pflanzenbestimmung reicht das auch, für Stomato-Dichtenbestimmung braucht man größere.
Ich kann Ihnen auch folgende Zeitschrift empfehlen: http://www.praeparation.de/zeitschrift/ausgaben/dp_2008  ; und zwar folgenden Artikel: Christian Pott, Hans Kerp "Mikroskopische Untersuchungsmethoden an fossilen Pflanzenabdrücken"

Detaillietere Informationen bekommt man im Artikel der angegebenen Zeitschrift

Ich habe mir ein Präparat ausgeliehen um selbst Fotos zu machen und durch Auflicht-Fluoreszenz noch mehr Details sichtbar zu machen. Das hat leider nicht geklappt, weil sich in dem Eindeckmittel Glycerin der Farbstoff Safranin gelöst hatte und dann ist die Probe "blind" für die Fluoreszenz.

Aber die Stomata sind schön zu sehen - erstaunlich nach fast 50 Mio. Jahren und der robusten Chemiebehandlung!

Noch ein Tipp: nicht nur der virtuelle Besuch im SMNS lohnt sich, man kann sich tagelang beschäftigen mit den Ausstellungen in den beiden Standorten Löwentor (Fossilien) und Rosenstein (allgemeine Naturkunde). Nebenbei: der Rosensteinpark ist eine riesige Oase mitten in Stuttgart!

http://www.naturkundemuseum-bw.de/

Und ganz aktuell: das Sommerfest des SMNS  
http://www.naturkundemuseum-bw.de/aktuell/nachricht/dschungel  der weiteste Weg lohnt sich!




Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

TPL

Hallo Klaus,
eine absolut faszinierende Anwendung der Paläobotanik zur Rekontruktion einer längst (ca. 45 Millionen Jahre) verschwundenen Lebewelt!

Schade nur, dass die Aufbereitung des Probenmaterials im Falle der fossilisierten Messel-Pflanzen so viele hässliche Chemikalien erfordert, sonst würde ich damit gleich auch noch anfangen ;).

Geobotanisch-begeisterte Grüße
Thomas

Joachim7

Hallo Klaus,

dank der Einladung der Stuttgarter Mikroskopiker und Dir konnte ich den Vortrag besuchen.  Beeindruckend.

Dadurch angeregt, habe ich mit Nagellack einige Abzüge von Blattunterseiten gemacht und mit meiner angefertigten Skizze verglichen.

Obwohl doch einige Jahre  ;D dazwischen liegen finde ich eine faszinierende Übereinstimmung.
Freundliche Grüße aus dem Remstal

Joachim

ich bevorzuge das freundschaftliche "DU"

Rolf-Dieter Müller

#3
Lieber Klaus,

da zeigst Du ein wirklich interessantes Thema auf. Nach so vielen Jahrmillionen die Spaltöffnungen sehen zu können ist faszinierend.

Und Deine Beschreibung der diffizilen Präparation kann ich sehr gut nachvollziehen. Vor ein paar Jahren habe ich die Cuticula von rezenten Pflanzenmaterial freigelegt. Ein fast ebenso mühsames Geschäft, vielleicht auch deswegen weil ich hierfür auf frei erhältliche Reagenzien genommen habe.

Schade um das ausgeblutete Safranin, wo Du mich doch wegen der Fluoreszenz neugierig gemacht hast. Jetzt kommt natürlich die von Dir sicherlich erwartete Frage auf, ob man die Cuticula nicht auch mit Primärfluoreszenz darstellen kann. Ich kann mir vorstellen, das mit einer blauen 470 nm LED/750 mA gut gekühlt und mit 1,5 A angesteuert, satte Intensität bereitgestellt wird.

Ich werde das mal am Donnerstag bei unserem Kollegiumstreffen mit Thomas (TPL) diskutieren, denn soweit ich weiß kennt sich Thomas mit der Fluoreszenz von fossilen Materialien aus.

Außerdem könnte ich dieses auch als Diskussionspunkt zu unserem Bonner September-Treffen mitnehmen, wo Dr. Borm von Carl Zeiss Microimaging über ,,Neue Techniken in der Mikroskopie - angewandt auf biologische Fragestellungen" referieren wird.

Klaus, wie Du siehst wird Dein wirklich schöner Beitrag nachwirken.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Ralf

Lieber Klaus,

an so einer interessanten Veranstaltung hätte wohl so mancher Forumsteilnehmer ebenfalls gerne teilgenommen. Daher danke, dass du uns so einen schönen Bericht gegeben und so schöne Fotos der fossilen Spaltöffnungen gezeigt hast. Für mich ist das ein absolut faszinierendes Thema und ich bin wirklich überrascht, wie gut die Spaltöffnungen nach so langer Zeit noch zu sehen sind. Das regt natürlich zu eigenen Versuchen an, aber die benötigten Chemikalien sind schon sehr problematisch für einen Hobbymikroskopker.


Fahrenheit

Lieber Klaus,

vielen Dank für Deine interessanten Beschreibungen und die Bilder des wirklich faszinierenden Präparates! Man mag es kaum glauben, wie gut die Details der pflanzlichen Zellen erhalten sind.

Auch die Links sind klasse, ich werde das SMNS bei meinem nächsten Besuch in Stuttgart sicher besuchen.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Klaus Herrmann

#6
Hallo zusammen,

vielen Dank für euer Interesse. Die Vorinformationen für den Abend durch unseren Vorsitzenden Klaus Kammerer waren dieses Mal ungewöhnlich zurückhaltend. Es lag vielleicht daran, dass er Frau Kamenz bei einer Veranstaltung im Museum angesprochen hatte und sie dabei signalisierte, dass sie noch kein Konzept für einen Vortrag hätte, aber mal sammeln wolle.
Sie hat gesammelt und einen wunderbar lehrreichen Überblick über die Entwicklung der Pflanzen gegeben, beginnend im Silur vor 435 Mio. Jahren mit der ersten Landpflanze Cooksonia. Und das im geologischen Kontext mit der Entwicklung der Kontinente.
Aus den Sammlungen des Museums hat sie dazu entsprechende Handstücke mitgebracht, so dass man schöne Belegstücke von Schuppen- und Siegelbäumen in die Hand nehmen konnte. Und zum Schluss gabs ein paar Präparatekästen zum mikroskopieren.

Allerdings ist es wie so oft: so exemplarisch schöne Präparate gab es nicht so viele! Es ist schon ein mühsames Geschäft. Mal abgesehen davon, dass Flußsäure - auch mir als Chemiker - Respekt abverlangt. Ohne Spezialabzug kann man nicht damit arbeiten.

Aber es gibt auch die Möglichkeit Auflichtfluoreszenz zu betreiben, das ist in dem verlinkten Artikel beschrieben. Wenn sie wieder Material präpariert werde ich sie im Museum besuchen. Mein Wunsch wäre ungefärbtes Material zu bekommen um, wie auch von Rolf-Dieter angeregt Primärfluoreszenz zu versuchen und mal andere Farbstoffe zu probieren.

Spannendes Thema und wir haben es vor der Haustür. Wobei die Darmstätter Kollegen ja an der absoluten Quelle sitzen! Die Grube Messel ist nicht weit!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken