Epiphytische Blattflechte – geschnitten und sublimiert *

Begonnen von Rolf-Dieter Müller, Dezember 31, 2012, 00:15:46 VORMITTAG

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Rolf-Dieter Müller

Liebe Forumsmitglieder,

eine Einladung bei seiner Schwester Weihnachten zu verbringen, lässt einem typischerweise wenig Zeit für das was man eigentlich vorhat. Doch anlässlich eines Waldspaziergangs zu einer gelegenen Quelle um Wasser für den Weihnachtstee zu holen, nutzte ich die Gelegenheit, um ein paar Proben für Schnitte und Sublimation zu sammeln. Auf Laub lose liegend, fand ich von Bäumen gefallene epiphytische Blattflechten.

Bei der Bestimmung bekam ich freundliche Hilfe (Ralf, vielen Dank). Das soll jetzt aber für diesen Beitrag nicht relevant sein, denn hier geht es mehr um die mikroskopische Technik.

Flechten lassen sich auch gut einige Tage später verarbeiten, und so konnte ich den nachstehenden Schnitt und die Sublimation nach meiner Rückkehr so machen, wie ich es mir vorstellte.

Für den nachstehenden Schnitt habe ich ein Stück Blattflechte zugeschnitten und in PEG 1500 (PEG = Polyethylenglykol, auch als Macrogol 1500 über Apotheken beziehbar). eingebettet. Ein bekanntes Verfahren, das Ralf Wagner hier beschrieben hat: http://www.blam-hp.eu/allgbryo.html#peg

Abweichend von der Beschreibung habe ich das PEG mit dem Probenstück auf dem PTC-Mikroheizer auf Objektträger für ca. 20 Minuten bei 50° Grad Celsius geschmolzen. Die Temperatur konnte ich gut mit einer Pulsweitenmodultionssteuerung auf Basis des Mikrocontrollers ATtiny13 halten. Das ist natürlich komfortabel aber nicht unbedingt notwendig. Es geht auch ohne Mikrocontroller, wenn man den Einschmelzvorgang beobachtet und mit Verschiebung des Objektträges die gewünschte Temperatur einregelt.


Bild 1 – PEG-Schmelze auf Objektträger mit PTC-Mikroheizung. Das Treichholz ist zum Größenvergleich beigelegt.

Die in PEG eingeschmolzene Probe kann mit einer Rasierklinge zugeschnitten und vom Objektträger abgehebelt werden. Das wurde an ein Holundermarkstängel angeschmolzen.

Jetzt kann gut mit dem Handzylindermikrotom geschnitten werden, als Messer habe ich ein handelsübliches Rasiermesser genommen.

In Wasser wird der Schnitt vom PEG gelöst und kann dann mikroskopiert werden.


Bild 2 – Epiphytische Blattflechte – Querschnitt. Hellfeld, Zeiss PlanNeofluar 40x/0,75.

Immer interessant ist Primärfluoreszenz (Autofluoreszenz). Für diese Aufnahme kam ich nicht umhin mittels Bildverarbeitung (Photoshop Elements) nachzuhelfen. Etwas Blau musste wegen vagabundierenden Tageslichteinfall gelöscht werden, und das Rot des Chlorophylls etwas abgeschwächt werden. Den Maßstabsbalken habe ich wie bei den anderen Mikroaufnahmen auch mit Zeiss AxioVision light einkopiert.


Bild 3 – Epiphytische Blattflechte – Querschnitt. Primärfluoreszenz mit Blauanregung, Zeiss PlanNeofluar 40x/0,75. Auflichtfluoreszenz: Anregungslicht LED 470 nm / 700 mA, Zeiss Filtersatz 09 (Sperrfilter 515 nm). Gleicher Ausschnitt wie die Hellfeldaufnahme.

Wenn wir schon dabei sind, interessiert natürlich auch was an Inhaltsstoff mittels Sublimation zu sehen ist. Hierfür kann man auch und sehr gut den PTC-Mikroheizer mit folgender Probenvorbereitung verwenden:


  • Flechtenstück zerkleinern mit Schere, besser man nimmt eine Rasierklinge.
  • Ein Deckglas 18x18 mm direkt auf das PTC-Heizelement legen, darauf kommen dann die zerkleinerten Probenstücke.
  • Abgedeckt wird mit einem Deckglas 22x22 mm, worunter Inhaltsstoffe sublimieren.
  • Um die Sublimation noch zu unterstützen wird das obere Deckglas mit einem Tropfen destilliertem Wasser benetzt.
  • Der Mikroheizer wird dann mit der maximal zulässigen Spannung (in diesem Heizer sind es 12 Volt) für ca. 10 Minuten betrieben.
  • Das Deckglas verbleibt bis zur Abkühlung auf dem Heizer.
  • Nach Abkühlung wird das Deckglas auf einem Objektträger gelegt.
  • Mikroskopiert wird mit gekreuzten Polfiltern.


Bild 4 – Epiphytische Blattflechte – Sublimation vom Flechteninhaltsstoff an Deckglas mit PTC-Mikroheizung. Streichholz liegt zum Größenvergleich bei.

Wenn man genau hinschaut, ist zum Beispiel unten rechts ein Niederschlag (Trübung) zu erkennen. Dieser Niederschlag bildet um den Wassertropfen, ist im Präparat bleibend und optisch nicht aktiv. Die Kristalle bilden sich unterhalb des Wassertropfens und die größten Kristalle habe ich im nachstehenden Bild abgelichtet.


Bild 5 – Epiphytische Blattflechte –Flechteninhaltsstoff an Deckglas sublimiert. Polarisation mit Analysator und Polarisator in Kreuzstellung. Zeiss PlanNeofluar 20x/0,5

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter Müller

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Hallo Rolf-Dieter

Sehr schöne Arbeit hast du dir gemacht.
Beim nächsten mal, den Schnitt nicht in Wasser, sondern in Kalilauge 10% Mikroskopieren. Da ist noch zu viel Luft in dem Schnitt.
Durch die Kalilauge, bekommst du das sehr gut weg. So kann man leider nicht gut sehen, wie die Paraphysen verlaufen.

Und wenn du das ganze noch mit Lactophenol-Anilinblau-Säurefuchsin anfärbst, bekommst du erst richtig einen Einblick.

Nutzer nicht mehr aktiv


koestlfr

Hallo Rolf-Dieter!

Schöne Beschreibung und Fotos!

Anregung: bei Bild 3 würde ich im PsE die Tiefen (Tiefen und Lichter Regler) auch noch anheben!

Liebe Grüße
Franz
Liebe Grüße
Franz

Fahrenheit

Lieber Rolf-Dieter,

vielen Dank für Deinen schönen und interessanten Beitrag! Da hast Du die Flechte ja zwei mal geschnitten.

Besonders interessant finde ich die Beschreibung zur Sublimation. Sicher hast Du gesehen, dass sich am linken Rand von Bild 5 eine verwachsene Kristallnadel zeigt.

Herzliche Grüße und alles Gute im neuen Jahr!
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Rolf-Dieter Müller

Vielen Dank für Eure Kommentare, die ich auch gerne beantworten möchte.

@Lecarno, Du hast natürlich recht, die Luft muss noch weg. Ich kann mir vorstellen, das die Verwendung von Kaliumhydroxid bei Lichnologen eine erprobte Reagenz ist. Doch wenn man diese nicht im Zugriff hat, muss man sich halt was anderes überlegen, was ich für nachstehenden Schnitt auch gemacht habe. Die Bestimmung der Blattflechte möchte ich noch wegen der gezeigten Kristallisation des Flechteninhaltsstoffes hinten anstellen. Wenn mir die Kristallisation reproduzierbar gelingt wird sie nachgereicht. Gefärbt wird noch nicht, es sollen vorerst native Schnitte gezeigt werden.

@Franz, vielen Dank für Deinen Hinweis. Gerade Mikroaufnahmen von Primärfluoreszenzen sind ein schwieriges Thema. Es kommt noch hinzu, das ich für den gezeigten Schnitt ein nicht optimales Objektiv genommen habe. Mit Objektiven geringerer Vergrößerung und hohem Auflösungsvermögen gelingt vieles besser.

@Jörg. Ok, die verwachsene Kristallnadel hätte ich besser ins rechte Licht setzen sollen. Aber bei den vielen schönen Eindrücken eines Kristallisationspräparates ist die Entscheidung für einen passenden Bildausschnitt nicht immer leicht.


Um einen ungefärbten Schnitt ohne Luftblasen bzw. störenden Inhaltsstoffen darzustellen, habe ich neue Schnitte(diesmal ohne Einbettung) mit nachfolgender Probenvorbereitung gemacht.


  • Ein lufttrockenes Flechtenstück mit Tesafilm an Holundermarkstängel fixiert.
  • Geschnitten wurde mit dem Rasierklingenmikrotom.
  • Schnitte in abgekochtes Wasser überführt.
  • Kurze Behandlung mit Rotihistol, hiermit werden Inhaltsstoffe aus dem Schnitt gelöst.
  • Schnitte zurück in Wasser, 2x gewechselt.
  • Schnitt als Wasserpräparat mikroskopiert.


Bild 6 – Epiphytische Blattflechte – Querschnitt. Inhaltsstoffe mit Rotihistol entfernt. Hellfeld, Zeiss PlanNeofluar 40x/0,75.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

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Hallo Rolf-Dieter

Wieder ein sehr schöner Schnitt.
Jetzt musst du ihn färben, das man Informationen entnehmen kann.

Was K angeht, so ist das nicht eine erprobte Reagenzie, sondern die wichtigste.
Ohne geht es gar nicht. Du kannst dir so was auch hier bestellen:

http://www.fiebig-lehrmittel.de/index.php?showcategoryid=83&showartdetail=644

Die Entomologen nutzen es auch. Und da kommt man ohne Probleme ran. Klar bist du ja auch an Insekten interessiert  ;)
Musst mal im Web schauen. Einige verkaufen auch diese kleinen Plättchen. Habe selber nur diese und setzte immer neues an.

So hast du weniger arbeit.

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Hallo Rolf

Hier hatte ich dazu mal was geschrieben

http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=14406.0

Nur so funktioniert die Mikrokristallisation von Flechtensäuren zu wissenschaftlichen Zwecken.
Alles was nicht nach diesem Methoden gemacht wird, Asahina war ein Fachmann und Chemiker, ergibt schöne Bilder.
Man kann daraus keine Information für Flechten ziehen.

Hast du diese Rezepte auch so genutzt?

Rolf-Dieter Müller

#8
Zitat von: Lecanora in Januar 02, 2013, 11:45:28 VORMITTAG
Hast du diese Rezepte auch so genutzt?

Hallo Lecanora,

vielen Dank für Deinen Hinweis, doch beschreibst Du ein ganz anderes Verfahren, hier geht es ja ausschließlich um Mikrosublimation von Flechteninhaltsstoffen.

In diesem Zusammenhang möchte ich aber noch auf eine Beschreibung zur Extraktion von Flechtensäuren verweisen, die Klaus Herrmann nach einem Vortrag von Felix Schumm eingestellt hat: http://www.mikroskopie.de/mikforum/read.php?2,20665,20665#msg-20665 . Der Beitrag enthält Bilder und eine ausführliche Anleitung zur Extraktion.

Aber bleiben wir beim Thema. Unzufrieden mit einigen Präparaten, die nicht so auskristallisierten wie ich es erwartet habe, wurde die Sublimation unter Deckglas und auf Objektträger über Spiritusflamme aufgeschmolzen, um es dann erneut auskristallisieren zu lassen. Dadurch bildeten sich noch schönere und größere Kristalle. Das Aufschmelzen muss vorsichtig unter Beobachtung erfolgen und beim ersten Anschein der Verflüssigung abgebrochen werden, ansonsten entweicht sehr schnell das Sublimat mit nachfolgender Geruchsbelästigung.


Bild 7 – Epiphytische Blattflechte –Flechteninhaltsstoff an Deckglas sublimiert, aufgeschmolzen und erneut auskristallisiert. Polarisation mit Analysator und Polarisator in Kreuzstellung. Zeiss PlanNeofluar 10x/0,3

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Klaus Herrmann

Lieber Rolf-Dieter,

du stotterst - zwar auf hohem Niveau, aber du stotterst ;)

Zum Fachlichen: ehrlich gesagt finde ich das erste Bild deutlich besser, zwar nur wenige Kristalle aber wunderbar ausgebildet und als "Arrangement" minimalistisch schön!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Lothar Gutjahr

Hallo Rolf-Dieter,

ich möchte mich da Klaus anschließen, gleichzeitig aber sagen, daß diese zweifach sublimierten Bilder hochinteressant, ja faszinierend sind. Nur zum an die Wand hängen würde ich auch das erste wählen.

Guts Nächtle

Lothar

Rolf-Dieter Müller

Lieber Klaus,
lieber Lothar,

vielen Dank für Eure Hinweise, ich habe den doppelten Beitrag entfernt.

Zwischenzeitlich konnte ich meine Sublimationsanlage verbessern, denn mein Ziel ist Mikrosublimate zu erreichen. Das heißt von wenig Material gezielt und reproduzierbar Flechteninhaltsstoffe zu gewinnen. Mit dem Mikroheizer geht das recht gut, wenn man den Abstand des Deckglases auf ca. 1,2 mm reduziert und das Deckglas von oben ausreichend mit Wasser kühlt.

Nachstehende Kristallisation habe ich aus einem ca. 2x2 mm kleinem Thallusstückchen gewonnen, das einfach mit einer Mikroschere aus einer epiphytischen Blattflechte geschnitten wurde.


Bild 8 – Epiphytische Blattflechte –Flechteninhaltsstoff aus Thallusstück 2x2 mm an Deckglas sublimiert. Polarisation mit Analysator und Polarisator in Kreuzstellung. Zeiss PlanNeofluar 20x/0,5

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Klaus Herrmann

Lieber Rolf-Dieter,

auch diese Ergebnisse sind wunderschön!

Zur Technik eine Frage: legst du als Abstandshalter zwischen die beiden Deckgläser (das mit der Probe drauf, das erhitzt wird und das auf dem sich das Sublimat abscheidet) einen Ring oder Ähnliches? Das Problem ist doch. dass das untere ordentlich heiß werden soll und das obere möglichst kühl bleiben - was du mit Wassertropfen versuchst einzuhalten. Der Abstand soll auch nicht zu groß sein, sonst findet man kein Sublimat.

Wie löst du diesen "Eiertanz"
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Rolf-Dieter Müller

Lieber Klaus,

Du bringst das Problem (eigentlich wie immer) auf den Punkt, gerade was Deine Anmerkungen zum Wärmemanagement betreffen.

Als Abstandshalter nehme ich mangels geeigneter Alternativen einfach 1,2 mm Silberdraht, das zu einer kleinen Öse gebogen wurde in dem die Substanz (in diesem Fall ein 2x2 mm kleines Thallusstückchen) für die Sublimation gelegt wird. Darauf kommt das Deckglas und gekühlt wird von oben mit 3 Tropfen Wasser.

Ich weiß, Silberdraht ist jetzt wegen der Wärmeleitfähigkeit nicht ideal, aber es funktioniert trotzdem.

Das ganze Verfahren werde ich mal mit einer bebilderten Anleitung beschreiben, die dann dem Admin der MKB-Homepage zur Veröffentlichung angeboten wird.

So kann ganz nebenbei probiere ich noch andere Heizelemente. Von der Auflagefläche ideal für Mikrosublimationen sind zum Beispiel TO 220-Gehäuse von Halbleitern. Aber dabei besteht schnell die Gefahr zum Mosfetkiller zu werden (ich bin es geworden und das war nicht lustig) ist dann doch zu groß. Außerdem soll ja der Schaltungsaufwand ja übersichtlich bleiben.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter