Bunte Niere im Rasterelektronenmikroskop

Begonnen von CaDi, September 24, 2012, 21:39:38 NACHMITTAGS

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CaDi

Oder: Niere im Rasterelektronenmikroskop, bunt.

Zu sehen ist Nierengewebe bei ca. 3000x Vergrößerung. Die grüne Rutsche ist ein Sammelrohr, die
erhabenen Zellen Schaltzellen. Hier werden für den Flüssigkeits- und Sauren/ Basenhaushalt wichtige
Einstellungen am Harn vorgenommen.
Der Querschnitt unten (grün) mit Bürstensaum ist ein proximaler Tubulus. Hier wird eine besonders große
Masse an Stoffen aus dem Primärharn rückresorbiert, der Bürstensaum (viele Mikrovilli) vergrößert dafür
die Oberfläche.

Wer findet die 3 Erythrozyten? Warum sieht einer so komisch aus ;-) ?

Das Bild ist aus 7 Bildern in Graustufen entstanden, zusammengefügt in Photoshop CS4. Für die Fotos habe
ich alleine schon 2-3 Stunden gebraucht, das Rastern dauert etwas. Bei einem Bild wäre die Auflösung nicht
hoch genug gewesen, in dieser Form ist es auch auf 80x60cm scharf.

Der Zusammenfügen war kompliziert, ich musste die scharfen Ebenen aufeinander abstimmen. Ideal ist es
auch immernoch nicht, aber ich kann damit leben (für mein zweites richtiges REM-Werk).

Das Colorieren habe ich auch per CS4 gemacht. Insgesamt waren es ca. 40 Ebenen.

(die fast fertige Version, eine Kleinigkeit habe ich noch geändert, ist aber auf meinem Laptop in der Uni)

CaDi

Ups...da habe ich eben die falsche Version hochgeladen, nun ist das (fast) fertige Bild zu sehen.

Kurt Wirz

Hallo CaDi
Ein sehr informatives Bild mit sehr vielen Detais.
Wissenschaftlich vermutlich sehr aussagekräftig (da kenne ich mich nicht aus).
Was mich interessieren würde, ist:
Die Farbgebung, weisst du wie die original Farben sind?
Oder ordnest du die Farbgebung, so wie in der Mikroskopie,
bedingt durch Färbmethoden den einzelnen
unterschiedlichen Bereichen zu?
Dienen somit die Farben, wie bei einer
TemperaturKamera Aufnahme, "lediglich" der Information?

Gut Licht

Kurt

CaDi

Hallo Kurt,

die Farben habe ich aus ästhetischen Gründen gewählt, man kann sich
so natürlich auch besser orientieren.
Eine natürliche "Farbe" des Gewebes kenne ich nicht.

Problematisch ist dabei immer auch die (natürlich sehr subjektive) Interpretation
der Morphologie. Da es sich hier nur um die Oberflächen handelt, können Zellgrenzen
und unterschiedliche Gewebe nur schwer zugeordnet werden.

Gutes Vakuum wünscht
Carsten

Eckhard F. H.

Hallo Carsten,
elektronenmikroskopische Bilder von organischer Substanz verwundern mich immer wieder. Warum ´zerplatzen´ biologische Struktur im hohen Vakuum nicht. Ich habe schon elektronenmikroskopische Aufnahmen völlig unversehrter Pilzsporen gesehen. Die müßten sich doch aufblähen oder gar platzen? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß hohes Vakuum biologische Strukturen unverändert läßt.
Gruß - EFH

Detlef Kramer

Lieber Eckhard,

Deine Vermutung trifft natürlich zu, so weit es sich um unpräpariertes Gewebe handelt. Carsten hat über die Probenvorbereitung nichts ausgesagt, aber ich vermute, das Gewebe war gefriergetrocknet.

Deine Pilzsporen sind auf Grund der harten Zellwand robuster, als Du denkst!

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Eckhard F. H.

#6
ZitatDeine Pilzsporen sind auf Grund der harten Zellwand robuster, als Du denkst!
Lieber Detlef,
sei bedankt für den Präparationsverweis. Das würde einiges erklären. Die Außenwand von Pilzsporen mag zwar stofflich lederstabil und auch dicht sein, aber wenn sie sich aufgrund austrocknenden Wassers zusammenballen, deformieren sie einander trotzdem stark. Wie Luftballons gefüllt mit Wasser. Wäre ihr Inners gasfrei, könnte äußeres Vakuum ihnen freilich nichts anhaben.
Gruß - Eckhard

peter-h

Liebe REM Freunde
nicht nur an die "alten" REMs denken, die Entwicklung ging weiter. So sind mit einem  Environmental scanning electron microscope (ESEM) durchaus Drücke von etlichen hPa möglich. So kam es schon zu Aufnahmen von lebenden Kellerasseln.

Meine Bilder der Amphipleura pellucida konnte ich ohne jede Vorbereitung der Proben direkt ins Gerät bringen. War ein Hitachi S-4800. Da werden mögliche Artefakte ausgeschlossen. Hingegen sind sehen meine Versuche an anderen REMs mit einer Gold- oder Gold/Palladiumschicht besputtert recht verschmiert aus. Das Hitachi kann Glasoberflächen ohne Vorbehandlung abtasten!

Gruß
Peter

Günther Langer

Das können die Geräte der Zeiss EVO Serie auch.

Grüße

GÜnther L.
Zeiss Standard WL, 14 und Phomi II
Zeiss DRC und SV 8
Leitz Laborlux 12
Makro-Setup: Leitz Aristophot mit Balgen u. StackShot
Nikon D90, D700, Canon EOS 600D, EOS 5D Mark III
Suche: Leitz Photar 12,5 mm

reblaus

Hallo Eckhard -

Irgendwo muss ich noch Fotos von pilzbefallenem Pflanzengewebe haben, die folgendermaßen zustande kamen:

Wenn man das Gewebe mit flüssigem Stickstoff abkühlt (matschiges Propanol als Kälteüberträger um den Leidenfrosteffekt zu vermeiden) und in der Mikroskopkammer durch eine geeignete Vorrichtung weiter möglichst kühl hält, kann man es ohne weitere Behandlung ein paar Minuten im normalen REM untersuchen ohne dass Zellen platzen oder sich auch nur deformieren, weil der Dampfdruck des Zellwassers bei dieser Temperatur sehr niedrig ist - sozusagen Anfangsstadium der Gefriertrocknung. Begrenzt wird die Sache durch die elektrische Aufladung des Objektes (mangels Vergoldung) und den Zusammenbruch des Vakuums.


Viele Grüße

Rolf

TPL

... nichtleitende Oberflächen unpräpariert abbilden kann in der Tat heute praktisch immer irgendein Gerät jeder EM-Firma. Das sind typischerwise die Geräte, die für geringe Anregungsspannung ausgelegt sind und die mit einem "schmutzigen" Vakuum (beides abgekürzt mit LV), auskommen, also keinem Hochvakuum, wie bei klasischen REM.

Ein ESEM (das ist ein eingetragener Name eines großen Herstellers!) ist aber noch mal eine ganz andere Nummer: wie Peter schreibt, kann man die Proben da ungetrocknet einbringen. Noch irrer: damit der ESEM-Detektor überhaupt ordentlich funktioniert, braucht dieses Monstrum einen Erlenmeyerkolben voll Wasser (!) aus dem bei zur geringem (!) Kammerdruck wieder ein bisschen geschlürft wird.

Damit bleiben nicht nur die besagten Insekten (ich meine, es waren Milben) am Leben, sondern das Ganze eignet sich auch als Labor für Benetzungs- und Trockungsexperimente. Das ist schon ein enormer Fortschritt gegenüber klassischen REM.

Gruß, Thomas

@ Carsten: tolle Bilder; egal mit welchem Gerät!

Peter V.

#11
Hallo,

ZitatDie Farbgebung, weisst du wie die original Farben sind?

Eine durchaus interessante Frage, die aber vermutlich niemand beurteilen kann. Erstens sind alle Methoden der lichtmikroskopischen Beobachtung mit einer Präparation (Fixierung, Färbung etc. ) verbunden, zweitens dürfte natürlich eine einzelne Zelllage eine andere Farbe haben als meherer Zellagen.
Ich denke, diese Frage kann man schlichtweg nicht beantworten.

@Carsten: Was mich aber interessieren würde: Wir funktioniert überhaupt die Colorierung von REM-Bildern? Wie nimmst Du (technisch, meine ich) die Auswahl der einzelnen Strukturen, denen Du eine unterschiedliche Farbe geben willst, vor? Für den Hausgebrauch reicht es zwar, abe rich bin kein allzu großer PS-Experte. Ich wüsste nicht, wie ich die viele feinen Strukturen "auswählen" könnte und wie ich es schaffen könnte, in dem mikroskopischen Grand Canyon die ganzen "schwarzen" Löcher von den "Erhebungen" zu trennen.  Kannst Du mal mehrere einzelne Ebenen zeigen bzw. uns das Vorgehen erläutern?
Werden REM-Bilder generell mit Photoshop und Co. coloriert oder gibt es da gar ganz spezielle Programme?

Hezrliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Ronald Schulte

Carsten,

Wahnsinn!
Für mich ein Gans andere, aber schöne, Welt. Wundere mich das die Bilder so scharf sind! Da kommt das Orthoplan nicht mit.

Was den Erythrozyt betrifft: ich erkenne es aus ein ausstrich,da sehen sie auch manchmal aus wie Sterne. Vielleicht ein Fixierungsartefakt oder Osmose-Artefarkt mit Höhe Konzentrationen Aceton?
Bin neugierig was es ist!

Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

CaDi

#13
Das Gewebe wurde perfusionsfixiert und anschließend über eine aufsteigende Ethanol-Reihe entwässert.
Die vollständige Entwässerung wurde mit einer kritisch-Punkt-Anlage durchgeführt. Dabei wird das Gewebe
mit flüssigem CO2 infiltriert, welches dann bis zum gasförmigen Übergang erhitzt wird. Dadurch
wird das Gewebe plötzlich vollständig getrocknet.
Um das Gewebe leitfähig zu machen wurde es mit Gold- Palladium bedampft (gesputtert).

Zur Colorierung werde ich im Laufe des Tages einige Bilder zusammenstellen, soviel schonmal vorweg:

1) Rohbild erstellen mit Photoshop CS4: Durch die Option Automatisieren-> "Merge" habe ich Ausschnitte aus
7 Bildern zusammenfügen lassen. Das geht auch mit anderen Programmen, aber ich ziehe Photohop vor.

2) Tonwertkorrektur/ Gradiationskurve/ Unscharfmaske bis das Bild schon kontrastreich erscheint

3) Colorieren
Das habe ich mal eher zufällig bei CS4 herausgefunden, dazu gibt es aber auch einige Anleitungen im Internet.
Hier habe ich mir das mit den Ebenen abgeschaut:
http://www.youtube.com/watch?v=pL8oLKKC1TQ
Es wird eine Ebene erstellt und eingefärbt (Farbton/ Sättigung). Mit dem Füllwerkzeug färbe ich dann den Hintergrund
"schwarz", dadurch verschwindet die eingefärbte Farbe. Wenn ich nun mit dem weißen Pinselwerkzeug eine Struktur
ausmale, nimmt diese die neue Farbe an.

Wichtig ist auch die Reihenfolge der Ebenen. Die einzelnen Ebenen kann man markieren und in ihrer Ordnung verschieben.
Dadurch kann bestimmt werden, was oben oder unten liegt.

Das wird in dem Video alles sehr schön gezeigt. Mehr muss man eigentlich auch nicht wissen. Es gibt aber auch ein paar
Tricks um das Ergebnis zu optimieren.

- Angepasste Kanten: REM-Aufnahmen haben idR. scharfe und unscharfe Bereiche. In diesem Fall habe ich viele scharfe
Ebenen verwendet, mein alter Erythrozyt hatte einen deutlichen unscharfen Hintergrund:


In unscharfen Bereichen sollte man den Pinsel in der Härte anpassen, also einen eher großen Pinsel mit geringer Härte benutzen.
In scharfen Bereichen, oder um Objekte etwas abzugrenzen, bietet sich ein kleiner Pinsel mit hoher Härte an. Beim Erythroyzten
habe ich in der oberen Hälfte eine fast zu harte Kante erzeugt, dadurch hebt er sich aber auch besser vom Hintergrund ab.

- Stark heranzoomen und hohe Auflösung benutzen: 2 zusammengefügte Bilder sind besser als 1 Bild, 7 (wie in diesem Fall) natürlich
ebenso. Selbst im DINA4-Format macht sich die hohe Auflösung bemerkbar. Wer ein gutes REM hat kann evtl. direkt mit guter Auflösung
rastern, mir standen "nur" 2048x2048 Pixel (max.) zur Verfügung.
Dadurch kann man per CS4 bei starker Vergrößerung und einzeln sichtbaren Pixeln colorieren. Das dauert natürlich entsprechend lange,
lohnt sich aber auch.

- Tastenkürzel verwenden: Mit "X" kann man zwischen Primärfarbe und Sekundärfarbe wechseln, z.B. Schwarz und Weiß. Wenn man über
einen Rand hinaus coloriert hat, kann man entspreechend schnell korrigieren. Das erleichtert die Arbeit enorm. Mit Mausrand + alt bzw.
Leertaste und der Maus kann man sich schnell in dem Bild bewegen.

- Grautöne verwenden: Die Stacheln des Erythrozyten (Ronald hatte Recht, ich denke auch dass es sich um einen Stechapfel-Ery handelt, artifiziell geschrumpft) habe ich separat mit Grautönen coloriert. Durch diese Grautöne färbt man mit der eingestellten Farbe in unterschiedlicher Helligkeit. Die Spitze ist sehr hell, die Basis eher dunkel. Dafür habe ich 4-5 feste Abstufungen (10% Schritte) gewählt.

- Überlappende Kanten: Wenn eine Farbe direkt an eine andere Farbe grenzt, ergeben sich manchmal unschöne Spalten. Mit einem etwas größeren Pinsel und geringer Härte kann man in diesem Fall extra über die gewünschte Kante hinaus colorieren. Dadurch ergeben sich schöne homogene Kanten.

- Viele Ebenen mit ähnlichen Farben: Je mehr ähnliche Farben man benutzt (z.B. Grüntöne oder eher erdige Farben), desto stimmiger wirkt das
Bild. Beim Ery waren es 3 Ebenen mit knalligen Farben. Die Niere hat ca. 40 Ebenen mit ähnlichen (erdigen: eher dunkel bei hoher Sättigung) Farben.

- Eine Hintergrundfarbe: Um sich das Colorieren vieler kleiner Strukturen zu ersparen (bei der Niere die ganzen feinen Kollagenfasern), habe ich die dunkelgelbe Hintergrundfarbe gewählt. Die anderen Ebenen liegen jeweils über diesem Hintergrund.

- Ähnliche Strukturen separaten Ebenen zuordnen: In diesem Fall sind die Schaltzellen im Sammelrohr (die etwas dunkleren Zellen in der grünen Rutsche) einer Ebene zugeordnet. Besser wäre für jede Zelle eine Ebene. Dann könnte man die Farbe der Umgebung individuell anpassen. Das macht kaum mehr Arbeit, man erhält aber mehr Möglichkeiten.


Später werde ich noch einige Bilder mit einzelnen Ebenen zeigen.

Wenn jemand ein schönes REM-Motiv hat, kann ich es für ihn auch mal testweise colorieren. Dann hätte ich was für heute Abend zu tun :-)

Viele Grüße,
Carsten

rhamvossen

Hallo Carsten,

Ich weiss, die farben in EM sind natürlich für die Übersichtlichkeit, aber Erythrozyten werden oft zu rot angezeigt in EM Bilder. Erythrozyten sind eher rosa dan so tief rot, wie man auch sehen kann mit der Lichtmikroskop. Beste Grüsse,

Rolf