Schrittmotorsteuerung des Fokustriebs, auto-stacking, und 3D Rekonstruktion

Begonnen von Holger Adelmann, November 07, 2012, 18:37:22 NACHMITTAGS

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Holger Adelmann

Liebe Kollegen,

da das automatische Stacken hier im Forum schon so oft Gegenstand von angeregten Diskussionen und Eigenbau-Projekten war, möchte ich heute ein Beispiel posten, welches ich bereits Mitte der 90er Jahre entwickelt habe und 1997 in der Leitz Mitteilungen f. Wissenschaft und Technik publiziert hatte.

Mit Hilfe eines hier wohlbekannten Freundes mit Werkstatt habe ich die mechanische Anpassung ans Orthoplan einfach und wirkungsvoll umsetzen können - in einer Weise, die nach wie vor auch noch eine manuelle Bedienung des Fokusantriebs an der Seite des angeflanschten Motors ermöglicht.

Die Elektronik habe ich mittels einer fertigen Steuerung des Schrittmotor-Herstellers ebenfalls flugs realisiert. Ansteuerung via Parallelschnittstelle.
Etwas länger dauerte die Software (low-level Motorsteuerung via C-dll mit inline Assembler Befehlen, sowie User-Interface mittels Visual Basic).
Das User-Interface ermöglichte die Einstellung von Start- und Endposition des Stacks, sowie der Schrittweite und hat nach jedem Schritt einen Trigger zur Kamera gegeben, welche dann pro Schritt automatisch ein Bild aufgenommen hat - ich konnte also nach der initialen Einstellung ins Kino gehen   8)

Damals gab es sowas eigentlich - abgesehen von einigen wenigen Unis - kaum, stacking-Software wie wir sie heute kennen ebenfalls nicht, und 3D Rekonstruktionen waren ganz am Anfang. Daher bekam ich auf meinen Artikel damals eine Flut an Anfragen und habe nur noch wenige Sonderdrucke uebrig, was mich natuerlich sehr gefreut hat.

Nach Freigabe durch Leica in Wetzlar haben Jörg Weiss und ich den Artikel nun auf der MKB Webseite zum freien Download bereitgestellt:
http://www.mikroskopie-bonn.de/_downloads/leitz_mitt_wisstech_okt1997.pdf

Falls weiteres Interesse besteht, kann ich gerne noch hier ein paar Ergebnisse (Bilder und animierte Video-Clips) zur 3D Rekonstruktion von damals posten.

Herzliche Gruesse
Holger




Florian Stellmacher

#1
Lieber Holger,

vielen Dank für diesen hochinteressanten Einblick in die Anfangzeit des Stackens! Der Begriff "optische Tomografie" beschreibt sehr gut, was Du hier realisiert hast. Mir sind dreidimensionale Rekonstruktionen neuroanatomischer Strukturen erinnerlich, die darauf basierten, Großschnitte auf Glaspaltten aufzuziehen und dann in einem Gestell in definierten Abständen übereinander zu legen. In der Anatomie der Charité steht sogar ein großes Modell aus Buchenholz. Das Verfahren, das Du 1997 publiziert hast, überträgt die Fragestellung in den mikroskopischen Bereich und löst das Problem auf eleganteste Weise - und dazu bereits automatisiert. Toll!

Vielen Dank und herzliche Grüße,
Florian

EDIT: Ach ja, natürlich würde ich gerne Bilder und Videos, die mit diesem Aufbau entstanden sind, sehen!
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

purkinje

Hallo Holger,

möchte mich Florian anschließen und Interesse an den Bildern & Videos bekunden; schöne Idee mal so etwas hier vorzustellen.
Die voxelbasierte Morphometrie hat ja auch etwa ab dieser Zeit Einzug z.B in die moderne Hirnforschung gehalten; wobei dabei ja z.B. kernspintomografische Aufnahmen (2-dimensional) zu 3-dimensionalen Gebilden verrechnet und analysiert werden.
Beste Grüße
Stefan

Holger Adelmann

Hallo Florian & Stefan,

vielen Dank für Euer Interesse. Ich werde Euch beiden Links via PN zusenden, wenn ich die Bilder und Videos zu den 3D Rekonstruktionen ins Netz gestellt habe.

Herzliche Grüsse
Holger


Florian Stellmacher

Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Fahrenheit

Lieber Holger,

dem Wunsch von Florian und Stefan nach weiteren Bildern, die mit dem von Dir beschriebenen Aufbau erstellt wurden, schließe ich mich gerne an!

Zitat... wenn ich die Bilder und Videos zu den 3D Rekonstruktionen ins Netz gestellt habe.
Dann aber bitte mit einem kleinen Text drumherum ....  ;D

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Rolf-Dieter Müller

Guten Morgen Holger,

Dein Steuerungskonzept ist wirklich beeindruckend, das mit der modularen Umsetzung der Schnittstellen zeitlos flexibel ist.

Besonders Dein machinennaher Programmcode, ein Vergnügen diesen zu lesen, denn so verschieden ist die heutige Mikrocontroller-Progammierung immer noch nicht.

Vielen Dank, das Du den Artikel auch auf diesem Weg veröffentlicht hast.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Guy Marson

Hallo Holger,

Wirklich eine super Idee! Immer noch up to date!

Zitat"Slicer erzeugt nun selbsttätig alle zwischen den Keyframes liegenden Ansichten, was je nach Rechner und Datensatz bis zu einigen Stunden dauern kann."

Würde diese Berechnung mit heutiger Hardware schneller laufen?

Das Verfahren selbst wäre der "DGS" (Deutsche Gesellschaft für Stereoskopie) damals sicher einen Preis wert gewesen!

Ein schönes WE,

Guy

Holger Adelmann

#8
Allen danke für Euer Interesse  :)
Hier kommen noch ein paar Beispiele.

@ Guy, ja natürlich, mit moderner Hardware läuft das viel schneller - ich hab Slicer sogar unter Vista zum laufen bekommen.

Herzliche Grüsse
Holger

Hier nochmals ein Rendering der Gliazelle mit "Cutout" in etwas besserer Qualität:



Hier ein Stereopaar - Guy hat das auch für die Anaglyphenbrille gerendert, vielleicht zeigt er es hier noch?



Die Movies (sorry für die Qualität, aber die Stacks sind recht gross und beim Rendern für Youtube geht doch einiges verloren).

Erstes Filmchen: Raw-Stack, direkt nach der Acquise (nicht jede Ebene ist gezeigt):
http://www.youtube.com/watch?v=Cn0elMUwFWs&feature=plcp

Zweites Filmchen: 3D Rekonstruktion im 360 Grad "Flug" - nicht zu vergessen, das war der technische Stand vor 15 Jahren.
http://www.youtube.com/watch?v=rehWvMQQ2Vc&feature=plcp


Holger Adelmann

... hier noch wie versprochen das von Guy erzeugte Anaglyphenbild.

Viel Spass beim Anschauen und nochmals danke an Dich, lieber Guy.
Holger




Florian Stellmacher

Lieber Holger,

vielen Dank für die Ergänzung Deines Beitrags.

Gerade die Bewegung der 3D-Rekonstruktion im Raum liefert zusätzliche Informationen. Wenn man Menschen, die eigentlich keine nähere Beziehung zur Histologie haben (z.B. klinisch tätige Kollegen, denen ich auf diversen Konferenzen Fotos histologischer Schnitte vorstelle), ein Mikrofoto eines Schnittpräparates erklärt, ergeben sich im Wesentlichen zwei Probleme: 1. das Verständnis für die Dimensionen, in denen man sich bewegt (daher zeige ich inzwischen auch gerne mal einen kompletten Präparate-Scan) und 2. die eigentliche Dreidimensionalität der Strukturen, die aus einem 2 µm dicken Schnitt nicht gerade zwanglos hervorgeht. Da wünsche ich mir, ich könnte solche Bilder/Filme zeigen!

Herzlich Grüße,
Florian

Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Bastian

Hallo Holger,
super Sache! Alle Achtung; ich finde es sehr erhellend, was man mit vergleichsweise einfacher Hardware aus dem Lichtmikroskop noch heraus holen kann. Besonders gut finde ich dass Du ein handelsübliches Mikroskop benutzt hast. Hast Du den Aufbau denn noch?
Da bekomme ich fast Lust mich an die Arbeit zu machen:
Ich könnte mit vorstellen, dass sich einige Forumsmitglieder speziell für das automatisierte Aufnehmen der Bilder interessieren würden. In Zeiten des Arduino ist ja auch das mühselige Assembler programmieren nicht unbedingt mehr notwendig und die Mikrocontroller sind auch für den Rest von uns programmierbar und nutzbar geworden.
Ich kann mir gut vorstellen, dass man mit vergleichsweise geringen finanziellen Mitteln eine Schrittmotorenlösung realisieren könnte, wobei man allerdings auf eine moderne DSLR oder sonstige Digi-Knipse Bildprozessor zurück greifen würde. Eine Bindung an irgendein OS kann man mit der Arduino IDE auch problemlos umgehen...

Herzliche Grüße,
bastian

Holger Adelmann

Vielen Dank für eure Kommentare.
@ Florian: Ja die Anschaulichkeit gerade eines 360 Grad Rundumfluges ist m.E. noch besser als ein Stereobild,
da der 3D-Gegenstand wirklich von allen Seiten betrachtet werden kann.
Wenn man noch mehr Aufwand mit der Dekonvolution betreibt, sind die Ergebnisse noch beeindruckender.
Ich poste demnächst mal eine Rekonstruktion von Fluoreszenzaufnahmen, bei der die Ebenen mittels einer hochwertigen Dekonvolutionssoftware bearbeitet wurden.
Und zwar nicht Ebene per Ebene sondern im 3D Voxelblock mit einer 3D PSF, doch dazu später mehr.
Früher (und heute) war diese Dekonvolutionssoftware sehr teuer, aber mittlerweile gibt es auch einiges an Freeware -allerdings nicht so komfortabel wie die kommerziellen Programme.

@ Bastian: Na klar habe ich die Sachen noch, siehe Bild. Lediglich die Steuerung musste ausgetauscht werden, da ich nun auch einen schrittmotorbetrieben POL-Tisch habe (eigener Entwurf  8))
Der verlangte eine neue Steuerung- aber das Gute ist, dass der alte Motor von 1997 auch mit dieser Steuerung läuft. Alles von Nanotec - diese Firma kann ich nur empfehlen.
Kostet auch nicht die Welt, ca. 35 Euro für den Motor und ca. 120 Euro für die Steuerung. Wenn man jemand mit einer Werkstatt kennt, ist auch das Mechanische zu machen  :)

Bilder zu dem Orthoplan Z-Achsen-Antrieb aus der älteren Publikation, sowie der Steuerung und dem motorischen POL Tisch unten.

Herzliche Grüsse
Holger







Holger Adelmann

genau Safari - die sind nicht nur günstig sondern auch sehr kundenfreundlich.
Wenn man mailt bekommt man ganz rasch Hilfe von einem Anwendungs-Ingenieur mit dem man seine Anwendung besprechen kann und wirklich gut beraten wird - selbst als Kleinstanwender.
ich hatte dann nochmals angerufen weil mir noch ein zweiter Stecker für den anderen Schrittmotor fehlte - den hatte ich dann 3 Tage später in der Post, kostenlos. Wo gibts sowas heute noch ...
H