Kleines Labormikroskop IIIb Carl Zeiss Jena von 1866

Begonnen von Klaus Herrmann, März 03, 2013, 14:58:03 NACHMITTAGS

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Klaus Herrmann

Hallo zusammen,

eine kuriose, aber glückliche Geschichte verbindet sich mit diesem Mikroskop, das bis vorgestern schon lange bei mir unerkannt auf einem Schrank im Labor stand. Dann habe ich mal einiges für ebay raussortiert, was endlich weg soll. Als ich das Mikrosköpchen in die Hand nahm fiel mir auf, dass es eigentlich ganz solide gebaut ist und deshalb habe ich in Timo Mappes´ virtuellem Museum geblättert und dort ein sehr ähnliches gefunden:

http://www.musoptin.com/zeiss_1552.html

das allerdings ganz in Messing, meines ist dagegen teilweise schwarz. In der bei Timo üblichen sorgfältigen Dokumentation fand ich dann das Bild der Signatur, die - eher ungewöhnlich - auf dem Tisch eingeschlagen ist.
Da hatte ich bei meinem nicht geschaut, aber bei Überprüfung schnell die - bis auf die Zahl - völlig identische gefunden 117 C. Zeiss Jena.

Timo hat mir dann noch die Information gegeben, dass das Instrument 1866 an das Anatomische Institut Bonn geliefert wurde. Herstellungsdatum eventuell 1864, da warte ich noch auf Bestätigung durch Timo.

Edit: Timo hat mir gerade noch die Info gegeben, dass es Heiligabend 1862 montiert wurde:
Gerne kannst Du Deinen Beitrag ergänzen, dass hier der Tag der Abnahme, 24.12.1862 steht.[/i]

Damit ist dieses kleine Mikroskop mein ältestes Zeiss-Mikroskop! Und funktioniert noch tadellos - selbst der Feinfokus! Nix verharzt, kein gesprungenes Plastikteil, keine Delamination... :)


Detailbeschreibung kann man bei Timo nachlesen. So sorgfältig macht das kaum jemand. Aber die von mir vermutete spätere Überlackierung (ich habe ja Erfahrung mit überlackierten Mikroskopen) ist eventuell doch keine, weil der U-Fuß aus Gußstahl ist. Der ist auch eindeutig original, weil alle Teile eine Ziffer 3 eingeschlagen tragen. Das sind Zuordnungsnummern für die Montage. Zur damaligen Zeit waren die Instrumente alle Individuen, wo man Bauteile nicht beliebig vertauschen konnte.

Somit ist zu vermuten, dass die schwarze Lackierung aus Korrosionsschutzgründen schon damals aufgebracht wurde und das in der Anfangsserie  noch so war und später dann auch der U-Fuß in Messing ausgeführt wurde.

Edit:Timo gab mir noch die Information, dass Zeiss-Mikroskope mit Stahlguss Fuß sehr selten sind. Es scheint sich also um eine echte Rarität zu handeln - so unscheinbar, wie es aussieht. Aber die Blaue Mauritius sieht auch nicht besonders aus!  ;)

Die Optik ist übrigens noch tadellos. Nächste Woche bekomme ich eine Canon A 95, da kann ich noch ein Testbild nachreichen.

Fazit: immer mal wieder das virtuelle Museum besuchen! Es bildet, ist ein Genuß, und kann sogar vor fatalen Fehleinschätzungen bewahren!











Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Jürgen Ibs

Hallo Klaus,

gratuliere!  Es erstaunt mich immer wieder, wie funktional und elegant Zeiss damals schon gebaut hat. Die Lochblenden als Revolver sind auch sehr praktisch, kein fummeliges Umstecken.

Grüße

Jürgen
Ein freundschaftliches "du" ist immer willkommen - nicht nur dadurch ist das benachbarte Skandinavien vorbildlich.

Meine Vorstellung:
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34.0

Klaus Herrmann

Hallo Jürgen,

Zitatwie funktional und elegant Zeiss damals schon gebaut hat

Ja man schaue sich nur mal die 4-Achsenverstellung des Spiegels an und daran die feinen Langschlitze zur federnden Verbindung.

Es sieht schlicht aus ist aber was Feines! Und Timo meinte, das Guß-Füße aus der Zeit bei Zeiss sehr selten waren.

Völlig OT: allerliebst, was das Rechtschreibprogramm für Zeiss und Guß-Füße als Vorschläge anbietet!  ;D
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Bernhard Kaiser

#3
Hallo Klaus,

ein noch ähnliches Mikroskop ist unter der Bezeichnung Stativ VIIa auf S.11 in Strasburger "Das Botanische Practicum" von 1884 abgebildet.

Meine Gratulation zu Deinem Fund.

Gruß Bernhard

Alfons Renz

#4
Lieber Klaus,

Die Vermutung lag nahe, und eine Internetrecherche hat es rasch bestätigt: Das Mikroskop wurde offenbar bald nach der Trennung von Anatomie und Physiologie und des Selbständigwerdens der Pathologischen Anatomie  (1862 besetzt mit Carl Otto Weber) angeschafft: http://www.ukb.uni-bonn.de/42256BC8002AF3E7/vwWebPagesByID/13D201260C2FF242C125785A0039CC33 und http://s2w.hbz-nrw.de/ulbbn/content/pageview/308476. Wohl kaum für den Direktor des Anatomischen Instituts, eher für einen Mitarbeiter. Jedoch gewiss nicht für den Kursraum, denn benutzt wurde es offensichtlich nur sehr wenig - oder schon nach kurzer Zeit ersetzt durch ein besseres Gerät mit Objektivrevolver.

Viel Freude damit!

Alfons

ps. Auf einen Hinweis von Heino hin habe ich die Institutsgeschichte nochmals recherchiert (siehe Link oben). Leider ist auch aus dieser Beschreibung der Geschichte des Universität Bonn nicht ersichtlich, wer nun den Lehrstuhl für Anatomie inne hatte. Auf der Homepage des Anatomischen Instituts erfährt man: "Das Anatomische Institut ist eines der ersten Institute, das im Bereich der Nussallee im Jahre 1889 gegründet worden ist. Initiiert und initial geleitet von La Valette-St. George, war das Institut in Bonn Wirkstätte einer Reihe weltbekannter Anatomen. Sobotta, Müller, Leydig sind nur einige der hier wirkenden Hochschullehrer" (http://www.anatomie.uni-bonn.de/institut).  LaValette habilitierte sich in Bonn 1858 und wurde dort 1862 Außerplanmäßiger und 1875 Ordentlicher Professor für Anatomie (http://de.academic.ru/dic.nsf/meyers/78911/La). Das Mikroskop könnte also an ihn geliefert worden sein. Leydig wechselte erst 1875 von Tübingen nach Bonn, um dort den Lehrstuhl für Vergleichende Anatomie anzunehmen.

Interessant ist auch die Frist von fast 4 Jahren zwischen Produktion im Dezember 1862 und Auslieferung 1866: Zeiss produzierte offenbar 'auf Lager'.