Flechte Parmelia acetabulum Norsticinsäure *

Begonnen von Klaus Herrmann, August 10, 2013, 13:25:17 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Klaus Herrmann

Hallo zusammen,

Heiko hat mich mal wieder versorgt mit einer schöne Probe der Graureifigen Schüsselflechte Parmelia acetabulum
Der Versuch direkt aus einem Stückchen die darin enthaltene Norstictinsäure zu sublimieren scheiterte allerdings. Ich habe nur einen Hauch von fast nichts erhalten, obwohl ich 20 Minuten auf ca 300° erhitzt habe. Ein Acetonextrakt lässt sich leicht herstellen ein paar Tropfen auf einem OT eindampfen lassen gibt viele kleine Kristallrosetten. Damit habe ich noch einen Sublimationsversuch unternommen. Um höhere Temperaturen zu erzielen, aber über der Spiritusflamme. Ein Teil zersetzt sich und wird braun, auf dem OT verschwinden die Kristallrosetten und es bilden sich Nadeln. Auf dem direkt aufliegenden Deckglas scheiden sich gekrümmte federartige Kristalle ab. Es ist natürlich völlig offen, ob nicht bei der Zersetzung eine andere Substanz gebildet wird und ob die gebogenen Kristalle auf dem DG identisch sind mit den geraden Nadeln auf dem OT.

Erst mal Dank an Heiko und dann die Frage: hast du Daten über die N.säure gefunden? Schmelzpunkt, Sublimationspunkt, Formel?







Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

ewald

Hallo Klaus,

gib doch bitte mal einen Tropfen 10 % Kalilauge auf den getrockneten Acetonextrak.

Beste Grüße
Ewald

Heiko

Hallo Klaus,

bin diese Woche fern der Heimat – und der Literatur.

Zwei Benzolringe, die über eine Brückenstruktur verbunden waren – mehr fällt mir jetzt zur Struktur nicht mehr ein.

Aus Aceton soll man Nadeln erhalten. Da ich keines im Haus hatte, verwendete ich Spiritus mit einem Ergebnis, das dem Deinigen nicht unähnlich war.

Und ja, versuche mal die Sache anzubasen, könnte ein rotes Wunder ergeben.

Melde mich nächste Woche noch einmal.

Viele Grüße,
Heiko

Klaus Herrmann

Hallo Ewald,

natürlich tu ich was man mir sagt. Es bilden sich spontan die bekannten orangeroten Nadeln. Bedeutet die Sphärolithe verschwinden, es wir orangerot und die Nadeln fallen aus. Fast wie eine Salzbildung. K-Salz der Norsticinsäure? Ist das farbig? Es geht so spontan, dass ich an nichts anderes glauben möchte.
Würde mich wundern, wenn die orange Substanz nicht aufgeklärt wäre!

Heiko: Hört sich nach Anthrachinon-Derivat an! Ich warte geduldig, bis du wieder da bist!

Bilder: Hellfeld (wegen der Eigenfarbe) und Pol.





Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

ewald

Hallo Klaus,

das ist der übliche schnelle Test der Lichenologen auf Norstictinsäure, die in mehreren Flechten vorkommt und manchmal differentialdiagnostisch wichtig ist.

Ich erlebe es immer wieder als überraschend und freue mich darüber, wenn aus dem Nichts heraus die roten Nadeln entstehen und wachsen. Deshalb habe ich das Ergebnis nicht vorweg genommen.

Schöne Grüße
Ewald


Klaus Herrmann

Hallo Ewald,

den Test und die Kristalle kannte ich schon. Felix Schumm hatte ihn uns vor Jahren mal gezeigt. Sieht toll aus und funktioniert immer.

Aber kann der Lichenloge dem Chemiker die Formel und eventuell Schmelzpunkt sagen. Und zusätzlich: was ist die orange Substanz?
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

abbeköhl

#6
Morgen Klaus,

Die Flechtensäuren Salazinsäure und Norstictinsäure gehören zu den Depsidonen. Sie setzen sich aus Depsiden mit einer zusätzlichen Sauerstoffbrücke zwischen den aromatischen Ringen zusammen.

Depside, Depsone und Depsidone.
Unter Depsiden versteht man Kondensationsprodukte einer aromatischen Hydroxycarbonsäure mit einem Phenol-Derivat, das oft ebenfalls eine aromatische Hydroxycarbonsäure ist. Dabei ist die Carboxylgruppe des einen Moleküls mit einer phenolischen OH-Gruppe des anderen Moleküls verestert. Die Bausteine leiten sich von der Salicylsäure und den bifunktionellen Phenolen Orcin(ol) und β-Orcin(ol) ab (Abb. 6). Die einfach strukturierte Orsellinsäure ist ein wichtiges Zwischenprodukt in der Biosynthese von Depsiden, die in zahlreichen Flechten vorkommen. Depside sind in der Regel farblos, doch mit Eisen(III)-chlorid werden sie purpurrot, mit Chlorkalk oder Natriumhypochlorit liefern sie blutrote Komplexe, und im Alkalischen nehmen sie eine gelbe Farbe an.
Aus Depsiden entstehen durch oxidativen Ringschluss Depsone, wie es z. B. bei der Picrolicheninsäure (in der Bitteren Porenflechte, Pertusaria amara) der Fall ist. Sie enthalten ebenfalls chromophore Gruppen, die aber durch eine spiranartige Verknüpfung in zwei senkrecht zueinander angeordneten Ebenen liegen, also kein ausreichend durchkonjugiertes System bilden, um dem menschlichen Auge farbig zu erscheinen.
Depsidon ist ein Kondensat aus Brenzcatechin und Salicylsäure, das einen siebengliedrigen Lactonring aufweist (Abb. 7); seine Derivate, die Depsidone, sind typische Flechteninhaltsstoffe. Sie sind wie die Depside großenteils farblos und werden erst in alkalischer Lösung oder beim Behandeln mit Metallsalzen farbig.
           

Angaben über die Sublimation... Schmelzpunkt habe ich leider keine gefunden, nicht mal im Standartwerk "Chemie" von "Latscha - Klein" Heidelberg 1994.
Informationen über Dünnschichtchromatographische Nachweisverfahren von Salazinsäure und Norstictinsäure in Flechten sind dagegen leicht zu finden.

Schöni Grüess us dä Schwyz, Reto B.

Klaus Herrmann

Lieber Reto,

du bist zu gebrauchen! Merci vielmals! Aus welcher Literatur ist das?

Ja die Flechtler denken heute nur in Dünnschichtchromatographie. Früher war der Schmelzpunkt das Kriterium! Für mich heute immer noch.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Heiko

Hallo Klaus,

zur Klärung der In-, Homo-, oder Genität  ;D des Sublimats ein Gedanke: Wie wäre es, wenn Du Selbiges anhauchst und mit NH3 "räucherst"?

Viele Grüße, Heiko

ewald

Hallo,

Reto war schneller als ich und viel kompetenter. Ich bin auf diesem Gebiet auch nur Amateur. So kann ich nur noch den Schmelzpunkt nachtragen: Nadeln aus Aceton schmelzen unter Zersetzung bei 286 - 287°C. Die genaue Zusammensetzung der roten Nadeln des KOH-Niederschlages scheint noch nicht bekannt zu sein. (Aus: Huneck und Yoshimura, Identification of Lichen Substances; Heidelberg,Springer, 1969).

Schöne Grüße
Ewald


abbeköhl

Abend Klaus,

Habe ich gern gemacht, dass hat mich selber auch interessiert. Zur Literatur.......
Erhaltung von Felsmalereien in Uruguay  (5.4.2 Analyse der Flechtenstoffe, Seite 99)
Mitteilungen über Flechteninhaltsstoffe   (Norstictinsäure Bild Molekül, Seite 70)
Pilze und Flechten als Produzenten von Pigmenten  (Depside, Depsone und Depsidone. Seite 95)

Das Buch von Georg  Masuch - Biologie der Flechten, wäre in dem Zusammenhang sicher interessant für dich, ich bin im Internet immer wieder daruf hingewiesen worden, wie auch in den oberen Links.
Georg  Masuch Biologie der Flechten, Inhaltsverzeichniss   Vielleicht findest du im Internet eine Leseprobe, ich habe selber leider keine Zeit zum suchen.

...........Flechtler denken heute nur in Dünnschichtchromatographie....., hehehehe  ;D :D

Der unterschiedliche Schmelzpunkt verschiedener Stoffe wird in bestimmten Anwendungen immer unerlässlich bleiben. Nicht nur in der Mikroskopie, auch in der Medizin, wie der Phyto-Aroma Therapie (Ätherische Öle), oder der Inhalationstherapie mittels Vaporizer etc.

Da schaue ich bei Gelegenheit auch mal rein.
Aktuelle Lichenologische Mitteilungen
Phylogenie und Phylogeographie antarktischer und bipolarer Flechten der Gattung Usnea, Neuropogon
Hilfsschlüssel zum Bestimmen der Arten der Gattung Heterodermia mit Podocarpa- Wuchsform, Felix Schumm
Mitteilungen der Botanischen Staatssammlung München

Schöni Grüess us dä Schwyz, Reto B.

abbeköhl

#11
Abend Klaus,

Ich stosse bei meinen Recherchen jeweils auf 283°C als Schmelzpunkt Betreff Norstictinsäure.

Zum Beispiel...


Das ist aus......,  http://link.springer.com/article/10.1007/BF01376934   "Leseprobe"
Infos über "Sublimation - Flechten" sind wahrlich dünn gesät.  :D

Schöni Grüess us dä Schwyz, Reto B.

Klaus Herrmann

Lieber Reto,

danke fürs nachforschen! Ich habe jetzt das Standard-Werk von Huneck/Yoshimura Identification of Lichen Substances gekauft. Als Paperback immer noch kostspielig, aber da findet man schon eine Menge. Dort ist der Schmelzpunkt noch etwas gestiegen 286-7° vielleicht noch mal umkristallisiert und deshalb reiner.

Das von dir gefundene ist ja wohl extrem teuer, wenn ich das richtig interpretiere sind das nur ein paar Seiten aus der Fachzeitschrift?
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

abbeköhl

Hallo Klaus,

..........sind das nur ein paar Seiten aus der Fachzeitschrift?..........., Das war nur eine Leseprobe aus dem Buch.

Ich gehe davon aus, das man für das ganze Buch (ohne Gewähr ;D) Plant Systematics and Evolution €34.95 bezahlt, alles andere wäre ja der Wahnsinn.
Aber wenn "Identification of Lichen Substances" ein gutes Buch ist und das Thema genügen abhandelt, hat sich das ja erledigt.

Schöni Grüess us dä Schwyz und ein schönes Wochenende, Reto B.

Heiko

Hallo Klaus,

ich hab' jetzt auch einmal ,,auf Aceton gemacht":



Und nach dem Anhauchen reicht schon ,,ein zarter Kontakt" mit NH3, um die Substanz erröten zu lassen:



Vom Bauchgefühl her vermute ich, dass dieses Verfahren nicht zum Knacken der Esterbindung führt.
Hast Du eine ,,Theorie", die Rotfärbung betreffend?

Viele Grüße,
Heiko