Wie werden / wurden Objektmikrometer hergestellt

Begonnen von plaenerdd, März 05, 2013, 22:17:22 NACHMITTAGS

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plaenerdd

Hallo liebe Freunde der Technikgeschichte,
ich habe mit einem alten Mikroskop auch ein sehr altes Objektmikrometer bekommen:


Ich denke, das ist noch Vorkriegsware, weiß es aber nicht. Sieht jedenfalls ganz ordendtlich aus. Die 0,2mm, die in Hundertstel mm unterteilt sind sehen so aus:


Jetzt frage ich mich, wie das damals (und wie heute) gemacht wird. Irgendein Photodruck?

Klärt mich bitte auf!
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph


olaf.med

#2
Liebe Teilungs-Interessierte,

bei meinen Arbeiten stoße ich immer wieder auf Teilungen, die mich ehrfürchtig erstaunen lassen, und für deren Hersteller ich allerhöchste Hochachtung empfinde. Ich weiß natürlich, dass man schon früh Teilmaschinen entwickelt hat, habe aber bisher noch keine Erklärung deren genauer Funktion gefunden. Wenn jemand Licht in mein Dunkel bringen könnte wäre ich sehr dankbar. Kreiteilungen mache ich konventionell mit dem Teilkopf, aber wenn ich das unten gezeigte Beispiel so fertigen müßte würde ich sicher verzweifeln.

Ich arbeite gerade an einem sehr seltenen und wertvollen Vermessungsgerät, einem Gambey-Kreis aus der Zeit vor 1847. Dieser wurde von einem Vandalen poliert, wobei bei den Teilkreisen zum Glück nur der Lack entfernt und der Polierbock nicht eingesetzt wurde. Das gesamte, sehr komplexe Instrument sieht so aus:



Der untere Teilkreis mit einem Durchmesser von 163 mm besteht aus Messing und ist relativ grob geteilt - nur in 20 Winkelminuten-Inkrementen, das macht schlappe 1080 Striche auf den Umfang. Das Besondere ist aber, dass hier der Gravierstichel nicht von außen radial in das Material einsticht, sondern dass auf dem Kreis nur zwischen zwei eingedrehten konzentrischen Kreisen geteilt wurde. Der Stichel mußte also für jeden Strich abgesenkt und wieder gehoben werden. Die handgestichelten Zahlen sind hier 1,3 mm hoch:



Der obere Meßkreis mißt 215 mm an der Ableseseite der Teilung, die auf einem eingelöteten Silberring aufgebracht ist. Die Inkremente sind im Abstand von 5 Minuten, also 4320 Striche auf den Umfang!!!!! Vier Nonien im Abstand von 90° erlauben die Ablesung von 20 Winkelsekunden. Die Zahlenhöhe beträgt ca. 0,9 mm:



...ich staune immer noch....

Herzliche Grüße und viel Spaß beim Betrachten,

Olaf

Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Rawfoto

#3
Hallo Olav

Es waren schon Meisterleistungen der Technik die man in vergangenen Jahrhunderten erbracht hat, meine Bewunderungen gehen bis zu den Ägyptern und Griechen zurück ...

Das ist ein tolles Beispiel das Du da zeigst ...

Ich kenne nur die Teil-Aparate für die Fräsmaschinen, wobei die schon einen sehr hohe Präzision verfügbar ... 

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Alfons Renz

Hallo, liebe Kreisteilende, Mikrometergraveure und Bedampfer,

Wie CBM völlig richtig bemerkte, hat Nobert seine Testplatten mit Hilfe einer Kreisteilmaschine und mittels eines Diamant-Stichels in Glasplatten graviert. Diese dienten jedoch primär zur Ermittlung des Auflösungsvermögens der damals sich schnell verbessernden Mikroskope. Spätere dann auch als Interferenzgitter zur Bestimmung der Wellenlänge des Lichts (Angström verwendete eine Platte von Nobert) oder zur definierten Beurteilung der Färbung von Sternen in der Astronomie.

Problematisch ist jedoch, dass diese sehr feinen Gravuren auf Glas kaum zu erkennen sind - Ich selbst hätte beinahe zwei der allerersten Testplatten von Nobert als 'leere Objektträger' weggeworfen, denn auf diesen war mit bloßem Auge wirklich nichts zu erkennen!

Deshalb werden Objektmikrometer für den allgemeinen Gebrauch durch Aufdampfen von Metall durch eine entsprechende Maske oder ähnliche materialauftragende Techniken hergestellt. So auch die Eingangs vorgestellte Mikrometerplatte aus den USA.

Die angesprochenen Kreisteilmaschinen stellen die hohe Kunst der Feinmechanik und Messtechnik dar, die für die Astronomie und für den Bau von Navigationsgeräten entscheidend war. Bekannt sind die Teilmaschinen von Ramsden in England und Reichenbach in München für die Geodäsie und Stronomie und die Maschine Noberts für die Mikroskopie (näheres dazu wäre OT, gerne per PN).

Wichtig ist nur, sich darüber im klaren zu sein: Das Meter, die Toise, Linie, das Inch oder der Fuß etc. sind künstliche Festlegungen nach einem Urmaß (das seinerseits durchaus sachlich begründet war!), während die Teilung des Kreises dimensionslos ist: Hälfte, Viertel, Achtel usw. Die Kunst beim Teilen des Kreises besteht darin, nach mehrfacher Messung eines bestimmten Intervalls wieder auf eine feste Linie ("1/4 Kreis" etc.) zu kommen. Das geschieht mittels repetitiver Messungen.

Die (preisgekrönte!) Erfindung der präzisen Winkelmessung durch Repetition (mehrfache Messung und Mittelung des Fehlers) verdanken wir Tobias Mayer (aus Marbach, dann Esslingen, später Göttingen). In der Mikroskopie sind derartige Genauigkeiten und Techniken (des 'Umschlagens' z.B.) zwar denkbar (Mineralogie??), aber m.W. nicht gebräuchlich.

Mit herzlichen Grüßen,

Alfons



 

olaf.med

#5
Lieber Alfons,

in der Mineralogie hat man tatsächlich das Repetitionsverfahren genutzt, und zwar bei Wollaston-Goniometern, die zur präzisen Vermessung von Flächenwinkeln an Kristallen verwendet wurden. Hier ist ein solches Gerät zu sehen:



Man erkennt oben am Teilkreis die beiden Feineinstellungen mit denen Teilkreis und Kristallträger gekoppelt und entkoppelt werden können. Durch Mehrfacheinstellung des Flächenwinkels und Aufsummieren der Winkel reduziert man die relative Größe des Ablesefehlers.

Wenn Du mehr Informationen zu den Kreisteilmaschinen hast wäre ich daran brennend interessiert.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

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olaf.med

Nachtrag:

Früher wurden die Objektmikrometer auch auf fotografischen Wege hergestellt. Ich besitze solche von J. D. Möller aus der Zeit um 1900.

Gruß, Olaf
Gerne per Du!

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Werner

Leider ist wirklich wenig über Teilmaschinen im Netz zu finden (meist sind das Teig- oder Maschinenbau Teilmaschinen).
Aber man findet ja sowieso nur, was irgend ein Idealist ins Netz gestellt hat. Leider sind auch viele Archive inzwischen geschluckter Firmen nicht mehr greifbar oder wegen der Kostenoptimierung gelöscht worden. 
Aber man findet doch etwas, zumindest Hinweise, wenn man in Richtung Geodäsie sucht.
Beim Präzisionmaßstabhersteller Heidenhain gibt es nichts darüber.

http://ebookbrowse.com/teilmaschinen-kern-vpk4-2001-aeschlimann-pdf-d295841420
http://www.leica-geosystems.com/de/Geschichte_834.htm   -   der letzte Link auf der Seite

Eigentlich sind nur die Geodäsie-Instrumente-Fabrikanten an sehr genauen Teilkreisen interessiert, Astronomen greifen auch auf deren Knowhow zurück.
Der geniale Erfinder Heinrich Wild (Zeiss, Wild, Kern) hat auch die Teilmaschinen verbessert. Seine Geschichte ist übrigens sehr interessant zu lesen.
Kurioserweise kann man ein Ziel genauer einstellen, als man nachher den Winkel abzulesen vermag. (besser als 0,1 Winkelsekunden ist nicht drin).

Eine weitere Quelle sind (antiquarische) Geodäsiebücher - oder Unibibliotheken.
z.B.: Deumlich, Instrumentenkunde der Vermessungstechnik - eines der besten Bücher.
US-Zeitschriften (ältere) "Applied Optics" und andere.

Ich habe schon einiges über Teilmaschinen gelesen, aber sehr verstreut zufällig gefunden. Erinnerlich ist mir die Verwendung von Globoidschnecken und Reibradgetrieben.

Gruß   -  Werner


plaenerdd

Hallo liebe Teilungsexperten,
Danke für die Antworten. Es freut mich, dass ich da ein Thema angesprochen habe, das so schön in die Breite geführt wurde und gar nicht so trivial ist, wie ich angenommen hatte.

Dieses Foto hat mir ein ähnliches Staunen entlockt, auch wenn es etwas moderer ist

Mit Laser in ein Haar geschrieben. Irre!
Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

moräne

#9
Hallo
Eure Diskussion zu Objektmikrometern kommt mir ganz gelegen.
Ich verwende beim Zeichnen diese runden 25 mm durchmessenden Scheiben von Ebay.
Gibt da Gitter , Maßstäbe.....
Wenn ich z. B. ein Gitter auf den Dünnschliff lege, kann ich auf dem Kreis in welchem ich zeichne,ein  entsprechendes Gitter .... vorzeichnen, und verirre mich dadurch nicht beim Zeichnen.
Nun habe ich ein Okular mit varierbarem Kreuz bekommen, und suche jetzt etwas, was mich einen Winkelteilkries am Rand des Gesichtsfelds einblenden läßt.
Es sollte auch nur am Rand einen Teilkreis geben, der Rest sollte klar durchsichtig sein.
Das würde reichen, wenn in 10 Grad Abstand Striche kreisförmig eingeätzt wären.
Ich  könnte dann den Zeiger auf jeweils eine Winkelteilung stellen, und auf der Zeichnung das gleiche tun ( zeichnend)
Damit hätte ich mehr sichtbare Flächen , als wenn ich ein Gitter über den Dünnschliff legen würde.
Es ist mir auch klar das ich mehrere von den Dingern bräuchte, für die verschiedenen Objektive.
Kennt jemand eine Quelle. wo ich so was kriegen könnte.

Grüße
Gerd

moräne

Zitat von: moräne in März 06, 2013, 20:33:01 NACHMITTAGS
Hallo
Eure Diskussion zu Objektmikrometern kommt mir ganz gelegen.
Ich verwende beim Zeichnen diese runden 25 mm durchmessenden Scheiben von Ebay.
Gibt da Gitter , Maßstäbe.....
Wenn ich z. B. ein Gitter auf den Dünnschliff lege, kann ich auf dem Papier auf welchem ich zeichne , ein  entsprechendes Gitter .... vorzeichnen, und verirre mich dadurch nicht beim Zeichnen.
Nun habe ich ein Okular mit varierbarem Kreuz bekommen, und suche jetzt etwas, was mich einen Winkelteilkries am Rand des Gesichtsfelds einblenden läßt.
Es sollte auch nur am Rand einen Teilkreis geben, der Rest sollte klar durchsichtig sein.
Das würde reichen, wenn in 10 Grad Abstand Striche kreisförmig eingeätzt wären.
Ich  könnte dann den Zeiger auf jeweils eine Winkelteilung stellen, und auf der Zeichnung das gleiche tun (diesen Strich als Hilfslinie einzeichnen)
Damit hätte ich mehr sichtbare Flächen , als wenn ich ein Gitter über den Dünnschliff legen würde.
Es ist mir auch klar das ich mehrere von den Dingern bräuchte, für die verschiedenen Objektive.
Kennt jemand eine Quelle. wo ich so was kriegen könnte.

Grüße
Gerd

Peter V.

Zitat von: plaenerdd in März 06, 2013, 18:18:50 NACHMITTAGS
Hallo liebe Teilungsexperten,
Danke für die Antworten. Es freut mich, dass ich da ein Thema angesprochen habe, das so schön in die Breite geführt wurde und gar nicht so trivial ist, wie ich angenommen hatte.

Dieses Foto hat mir ein ähnliches Staunen entlockt, auch wenn es etwas moderer ist

Mit Laser in ein Haar geschrieben. Irre!
Grüße
Gerd



...geht auch alles ohne Maschinen und Laser:

http://www.gizmodo.de/2011/02/14/wie-man-eine-rasierklinge-graviert.html

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

beamish

Hallo Gerd,

könntest du mit sowas etwas anfangen?:



Das ist ein Zeiss-Winkel Okular FK 8x (fokussierbar ;-) ) mit eingelegter Gitterplatte.

Das schlechte Foto habe ich nur schnell mit der Ixusknipse freihändig gemacht...

Grüße

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Horst B.

Hallo Gerd,

die Herstellung von Objektmikrometern ist vergleichbar mit der Herstellung von Leiterplatten. Diese werden nicht fotografisch, sondern fotolithographisch hergestellt.
Alfons hat ja schon den richtigen Hinweis gegeben.
Eine Glasplatte wird zuerst mit einer dünnen Chromschicht bedampft/ aufgespattert. Ein positiv arbeitender Fotoresist bzw. Fotolack wird dann aufgetragen. Durch eine strukturierte Fotomaske erfolgt mit UV-Licht die Belichtung des Fotolackes. Die belichteten Bereiche auf der Glasplatte können dann mit alkalischen Lösungen entwickelt werden. Es bleiben dann Lackstrukturen auf den metallisierten Glas zurück. Mit speziellen Ätzlösungen werden dann die unbedeckten Bereiche herausgeätzt. Nach der gründlichen Spülung mit Wasser löst man den Lack mit Aceton einfach weg. Fertig ist das Objektmikrometer. Ist eine Arbeit von ca. 30 min., Kaffeepause natürlich mit eingerechnet.
Leiterplatten usw. werden nach diesen Verfahren seit Jahrzehnten hergestellt. Als Hobbybastler kann man damit Strukturen von ca. 2 /1000 mm problemlos herstellen.
Im Profi-Bereich sind Strukturen von 0.5 Mikrometern durch Kontaktverfahren machbar, falls die entsprechende ,,Muttermaske" vorhanden ist.
Ist zwar immer noch relativ groß, wenn die Strukturen bei der Chipherstellung als Vergleich herangezogen werden. Für optische Testversuche kann aber das Verfahren durchaus zufriedenstellende Ergebnisse liefern.
P-Lacke zur Herstellung von Leiterplatten aus dem Elektronikladen sind prinzipiell für dieses Verfahren geeignet. Bereits bedampfte Glasplatten sind im Handel erhältlich, usw. ....


                            Gruß Horst

moräne

Hallo Horst
Wo könnte ich solches chromiertes Glas kaufen?
Grüße
Gerd