Innenansichten einer Spinne

Begonnen von Ole, August 20, 2012, 17:21:09 NACHMITTAGS

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Ole

Hallo,
nach längerer Zeit der "Mikrotomabstinenz" habe ich mich einmal den Arachniden zugewandt. Ich habe versucht, anhand der mir zur Verfügung stehenden Literatur und mit Unterstützung einiger Websites die Organsysteme in den Mikrotomschnitten zu benennen. Dennoch gab es einige Strukturen, die ich bislang nicht zuordnen konnte. Falls jemand aus dem Forum weiterhelfen kann, wäre ich dankbar. Ansonsten viel Spaß beim Anschauen der Schnitte.

Zunächst zur Präparation:
Die meisten Schnitte stammen von einer Hauswinkelspinne (Tegenaria sp.), die im Keller eines Wohnhauses gefangen wurde. Die letzten Schnitte stammen von einer Gartenkreuzspinne (Araneus diadematus), die ich im vergangenen Spätherbst regungslos an der Hauswand fand.

1) Die Tiere wurden durch einleiten von CO2-Gas in das Fanggefäß getötet (geht schnell und die Tiere zeigten keine (offensichtlichen) Anzeichen eines Todeskampfes, anders als beim Töten mit Fixierlösung)
2) Die anschließende Fixierung der Kreuzspinne erfolgte für etwa 2 Wochen in AFE (Brennspiritus; Eisessig; Formalin; 8+1+1). Die Hauswinkelspinne wurde für 20h in Carnoy fixiert (60% Ethanol abs.; 30% Chloroform; 10% Eisessig).
3) Beide Tiere wurden nach der Fixierung über 80%, 90% und 5x Isopropanol abs. entwässert.
4) Nach der "Teilung" der Spinnen entlang der Medianebene (Mikrotomklinge) wurden die Kreuzspinnenhälften in Ultrapar, eine Hälfte der Hauswinkelspinne in Formula R (beides "Paraffinderivate") und die andere Hälfte der Hauswinkelspinne, getrennt nach Opistho- und Prosoma, in Technovit 7100 eingebettet.
5) Ultrapar- und Formula R- Blöcke wurden mit einer S35-Klinge (Feather) geschnitten, die Technovitblöcke mit einem D-Messer. Alle Schnitte entstanden an einem Rotationsmikrotom (RM2055). Die Streckung aller Schnitte erfolgte in einem Wasserbad bei 45°C.
6) Paraffinschnitte wurden auf gelatinebeschichtete Objektträger aufgezogen, die Technovitschnitte direkt auf unbeschichtete OTs.
Nach dem Trocknen (mind. 24h) wurden die Schnitte ggf. entparaffinisiert und anschließend mit HE oder AZAN (nach Geidies) [Paraffinschnitte] bzw. mit Toluidinblau oder Giemsa [Technovitschnitte] gefärbt.

Hier zunächst eine Übersichtsaufnahme der Hauswinkelspinne

Bild 1: Hauswinkelspinne, Paraffinschnitt, saggital, HE (36 Einzelaufnahmen mit HC PL Fluotar 5x/0.15, DFK72AU, mit Autostitch zusammengefügt)

Der Spinnenkörper besteht aus zwei größeren Teilen, dem Prosoma (fusioniert aus Kopf und Vorderkörper mit den 4 Beinpaaren) sowie dem Opisthosoma (Hinterleib).

Das Prosoma trägt 8 Augen, zwei sind in Bild 1 zu erkennen. Bild 2 (unten) zeigt die Vergrößerung eines einzelnen Punktauges.

Bild 2: Auge der Hauswinkelspinne, Paraffinschnitt, saggital, HE (HC PL Apo 20x/0.70, DFK 72AU, Stack aus 8 Einzelaufnahmen mit CZP)

Das Prosoma trägt auch die mächtigen Cheliceren der Spinne, die mit der Giftdrüse verbunden sind und mit denen der Beute das Gift injiziert wird. Auffällig sind die geradezu riesigen Muskelpakete der Cheliceren.

Bild 3: Chelicere der Hauswinkelspinne, Paraffinschnitt, saggital, HE (HC PL Apo 10x/0.40, DFK 72AU)

Das Gift wird in der Giftdrüse im Prosoma hergestellt, auch die Drüse ist von starken Muskeln umgeben.

Bild 4: Giftdrüse der Hauswinkelspinne, Paraffinschnitt, saggital, HE (HC PL Apo 20x/0.70, DFK 72AU)

Im Opisthosoma befinden sich viele wichtige Organe der Spinnen, beispielweise das schlauchförmige Herz, welches fast den ganzen Hinterleib durchzieht.

Bild 5: Herz der Hauswinkelspinne, Paraffinschnitt, saggital, HE (9 Einzelaufnahmen mit HC PL Apo 10x/0.40, DFK72AU, mit Autostitch zusammengefügt).

Die Komponenten der Spinnfäden werden von Drüsen (Spinndrüsen, siehe Abb. 1) im Opisthosoma der Spinnen synthetisiert und gelangen über Kanäle zu den Spinnwarzen, an denen sie austreten.

Bild 6: Spinnwarzen der Hauswinkelspinne, Paraffinschnitt, saggital, HE (HC PL Fluotar 5x/0.15, DFK72AU)

Bei der Untersuchung des Opisthosomas sind mir 3 verschiedene Organ-, Drüsen- und Gangsysteme aufgefallen, die sich auch in der Färbung unterschieden. In einem Organ waren "wurmförmige" Strukturen erkennbar, die mit Hämatoxilin stark angefärbt wurden. Anhand der vorhandenen Schnitte war die Differenzierung jedoch schwierig.
Um des Rätsels Lösung etwas näher zu kommen, wurden Schnitte von in Technovit 7100 eingebettetem Material gemacht. Aus Erfahrung mit anderen Präparaten lassen sich die Spinndrüsen(-gänge) auch anhand ihres Inhalts erkennen. Eine zweite fragliche Struktur würde ich als Keimdrüse ansprechen, in denen die Gametogenese abläuft (männliches Tier):

Bild 7: Keim- und Spinndrüsen der Hauswinkelspinne, Kunststoffschnitt, saggital, Toluidinblau (HC PL Apo 10x/0.40, DFK72AU).

Nach meiner Deutung sind bei stärkerer Vergrößerung verschiedene Stadien der Gametenreifung zu erkennen (Reifung vom Außenrand zum Zentrum der Keimdrüse). Weiß im Forum jemand, ob ich mit meiner Interpretation dieser Struktur richtig liege?

Bild 8: Keimzellen der Hauswinkelspinne, Kunststoffschnitt, saggital, Toluidinblau (HC PL Apo 20x/0.70, DFK72AU).

Worum es sich bei dem 3. (unbekannten) Organ in Abbildung 7 handelt, kann ich leider nicht entscheiden. Die folgenden Aufnahmen zeigen die fraglichen Strukturen noch einmal gefärbt mit Giemsa und Toluidinblau.

Bild 9: Opisthosoma der Hauswinkelspinne, Kunststoffschnitt, saggital, Giemsa (HC PL Apo 20x/0.70, DFK72AU).


Bild 10: Unbekanntes Organ im Opisthosoma der Hauswinkelspinne, Kunststoffschnitt, saggital, Toluidinblau (HC PL Apo 20x/0.70, DFK72AU).


Zum Abschluss dieses Postings zum Thema "Spinnen" noch einige Aufnahmen einer weiblichen Kreuzspinne. Wie bereits oben erwähnt, habe ich die Spinne im Spätherbst (nach einer ersten frostigen Nacht) eingesammelt.
Nach den Aussagen im Streble/Bäuerle wird in den Eizellen nach der Begattung "grobscholliger Dotter" eingebaut, das Volumen der Eizellen steigt auf das 10-12 fache des Ursprungzustands an. Entsprechend verdrängen die Eizellen regelrecht andere Organe im Präparat des Opisthosomas, was in der Übersichtsaufnahme auch sehr schön deutlich wird.

Bild 11: Gartenkreuzspinne, Paraffinschnitt, saggital, AZAN (n. Geidies) (77 Einzelaufnahmen mit HC PL Fluotar 10x/0.30 PH1, Leica EC3, mit Autostitch zusammengefügt)

Hier noch eine größere Darstellung aus dem Ovar.

Bild 12: Ovar der Gartenkreuzspinne, Paraffinschnitt, saggital, AZAN (n. Geidies), Einzelaufnahme PL Apo 20x/0.60 PH2, Leica EC3

Das Atemorgan der Spinnen ist die Buch- oder auch Fächerlunge, die in den folgenden Schnitten dargestellt ist.

Bild 13: Buchlunge der Gartenkreuzspinne, Paraffinschnitt, saggital, HE (14 Einzelaufnahmen mit PL Apo 20x/0.60 PH2, Leica EC3, mit Autostitch zusammengefügt)


Bild 14: Buchlunge der Gartenkreuzspinne, Paraffinschnitt, saggital, AZAN (n. Geidies), Einzelaufnahme PL Apo 20x/0.60 PH2, Leica EC3

Für Hinweise, Ergänzungen und auch Korrekturen zu den gezeigten Bildern bin ich wie immer dankbar.

Viele Grüße,
Ole

Fahrenheit

Lieber Ole,

vielen Dank für die spannende und lehrreiche Doku! Klasse gemacht.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Lothar Gutjahr

Hallo Ole,

ganz außerordentlich interessante Dokumentation mit herlichen Fotos von wohl als äüßerst selten zu bezeichnenden Schnitten. Da staune ich als Spinnenfreund und sage ganz herzlichen Dank !

Gruß Lothar

rekuwi

Lieber Ole,

obwohl ich keine Ahnung von histologischen Schnitten habe kann ich nur sagen: bewunderungswürdig!
Diese vielen Arbeitsschritte die notwendig sind um diese Bilder hier zeigen zu können. Erstaunlich welch komplizierte und vielfältige Organe die Spinnen haben.

Prima Lehrstück, da bekomme ich als große Liebhaberin von Spinnen noch mehr Ehrfurcht vor diesen Tieren.

Herzlichen Dank und
liebe Grüße
Regi

Bernhard Kaiser

#4
Hallo Ole,

besten Dank für diese lehrbuchhafte Arbeit!

Freundliche Grüße
Bernhard Kaiser

(sagittal)

Herbert Dietrich

Hallo Ole,

herzlichen Dank für den tiefen Einblick in das LEBEN AM SEIDENEN FADEN.

Viele Grüße
Herbert Dietrich

Ole

Hallo zusammen,
vielen Dank für die netten Kommentare!  :)
Viele Grüße,
Ole

Johannes_Es


schuppi

Hallo,
genau das ist der Grund, warum ich bereits seit einem Jahr regelmäßig das Forum durchackere, und nur exemplarisch bei diesem Beitrag für alle anderen Beiträge schreiben will:

Vielen Dank für diese wertvolle Arbeit mit diesen phantastischen, hochprofessionellen Bildern mit den passenden Erläuterungen. Die Qualität ist wirklich einzigartig und einmalig.
DFK 72AUC02 an
- Motic BA310 Trino LED
- Motic SMZ-168 Trino LED
Web-Site: http://www.mikroskopie-bilder.de

Ronald Schulte

#9
Ole,

Sehr interessant mal was Histologie zu sehen von ein Tier die Mann nicht schnell in Coupes schneidet denke ich!

In Bild 8 aber meine ich auch die Spermatogenese zu erkennen. Sogar meine ich, in die sechs Uhr Position, einige Miteiosen zu sehen.


Grüße von ein Technovitfan, Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Holger Adelmann

Hallo Ole,
Kompliment zu diesem sehr interessanten Beitrag und den tollen Schnitten.
Ich habe ja schon seit einiger Zeit selbst keine Histologie mehr gepostet aber was ich hier von Dir sehe macht wirklich Appetit.
Die Kunststoffschnitte sind besonders toll - sind damit Zerreissungen der Chitinhülle ein für alle Mal vorbei?

Herzliche Grüsse
Holger

Ole

Hallo Holger,
ein Hauptargument für die Verwendung von Technovit in diesem Fall war in der Tat, die Probleme durch das Chitin möglichst zu minimieren. Nun habe ich keine umfangreiche Serien mit verschiedenen Präparaten gemacht, aber bei der Kunststoffeinbettung waren deutlich mehr nutzbare (und intakte) Schnitte angefallen. Dafür habe ich aber andere Überraschungen erlebt, so ließ sich z.B. die Buchlunge mit Giemsa oder Toluidinblau nur ganz minimal anfärben, während das restliche Präparat die Farbe sehr kräftig angenommen hat.
Bei den Paraffinschnitten hatte ich zudem deutlich mehr Erfolg, wenn ich von dem (weichen) Opistho- in Richtung (hartes) Prosoma geschnitten habe (ein Tipp von der Leica Website), statt (instinktiv) andersherum zu schneiden. Aber für schwierige Fälle mit Chitin ist Technovit sicherlich eine gute Lösung.
Viele Grüße,
Ole