Anmerkungen zum Vergleich von Objektiven

Begonnen von Gunther Chmela, März 23, 2009, 22:05:31 NACHMITTAGS

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Gunther Chmela

Da erst vor kurzer Zeit hier über den Vergleich von Objektiven diskutiert wurde, möchte ich gern ein paar Gedanken formulieren, die mir im Anschluss an diese Diskussion gekommen sind. Was ich schreiben will, ist nicht irgendwelche graue Theorie, sondern mehr die Zusammenfassung meiner eigenen Erfahrungen.

Freilich kann ein Trockenobjektiv mit vergleichbarer Apertur, vergleichbarer Korrektion und vergleichbarer Fertigungsqualität (und gleicher Maßstabszahl) fast oder so gut wie dasselbe leisten wie ein Immersionsobjektiv. Vergleicht man beispielsweise ein Zeiss Planapo 40:1 / 0,95 mit einem Zeiss Planapo 40:1 / 1,0 Öl, so wird man bei sachgemäßer Anwendung kaum Unterschiede feststellen.

Was aber bei der bisherigen Diskussion zu kurz gekommen ist, das ist der anwendungstechnische Aspekt. Es macht, so meine ich, einen großen Unterschied, ob man Frischpräparate oder aber ausgehärtete Dauerpräparate zu beobachten und auszuwerten hat!

Es ist bei Frischpräparaten unbestritten viel bequemer, ein Trockenobjektiv zu benützen. Das empfindet wohl jeder so, auch derjenige, der keine ,,Oleophobie" hat.

Bei Dauerpräparaten aber sieht das anders aus. Hier ist die Anwendung der Ölimmersion sogar die bequemere Methode! Ich weiß, das ist eine etwas provokante Behauptung – vor allem für diejenigen, die das Immersionsöl offenbar scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Aber: Das Immersionsobjektiv ist so gut wie (!) unempfindlich gegenüber Deckglasdicke, Schichtdicke des Einschlussmittels usw. Man stellt einfach scharf, aus! Kein Drehen am Korrekturring, keine Probleme mit zu geringem Arbeitsabstand. Flaue Bilder gibt es nicht! Über das anschließende Reinigen der Objektive und der Präparate erspare ich mir jeden Kommentar – es ist nicht der Rede wert!

Für eine schöne Sammlung von Diatomeen-Präparaten würde ich mir niemals etwas anderes wünschen, als ein gutes Immersionsobjektiv mittlerer Vergrößerung – zum 100er dazu, versteht sich, bei dem die Immersion ja obligatorisch ist. Ein Planapo 63:1 / 1,4 würde beide ersetzen. Leider war es mir bisher verwehrt, ein solches ohne Delamination zu erwerben.

Conclusio: Ich verstehe oft nicht, warum viele sonst sehr begeisterte Mikroskopiker offenbar eine Abneigung gegen die Ölimmersion haben. Dabei ist alles viel einfacher, als manch einer vielleicht meint (wenn er's noch nicht ausprobiert hat)!

Beste Grüße an alle!
Gunther Chmela

beamish

Hallo Gunther,

ich sehe das wieder mal aus der Sicht des Praktikers, dem es völlig Wurscht ist, wie der Vor- und Nachname seines Mikroskops heißt.
Wenn ich mir ein hübsches Präparat gemacht habe, unterm 10er abgesucht, unterm 40er die vermutlich schönste Stelle gefunden habe, bei 100 im Öl jedoch feststelle: nee doch nix, gehe ich ungern auf 40 zurück, da dann alles verkliert is.
Ich hatte mir schon überlegt, mir ein trockenes 60iger zuzulegen, um mir für viele Fälle das ölige 100er zu ersparen. Jetzt bin ich inzwischen der Meinung, daß ein Immersionsobjektiv 50/60 praktischer wäre. Das "Zurückschalten" wäre dann kein Problem.

Viele Grüße, Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

derda

#2
Hallo Zusammen,

ich möchte den Beitrag vom Gunther noch etwas ergänzen. Es gibt ja nicht nur Ölimmersionsobjektive sondern auch noch welche für Wasserimmersion. Zwar kann ich nur zwei davon mein Eigen nennen, bin aber was die Tümpelei betrifft, sehr überzeugt davon und das aus folgenden Gründen:

1. Wasser hat eine viel geringere Viskosität als Öl und das Deckglas wandert dadurch weniger mit (auch sind weniger Flüssigkeitsbewegungen unter dem Deckglas zu beobachten, als bei Öl)

2. Wo ein Planapo mit seinem kurzen Arbeitsabstand am Ende ist, komme ich mit dem WI-Objektiv erheblich weiter

3. In der Photographie gibt es den Ausdruck: "Lichtriese", der für besonders lichtstarke Objektive verwendet wird (Nocton etc.). Man könnte dieses Begriff ohne weiteres auch auf die Immersionsobjektive anwenden.

Viele Grüße

Erik

ps: habe gerade den Beitrag von Martin gelesen: ein kompletter Satz immersionsobjektive ist schon eine tolle Sache. Mir fehlt noch HI 50x/0.17 (250-CF). Wer das Objektiv loswerden möchte...
 

Klaus Herrmann

Lieber Gunther ,

Du sprichst mir aus der Seele, danke! Dieser praktische Aspekt ist das Eine, das Andere ist ganz einfach die Tatsache, dass die Ölversion fast immer etwas mehr an Apertur bringt (zugegeben 0,95 und 1,0 sind keine Welten) aber die Brillianz ist einfach besser.
Das zeigen auch die - wie immer hervorragenden Bildvergleiche von Peter Höbel. Wenn man es genau anschaut ist das Planapobild schon deutlich besser - und das wird beim visuellen Vergleich sicher noch deutlicher!

Ich habe das 0,95er mit Korrektur auch und es ist sehr gut, aber die Fummelei der optimalen Einstellung nervt mich jedes Mal. Mit Öl ist das easy! Da stimmt es eben gleich!

Bedeutet gerade für die Routine, wo es aber um gute Auflösung und guten Kontrast geht (wie bei Sporenuntersuchungen oder Pollen) ist das die erste Wahl!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Klaus Henkel

Lieber Herr Chmela!
Auf den "Button" Zitat habe ich extra nicht geklickt, denn das mache i. a. nur, wenn ich nur einen bestimmten Teil des "Vorposters" kommentieren oder ihm zustimmen möchte. Aber Ihrem Beitrag stimme ich voll und ganz zu.

Mir ist die Neigung mancher Mikroskopiker zu Kraftausdrücken ebenfalls aufgefallen: Ölpanscherei oder Ölkleckserei. Schon recht bald nach der Anschaffung eines Instruments mit einem Ölhunderter stand neben meinem Mikroskop, wenn ich nicht nur Rädertierchen fotografieren wollte, immer das Fläschchen mit dem Immersionsöl. Und ich habe es ohne Zögern stets benützt und sogar geschafft, Deckgläser abzuwischen, die auf noch flüssigem Glyz. schwammen. Wenn jemand die fachgemäße und sorgfältige Auftragung von Immersionöl als Panscherei bezeichnet, habe ich stets den Verdacht, daß der Betreffende noch nicht gelernt hat, mit ruhiger Hand ein kleines Öltröpfchen aufzutragen. Die ersten 50 Mal ist es mir auch nicht so recht geglückt, aber danach wurde es immer besser, wie mit dem Clausthaler. Das Öl gehört für mich seitdem immer dazu.

Wie Sie schreiben, kommt es immer auf die Art der Präparate und den Untersuchungszweck an. Im Lehrbetrieb, ob an der Uni oder sonstwo, braucht man sicherlich nur Trockenvergrößerungen bis max. 500fach. Ab da aber beginnt die Neugier und das Interesse an kleinsten Strukturen. Ohne Öl? Ist für mich nicht vorstellbar, sobald man in jene Vergrößerungsbereiche vordringen möchte.

Einen herzlichen Gruß! KH

peter-h

Nur ganz kurz  ;D

ich verstehe die Abneigung zu Öl nicht. Die Bilder sind einfach brillanter und wenn man erst einmal gelernt hat die Vorteile richtig zu nutzen, wird man kaum noch auf Öl verzichten wollen.
Allerdings sollte man wenigstens auch ein 40er/Öl haben um im Präparat manche Stellen schneller zu finden.

Und nach dem Öl ?
Zahnstocher mit Augenwatte umwickeln und in Wundbenzin tauchen. Optik und Präparat fix abwischen und fertig.
Kann sein dass ich nun einen Sturm der Entrüstung auslöse ..... macht auch nichts  ;D  , ich bleib dabei.

Nächtliche Grüße
Peter Höbel

beamish

Hallo Peter,

die "Abneigung" entsteht ganz einfach daraus, daß es lästig ist. Klar muß ich mich leider physikalischen Gesetzen beugen.... Aber es nervt! ;-)

Viele Grüße, Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

***

Beitragsinhalt auf Wunsch des Autors gelöscht

wilfried48

#8
Zitat von: Klaus Henkel in März 23, 2009, 22:47:32 NACHMITTAGS
Mir ist die Neigung mancher Mikroskopiker zu Kraftausdrücken ebenfalls aufgefallen: Ölpanscherei oder Ölkleckserei. .....

Sehr geehrter Herr Henkel,

von "Ölpanscherei" habe ich deshalb gesprochen, weil hier in mehreren Beiträgen mit Öl - PlanApochromaten schlechte Bilder von Pleurosigma gepostet wurden im Vergleich zu noch schlechteren Bildern mit Trockenobjektiven auf denen überhaupt keine Struktur zu erkennen war.
Die darauf hin geposteten Bilder von Herrn Höbel und mir mit Trockenobjektiven waren auf jeden Fall um Klassen besser.

Natürlich kann auch ich mit Öl umgehen, aber eben nur da wo es wirklich notwendig ist.

Ansonsten bin ich mit Ihrer Meinung und der von Herrn Chmela völlig einig.

Was mich allerdings in der Praxis am meisten stört ist, dass man ohne Putzen nicht so einfach auf eine niedrigere  Vergrösserung zurück kann um eine neue interessante Probenstelle zu suchen. Wohl dem, der dann dafür noch das 25er Ölimmersionsobjektiv am selben Revolverkopf hat.

Noch kleiner geht wohl nicht, weil man dann wegen des grossen Arbeitsabstands grosse Mengen Öl zwischen Objektiv und Deckgals  halten können müsste.

Weiss jemand welche Vergösserung das kleinste je produzierte Ölimmerionsobjektiv hat ?

viele Grüsse

Wilfried

vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

TPL

#9
Liebe Herr Chmela und andere Oleophile,
wie glücklich können da doch die Auflicht-Mikroskopiker sein, dass ihnen die Hersteller sogar bis tief hinunter zu den "Suchobjektiven" Ölimmersionen beschert haben (bei Zeiss-West-endlich die Reihe 4/0,1 - 8/0,2 - 16/0,5 - 25/0,8 - 40/0,9 - 100/1,25). Das ist schon eine Wonne, an einem Revolver vom 4er bis zum 100er durchgehend immergieren zu können (wobei ich das 100er sehr selten brauche). Allerdings wird da dann lieber Paraffinöl oder Glyzerin verwendet - das übliche Immersionsöl löst nämlich so manche Probe an.
Gut geölte Grüße

wilfried48

Hallo Thomas,

könnte man diese Auflichtobjektive nicht auch mit Deckglas im Durchlicht verwenden, da doch das Öl denselben Brechungsindex wie das Glas hat ?

Oder reicht hierfür der Arbeitsabstand nicht. Hast du das schon mal ausprobiert ?

viele Grüsse aus Tübingen

Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

derda

Hallo Wilfried,

Zitatkönnte man diese Auflichtobjektive nicht auch mit Deckglas im Durchlicht verwenden, da doch das Öl denselben Brechungsindex wie das Glas hat ?

Ich antworte mal auf die Frage, da ich es schon ausprobiert habe: Das Bild eines HI 50x/-, welches man bei Benutzung eines Deckglases bekommt, ist definitiv schlechter (verglichen mit WI 50x/0.17 und Planapo 50x/0.17). Die Aperturen aller drei Objektive liegen bei 1 bzw. 0.95.

Viele Grüße

Erik

 


Peter V.

Zitat von: beamish in März 23, 2009, 23:45:06 NACHMITTAGS
Hallo Peter,

die "Abneigung" entsteht ganz einfach daraus, daß es lästig ist. Klar muß ich mich leider physikalischen Gesetzen beugen.... Aber es nervt! ;-)

Viele Grüße, Martin

Mit dem Öl verhält es sich analog zur "Morgentoilette": Wer ein maximales ästhetisches Ergebnis wünscht, muß etwas mehr Aufwand treiben und steht länger vor dem Spiegel, wem die Allttagsfrisur reicht, der ist schneller fertig. Alles eine Frage des persönlichen Qualitätsanspruchs.  :)

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

TPL

#13
Zitat von: wilfried48 in März 24, 2009, 01:33:55 VORMITTAGkönnte man diese Auflichtobjektive nicht auch mit Deckglas im Durchlicht verwenden, da doch das Öl denselben Brechungsindex wie das Glas hat ? Oder reicht hierfür der Arbeitsabstand nicht. Hast du das schon mal ausprobiert ?

Hallo Wilfried,
im Gegensatz zu Erik habe ich das noch nicht ausprobiert. Die Arbeitsabstände reichen von 270 bis 380 µm und müssten damit (knapp) langen, aber wirklich wohl wäre mir damit nicht, selbst wenn die Bildqualität sehr gut wäre: keines dieser Objektive hat einen Objektschutz :o. Den übernimmt im Auflicht ja der Anschlifftisch.

Ich werde das trotzdem einmal am Wochenende ausprobieren. Gruß zurück nach Tübingen!

PS: Du hast doch auch den Anschlifftisch: kann man nicht in das Schaumstoffpolster mittig eine LED montieren und sich damit eine behefsmäßige DL-Beleuchtung basteln?

K. Koch

Zitat von: wilfried48 in März 24, 2009, 00:52:51 VORMITTAG
Weiss jemand welche Vergösserung das kleinste je produzierte Ölimmerionsobjektiv hat ?

Hallo,
von Leitz habe ich ein 10er und ein 25er Ölimmersions-Objektiv, beide zu empfehlen. Herr Immel hat solche auch noch im Angebot.
Ansonsten mache ich es meist so wie schon mal beschrieben: Als stärkstes Trockenobjektiv verwende ich ein 16x, das hat genügend Abstand zum Öltropfen. Man muss dann zwar nachfokussieren, da sich ja durch das Öl die "Deckglasdicke" geändert hat, aber zum Suchen von interessanten Stellen ist das ganz gut geeignet.
Viele Grüße
K. Koch