Vorher und Nachher 2: Amphipleura Peludica im Wellblech-Design

Begonnen von kmueho, Mai 05, 2021, 16:40:09 NACHMITTAGS

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kmueho

Hallo allerseits,

nachdem gestern Peter Höbels neue Präparate eingetroffen waren - lieber Peter, vielen Dank dafür - durfte ich mich auch mal am "Spielzeug der Großen" versuchen ;)

In der Tat: Gegen die Pelludica nimmt sich die Lindheimeri (von gestern) wie ein Kindergeburtstag aus. Das ist nochmal eine ganz andere Hausnummer! Erschwerend kam hinzu, dass ich die Z6-Kamera nicht nochmal mit offenem Sensor vor das okularlose Mikroskop stellen wollte. Also musste es das Handy richten.

Mit den alten Leitz brauchte ich erst gar nicht anfangen. Daher kam Zeiss in Reinkultur zum Einsatz. Das Präparat wurde wieder zwischen gekreuzte Polfilter gesetzt und es kamen sowohl ein Objektiv, als auch ein Kondensor mit 1,4er Apertur zu Einsatz. Die Struktur der Diatomee war schnell als Lamellen zu erkennen, aber die Poren waren äußerst widerspenstig. Ich konnte machen, was ich wollte - keine Poren :/
Mir blieb nichts anderes übrig, als jede passabel aussehende A.P. im Streu-Präparat aufzusuchen und mein Glück erneut zu versuchen. Und siehe da, eine lag wohl optimal und es gab einen ersten Hauch von Poren. Jetzt bloß nicht gegen den Kreuztisch stoßen, das Exemplar finde ich nie wieder. Also noch mit der "Scharfstellung" des immergierten Kondensors rumspielen. Oder vielleicht den Kondensor etwas dezentrieren ("schiefe Beleuchtung")? Aber es half alles nichts. Es blieb beim Hauch von Poren.

Was tun? Wie wäre es mit einem Grün-Filter? Grün sollte das beste sein, da zum einen die Lampe des Zeiss-Axioskops noch Halogen ist (wenig Blau-Anteil) und zum anderen der Kamerasensor dort die höchste Auflösung besitzt. Das Dumme: Ich habe keinen Grünfilter. Die Anaglyphen-Brille hat nur Cyan und Rot, kam also nicht in Frage. Was könnte sich denn noch zweckentfremden lassen? Schließlich fiel mein Blick auf einen sogenannten "dichroitischen Würfel". Das sind (eigentlich) teure optische Elemente, die z.B. in hochwertigen Projektoren verwendet werden, um das Licht in RGB zu zerlegen und nach dem Durchlauf von (getrennten) Absorbtions-Panelen wieder zum Farbbild zusammen zu fügen. Glücklicherweise fällt bei der Produktion genügend Ausschuss an, der nicht ganz perfekt ist und den kann man dann für ein paar Euro kaufen. So ein Spielzeug sollte es nun richten. Glücklicherweise ist Grün die Farbe die gerade durch den Würfel durchläuft, also habe ich den einfach aufs Leuchtfeld gesetzt. Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen ;) und A.P.s Poren nun auch ein wenig besser.

Geht noch was? Eine Zentralblende soll ja das Licht im Zentrum des optischen Pfads zurückhalten und den Blick auf die höher auflösenden Randbereiche freigeben. Also aus schwarzem Isolierband (runde) Punkte in unterschiedlichen Durchmessern ausgeschnitten, auf einen Objektträger geklebt und oben auf den Würfel gelegt. Einen positiven Effekt hatte das aber nicht. Die Poren verschwanden umgehend. Es musste also beim "etwas besseren Hauch" bleiben.

Beim 63x/1,4er Objektiv sind die Poren derart klein, dass die gerade eben mit bloßem Auge erkennbar sind. Und das muss das (arme) Handy nun aufzeichnen. Also das Bild der Kamera (digital) so groß gezoomt, wie es geht, um wenigstens die Kompressionsverluste in Schach zu halten. Dann noch den ISO-Wert auf 100 festsetzen. Da ich wieder ein Video machen wollte, statt 240 Mal einzeln auszulösen, sind der Belichtungszeit bei 24 Bildern/Sek Grenzen gesetzt. Daher waren die Bilder (zwischen gekreuzten Polfiltern und den rausgesiebten Rot- und Blau-Anteilen) auch recht dunkel. Aber egal, soll das alte Windows-Phone mal zeigen, warum es seinerzeit angeblich die beste Kamera hatte.

Die Nachbearbeitung des Bildmaterials ist dem von gestern sehr ähnlich. Ich habe lediglich die Aufteilung bei der Stack-Verschachtelung geändert. Statt 6 x 40 Bilder, habe ich nun 12 x 20 Bilder verwendet, um beim zweiten Stacking einen besseren Effekt zu erzielen. Und wegen der vielen Flecken im Hintergrund habe ich die Diatomee vollständig freigestellt und in einen künstlichen Hintergrund mit etwas "natürlichem" Rauschen eingesetzt. Dann sieht das nicht völlig aus, wie eine Computergrafik.

Kommen wir zum "Wellblech" aus der Artikelüberschrift. Testweise habe ich mal ein Einzelbild geschossen und das als RAW-Bild gespeichert. Ja, das Lumia 950 kann tatsächlich Bilder im DNG-Format ablegen. Dort wurde erkennbar, dass ich mir Interferenzen einhandeln würde. Nämlich zwischen dem Porenraster der A.P. und dem Pixel-Raster des Kamerasensors. Daher erscheinen die Poren auch in - sich periodisch wiederholenden - Größenunterschieden. Außerdem sind die Raster nicht exakt parallel ausgerichtet, sondern haben ein paar Grad Winkelunterschied. Das und die Interferenzen verursachen den scheinbaren Wellblech-Effekt. Um diesen zu sehen, bitte das Bild in voller Auflösung öffnen und ein Stück reinzoomen

Anbei wieder ein Vorher- und Nachher-Bild. Wobei ich das "Vorher-"Bild ein wenig aufgehellt habe, damit es am Bildschirm besser sichtbar ist.

Viele Grüße,
Kai

Bob

Hallo Kai,
da hast Du eine sehr hohe Auflösung erreicht bei gleichzeitig gut verwirrenden Artefakten. Das ist sowieso bei Mikrofotos oft das Problem, die meisten Verbesserungen gegenüber dem flauen Hellfeldbild gehen mit Artefakten einher. Auch der Reliefeffekt vom DIK ist ja ein Artefakt.

Eine adere Frage: Bei Kompaktkameras wie der Olympus TG-4 gibt es gerne mal Coolpixringe oder ähnliche Bildstörungen, die aus geringen Störungen in den Linsen herrühren. Hat Dein Handy sowas gar nicht? Die Bilder sehen ja gut aus.

Viele Grüße,

Bob

kmueho

"Hat Dein Handy sowas gar nicht?"

Hallo Bob,

nein, nichts dergleichen. Ich gehe mal davon aus, dass das am vergleichsweise einfachen Festbrennweiten-Objektiv des Lumia liegt. Die meisten Kompaktkameras dürften Zoomobjektive haben und damit eine deutliche höhere Anzahl von Linsen. Das macht solche Refelxionen oder Interferenzerscheinungen deutlicher und wahrschenlicher.
Und es ist offensichtlich so, dass das Licht/Bild, was aus einem Okular kommt, die dahinterliegende Optik ordentlich fordert. Ich sehe jedenfalls die Schlieren im (eigenen) Auge beim Blick ins Mikroskop erheblich deutlicher, als wenn ich "normal" in die Gegend blicke.

Viele Grüße,
Kai

Bob

Hallo Kai,
kritisch sind in den Kompaktkamera-Objektiven wohl oft Kunststofflinsen, die im Normalbetrieb einwandfrei funktionieren, am Mikroskop dann aber unerwartet Schwächen zeigen. Ich kann es zwar nicht begründen, aber das Problem nimmt offenbar mit stärker werdenden Mikroskopobjektiven zu. Im Urlaub im letzen Sommer hatte ich zwei Fotolösungen mit, die Olympus TG-4 mit Bajonett and Okular adaptiert und mein Nokia 8 Mittelklassehandy in einem Halter. Beim 40er Objektiv zeigte sich bei der Olympus leider ein merkwürdig unruhiger Hintergrund, obwohl sie sonst gut und praktisch war. Das Handy hatte das Problem nicht.

Viele Grüße,

Bob

Jürgen Boschert

Hallo zusammen,

die Coolpix-Ringartefakt-Diskussion hatte ich ja seinerzeit unmittelbar miterlebt. Konsens war schlussendlich, dass es mit der Linsenproduktion im sog. Schleudergussverfahren zusammenhängt; dabei werden die (Kunststoff-)Linsen aus dem flüssigen Material gegossen und unter schneller Drehung in ihre Form gebracht. Das ist in der Herstellung günstig, ein Schleifen entfällt, aber es kommt zu ringförmigen Unebenheiten, die für "normale" Fotographie kein Problemdarstellen, aber bei den engen Strahlenbündeln am Mikroskop sichtbar werden.
Beste Grüße !

JB

Carsten Wieczorrek

#5
Halllo,

erst mal herzlichen Glückwunsch zu den Bildern.

ZitatIch konnte machen, was ich wollte - keine Poren :/
Ich habe schon länge eine Probe von Peter und habe hier noch nichts eingestellt, weil ich zu 100% dieses Ergebnis habe. Apropos, ich wäre ja schon Glücklich mit Streifen im Hellfeld.


ZitatMir blieb nichts anderes übrig, als jede passabel aussehende A.P. im Streu-Präparat aufzusuchen
Die Erfahrung habe ich auch, es gibt wenige, da geht es etwas besser.

ZitatAlso noch mit der "Scharfstellung" des immergierten Kondensors rumspielen. Oder vielleicht den Kondensor etwas dezentrieren ("schiefe Beleuchtung")? Aber es half alles nichts. Es blieb beim Hauch von Poren.
Äh, nein, es blieb bei einem Hauch von Linien.

ZitatWas tun? Wie wäre es mit einem Grün-Filter? Grün sollte das beste sein, da zum einen die Lampe des Zeiss-Axioskops noch Halogen ist (wenig Blau-Anteil) und zum anderen der Kamerasensor dort die höchste Auflösung besitzt. Das Dumme: Ich habe keinen Grünfilter.
Ich schon. Hat nicht allzuviel gebracht. Eine 430 nm LED ist da besser (bei mir zumindest).

ZitatGeht noch was? Eine Zentralblende soll ja das Licht im Zentrum des optischen Pfads zurückhalten und den Blick auf die höher auflösenden Randbereiche freigeben.
Deutliche Linien mit einem Hauch von Pooren bekomme ich nur mit dem 100 Apo 1,4, und geöltem 1,4 Kardiodkondensor (und der muss auch noch etwas schief gestellt werden). Hellfeldkondensor 1,4 mit oder ohne Schieflicht/Blende/COL wirkungslos...

ZitatDie Nachbearbeitung des Bildmaterials ist dem von gestern sehr ähnlich.
Das mit den 200 Bildern rauschtechnisch zu mitteln, werde ich  bei nächster Gelegenheit mal probieren. Bei AffinityPhoto sollte das "Astro-Stapelverarbeitung" heißen.

Noch nicht ganz entmutigte Grüße,
Catsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

Carlos

Hallo Kay,
Super Bilder der Feinstruktur einer A.p.! Gerade das letzte Schwarz/Weiß-Bild kommt einem REM-Bild sehr nah! (Natürlich kann man die ,,Geometrie/Form" der Poren nicht erkennen, da dies eine, mit sichtbarem Licht die hierzu notwendige Auflösung der Optik eines Mikroskops nicht erreicht werden kann. Das würde ich aber nicht als ,,Artefakt" bezeichnen.)
Zitat... Das Präparat wurde wieder zwischen gekreuzte Polfilter gesetzt ...
Du verwendest also, wie viele andere auch, ,,gekreuzte Polfilter". Ich gehe davon aus, dass Du linear polarisierte Polfilter, wie sie im ,,Polarisationsmikroskop" als Polarisator und Analysator eingesetzt werden, bis zum Minimum an Lichtdurchlässigkeit gekreuzt hast. Der Polarisator ist dabei in eindeutiger Polarisationsrichtung  fest eingebaut, der Analysator zur exakten Bestimmung der Polwirkung des dazwischen liegenden Objekts drehbar.
ZitatMir blieb nichts anderes übrig, als jede passabel aussehende A.P. im Streu-Präparat aufzusuchen und mein Glück erneut zu versuchen. Und siehe da, eine lag wohl optimal und es gab einen ersten Hauch von Poren. Jetzt bloß nicht gegen den Kreuztisch stoßen, das Exemplar finde ich nie wieder.
Daraus schließe ich, Du hast einen feststehenden, nicht drehbaren Polfilter verwendet. Mit ,,gekreuzten"  Einstellung hast Du dann vermutlich mit dem ,,Kreuztisch" in dem Präparat  nach einer  ,,optimal liegenden A.p." gesucht. 
Nach meinen Versuchen ist es aber nicht die ,,optimale Lage" der A.p. sondern die optimale Lage des ,,Polkreuzes" zur A.p.
Hättest Du einen Drehtisch, könntest Du fast alle plan-liegenden  A.p. durch Drehen des Tisches in die richtige Lage zum, die A.p. beleuchtenden  Polkreuzes bringen.  Ich verwende deshalb  einen, auf dem Lichtaustritt liegenden, auch drehbaren Polarisator.
Gruß Carlos
Ps. näheres siehe
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=40862.msg300991#msg300991