Botanik: Eine harzige Angelegenheit - (Cotinus coggygria) *

Begonnen von Fahrenheit, Dezember 30, 2012, 18:03:26 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

im Winter ist die Auswahl an schneidbarem Pflanzenmaterial doch ein wenig eingeschränkt. Der Einfachheit halber habe ich da direkt vor der Haustür zugegriffen: dort steht ein Perückenstrauch im Beet, der aufgrund des überfälligen Rückschnitts sowieso Sprosse lassen musste.
Aufgrund des zwar angenehm riechenden aber beim Schneiden um so unangenehmer klebenden Harzes hatte ich mir die Sprosse schon immer einmal ansehen wollen. Auch wenn Hans-Jürgen im Sommer bereits Bilder vom Spross und Blattstiel des Strauches gezeigt hat: Hier sein Thread, auf den ich gerne verlinke.

Bild 1: Blattwerk der roten Variante des Perückenstrauchs mit Tautropfen


Der Gewöhnliche Perückenstrauch (Cotinus coggygria) wird auch Färbersumach oder schlicht Schmack genannt und gehört zur Familie der Sumachgewächse (Anacardiaceae). Er ist im Mittelmeergebiet und im südlichen Europa, aber auch im südwestlichen Asien und in China in Höhen bis zu 2400 Meter heimisch. Dort gedeiht er auf sonnigen, trockenen, steinigen oder felsigen Hängen, wobei er kalkhaltige Böden bevorzugt.

Bild 2: Die schöne Herbstfärbung der Blätter


Als sommergrüner, breitbuschiger Strauch kann Cotinus coggygria Wuchshöhen von bis zu 5 Metern erreichen. Seine wechselständigen Laubblätter sitzen auf einem dünnen, etwa 3 bis 4 cm langen Blattstiel und haben eine elliptische bis verkehrt eiförmige Blattspreite mit einer Länge von ca. 3 bis 8 cm bei einer Breite von ca. 2,5 bis 6 cm. Der Blattrand ist glatt und es sind sechs bis elf Paare von Seitennerven vorhanden. Neben den Sorten mit grünen Blättern gibt es auch solche rot gefärbt Blättern. Auffällig ist die sehr schöne Herbstfärbung in allen Farbtönen von gelborange bis scharlachrot und dunkelviolett.

Bild 3: eine kleine Blütenrispe

Aufnahme von Kenpei unter GDFL (2007).

Die Blütezeit reicht je nach Standort von Februar bis August. Die rispigen Blütenstände sind behaart und erscheinen an den einjährigen Sprossen. Die einzelnen Blüten der Rispen sitzen auf 7 bis 10 mm langen Blütenstielen und weisen einen Durchmesser von etwa 3 mm auf. Am unbehaarten Kelch sitzen 5 blaßgelbe Kronblätter, die ca. 2 bis 2,5 × 1 mm groß werden. Der fast kugelige Fruchtknoten weist einen Durchmesser von nur rund 0,5 mm auf und setzt sich in drei freie ungleichlangen Griffeln fort.
Die eher unscheinbaren Blüten stehen jedoch in so großer Zahl an den Rispen, dass diese den Strauch in voller Blüte wie mit einer Perücke zu überdecken scheinen - ein Eindruck, der durch die behaarten Fruchtstände noch einmal verstärkt wird und so zum Trivialnamen des Strauches geführt hat.

Die unbehaarten, nierenförmigen Steinfrüchte sind von brauner Farbe und haben bei einem Durchmesser von etwa 2,5 mm eine Länge von etwa 4,5 mm. Sie reifen je nach Blütezeit von Mai bis November.


Vor den Bilder wie immer kurz zur Präparation:

Geschnitten habe ich den frischen Spross auf dem Handzylindermikrotom mit Leica Einmalklingen im SHK-Halter mit einer Schnittdicke von ca. 50 µm.
Während der ca. 30 minütigen Fixierung habe ich einige Aufnahmen vom Frischmaterial gemacht.

Nach der Fixierung in AFE wurden die Schnitte wegen des hohen Harzgehaltes noch für ca. 3 Minuten in Klorix (1:4 in Aqua dest.) gespült und anschließend ausgiebig in Aqua dest. gebadet, um die Reste der Klorix-Lösung zu entfernen.

Gefärbt habe ich nach Robin Wackers W3A färbung in drei einzelnen Färbegängen mit Acridinrot, Acriflavin und Astrablau - ohne den berühmten Tropfen Acriflavin im letzten Färbegang. Nach Überführung in Isopropanol konnte dann in Euparal eingedeckt werden.

Wer's nachlesen möchte: die Färbeanleitung kann auf der Webseite des MKB unter "Downloads" heruntergeladen werden.


Aber nun zu den Bildern!

Zur Übersicht habe ich diesmal Makroaufnahmen vom Spross gemacht. Öfter mal was Neues! ;-)

Bild 4: Rinde und eine Sprossknospe

Neben der Knospe fallen die vielen hellbraunen Lentizellen auf.

Bild 5: Querschnitt des Sprosses, der Durchmesser beträgt etwa 7 mm.

Viele Details sind schon hier erkennbar. Von innen nach außen:
MP:  Markparenchym
PXl: Primäres Xylem
XL:  Xylem
HK:  Harzkanal
Ca:  Cambium
Pl:  Phloem
Per: Periderm

Bild 6: Und hier ein Querschnitt auf Höhe einer Knospe


Und wie sieht das ganze unter dem Mikroskop aus? Schauen wir einmal:

Bild 7a-c: Sprossquerschnitt, Bild 7a ungefärbtes Frischmaterial, Bild 7b W3A Färbung und Bild 7c mit Beschriftung. Vergrößerung 100x, Stapel aus 27 bzw. 10 Bildern



Die Beschriftung wieder von innen nach außen:
MP:  Markparenchym
PXl: Primäres Xylem
MS:  Markstrahl
T:   Trachee
Xl:  Xylem
XlP: Xylemparenchym
Ca:  Cambium
Pl:  Phloem
HK:  Harzkanal
BK:  Bastkappe
RP:  Rindenparenchym
Per: Periderm mit:
Pd:  Phelloderm
Pg:  Phellogen
Ph:  Phellem
EP:  Epidermis mit Cuticula

Bild 8a-c: Ein Harzkanal mit dem umgebenden Phloem, Bild 8a ungefärbtes Frischmaterial, Bild 8b W3A Färbung und Bild 8c mit Beschriftung. Vergrößerung 200x, Stapel aus 48 bzw. 15 Bildern



In Hans-Jürgens Thread wurde diskutiert, dass das Phloem im Blattstiel die Harzkanäle komplett umgibt. Dies ist auch im Spross der Fall. Die Beschriftung wieder von innen nach außen:
MS:  Markstrahl
T:   Trachee
Xl:  Xylem
XlP: Xylemparenchym
Ca:  Cambium
Pl:  Phloem
HK:  Harzkanal
SR:  Siebröhre
BK:  Bastkappe
RP:  Rindenparenchym

Bild 9a,b: Ein genauerer Blick auf einen Harzkanal, Bild 9b mit Beschriftung. Vergrößerung 400x, Stapel aus 20 Bildern


Die BEschriftung erfolgt analog zu Bild 8c.Die rund um den Harzkanal mit seinen Epithelzellen (EpiZ) verteilten Siebröhren sind anhand der angeschnittenen Siebplatten zu erkennen und liegen rund um den Harzkanal verteilt. Dies lässt den Schluss zu, dass der Kanal komplett ins Phloem eingebettet ist. Die Löcher in den Siebplatten sind dabei ca. 0,5 µm groß.
Das Harz wird in den dünnwandigen Epithelzellen gebildet und in den Kanal ausgeschieden.

Nun noch einige Details aus dem Xylem:

Bild 10: Primäres Xylem, Vergrößerung 200x, Stapel aus 18 Bildern

Auffällig hier die deformierten und wahrscheinlich funktionslosen Tracheen.

Bild 11a,b: Mitten im Xylem - Tracheen mit Hoftüpfeln, Bild 11b mit Beschriftung. Vergrößerung 400x, Stapel aus 7 Bildern.


Auffällig hier, dass rund um die Tracheengruppe auch Markstrahlen "MS" entstehen, die gar nicht bis ins innere des Sprosses reichen. Beschriftung analog zu Bild 7c, neu sind:
HT:   Hoftüpfel
sXlP: Sklerifizierte Zellen des Xylemparenchyms
XlP:  Nicht sklerifizierte, lebendige Zellen des Xylemparenchyms, teilweise mit einer inneren Zellwand aus Cellulose

Bild 12: Xylem im Überblick, Vergrößerung 200x, Stapel aus 12 Bildern

Am oberen Bildrand folgt auf das Cambium das Phloem.

Aber auch das Periderm hat einiges zu bieten:

Bild 13: Eine Lentizelle, Vergrößerung 200x, Stapel aus 45 Bildern

Der Durchmesser der hier quer angeschnittenen Lentizelle beträgt an der Öffnung ca. 250 µm.

Bild 14a,b: Übergang zwischen Periderm und einfacher Epidermis, Bild 14b mit Beschriftung. Vergrößerung 200x, Stapel aus 20 Bildern


Die hier gezeigte Stelle liegt am Übergang zur Knospe. Diese ist von einem lockeren Sklerenchym umgeben - wohl als Isolierung vor der winterlichen Kälte. Dieses Sklerenchym setzt genau am Übergang der beiden Abschlussgewebe ein. Beschriftung von innen nach außen:
RP:  Rindenparenchym
Kol: Kollenchym
Links:
Pd:  Phelloderm (eine Zellage)
Pg:  Phellogen
Ph:  Phellem (Kork)
Rechts:
Skl: Sklerenchym
Und wieder beide Seiten:
EP:  Epidermis
Cu:  Cuticula

Bild 15: Zu guter Letzt noch ein Blick auf das schützende Sklerenchym. Vergrößerung 200x, Stapel aus 26 Bildern


Vielen Dank fürs Ansehen! Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Eckhard

Lieber Jörg,

Eine tolle Präparation und schöne Bilder!

Vielen Dank für Zeigen.

Herzliche Grüsse
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Detlef Kramer

Lieer Jörg,

MEISTERLICH!

Guten Rutsch und herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Ronald Schulte

Jörg,

Und das gleiche gilt für mich nur umgekehrt.  

Zitat: "So macht Histologie auch einem Pflanzenschnippler Spass"; So machen die Pflanzen auch ein Histologe Spaß"!

Grüße Ronald und für dich auch ein guten Rutsch.
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Rolf-Dieter Müller

Lieber Jörg,

einfach klasse wie Du die Gegenüberstellung von ungefärbten zu gefärbten Schnitten geschafft hast.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Ralf

Lieber Jörg,

super!

Für mich ist neu, dass Harzkanäle nicht nur bei Koniferen auftreten. Wieder was gelernt, danke.


frfmfrfm

Dear Jörg, for me is too deep, but you do not understand to know which is wonderful, Merry Christmas and Happy New Year.
A hug from Spain.

anne

Hallo Jörg,
einfach wunderschön und perfekt!

Viele Sternstunden fürs neue Jahr,
lg
anne

liftboy

Hallo Jörg,

ich brauch da jetzt nichts mehr dazu zu sagen; hast Du schon eine Verleger gefunden :-)

Auch Dir und allen "bönnschen" ein gesundes Neues Jahr.
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Rawfoto

Hallo Jörg

Suuuper, absolut tolle Bilder und natürlich Beschreibung. Auch von mir einen guten Rutsch ins Neue Jahr, ich freue mich auf den nächsten Beitrag ...

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Nutzer nicht mehr aktiv

Lieber Jörg

Einfach der Hammer. Sehr gute Dokumentation. Danke!

Jörg schreibt:
Zitatim Winter ist die Auswahl an schneidbarem Pflanzenmaterial doch ein wenig eingeschränkt.

Dagegen habe ich was. Sammel Flechten  ;) Die kannst du im Frühjahr, Sommer, Herbst sammeln und im Winter, bearbeiten  ;D
Oder wann immer du Lust hast.

HDD

Lieber Jörg

Ein wunderschön gemachter Bericht. Gratuliere.

Dir und Deiner Familie einen guten Rutsch und ein erfolgreiches neue Jahr.

Herzliche Grüße

Horst-Dieter

Fahrenheit

Liebe Freunde,

vielen Dank für Eure freundlichen Kommentare und das große Lob! Ich freue mich wieder sehr, dass Euch mein Beitrag gefällt!

Lieber Rolf-Dieter,

das größte Problem beim bei den frischen Schnitten ist, dass das Chlorophyll sehr rasch abgebaut wird, insbesondere, wenn man wie hier wegen des hohen Harzgehaltes mit Ethanol befeuchten muss, damit das Messer einigermaßen durch den Schnitt kommt.
Da ich den entsprechenden Schnitt in aller Regel auch fixiere und färbe, gelingt es oft sogar, die gleiche Stelle zu zeigen. Hier allerdings nicht, da habe ich einen anderen Schnitt gewählt, der etwas dünner geraten ist.

Lieber Ralf,

ja, Harzgänge finden sich auch in verschiedenen Laubgehölzen. So stark ausgeprägt wie hier beim Perückenstrauch sind sie aber selten. Es ist immer wieder eine böse Überraschung, wenn sie einem erst am gefärbten Präparat auffallen, da das Harz sich mit Ethanol nicht entfernen lässt und oft die Farbaufnahme der damit in Berührung gekommenen Gewebe behindert oder selbst Farbe annimmt und so zu weniger schönen Artefakten führt.
In den Bilder 7a und 8a kann man schön erkennen, wie sich das Harz aus den sehr großen Harzkanälen in deren Umfeld verteilt hat, bzw. im Kanal selbst in der wässerigen Umgebung Kügelchen bildet. Das Klorix-Bad löst dieses Problem allerdings recht schnell.

Lieber Wolfgang,

höchstens einen Fliesen-Verleger.  ;D

Lieber Mike,

nun ja, das Schnippeln von Flechten ist mir irgendwie zu fummelig.  :D
Obwohl es wirklich schöne Exemplare gibt. Wir haben im Herbst Urlaub in einem mit Ried gedeckten Haus gemacht. Das Dach war über und über mit Blattflechten aus der Gattung Cladonia bedeckt, die sehr schöne rote Apothecien entwickelt hatten. Einige davon machen sich in einem unserer Pflanzenkübel ganz gut. Vielleicht werde ich mich daran auch einmal versuchen.

Feiert heute Abend schön und kommt gut ins neue Jahr!

Allen herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

lange habe ich auf einen Beitrag von Dir zur Pflanzenanatomie gewartet. Und jetzt diese umfassende Darstellung vom Perückenstrauch. Ich bin begeistert.
Das Makrobild vom Spross ist mein Favorit.

Ich wünsche Dir einen guten Rutsch ins neue Jahr

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

David 15

Lieber Jörg,

Super tolle Doku und Bilder ! Das Bild vom Übergang zum Periderm finde ich grandios ! :)

Viele Grüße
David
''Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.'' ( Albert Schweitzer)

Vorstellung: ''Hier''