Carausius morosus Thorakalganglion

Begonnen von Jürgen H., Juni 03, 2013, 22:57:48 NACHMITTAGS

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Jürgen H.

Liebe Mitmikroskopiker,

Im Folgenden ist ein Bild eines Thorakalganglions der Stabheuschrecke carausius morosus zu sehen. Das Tierchen hat mir Martin netterweise zur Verfügung gestellt.




Im Thorax dieser Insekten befinden sich drei Ganglienknoten; jeder Knoten innerviert je eins der drei Beinpaare. Die Schnittführung ist transversal (waagerecht zur Bodenfläche).

Das dem Gesamtbauplan zugrundeliegende Strickleitersystem der Nerven ist bereits auf diesem Teilausschnitt ganz gut zu erkennen. Oben und unten gehen jeweils die paarigen Verbindungsnerven - die Konnektive K zu den nächsten Ganglienknoten ab, rechts und links vom Knoten liegen die abgehenden Beinnerven BN.

Der eigentliche Ganglienknoten ist von einer Blut-Hirnschranke BHS umhüllt, die das Nervensystem gegen die den Knoten umgebende Hämolymphe abgrenzt. Sie ist im Präparat scharf rot gefärbt. Im äußeren Bereich des Knotens befinden sich  die Zellkörper (Somata) der Neuronen, und bilden die sogenannte Somarinde SR. Es ist auffällig, dass die Zellkörper der Neuronen nur im Außenbereich des Ganglienknotens vorhanden sind, nicht hingegen im Innenbereich: so können sie leichter von den Nährstoffen der Hämolymphe erreicht werden. Im Inneren des Knotens liegt eine dichte Ansammlung der neuronalen Fasern (Neuropil NP).

Ganz gut erkennbar ist die Symmetrie des Ganglionknotens, wenn ich auch die Schnittebene nicht hunderprozentig exakt getroffen habe. Die beiden symmetrischen Hälften werden durch Kommissuren KM verbunden (damit die Linke weiß was die Rechte tut)  Links unten im Bild eine recht große längs getroffene Trachee T. Dem Knoten selbst sind ebenfalls Tracheen T angelagert, die die Blut-Hirnschranke durchbrechen, um die Sauerstoffversorgung des Ganglienknotens sicherzustellen.

Schöne Grüße

Jürgen

Holger Adelmann

Meinen Glückwunsch zu diesem gelungenen Schnitt, lieber Jürgen !
Schön, wieder einen Beitrag zur Histologie der Insekten hier im Forum zu sehen.

Das Nervensystem der Insekten ist wirklich spannend da es so sehr verschieden von dem der Wirbeltiere ist.
Die typische Sauerstoffversorgung der Insekten und die Konsequenzen daraus sind gut zu sehen.

Planst Du auch noch einen Schnitt durch das Oberschlund-Ganglion ("Gehirn")?

Wie weit sind denn die typischen Pilzkörper bei den Insekten verbreitet?
Sind in den Gehirnen der Heuschrecken solche Strukturen auch vorhanden?

Herzliche Grüsse
Holger

Jürgen H.

Lieber Holger,

Herzlichen Dank für Deine Worte.

Erste Schnitte durch den Kopf sind mir allerdings misslungen. Ein zweiter Versuch gestern lässt mich ein wenig hoffen.

Pilzkörper mit den Kenyonzellen sollten bei den Phasmidae als höher entwickelten Insekten vorhanden sein, vielleicht kann ich sie darstellen. Meine Schnittrichtung läuft allerdings sagittal.



Hier noch ein Teilausschnitt (Ecke rechts oben mit Tracheenversorgung)

Die große Trachee T scheint direkt auf das Ganglion zuzulaufen. Das angeschnittene Taenidium Tae (die an einen Staubsaugerschlauch erinnernden Wandversteifungen der Tracheen) ist zu erkennen. Rechts vom Eintritt ist ein Artefakt (Abriss zwischen der Blut - Hirnschranke und der Somarinde). Die Trachee verzweigt sich offenbar sehr schnell in kleinste Tracheolen. Bei Tr meine ich z.B. eine zu sehen. Die Zellkörper ZK  in der Somarinde sind bei dieser Vergrößerung mit dem 40er gut zu erkennen. Die Blut-Hirnschranke, die z.B. dazu dient, den erhöhten Kaliumanteil der Hämolymphe vom Nervensystem fernzuhalten und das Natriumionen dominierte Milieu im Knoten aufrecht zu erhalten ist im Groben ebenfalls zu sehen: Nl ist das Neurilemm, dem keine einzelnen Zellen zuzuordnen sind. Darunter das Perineurium PN mit längsgetreckten tiefblau gefärbten Zellkernen, dem die eigentliche Aufgabe der Schranke zufällt mit aktiven Protonenpumpen, die man natürlich lichtmikroskopisch nicht darstellen kann. Das Perineurium scheidet das Neurilemm als äußere Schicht ab.

Schöne Grüße

Jürgen


Jürgen H.


Liebe Mitmikroskopiker,

Zur Ergänzung zeige ich die stärker vergrößerte rechte untere Ecke des Ganglionknotens mit der vergleichbaren trachealen Einmündung. Die Bezeichnungen entsprechen denen im zweiten Bild. Die Blut-Hirnschranke (das heißt tatsächlich auch in der Entomologie so, obwohl die Insekten kein Blut im eigentlichen Sinne haben) ist an der Stelle der Einmündung der Trachee schlicht unterbrochen.

Was es mit den blasigen Strukturen - etwa bei B - auf sich hat, weiß ich nicht. Hat jemand eine Vermutung?



Und hier noch eine Aufnahme desselben Knotens, eine Ebene höher. Dass der Knoten grundsätzlich paarig zusammengesetzt ist, wird so besonders deutlich.



Schöne Grüße

Jürgen

JoachimHLD

Hallo Jürgen,

sehr schöne Schnitte!
Kannst Du noch etwas zur Verarbeitung der Stabheuschrecke schreiben?

Herzliche Grüsse
Joachim

Jürgen H.

Hallo Joachim

Ich verwende folgendes Verfahren:

Iso statt Alkohol in Stufen 70, 90, 3x100, die letzte Stufe in über Kupfersulfat getrocknetem Iso dann
Iso Butylalkohol N Gemisch 1/2 ,1/2
Butylalkohol N rein zweimal
Paraffin Butylalk. N kalt, dann warm 1/2 1/2
dann in Paraffin 2 mal. im 12 Stunden Rhythmus

Aufziehen mit abgekochtem entmineralisiertem Wasser auf in Äther gereinigte OTs (Insektenschnitte schwimmen sehr leicht in  Teilen ab, da das Gewebe nicht wie bei Vertebraten gut zusammenhängt)

Die Färbung ist

Hämatoxylin Ehrlich Stammlösung verdünnt 1zu3 mit a.dest. 10 min. hernach kurz in aqua dest und dann "bläuen" (bei mir reicht Leitungswasser, kommt aus einem Kalkstock :-))
Azophloxin  kurz ca 3 min

70% Alkohol
100 % Iso

Xylol

Eindecken

Schöne Grüße

Jürgen




Fahrenheit

Lieber Jürgen,

schön, wieder einmal Bilder von Dir zu sehen und Deiner Erläuterungen machen es leicht, sich darin zurecht zu finden.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Jürgen H.

Lieber Jörg,

herzlichen Dank für Deine Worte!

Jürgen

Ronald Schulte

#8
Jürgen,

Wunderbaren Beitrag. Kann sein es an mein Bildschirm liegt aber die grüne Zahlen und Ziffern kann ich schlecht sehen, in die weiße teilen ist es OK nur im Gewebe muss ich richtig suchen! Vielleicht aber wird es zeit das ich mal eine Brille haben muss.

Was mir weiter auffallt ist das den Nukleus von die Neuronen ziemlich Chromatinreich sind und ich sehe keinen Nukleolus wie es bei Wirbeltiere üblich ist. Auch meine ich keine Nissl Schollen zu sehen aber kann sein das das Eosin es überstimmt.

Habe zufällig letzten Sonntag was Muckenschnitte gemacht. Werde es mal Farben und schauen ob die Neuronen gleich aussehen.

Mache weiter so, grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

hebi19

Hallo Jürgen

auch von mir ganz herzlichen Glückwunsch zu den tollen Bildern und vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich freue mich, dass sich die kleine Mühe mit dem "Heuschrecken suchen, abholen und versenden" so toll gelohnt hat.

Ich hoffe, dass die bei mir verbliebenen Eier erst nach meinen Schweden-Urlaub schlüpfen. Werde sie mal in den kühleren Keller stellen.

Ich komm im Moment leider zu keinerlei mikroskopischer Aktivität und "hoffe diesbezüglich!! (nur diesbezüglich!!)" auf den ruhigeren Winter.....

Martin
Grüße von
Martin alias hebi19

Motic BA-300, div Lomo, Stereo-Mikroskop noname

Jürgen H.

Lieber Ronald,

Du hast Recht: Das Grün hebt sich nicht so gut von dem Azophloxinrot ab, wie ich dachte. Auf meinem heimischen Bildschirm habe ich den fehlenden Kontrast nicht so gesehen.

ZitatHabe zufällig letzten Sonntag was Muckenschnitte gemacht. Werde es mal Farben und schauen ob die Neuronen gleich aussehen.

Bitte unbedingt zeigen, lieber Ronald, wenn es etwas wird! Paraffin- oder Technovitschnitte?

Lieber Martin,

Dir danke ich ganz besonders für die Gelegenheit, die Tierchen histologisch zu untersuchen. Ich freue mich, dass wenigstens die Schnitte durch den Thorax etwas geworden sind. Mit dem Kopf wird allerdings wohl nichts. Viele viele Lücken in der Paraffindurchtränkung.

Brauchen die Eier Wasser zum Schlüpfen?

Hier ein Photo von zwei Eiern mit dem Stemi ohne Stack:


Ziemlich hartschalige Dinger!

SChöne Grüße

Jürgen

Ronald Schulte

Jürgen,

Hier sind was Bilder von meinen Muckenschnitt.
Nicht so sauber gefärbt wie deine aber fürs erste mal bin ich doch zufrieden.
Könnte aber wohl was bestimmungshilfe gebrauchen!



Rechtsoben sieht es nach Nervengewebe aus.
Objektiv: Leitz Plan Fluotar 16x,






Objektiv: Leitz Plan Fluotar 25x,






Objektiv: Leitz Plan apo 63x,






Objektiv: Leitz Plan apo 40x,







Objektiv: Leitz Plan apo 63x,





Sieht aus nach Muskelzellen.

Objektiv: Leitz Plan apo 63x,







Objektiv: Leitz Plan apo 63x,





Grusse Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Jürgen H.

Wow, Ronald!

Ich nehme an, eine Formolfixierung, Färbung Toluidinblau?

Meine Interpretation des ersten Bildes wäre:



Ein Sagittalschnitt durch den Kopf, ziemlich median, rechts würde sich der Thorax anschließen.

PC Das Protocerebrum mit ZK dem Zentralkörper, entsprechend meinem oben Ganglienbild SR die Somarinde mit den an den Rand des Protocerebrums gelagerten Zellkörpern der Nervenzellen. Wunderbar zu sehen ist, wie sich von dort die Zellfortsätze ins Innere des Gehirns erstrecken.

AN dürfte der Antennennerv sein, der vom Deuterocerebrum ausgeht, dem zweiten Hauptgehirnteil, der mit dem Protocerebrum verschmolzen ist und sich hauptsächlich zu beiden Seiten  des Oesophagus OE befindet. DC dürfte möglicherweise bereits ein Teil dieses Gehirnteils sein. Der Oesophagus wird durch die Oesophagusdilatoren OeD auseinandergezogen, damit eine Sogwirkung entsteht.

US ist der dritte Teil des verschmolzenen Gehirns, das Unterschlundganglion, oder Tritocerebrum, von dem aus die sensorischen und motorischen Nerven des Labrums ausgehen.

PhD dürften die Pharynxdilatoren, vergleichbar den Oesophagusdilatoren sein, möglicherweise aber auch Muskulatur der Kopfanhänge. FK ist Fettkörper.


Ich bin ziemlich sicher, dass dies eine Stelle aus der Halsregion der Mücke ist. M ist irgendwelche Muskulatur, T eine Trachee mit angeschnittenem Taenidium und HI eine spezielle Form des Integuments, vergleichbar dem Kettenteilen des Halses einer Ritterrüstung, damit der Hals beweglich bleibt. Man sieht schön die dunkelbraun gefärbten chitinösen Teile, jeweils bedeckt mit ein paar Haaren, die diesen Part des Körpers schützen, wenn auch hier keine geschlossene Chitindecke gegeben ist, sondern eine kleinteilige Bedeckung.


Dieses Bild zeigt einen der verschiedenen Muskeltypen der Insekten mit zentral gelegener Sarcoplasmaachse SP in der die Zellkerne N zentral eingelagert sind und deren einzelne Stränge vom Sarcolemm SL umhüllt werden. Die dunkel gefärbten A Banden AB und die helleren I Banden sind gut erkennbar. Das Bild davor zeigt Flugmuskulatur.

Schöne Grüße und vielen Dank fürs Zeigen!

Jürgen

Jan Dunst

Hallo und vielen Dank für die tollen Beiträge an Jürgen und Ronald.

Meine Anmerkung: Könnten die mit HI markierte Struktur im zweiten von Jürgen beschrifteten Bildern Ronalds vielleicht eine Haltere sein? Die unterliegende stark ausgeprägter Muskulatur würde zu der Flugmuskulatur passen, wobei diese meines erachtens auch neuronal verbunden sein müssten. Auch die Behaarung der Struktur könnte passen. Ich habe eine Haltere leider noch nie histologisch aufgearbeitet gesehen.

Für weitere Hinweise wäre ich dankbar.

Jürgen H.

Hallo Jan,

Das Bild von Ronald ist wirklich sehr interessant. Ich bin bei früheren Schnitten schon auf diese Strukturen gestoßen. Ich frage mich vor allem, ob die unter den chitinösen Inseln liegenden Strukturen in irgendeiner Form neuronal gereizt werden können. Bilder von mir zu den jedenfalls ganz ähnlichen Halsstrukturen muss ich heraussuchen.

Einen Schnitt durch die basalen Regionen eines Schwinkölbchens gibt es hier:

http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=9450.0

Schöne Grüße

Jürgen