Dünnschliff: Wilhelmsteine, Siegbach (nahe Dillenburg)

Begonnen von Haus@Hund, Januar 09, 2013, 11:04:47 VORMITTAG

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Haus@Hund

Guten Morgen zusammen,

als aktive Geocacher besuchen meine Frau, unser Sohn und ich viele Orte, die wir ohne dieses Hobby niemals gesehen hätten - selbst wenn sie gerade mal "um die Ecke" liegen. Ein besonderer Cache-Typ ist ein "Earth Cache", meist eine geologische Besonderheit, zu der eine Reihe von Fragen vor Ort beantwortet werden müssen. Erst wenn man dem "Owner" diese Fragen gemailt hat, erhält man die Logfreigabe, so dass wieder ein Fund mehr in der Liste auftaucht.

Einer dieser Caches dreht sich etwa die Formation "Am laufenden Stein" (für andere Cacher: GC2BKRT) nahe des Dillenburger Bahnhofs, zu der ja auch das Mikroskopische Kollegium Bonn mal einen Ausflug gemacht hatte. Ein anderer befindet sich an den Wilhelmsteinen in der Nähe des Fernsehturms Angelburg auf dem Gebiet der Gemeinde Siegbach, nahe Dillenburg ("The Wilhelm Stones", GC28PBD). Für diese Steinformationen gibt es sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelmsteine, in dem man die bekannten Einzelheiten nachlesen kann. Wir waren Mitte Oktober vor Ort, haben alle Fragen beantwortet und dieses Naturdenkmal lange bestaunt. Unserem Sohn gefiel besonders, dass die Steine in der Sonne so schön glitzern, und so nahmen wir ein kleineres Bruchstück als Andenken mit nach Hause. Das Material wirkt auf den ersten Blick sehr homogen und kompakt und hat eine schwarz-braune Färbung.

Einige Zeit später kontaktierte ich Olaf Medenbach mit der Frage, wer mir einen Dünnschliff herstellen könne, worauf er mir spontan seine Hilfe anbot - danke nochmals, Olaf!!! Einige Wochen später erhielt ich das Präparat von ihm per Post mit der Anregung, Aufnahmen davon hier zu posten. Olaf meinte, dass Thomas (TPL) bei der Interpretation dessen helfen könne, was man im Mikroskop erkennen kann. Hier also die Bildergebnisse, durchgängig mit einem PL 10/0,25 aufgenommen:

1.) Hellfeld (ohne Polarisatoren), Aperturblende offen
Der Dünnschliff hat noch eine gewisse (mir nicht bekannte) Dicke, so dass noch eine charakteristische Farbigkeit erhalten geblieben ist. Hauptsächlich sind an "Ausblühungen" erinnernde, runde bis elliptische Strukturen erkennbar, die mich an die radiale Diffusion von Material denken lässt, das sich in der Mitte dieser Strukturen befindet.



2.) Polarisation, Polarisator und Analysator gekreuzt
In der Orthoskopie verschwinden die im Hellfeld erkennbaren Strukturen beinahe. Stattdessen zeigt sich eine recht feine Struktur von Domänen unterschiedlicher Doppelbrechung:




3.) Polarisation, wie (2.), zusätzlich Kompensator Rot I
Dieses Bild noch als Ergänzung, falls es für die Analyse hilfreich ist:




Kann es sein, dass die chaotisch verteilten Domänen typisch für vulkanisches Material sind? Darauf scheint ja auch seine Kompaktheit hin zu deuten.

Bin mal gespannt auf eure Erklärungen!

Gruß,

Jörg

olaf.med

Lieber Jörg,

nur zur Ergänzung, damit evtl. Deutungen einfacher werden:

-  Der Schliff ist ca. 40 Mikrometer dick, sodass Quarz maximale Interferenzfarben gerade etwas oberhalb von strohgelb zeigt.

-  Diese Texturen sind sphärolithische Aggregate von Quarz (das gesamte Gestein ist eigentlich ein Chert o.Ä.) und damit sicher sedimentären Ursprungs. Da ich mich damit nicht gut auskenne hoffe auch ich auf entsprechende Kommentare der Fachleute, also z.B. von Thomas (TPL).

Bin gespannt,

Olaf

Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Holger Adelmann

#2
Hallo Jörg,
Da Thomas sich noch nicht gemeldet hat kann ich vielleicht auch helfen, ich hatte ja die MKB Exkursion in die Lahn-Dill Mulde geleitet und kenne mich mit der Geologie dort etwas aus.
Olaf hat recht - es sind Quarzsphärolithe, die Du zeigst.
Das Gestein ist allerdings kein Chert, sondern ein Eisenkiesel der im Gegensatz zu Cherts wenig SiO2 als Chalcedon aber dafür umsomehr in Form von Quarz enthält.
Die gelbliche Farbe kommt durch feines Fe und Mn Oxid.

Der Eisenkiesel von dort ist aus dem Unterkarbon und vulkanischen Ursprungs, und zwar aus der 2. grossen vulkanischen Periode des Paläozoikums (Erdaltertum) des Rheinischen Schiefergebirges.

Während die erste grosse vulkanische Periode dort im Mitteldevon überwiegend untermeerisch ausgeworfene basaltische Tuffe lieferte die später durch Auslaugung im Meerwasser die wirtschaftlich so bedeutenden Roteisensteinlager begründeten, förderte die 2. vulkanische Periode im Unterkarbon überwiegend - ebenfalls untermeerisch - ausgeflossene basaltische Lava (der spätere Deckdiabas).
Dieser wurde ebenfalls vom Meerwasser alteriert, aber längst nicht so effektiv wie der poröse Tuff der ersten Periode. Daher wurden nun nur rel. unbedeutende Mengen an Eisen freigesetzt, die dann ein schwerer zu verhüttendes, kieseliges Eisenerz bildeten, das kaum bauwürdig war.
Die Eisenkiesel sind wiederum eine noch eisenärmere Variante des kieseligen Eisenerzes.
Da sie tatsächlich untermeerisch sedimentär gebildet wurden lag Olaf damit wieder richtig!

Herzliche Grüsse
Holger


TPL

Hoppla, diesen schönen Beitrag habe ich bisher übersehen. Das ist ganz sicher nicht Deine Schuld, Jörg!

Lieber Jörg, Olaf und Holger,
danke auch für die Blumen, aber da muss ich einmal ganz klar schreiben, wer in dieser Sache der Fachmann ist: Holger!
Zum Glück hat Holger ja schon etwas zu dem Aufschluss und dessen geologischer Entwicklung geschrieben. Meine Erfahrung mit diesem Vorkommen eines mineralisierten Tuffs lagen nämlich, bis zur denkwürdigen MKB-Exkursion, zurück in Zeiten, als auch unter Fachleuten noch die "Geosynklinalen" im Schwange waren. Bitte nicht merken! Genug der Vorrede.

Jörg, vielen Dank für die drei Bilder dieses stark überprägten, vulkano-sedimentären kieseligen Gesteins. Nomenklatur ist so eine Sache, speziell bei diesen besonderen, auch noch von Bergleuten benamsten Gesteinen. Was ich in den Bildern sehe, ist ein sphärolithischer Chert (entschuldige, Holger). Die internationale Nomenklatur ist da an den zahlreichen, teilweise sehr spezifischen Lokalnamen vorbeimarschiert und bezieht sich vorrangig auf die Zusammensetzung und die Verfestigung eines Sedimentes (http://www-odp.tamu.edu/publications/185_IR/chap_02/c2_f4.htm). Aber Obacht: da kieselige Sedimente außerhalb der Erz-Lagerstätten eine eher akademische Bedeutung haben, sind auch diese Angaben nur mit Vorsicht zu genießen.

Wie Holger schreibt, ist das ein wesentlich "gewöhnlicheres" Sedimentgestein als die zu Eisen-Lagerstätten gewordenen, stark alterierten Tuffe der frühen vulkanischen Periode am Südrand des Rheinischen Schiefergebirges. Aber das tut ihrer Schönheit im Schliff ja keinen Abbruch! Ich habe mich jedenfalls gefreut, hier einmal sehr schön den wirklich drastischen Unterschied zwischen dem LPL-Bild (Abb. 1; linear polarsiert) und dem XPL (Abb. 2; gekreuzte Polarisatoren) gezeigt zu sehen. Das erste Bild zeigt chemisch-texturelle Unterschiede; das zweite dagegen die kristallographisch-mineralogischen Strukturen des selben Bildasschnittes - wirklich schön!

Es ist ja verlockend, beim ersten passablen Wetter da mal wieder hin zu fahren...

Herzliche Grüße
Thomas

Haus@Hund

Lieber Olaf, lieber Holger, lieber Thomas,

vielen Dank für eure tollen Erläuterungen! Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Kompetenz hier versammelt ist.

@Thomas: Die Wilhelmsteine sind echt einen Ausflug wert, und wenn man sich zum forstwirtschaftlichen Verkehr zählt, kann man den asphaltierten Feldweg bis zur Hinweistafel fahren  ;).

Viele Grüße,
Jörg