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Wachsmotte - Blutzellen

Begonnen von Jan Dunst, Februar 05, 2013, 17:17:31 NACHMITTAGS

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Jan Dunst

Hallo zusammen,

ich würde euch hier gerne einmal ein Photo von mir präsentieren. Es handelt sich um "Blutzellen", sogenannte Hämocyten, eines Insektes, genauer gesagt der Wachsmotte Galleria mellonella. Von diesen Hemocyten gibts es in den unterschiedlichen Insektenarten viele verschiedene Varianten die ebenfalls sehr vielfältige Aufgaben übernehmen. Der Sauerstofftransport gehört jedoch nicht dazu. Sie übernehmen dafür aber viele verschiedene immunologische Funktionen wie beispielsweise das Fressen von Fremdkörpern (Phagocytose), Einkapselung, Wundverschluss und Melanisierungsprozesse. Auf dem Photo, das im Differentiellen Interferenz Kontrast aufgenommen wurde, sind gleich mehrere Arten von Hämozyten gezeigt, in der Bildmitte eine Zellteilung. Die einzelnen Arten lassen sich morphologisch gut unterscheiden. Gerne liefere ich weitere Details.



Zur Anschaulichkeit der großen Heterogenität im Insektenreich ein weiteres Bild. Diesmal vom "Arbeitspferd" der Forschung, der Taufliege Drosophila melanogaster. In der unteren Bildmitte erkennt man eine sogenannte Lamellocyte, auch gerne als Handtuch beschrieben. Diese Zellsorte kommt im Normalfall nur zu einem Anteil von etwa 5% an den Blutzellen von D. melanogaster vor. Dieser Prozentsatz schießt jedoch in die Höhe sobald die Larven durch Parasiten befallen sind.



In D. melanogaster wurde übrigens der berühmte Toll Rezeptor entdeckt, der hoch konserviert im ganzen Tierreich für die Erkennung von Pathogenen verantwortlich ist, so auch im Menschen. Irgendwoher muss die Zelle ja wissen wer fremd ist und gefuttert werden soll. Über deren Entdeckung soll die Forschungsgruppe um die Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard so begeistert gewesen sein, dass sie es Toll nannten. Die Drosophilisten sind generell in ihrer Namensgebung sehr eigen, es gibt Gene wie Spätzle, Gurke und so weiter.

Insekten Zellen sind nicht schwer zu "ernten" und zu beobachten. Man braucht eine isotonische Lösung wie beispielsweise PBS (Phosphat gepufferte Saline), vielleicht tut es auch 0,9% ige Kochsalzlösung für eine kurzen Beobachtung. Dann am besten Larven von Drosophila oder anderen Fliegen (Anglerzucht oder Kompost/Biotonne). Diese reißt man mit Pinzetten auf dem OT auf und versucht den Darm nicht zu verletzen. So kann man die Hämolymphe einfach in einen Tropfen PBS laufen lassen und mit dem beobachten anfangen. Nach einiger Zeit werden einige Zellen adhärent, bilden kleine Füsschen und sitzen dann fest auf dem OT. Auch Regenwürmer besitzen schöne, vielfältige Blutzellen. Diese lassen sich noch einfacher Sammeln und beobachten. Eine Petrischale mit etwas PBS und dem Regenwurm, dazu ein 9V Block. Regenwürmer besitzen Öffnungen die unter diesem "sanften" Strom öffnen und Blutzellen abgeben. Der Regenwurm kann danach wieder freigelassen werden. Übrigens hat ein Regenwurm keine Hämocyten sondern Coelomocyten. :)

rhamvossen

Hallo Jan,

Sehr interessante Beitrag. Die Immunabwehr von Organismen die so weit von uns entfernt sind hat mich immer interessiert. Beste Grüsse,

Rolf

Ronald Schulte

Jan,

Sehr Interessant und werde ich auch mal versuchen. Ist dein zweites Bild auch DIC oder Phasekontrast?

Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Jan Dunst

Hallo nochmals,

beides sind DIC Bilder. Der Maßstab gilt ebenfalls für beide Bilder.

Jürgen H.

Lieber Jan,

Tolle Idee! Hast Du auch schon einmal versucht, einen kleinen Ausstrich der Hämolymphe analog einem Blutausstrich zu machen und zu färben?

Schöne Grüße

Jürgen

Jan Dunst

Lieber Jürgen,

bisher noch nicht durchgeführt. Ich habe aber Protokolle für eine Giemsa, May-Grünwald Giemsa und eine Alcianblau Färbung vorliegen. Schon durchgeführt habe ich histologische Enzymnachweise für saure Phosphatase, Peroxidase und Esterase auf zwei Spezies. Gerne gebe ich die Protokolle dafür weiter. Bilder dazu vielleicht in Kürze.

Schöne Grüße,
Jan

Jan Dunst

Hallo nochmals,

wie versprochen nun zuerst der enzymatische Nachweis auf saure Phosphatase.

Ich zitiere hier mal quer durch Wikipedia:

ZitatPhosphatasen sind eine Gruppe von Enzymen, die durch Wassereinlagerung (Hydrolyse) aus Phosphorsäureestern oder Polyphosphaten Phosphorsäure abspalten. Sie führen sozusagen die reverse Reaktion einer Kinase durch. Saure Phosphatasen sind Phosphatasen, deren pH-Optimum im Sauren (4,5–5,5) liegt. Sie kommen in Lysosomen vor und spielen dort vor allem bei der Apoptose eine entscheidende Rolle. Lysosomen sind Zellorganellen in tierischen Zellen. Es handelt sich dabei um von einer einfachen Biomembran umschlossene Vesikel mit saurem pH-Wert. Lysosomen verdauen zellfremdes (Heterophagie) aber auch zelleigenes (Autophagie) Material. Dies geschieht auch beim programmierten Zelltod.

Mit Hilfe der Enzymhistochemie kann die saure Phosphatase in Präparaten nachgewiesen werden. Als Substrat wird ein Naphthylester verwendet, welcher zu Naphthol umgewandelt wird. Gekoppelt mit einem Diazoniumsalz entsteht ein farbiger Diazofarbstoff.

Diese Färbung wurde hier an Hämocyten von Peruphasma schultei durchgeführt. Es sind stark und weniger stark positive Zellen unterschiedlicher Morphologie sichtbar. Die Substratumsetzung fand zum Großteil in kugeligen Vesikeln statt (vermutlich Lysosome). Besonders bei einer Zelle ist jedoch fast das ganze Zytoplasma intensiv gefärbt. Aufgenommen im Durchlicht.



Weder in der Primär- noch Sekundär-Literatur findet sich sogut wie nichts zu solchen Experimenten an Orthoptera.

Schöne Grüße,
Jan



Quellen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Saure_Phosphatase
http://de.wikipedia.org/wiki/Lysosom

Ronald Schulte

Jan,

Sehr Interessant.
Könnte es dann sein das die Programmierte Apotose bei die Zelle Linksunten weiter eingeleitet ist wie z.B. die Zelle gleich daneben?

ZitatGerne gebe ich die Protokolle dafür weiter

Wäre es möglich um die Protokolle auf zu schreiben?

Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Jan Dunst

Hallo Ronald,

soviel dort reinzuinterpretieren traue ich mich nicht. Ob dort Apoptose stattfindet müsste man anderweitig nachvollziehen, das wird aber mit Hobby Mitteln schwierig, zumindest mit den mir bekannten. Die saure Phosphatase wird ja auch anderweitig genutzt, und Verdauung von Eigenmaterial muss ja nicht zwingend zur Apoptose führen, sondern ist auch ein normaler Recycling Vorgang. Dennoch ist die Zelle links unten intressant.


Rezept kommt gerne und wurde wie folgt durchgeführt:

Nachweis auf saure Phosphatase (sP):

1. Zellen 10-15 min mit 1 % - 4 % Paraformaldehyd-Lösung fixieren, danach absaugen
2. 3 x 5 min mit 0,2 M Na-Azetat/Essigsäure (Puffer), pH 5,0 waschen (auftropfen und absaugen)

Reaktionslösung:
Naphthol AS-BI Phosphat (Sigma 2250) 2 mg (Substrat)
0,2 M Na-Azetat-Puffer 5 ml
Reinstwasser 5 ml
Fast Blue BB Salz (Sigma 3378) 6 mg (Farbkomponente)

Inkubationszeit: 30 min - 1 h im Dunkeln, nach Sicht kontrollieren. Beenden der Reaktion durch spülen mit entmineralisiertem Wasser. Eindeckeln mit Glyceringelatine.

Ergebnis: blaue Färbung/Kristalle, wenn besonders gut gelungen: pünktchenhaft (Lysosomen). Wichtig ist immer Kontrollen mit zuführen, nur mit Substrat, nur mit Farbkomponente usw. damit man kein falsch positiv bekommt.

Ronald Schulte

Jan,

Danke für die Auskunft. Ich habe dich ein PN geschickt.

Grüße Ronald
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Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
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Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

reblaus

Hallo Jan -

hast du mal versucht mit Fluorescein-Diacetat (eventuell als Doppelfärbung mit Evans Blue o.ä.) zu färben um einen Vitalitätstest zu machen? Das wäre besonders in Hinblick auf die total blau gefärbten Zellen interessant.

Dein Thema interessiert mich sehr, obwohl ich heute eher Botaniker bin und meine Forschungen an Insekten (Ephestia kühniella) 45 Jahre zurück liegen.
Bin gespannt auf weitere Bilder!

Viele Grüße

Rolf

Jan Dunst

Hallo Rolf,

danke für deine Anregung. Ich muss jedoch verneinen. Die Zellen sind vorfixiert und auch der saure Phosphatase Test dürfte ohne Fixierung schwer zu überleben sein. Es ist also eine Momentaufnahme von vor der Fixierung.

Ich möchte eine weitere Enzym-Reaktion vorstellen, ein Nachweis auf unspezifische Esterase. Im engen Sinn spalten Esterasen Esterbindungen wie sie beispielsweise und typischerweise in Lipiden vorkommen (siehe auch Lipasen). Gibt man diesen Esterasen ein Acetat Substrat so kann auch dieses hydrolytisch gespalten werden. In diesem Fall wurde als Substrat Naphthylacetat gewählt, das bei Hydrolyse mit einem Diazoniumsalz zu einem Azofarbstoff ausfällt. Gerne gebe ich das Rezept weiter. Der gewählte Farbstoff (Fast Garnet GBC) gibt generell eine gelbliche Hintergrundfärbung. Die Färbereaktion ergibt als Ergebniss eine rötlichbraune Färbung.

Durchgeführt wurde dieser Nachweis auf Hämozyten von Peruphasma schultei. Zu den Hämozytenpopulationen ist leider nicht mehr zu sagen, da hier bei diesem noch recht frisch entdeckten Insekt keinerlei Primärliteratur vorliegt, jedoch kann man durchaus unterschiedliche Morphologien erkennen. P. schultei ist jedoch unteranderem auch wegen seinem Wehrsekret interessant das hoch toxisch auf andere Insekten und Mikroorganismen wirkt, und auch als Mensch nicht sonderlich angenehm ist. Bei Gefahr oder Reizung kann dieses aus dorsalen Drüsen recht zielgenau abgesprüht werden. Diese Drüse ist auch mikroskopisch interessant, jedoch Fotos sind derzeit nicht möglich, ein Mitstreiter von mir hat hier wunderbare histologische Schnitte und Färbungen gefertigt, die jedoch noch in der "Pipe" sind.

Zeigen möchte ich jedoch gerne ein Bild der Hämozyten in denen unspezifische Esterase nachgewiesen wurde:



Unspezifisch gelb gefärbt ist beispielsweise die große Zelle unten Links. Deutlich spezifisch gefärbt sind die rotbraunen Zellen (spindelförmig, kreisförmig) in der Zellmitte. Die anderen Zellen besitzen auch einige rötlich gefärbte Stellen.

Schöne Grüße,
Jan