Schöllkraut (Chelidonium majus) – lange gesucht und dann doch noch gefunden *

Begonnen von Rolf-Dieter Müller, September 11, 2012, 23:19:01 NACHMITTAGS

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Eckhard

Lieber Rolf-Dieter,

Wunderschön kräftige, leuchtended Farben - so gefällt es mir!

Herzliche Grüsse
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
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Rolf-Dieter Müller

@Eckhard und @Jan, vielen Dank für Eure Anmerkungen, die ich gerne ergänzen und beantworten möchte, doch zuvor zeige ich ein weiteres Kristallisationspräparat vom Milchsaft des Schöllkrauts.

Hierfür habe ich von der zuletzt erhaltenen Pflanze (von Mila) den aus einem Stängelanschnitt austretenden Milchsaft auf einen Objektträger getupft (es war noch nicht einmal ein Tropfen, nur pünktchenweise aufgetupfter Saft) und mit ein wenig an einem Glasstab anhaftenden 70% Ethanol verdünnt. Unter Deckglas kristallisierte dann bei Zimmertemperatur aus. Der Milchsaft war deutlich orangefarbener als bei der ersten von mir selbstgefundenen Probe (mehr gelblich).


Bild 7 – Milchsaft vom Schöllkraut (Chelidonium majus). Oben Polaufnahme (Halogenlicht). Unten Auflichtfluoreszenz (Blauanregung 470 nm / 700 mA, Emission 515 nm) = Primärfluoreszenz, Autofluoreszenz. Für beide Aufnahmen Zeiss 20x/0,5 PlanNeofluar und Projektiv 1,6x als Kameraadapter.

Und nun zu meinen Antworten.

@Eckhard, ja die Farben gefallen auch mir gut. Sie wirken wie hier besonders im Halogenlicht, weil auch noch Reste der primärfluoreszierenden Inhaltsstoffe mitwirken und das zusätzlich zu den fluoreszierenden Eigenschaften der verwendeten Farbstoffe.

@Jan, ich denke es gibt mehrere gute Gründe, warum das Rot nicht auszieht. Meine Erklärung zähle ich einfach mal auf:


  • Der Schnitt ist hinreichend dick. Bei Schnitten <30 µm kann das Acridinrot etwas blass wirken
  • Durch die Überfärbung von ca. 20 Minuten hat der Farbstoff genügend Zeit und Ruhe in das Gewebe einzudringen bzw. sich anzulagern. Dabei kommt es nicht unbedingt auf die Konzentration der Farblösung an. Die Zeit macht es. Im Extremfall kennen wir das ja von der Etzoldfärbung. Die schönsten Ergebnisse erzielt man, wenn mit einer bis zur Farblosigkeit verdünnte Etzoldlösung 24 Stunden gefärbt wird.
  • Anfangs erwärme ich auch die Farblösung in dem der Schnitt liegt, wobei das Gewebe aufnahmefähiger für die Farben wird.
  • Es ist der fortgeschrittene Vegetationszyklus (Spätsommer, Herbst) mit immer mehr auslignifiziertem Gewebe, das ,,Holzfarbstoffe" deutlich besser aufnimmt und auch das Acriflavin besser hält (Acridinrot + Acriflavin ergibt erst den intensiven Rotton). Wir können das auch sehr gut an den letzten Schnitten von Hans-Jürgen Koch und Jörg (Fahrenheit) sehen, in denen unter anderem Fuchsin in Kombination mit Chrysoidin intensiv färbt.
  • Acridinrot färbt eigentlich immer kräftiger als andere bekannte ,,Holzfarben".
  • Vielleicht trägt auch die mit 30% Ethanol beginnende anfangs leichte Differenzierung zur Stabilisierung bei. Dieses ist aber nur eine Hypothese, beweisen kann ich es nicht.

Ich denke die Summe der beschriebenen Merkmale ist es.

Ich weiß nicht ob Du Dich erinnerst, aber vor ein paar Jahren hatte ich Dich einmal zum Dujardin-gefärbten Rudbeckia-Schnitt befragt, der zeitlos schön immer noch auf den Seiten von Klaus Henkel zu sehen ist.

Es ging dabei um den Zusatz von Alaun (als Beizstoff) beim Ansatz von Acridinrot. Soweit ich mich erinnern kann, bemerktest Du ohne Alaun-Zusatz zu färben und das Acridinrot (fast) genauso gut aufzieht. Dieses ist auch ein weiterer Grund, der guten Färbeeigenschaft von Acridinrot zu vertrauen.

,,Entscheidung ist aber immer auf dem Platz", das heißt das Ergebnis zählt mit der eindeutigen farblichen Trennung von Gewebe unterschiedlicher Ausprägung. Und das ist mit dem gezeigten Schnitt erreicht.

Im Übrigen, ein entscheidener Nachteil meines Vorgehens ist, das ich durch die Differenzierung bei den Wacker-Farbstoffen viel Acriflavin verliere und dadurch nicht-lignifizierte Zellwände nicht so ausgeprägt differenziert in Grün- und Blautönen färbt so wie wir es zum Beispiel von Eckhard's Färbungen kennen. Der Grünton kommt von der gleichzeitigen Färbung von Acriflavin und Alcianblau bzw. Astrablau was ja Eckhard lieber vorzieht.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Klaus Herrmann

Lieber Rolf-Dieter,

mir gefallen natürlich deine Krisatallisationsversuche und ihre Gegenüberstellung in Pol und Fluoreszenz ganz besonders!
Wenn ich das richtig sehe sind die braunen Kristallaggregate nicht doppelbrechend - im Pol sind sie dunkel.

Noch eine Frage zu den intensiv fluoreszierenden flüssigen Bestandteilen: was passiert bei längerem Stehen? Kristallisiert dann da auch was?
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Jan Kros

Lieber Rolf-Dieter
Herzlichen Dank für diesen Auskunft
Ich werde das auch mal ausporbieren
Herzlichen Gruss
Jan

Rolf-Dieter Müller

Zitat von: Klaus Herrmann in September 18, 2012, 11:08:47 VORMITTAG
...
Noch eine Frage zu den intensiv fluoreszierenden flüssigen Bestandteilen: was passiert bei längerem Stehen? Kristallisiert dann da auch was?

Lieber Klaus,

bisher habe ich nur frischen Milchsaft verarbeitet, unverdünnt dickt er recht schnell ein und trocknet. Damit erkläre ich auch die Funktion als Wundverschluss.

Ich werde aber einmal mit Ethanol und zum anderen mit Wasser verdünnten Milchsaft ansetzen und über eine längere Zeit die Fluoreszenz beobachten. Zwischenzeitliche Nachschau geht ganz gut, wenn man nur eine Spur von Flüssigkeit auf Zellstoff (z.B. Kosmetiktuch) tupft und mit Schwarzlicht in abgedunkelter Umgebung beleuchtet (zum Beispiel mit einer kleinen Lampe zur Geldscheinprüfung).

Wenn Du nicht dieses Basis-Set zur Kristallisation angeboten hättest (was ich ja auch habe) und Rainer Teubner mich nicht auf die hochinteressante Mikrokosmos-Artikelserie über Alkaloide aufmerksam gemacht hätte, wäre nachstehendes Kristallpräparat gar nicht entstanden.

Hierfür habe ich wieder eine Spur Milchsaft auf einen Objektträger getupft und mit Salzsäure (HCl) verrieben. In der o.g. Literatur wird von konzentrierter Salzsäure gesprochen, mangels Beschaffbarkeit habe ich 25%ige Salzsäure aus dem Baumarkt genommen.

Unter Deckglas zeigt es das Ergebnis nach 36 Stunden bei Zimmertemperatur. Der Prozess ist noch nicht vollständig abgeschlossen, aber am Deckglasrand sind schon recht schöne Alkaloide auskristallisiert.


Bild 8 – Milchsaft vom Schöllkraut (Chelidonium majus) mit HCl verrieben und zum Teil auskristallisiert. Oben Hellfeldaufnahme (Halogenlicht). Unten Polaufnahme (Halogenlicht). Beide Aufnahmen mit Zeiss 40x/0,75 PlanNeofluar und Projektiv 1,6x als Kameraadapter.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Mila

Lieber Rolf-Dieter,

wunderschön!!!

Ich bin begeistert, was diese HP zu bieten hat,
herzliche Grüße
Mila

Klaus Herrmann

Lieber RD,

du wirst noch ein richtiger Alkaloidchemiker!  ;)

Schöne Kristalle!

ZitatRainer Teubner mich nicht auf die hochinteressante Mikrokosmos-Artikelserie über Alkaloide aufmerksam gemacht hätte

# Rainer kannst du die Literatur-Angaben dazu bitte öffentlich machen? Danke!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Rolf-Dieter Müller

#22
@Mila, ich bin auch überrascht, was man mikroskopisch noch alles herausholen kann, besonders fasziniert mich die Kristallisation von Naturstoffen. Und wenn ich da vielleicht mit der einen oder anderen Probe aus Deinen beieindruckenden Heilpflanzengarten zurückgreifen könnte? Eigentlich schade das die Vegetationsperiode bald durch ist. Trotzdem, für den Winter habe ich schon einige andere Ideen.

@Klaus, folgende Hinweise auf Mikrokosmos-Artikel habe ich von Rainer erhalten, die eine Vielzahl von Anregungen zu Alkaloiden in Pflanzen enthalten:


  • Kratzman, E.: Der mikrochemische Nachweis der Alkaloide. Mikrokosmos Band 16(7), S. 121 - 124, (1922/1923).
  • Kratzman, E.: Die Alkaloide von Chelidonium majus L. (Schöllkraut). Mikrokosmos Band 17(11), S. 176 - 178, (1922/1923).

Leider stehen mir Originalarbeiten nicht zur Verfügung. Aber ich möchte sie der Vollständigkeit noch ergänzen, da sie im zuletzt genannten Mikrokosmos-Artikel erwähnt sind:


  • Pharmazeutische Monatshefte, Wien I., 6. Jahrgang 1922/23 (April/Maiheft)
  • Kratzmann, E., Mikrochemische Studien über die Alkaloide von Chelidonium majus, II.: Die Verteilung der Alkaloide in der Pflanze. Pharmazeutische Monatshefte, Wien. 1924, Juliheft.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Klaus Herrmann

Lieber Rolf-Dieter,

danke für die Veröffentlichung der Literaturstellen! Rainer hatte sie mir freundlicherweise auch schon geschickt. Sind ja ältere Hefte des Mikrokosmos und deshalb sicher den wenigsten zugänglich.

Ein klassisches Buch aus der Zeit ist die Mikrochemie der Pflanze von Hans Molisch, das mir in der 3. Auflage von 1923 vorliegt. Er beschreibt die Kristallisation der verschiedenen Alkaloide als Salze der Salzsäure, so, wie du das auch gemacht hast. Seiner Beschreibung könnte dein Bild Nr 7 als Vorlage gedient haben! Interessant ist seine "Räuchermethode: ein Tropfen Saft auf OT wird nach unten hängend über ein Gefäß mit konz. HCl gelegt und durch die HCl-Dämpfe angesäuert. Da wachsen dann auch schöne Kristalle.

Aber die beiden Artikel im Mikrokosmos sind aber sonst ausführlicher.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Rolf-Dieter Müller

Klaus, sollte es mir gelingen an die Beiträge aus den Pharmazeutischen Monatsheften zu kommen, werde ich Dich auch berücksichtigen.

Nachstehend zeige ich noch ein Arbeitsbild. Ich wollte in einem Stängelanschnitt den fluoreszierenden Milchsaft lokalisieren und zwar so, dass durch die Präparation möglichst wenig in einem Schnitt verschleppt wird (@Mila, recht herzlichen Dank für die neue Probe). Das heißt dicker schneiden und keine Flüssigkeiten verwenden.

Hierfür habe ich ein Schöllkraut-Stängel angeschnitten und dann von dem Stängel mit einer frischen scharfen Rasierklinge ein 5 mm langes Stück getrennt. Am ersten Anschnitt trat reichlich Milchsaft aus, was man u.a. für ein Kristallisationspräparat gut nutzen könnte. Aufgenommen wurde aber die gegenüberliegende Seite, wo das Gewebe nicht zu sehr mit Milchsaft überflutet wird.

Das Stängelstückchen wurde senkrecht auf ein Objektträger fixiert und im Auflicht ohne Deckglas mikroskopiert. Die orangefarbenen Stellen lassen auf den ebenfalls orangefarbenen Milchsaft schließen.


Bild 9 Schöllkraut (Chelidonium majus), angeschnittener Stängel, Auflichfluoreszenz mit Blauanregung, Zeiss 5x/0,16 Plan-Apochromat, 1,6x Projektiv.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter