Liebe Pflanzenfreunde,
nun habe ich den Thread doch wieder hergestellt. Wer mag, kann natürlich trotzdem auf der MKB-Seite nachlesen.

leider setzt auch hier schon der Bilderschwund ein. Da der Beitrag sehr umfangreich ist und mir die Pflege langsam über den Kopf wächst, möchte ich bei Interesse bitten, dem Link auf die Webseite des MKB zu folgen, wo der Artikel mit der einen oder anderen kleinen Ergänzung ebenfalls eingesehen werden kann."Einmal komplett - Anthurium x scherzerianum" auf den Seiten des MKBHerzlichen Dank
Jörg
Liebe Pflanzenfreunde,
die Flamingoblumen (Anthurium) bilden mit mehr als 600 Arten die einzige Gattung der Tribus Anthurieae und sind damit die wohl artenreichste Gattung der Familie der Aronstabgewächse (Araceae). Als Zimmerpflanzen bzw. Schnittblumen sind vor allem Sorten von zwei Arten verbreitet: Die Große Flamingoblume (Anthurium andraeanum) und die Kleine Flamingoblume (Anthurium scherzerianum), um die es hier gehen soll.
Bild 1: Eine beliebte Topfpflanze: die Anthurie, hier Anthurium x scherzerianum, eine Hybride der Kleinen Flamingoblume

Den Ausgangspunkt setzten Querschnitte vom Blütenstandsstängel der Kleinen Flamingoblume, die ich von Bodo Braunstorfinger zum Färben und Eindecken erhalten habe. Wie sehen nun aber die anderen Pflanzenteile aus? Schnell waren weitere Proben von einem eigene Exemplar genommen und fixiert auch an Bodo verschickt. Die Präparation ist also eine Gemeinschaftsarbeit, dank derer ich hier nun mikroskopische Längs- und Querschnitte von allen Organen der Pflanze zeigen und besprechen kann.
Der Gartenhandel hat viele Zuchtformen der Anthurie hervor gebracht, die sich nicht nur in Farbe und Form des Hochblattes von der Wildform A. scherzerianum unterscheiden. Die Hybriden sind auch in der Wuchsgröße und Blattform sehr variabel. Gezeigt werden Aufnahmen und Präparate von verschiedenen Hybridformen Anthurium x scherzerianum.
Mein (nicht ganz so

) kleiner Artikel gliedert sich in die folgenden Abschnitte, die sich wegen der Gesamtlänge des Textes und den Beschränkungen des Forums zum Teil in Antworten auf das Eingangsposting wieder finden:
1. Anthurium scherzerianum - eine Beschreibung
2. Anmerkungen zur Präparation
3. Kurz zur verwendeten Technik
4.
Die Wurzel5.
Der Spross6.
Der Blattstiel7.
Das Blatt8.
Der Blütenstandsstängel9.
Das Hochblatt (Spatha)10.
Der Blütenstand (Spadix)Hier noch einmal herzlichen Dank an Bodo, dank dessen Großzügigkeit einige Leserinnen und Leser Beispiele der hier gezeigten Schnitte von der letzten Kornrade mitnehmen konnten.
1. Anthurium scherzerianum - eine Beschreibung
Die Kleine Flamingoblume ist eine immergrüne, ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 30 bis 50 cm erreicht. Sie wächst epiphytisch oder terrestrisch und verankert sich mit zahlreichen, dicken Wurzeln auf bzw. in dem jeweiligen Substrat. An einem kurzen Spross sitzen die grundständigen, 15 bis 30 cm langen Laubblätter, die deutlich in Blattstiel und Blattspreite gegliedert sind. Der Blattstiel ist 4 bis 20 cm lang und die einfache, dunkelgrüne, lanzettförmige Blattspreite mit einem glatten Blattrand erreicht bei einer Breite von 1,5 bis 6,5 cm Längen von 5 bis 26 cm. Sie ist netznervig mit meist erhabener Mittelrippe, dabei bilden die Basal- und Seitennerven in der Regel einen gemeinsamen Nerv entlang des Blattrandes.
Bild 2: Im Topf stehen viele Pflänzchen zusammen, gut sind die kurzen Sprosse und die Luftwurzeln zu erkennen

Bild 3: Blattspreit im Gegenlicht mit der typischen Nervatur

Der bis zu 50 cm langen Blütenstandsstängel entspringt wie die Blätter an den Nodien des kurzen Sprosses. Oberhalb eines leuchtend roten Hochblattes (Spatha) steht der kurz gestielte spiralig gedrehte Blütenkolben (Spadix). Die Spatha erreicht Größen von ca. 4 bis 12 auf 3 bis 8 cm.
Der Kolben ist zylindrisch und verjüngt sich allmählich bis zur Spitze. Er kann sehr unterschiedlich gefärbt sein und enthält in kompakt spiralförmiger Anordnung viele Blüten. Diese kleinen, zwittrigen Blüten sind protogyn: zunächst reifen die weiblichen, dann erst die männlichen Blütenteile, um eine Selbstbestäubung zu verhindern. Es sind nur vier Blütenhüllblätter vorhanden und der Stempel besteht aus einem zweikammerigen Fruchtknoten auf dessen Spitze sich die Narbe als schlitzartige Vertiefung befindet. In jeder Fruchtknotenkammer liegen zwei, selten drei oder mehr Samenanlagen. Den Stempel umgeben vier fertile Staubblätter mit abgeflachten oder fleischigen Staubfäden, die den weißen Pollen enthalten.
Bild 4: Hochblatt (Spatha) und Blütenstand

Am aufrechten Fruchtstand bilden sich orange bis rote zweikammerige Beeren, die pro Kammer meist einen Samen enthalten.
Bild 5: Fruchtansätze am abgeblüten Blütenstand

Alle Angaben beziehen sich auf die Wildform, Züchtungen können davon mehr oder weniger stark abweichen.
Die kleine Flamingoblume enthält wie viele andere Aronstabgewächse den Giftstoff Aroin aus der Gruppe der Saponine. Weiterhin finden sich insbesondere in den Stempeln viele Idioplasten mit Raphidenbündeln aus Calciumoxalat.
Natürlich darf auch hier die schöne Zeichnung der Wildform der kleinen Flamingoblume (Anthurium scherzerianum) nicht fehlen. Die Zeichnung stammt aus Curtis's Botanical Magazine v.88 [ser.3:v.18] (1862) und wurde von Walter Hood Fitch erstellt.
Bild 6: Illustration zur Wildform Anthurium scherzerianum (Public Domain)

2. Anmerkungen zur Präparation
Bodo Braunstorfinger hat seine Schnitte vom AFE-fixierten Material auf dem Leitz Schlittenmikrotom 1208 erstellt. Wo nicht freistehend geschnitten werden konnte, hat er in PEG 1500 eingebettet. Die Schnittdicke beträgt 16, 20, 30 oder 40 µm. Mehrteilige Schnitte wurden mit Hilfe eines doppelseitigen Klebebandes aufgezogen.
Meine Schnitte sind auf einem Handzylindermikrotom mit Leica Einmalklingen im SHK-Halter entstanden. Ihre Dicke beträgt ca. 50 mm. Geschnitten habe ich das Frischmaterial, anschließend erfolgte eine Schnittfixierung in AFE für ca. 20 Minuten.
Bodo färbt mit einem eigenen W3A - Gemisch, bei meinen Färbungen habe ich die W3Asim II - Färbung von Rolf-Dieter Müller verwendet. Vor der Färbung habe ich in einigen Fällen Aufnahmen der frischen Schnitte gemacht. Diese wurden beim Schnitt mit Wasser befeuchtet, um das Grün der Chloroplasten so lange wie möglich zu erhalten.
Eingedeckt wurde in Euparal.
Informationen zur Schnittführung gibt es in den jeweiligen Kapiteln.
3. Kurz zur verwendeten Technik
Alle Aufnahmen von Bodos und meinen Präparaten entstanden auf einem Leica DME Stativ mit den folgenden Objektiven:
5x NPlan, NA 0,11
10x HX Pl Apo, NA 0,4
20x Pl Apo, NA 0,6
40x NPlan, NA 0,65
100x Pl Fluotar, NA 1,3
Die Kamera ist eine Canon Powershot A520, die Steuerung erfolgt rechnergestützt mit dem Programm PSRemote von Breeze Systems.
Alle Bilder sind mit dem Programm Zerene Stacker von Zerene Systems LLC in der 64bit-Version aus Einzelaufnahmen gestapelt. Nach der Normalisierung kam, wo nötig, das kleine Tool Neat Image zum Einsatz und alle Bilder sind nach der Größenanpassung auf in der Regel 1024 * 720 Punkte leicht geschärft. Der Maßstabsbalken ist mit Jens Rüdigs Makroaufmaßprogramm gesetzt und die weitere Beschriftung erfolgte mit der Windows-Dreingabe Paint.
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