Test-Platten und Diffraktionsapparate nach Ernst Abbe

Begonnen von Alfons Renz, Januar 01, 2013, 16:32:16 NACHMITTAGS

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Alfons Renz

Liebe Freunde der mikroskopischen Technik,

  Immer wieder findet man mit viel Glück, wie der interessante Beitrag von "Herne" zeigt (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=14806.msg113917#msg113917), eine der sogenannten Test- oder Diffraktionsplatten nach Ernst Abbe. Sie dienen zur Demonstration der physikalischen Grundlagen der Entstehung des Bildes und können zum Test von Objektiven eingesetzt werden. Es gibt solche 'Platten' in vielen verschiedenen Ausführungen als Test- und Diffraktionsplatten, von denen ich im folgenden Einige vorstellen möchte:

Test-Platten nach Abbe: Hier liegt das Muster unter einem unterschiedlich dicken Deckglas, das entweder konisch abgeflacht ist, oder aus einer Reihe von 6 kleinen runden Deckgläsern besteht, mit jeweils sehr genau definierter unterschiedlicher Dicke. Diese Test-Platte dient zur Abschätzung der chromatischen und sphärischen Aberration des Objektivs in Abhängigkeit von der Deckglasdicke.

Diffraktionsplatten nach Abbe: Hier dienen 3 bis 7 unterschiedliche Strich- und Gittermuster zur Demonstarion der Bildentstehung und der optischen Gesetze. Die Platte ist Teil des Diffraktionsapparats, der im einfachsten Fall aus dem Diffraktionstrichter zum Einschieben der Hilfsobjekte, und den dazu passenden Plättchen besteht, und sich beim 'Großen Diffraktionsapparat' aus den verschiedensten Blenden, Phasenobjekten und Hilfsgerätschaften zusammen setzt (Photos siehe unten).

Im Prinzip handelt es sich bei den Objekten um feine geometrische Muster, die als Linien oder Gitter in eine aufgedampfte Silberschicht eingeritzt werden - in den eingeskannten Objektträgern sind diese wegen der Spiegelung der Silberschicht leider kaum zu erkennen. Deshalb ein Bild der 'Großen Platte' aus der 3. Auflage von Kurt Michel, 'Die Grundzüge der Theorie des Mikroskops' von 1981, um den generellen Aufbau solcher Diffraktionsmuster zu erläutern::




Der Zeiss-Katalog von 1895 bietet sich eine kurze Beschreibung der Test- und Diffraktionsplatten, ohne jede Abbildungen:

Beschreibung der frühen Testplatte: von 1895



Diese Test-Platte mit 6 Feldern, entspricht den im Katalog gemachten Angaben: Die selbe Liniengruppe liegt unter unterschiedlich dicken Deckgläsern (Dicke 0,009 bis 0,24 mm):




Im selben Katalog ist auch die frühe Diffraktionsplatte beschrieben:



Diese wohl älteste Form der Diffraktions-Platten mit dem Logo der Firma Zeiss-Jena hatte nur drei Felder:




ob nun diese noch 'älter' aussehende, nicht signierte Diffraktions-Platte mit 4 Feldern von Zeiss stammt, ist (mir) unklar:



In dem mir zugänglichen Katalog von 1939 bot Zeiss-Jena noch immer die 3-feldrige Diffraktionsplatte an, wie sie 'Herne' in seinem Beitrag abgebildet hat und wie sie Florian aus der Beschreibung im Katalog dieses Jahres zitiert (siehe https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=14806.msg113920#msg113920).



Im Gegensatz zur 'frühen Diffraktions-Platte' sind hier die 3 Felder mit einer metallischen Lackierung (?) abgedeckt (Bild mit Erlaubnis von 'Herne' eingefügt).

Aus dem Zeiss-Katalog von 1939:



Die 1950 beschriebene Diffraktions-Platte bestand dann schon aus 6 Feldern (siehe Abb. aus K. Michel, D. Grundlagen d. Theorie d. Mikroskops von 1950):



Dazu gehörte ein von Zeiss-Jena gelieferter Diffraktionsapparat, wie er von A. Köhler in den Forschungen z. Geschichte d. Optik, 3, 1940, 25-78 beschrieben wurde. Zitat aus K. Michel, 1950 (Vorwort im August 1948): D. Grundlagen d. Theorie d. Mikroskops, wo auch ein Bild dieses 'kleinen Diffraktionsapparats' zu finden ist:



Am häufigsten dürfte wohl heute die Platte mit 7 Feldern in einem Objektträger aus Metall zu finden sein, wie sie im Michel ab der 2. Auflage abgebildet und beschrieben ist:



Die Abbildung dieses Musters ist als Erstes ganz oben im Beitrag zu finden.

Im 'Großer Diffraktionsapparat'  kam diese Ausrüstung in den 1970iger-Jahren auf den Markt:



Die Platte selbst befindet sich oben rechts (senkrecht). Laut Köhler / Michel lassen sich mit diesem Apparate 50 Versuche durchführen.

An einer persönlichen Angabe von Prof. Helmut Haselmann, der von 1956 bis 1963 bei Zeiss arbeitete, und anschliessend als Direktor des Instituts f. Wissenschaftliche Mikroskopie nach Tübingen berufen wurde, kam diese erweitere Version des Diffraktionsapparats nicht zuletzt auch auf seinen Vorschlag zur Produktion. Ergänzt wurde deshalb in der zweiten Auflage, in der schon der neue Apparat abgebildet sein sollte, speziell der Text zur Entstehung des Phasenkontrasts, der ab 1941 bei Zeiss weiter entwickelt wurde.

Für die Lehre am Inst. für Wissenschaftliche Mikroskopie in Tübingen wurde dort jeweils ein Satz für Zeiss-  und ein Zweiter für Leitz-Mikroskope ausgestattet. Der hier abgebildete Kasten hat einen Kondensor mit Schwalbenschwanzführung für Leitz-Mikroskope.



Der Diffraktionstrichter wird zwischen Objektiv und Revolver eingeschraubt und dient zum Einschieben von Objekten in die hintere Brennebene. Als 'DIK-Trichter' findet er eine weitere Verwendung:



Zu den üblichen Objekten, die in die hintere Brennebene gebracht werden könne, zählen Plättchen mit Spalten, Ringblenden und Phasenringen.

Auch die Firma Wild lieferte eine Test-Platte zur Prüfung der Auflösung und Korrektur der chromatischen Aberration:



(Vielen Dank an Herrn W. Nänny für die Bereitstellung dieses Bildes!)

Dazu gehört die passende Anleitung:



Das schöne Bild des Spektrums am Gitter ist wohl Vielen bekannt: Es zierte einst den Titel der Leitz-Broschüre  'Das Mikroskop und seine Anwendung' von Hans Determann und Friedrich Lepusch.



Hier sollen zunächst nur die Typen der verschiedenen Test- und Diffraktionsplatten sowie Apparate vorgestellt werden. Zum Gebrauch der Testplatten gibt es eine ausführliche Literatur, auf die Herr Husemann in einem nachfolgenden Beitrag verweist.

Wer also eine solche Platte etc. besitzt, ist herzlich eingeladen, hier sein Objekt vorzustellen!

Später sollen dann noch einige Versuche und Ergebnisse folgen. Eine schöne Beschreibung ihrer Nutzung findet sich auch im Zeiss-Journal Innovation (Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005).

Es würde mich freuen, wenn Sie/Ihr diese Angaben und Bilder ergänzen und kommentieren würdet!

Ein frohes Neues Jahr!

Alfons

Jürgen Boschert

Hallo Alfons,

noch ein Gutes Neues Jahr.

Ich habe die erste Auflage des "Michel" von 1950; darin ist ab S. 254 der Abbe´sche Diffraktionsapparate mit detailierter Ausführung der 50 Versuche beschrieben: "73. Fünfzig Versuche mit dem Mikroskop zur Theorie der sekundären Abbildung". Es wird per Fußnote auf die Ausführungen Köhlers verwiesen in: Köhler, A, Der Diffraktionsapparat nach E. Abbe. Forschungen zur Geschichte der Optik 3, 25-78 (1940).

Beste Grüße !

JB
Beste Grüße !

JB

Alfons Renz

Hallo Jürgen,

Ganz herzlichen Dank für diese wichtige Information! Ich habe nun selbst in den 'Grundlagen d. Theorie d. Mikroskops' von K. Michel von 1950 nachgeschlagen und die Versionen verglichen: Im wesentlichen geht es um die Entwicklung und Abbildung des neuen 'Großen Diffraktionsapparats' mit vielen zusätzlichen Teilen sowie einigen Ergänzungen im Text der 50 Versuche, die auf eine Veröffentlichung von A. Köhler in Jahr 1940 zurückgehen. In der 2. und 3. Auflage neu hinzugekommen sind speziell einige Erläuterungen zur Entstehung des Phasenkontrasts, der zu Köhlers Zeiten (1940) bei Zeiss wohl erst entwickelt wurde. Erfunden hatte ihn bekanntlich Frits Zernike schon 1932.

Ich habe diese Informationen in den originalen Text oben eingefügt.

Alfons

hinrich husemann

#3
Hallo, Freunde der  Diffraktion,

hier relevant und historisch interessant sind natürlich die originalen, dieses Thema betreffenden Passagen in Abbes berühmtem Aufsatz  "Beiträge zur Theorie des Mikroskops und der mikroskopischen Wahrnehmung"  in Schulzes Arch. für mikroskop. Anat. 9 , 413 - 468 (1873), wo er seine Versuche, ihre Ergebnisse und die daraus abgeleitete Theorie rein verbal, ohne mathematische Ableitung, erläutert. Die dort beschriebenen Versuche lassen sich mit relativ einfachen, selbst zu erstellenden Mitteln quasi wörtlich nachvollziehen ; ich habe das vor einigen Jahren mal in einem MK-Artikel versucht: "Historisch-experimenteller Exkurs: Etwas zu den Abbeschen Diffraktionsversuchen"  MK 98, 47 - 55 , 2009  (Heft 1) .

Interessant ist auch der Vergleich mit der etwas späteren Veröffentlichung von Helmholtz  " Die theoretische Grenze der Leistungsfähigkeit der Mikroskope" in Ann. d. Physik, Jubelband 1874, s. 557 - 584. Diese ist allerdings stark mathematisch geprägt.
Während Abbe ja von der Beugung am beleuchteten Objekt ausgeht, betrachtet Helmholtz die Beugung an der Aperturblende des Objektivs; geht also - der Airyschen Theorie folgend - mehr von selbstleuchtenden Objekten aus.

Freundliche, neujahrs"beschwingte" Mikrogrüsse
H. Husemann



Nachtrag: Bezügl. solcher einfacher Versuche siehe auch z.B. hier im Mikrofoto-Forum unter dem Thema "Rätsel Kontrastverfahren" , September 25, 2012 oder besser noch unter "Februar-Scherz" , Februar 02, 2010 ; dazu aus dem Mikroskopie-Forum " Mal wieder etwas Abbe" , Mai 27, 2011, sowie "Abbe-Theorie mit Schinkenbutterbrot" , Dezember 13, 2009 .