Schimmelpilz Emericella nidulans *

Begonnen von Klaus Herrmann, Juli 16, 2013, 12:58:46 NACHMITTAGS

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Klaus Herrmann

Hallo zusammen,

wir hatten vor kurzem einen TMG-Abend, der von 2 WissenschaftlerInnen des Landesuntersuchungsamtes Stuttgart gestaltet wurde. Beide schon im Unruhestand, aber da sehr aktiv. Frau Weidner ist die fachkundige Biologin (von Hause aus MTA) und ihr Kollege Herr Dr. Gabrio (von Hause aus Chemiker) der Spezialist Umwelt-/Innenraum-Belastung, Gesundheitsgefährdung durch Schimmelpilze. Beide haben kein Studium mit dem Schwerpunkt Schimmelpilze absolviert, sind aber über die vielen Jahre der intensiven Beschäftigung zu Experten auf dem Gebiet geworden. Eine berufliche Entwicklung wie sie heute fast schon zur Regel gehört. Der Ausbildungsabschluss ist das Eine, was man dann später draus macht das Andere!
Beide haben sich hervorragend ergänzt und ich muss sagen: der Abend war faszinierend durch eine gute Balance von wissenschaftlichem Vortrag und praktischen Übungen am Mikroskop mit unzähligen Proben. Eine dieser Proben, die ich zum Präparat in Lactophenolblau verarbeitet habe, konnte ich heil nach Hause nehmen um ein paar Fotos davon zu machen. Frau Weidner hat mir freundlicher Weise bei der Interpretation geholfen.

Die Schimmelpilze haben 2 Vermehrungswege: geschlechtlich und ungeschlechtlich. Für den ungeschlechtlichen Weg gibt es die Konidien, die in den Phialiden(das sind die grünen Borsten) heranreifen und dann massenhaft abgesondert werden. Ein Bestimmungsmerkmal für E.nidulans ist das "Knie" im Konidienträger.

Die geschlechtliche Vermehrung geht über die Ascosporen, die in den Asci (Keimschläuchen) gebildet werden. Mehrere Asci befinden sich in einem Ascoma, das von der dickwandigen Hüllzelle umschlossen wird.

Die blau angefärbte sternförmige Ascospore ist eigentlich typisch für die eng verwandte E. variecolor. Bei einer Kultur in einer Petrischale kann schon ein leichter Hauch Sporen in die Umgebung verfrachten - und wenn dann daneben auch gerade der Deckel einer anderen Kultur gelüpft wird ist schnell eine Kontamination passiert. Im Labor arbeitet man deshalb mit Laminarabzügen und peinlichst sauber. Obwohl Frau Weidner selbst diese sternförmigen Ascosporen bei E. nidulans noch nie gesehen hat, möchte sie eigentlich eine Kontamination ausschließen, da sie die Variante E. variecolor gar nicht dabei hatte.

Eine fazinierende Welt mit oft hohem ästhetischem Reiz. Verschimmeltes Brot bekommt plötzlich einen ganz anderen Stellenwert. :D





Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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the_playstation

Hallo Klaus,
die Bilder sehen toll aus.
Das erste Bild fast wie eine eingefärbte Bleistiftzeichnung.
Wie hast Du Sie eingefärbt?
Nach dem Vortrag über Pilze in Hamburg finde Ich Plize immer faszinierender.

Ich glaube, Ich muß auch mal ein Stücken Brot schimmeln lassen.
Oder lieber doch keine Mikrotom-Brotscheibe?

Liebe Grüße Jorrit.
Die Realität wird bestimmt durch den Betrachter.

Klaus Herrmann

#2
Hallo Jorrit,

Ja die Schimmelpilze habe einen eigenen Charme. Besonders unterm Stereomikroskop sind sie besonders attraktiv.
Brotschimmel ist fast immer ein Penicillinstamm, also nicht so bedenklich, wie der Schimmel auf Nüssen, die oft Aflatoxine bilden.

Färbung: steht in der 2. Zeile des 2. Absatzes: Lactophenolblau.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Ernst Hippe

Lieber Klaus,
das ist ja etwas ganz besonderes, sowohl im Thema als auch in der Darstellung - höchst interessant!
Gruß Ernst Hippe
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the_playstation

Hallo Klaus,

noch eine blöde Frage zur Färbung.
Sind die anderen Farben von Natur aus enthalten?
Also die Braunrot- und Grün-Töne?

Deshalb war Ich etwas irritiert.

Liebe Grüße Jorrit.
Die Realität wird bestimmt durch den Betrachter.

Klaus Herrmann

Lieber Ernst,

ja ist mal was anderes - eine eigene vielfältige Welt. Frau Weidner hat mich gebeten noch ein paar Korrekturen anzubringen, deshalb sind die Bilder auch neu beschriftet.  So habe ich jetzt das Gütesiegel der Expertin! :)
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Winfried Todt

Lieber Klaus,

eine schöne Darstellung. Kannst Du noch etwas zu der Größe der Sporen sagen?
Herzliche Grüße
Winfried

Klaus Herrmann

Hallo Jorrit,

zur Färbung ist zu sagen, dass sie nicht ganz homogen ausfällt nach der Methode, zumindest was ich beobachtet habe. Alles was blau ist hat die Farbe angenommen, grün und orange sind original ungefärbt, also die natürliche Farbe.

# Winfried: Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich vergaß zu messen. Aber Frau Weidner kann sicher was zur Größe sagen - sie ist allerdings gerade im Kurzurlaub. Eine Literaturrecherche sollte auch helfen. Ich schätze mal die Konidien großzügig um die 10 µ
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Klaus Herrmann

#8
Zu Winfrieds Frage: ich hatte eine Aufnahme des Objektmikrometers mit dem 60er Planapo plus Telekonverter 1,4 gemacht.

Das letzte Bild ist mit dem 60er gemacht, aber da habe ich noch bei der Bearbeitung einen Bildausschnitt gemacht, dadurch ist die Nachvergrößerung undefiniert.

Demnach wären die Sporen kleiner, als 10 µ

Leider habe ich das Präparat entsorgt, weil es ja kein Dauerpräparat war, kann also nichts mehr nachprüfen.

Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Klaus Herrmann

Hallo

hier habe ich noch einen Link gefunden zu REM-Fotos der Ascosporen.
Demnach sind sie ca 5µ. Sehr schön zu sehen auch der komplizierte Aufbau. Man könnte schon an Diatomeen denken.
Auf meinen Bilder ahnt man diesen Doppelgürtel, der in 2 winzigen Zipfeln an beiden Enden der Sporen sichtbar wird.

http://www.studiesinmycology.org/content/59/1/39/F3.expansion
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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bolido

Hallo lieber Klaus,

zur Zeite beschäftige ich mich auch Schimmelpilzen, Dein Beitrag dazu habe ich zufällig übers Internet gefunden.
Deine Bilder dazu haben mir sehr gefallen !
Was für eine Färbung wurde dazu verwendet ??? Wie war die Präparation ??? Sind diese Ergebnisse haltbar ???
Gibt es darüber Literatur ?, was die Präparation + Färbung betrifft ???
Für Auskünfte darüber wäre ich sehr verbunden, ich schmeiß Dir auch was in Deinen Garten

MfG   Bodo

Peter Reil

Hallo Klaus,

schöne Aufnahmen!
Vielleicht kannst du nun die Faszination der  "Pilzler" verstehen.

Freundliche Grüße

Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Klaus Herrmann

#12
Lieber Bodo,
so ne olle Kamelle und immer noch nicht verschimmelt. Das das schon länger her ist als Vorgestern habe ich in meinem Gedächtnis geforscht. Ich denke Etzold blau war die Färbung, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ein Dauerpräparat draus gemacht habe und da es ein Unikat ist wüsste ich jetzt nicht in welchem Kasten ich suchen sollte. (Ich hab ja mehr als drei!)

Zum Thema Pilzler-Literatur ist Peter Reil der zuverlässigere Ansprechpartner.
@Peter Danke! Natürlich faszinieren mich Pilze, aber ihr Plilzler denkt ja selten ans Bewahren, deshalb sieht man kaum mal ein Dauerpräparat.

# Bodo:
Zitatich schmeiß Dir auch was in Deinen Garten
Untersteh dich, der ist frisch aufgeräumt! ;)

Edit: Mir ist gerade noch eingefallen, dass Eberhard Raap uns in Wohldenberg Pinselschimmelpräparate gegeben hat die ich glaube mit Direkttiefschwarz gefärbt waren. Frag ihn er kann dir sicher auch die Rezeptur geben.

Habs gefunden: ich schick dir per Mail die Vorschrift es ist Hämalaun nicht Direkttiefschwarz. Bild habe ich auch noch vom Präparat. Richtig schön!

Edit 2 Nicht ganz unwichtig: ich hab das doch oben schon geschrieben: Gefärbt mit Lactophenolblau Der Bodo hat meinen Beitrag offensichtlich gar nicht gelesen, sonst hätte er nicht gefagt nach der Färbung! Damit ist für mich auch klar: ich hab das nicht zum Dauerpräparat verarbeitet. Aber Baumwollblau (das ist hier der Farbstoff) ist haltbar. und alles, was sonst noch Farbe zeigt ist Natur nach meiner Meinung.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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liftboy

Hallo Klaus,

dann mal her mit dem Bild! ;-)

Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Heiko

Lieber Klaus & Schimmelfreunde,

bei solchen Aufnahmen ist ein Ausflug in die Historie immer reizvoll.

Von einem Kenner erhielt ich neulich den Hinweis, es lohne ein mikroskopischer Blick auf die im Beutel immer schnell schwarz werdenden Karotten:



Hier tummelt sich Thielaviopsis (Chalaropsis) thielavioides und bildet kräftig pigmentierte Dauersporen:



Viele Grüße,
Heiko