Zoologie: Thysanoptera {Fransenflügler} / Gewittertierchen

Begonnen von Winfried Todt, August 19, 2013, 16:44:21 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Winfried Todt

Verehrtes Forum,

wie ich bereits in einem Beitrag berichtet hatte, fand ich in der Pollenprobe des Hopfens Gewittertierchen / Thysanoptera
{Fransenflügler}.
Die ,,Fransenflügler (Thysanoptera), auch Thripse oder Blasenfüße, sind eine Ordnung in der Klasse der Insekten. Den
Namen Fransenflügler tragen sie wegen ihrer langen Haarfransen an den Flügelrändern. Es gibt weltweit etwa 5.500 Arten,
von denen etwa 400 in Mitteleuropa und 214 in Deutschland vorkommen. Der Name ,,Blasenfüße" (früher wissenschaftlich
auch Physopoda genannt) kommt von lappenartig verbreiterten Strukturen an den Endgliedern der Füße (Arolium). Diese
können durch Druckerhöhung ballonartig ausgestülpt werden und werden durch eine Drüse mit Flüssigkeit benetzt. Sie
dienen als Haftapparat an glatten Oberflächen." Quelle: in Auszügen: Wikipedia

Technik / Geräte:
Mikroskop: Carl Zeiss GFL mit dem 2,5er Plan–Objektiv
Die Relais-Optik zum Fotografieren: Carl Zeiss Objektiv KPL 8x mit Carl Zeiss Tessar 50mm 1:2,8 .
Kamera: Canon EOS 10D (6,3 Megapixel)
Software: PICOLAY von Heribert Cypionka

Die abgebildeten Gewittertierchen haben eine Länge von ca. 1,5mm ohne Fühler.


Bild a) ist mit dem 2,5er Objektiv im Durchlicht aufgenommen worden,
         die Auschnittvergrößerung (Fühler) mit dem 16er Objektiv.



Bild b) ist mit dem 2,5er Objektiv im Durchlicht aufgenommen worden,
         die Ausschnittvergrößerung (Bein) mit dem 16er Objektiv  und
         die Ausschnittvergrößerung (Flügel-Haare) mit dem 40er Objektiv.


Ich hoffe, dass Euch mein Beitrag gefällt und freue mich über Anregungen.
Herzliche Grüße
Winfried








Heiko

Hallo Winfried,

darf ich ein Rotlicht-Durchleuchtungsexemplar beisteuern? Ich hoffe, ja:



Das Tierchen hastete auf einer Erdbeere umher und erregte dadurch meine Aufmerksamkeit.

Viele Grüße, Heiko

Winfried Todt

Hallo Heiko,

eine wirklich interessante Aufnahme. Ist das im freien Flug aufgenommen? Die Blasen bzw. Tropfen sind an den Füßen sehr gut zu erkennen.
Kannst Du mir noch etwas zur Aufnahmetechnik sagen?
Herzliche Grüße
Winfried

Heiko

Hallo Winfried,

ja klar, im Flug fotografiert - ich bin auch so ein Hochgeschwindigkeitskünstler wie Daniel.  ;)

Nein im Ernst, habe das Tierchen von der Erdbeere einfach auf den Objektträger geschubst.

Gruß, Heiko

Manfred Ulitzka

#4
Hallo Winfried,

bei Deinem Tier handelt es sich um ein Weibchen der Gattung Thrips. Vermutlich ist es Thrips fuscipennis (eine sehr häufige und weit verbreitete Art). Die Flügel sind getrübt, scheinen aber basal heller zu sein. Die Antennenfärbung würde passen. Leider sind die Merkmale für eine sichere Bestimmung nicht zu sehen.

Wenn man die Tiere einfach auf den Objektträger legt, ist die Identifikation kaum möglich. Thysanopteren brauchen eine aufwändige Vorbehandlung:
- Mazeration in 5%iger KOH
- Dehydration in der Alkoholreihe
- Überführung in Nelkenöl
- Einbettung in Canadabalsam (nur so sind die Sinneskegel an den Fühlergliedern wirklich sichtbar)

Interessant war für mich, dass das Tier aus einer Probe mit Hopfenpollen stammt. Ich bin nämlich auf der Suche nach einer bestimmten Art (Thrips albopilosus), die mir in meiner Sammlung noch fehlt und die monophag auf Hopfen vorkommt.

Anbei hier ein Link auf meine website mit einigen Bildern von Thysanopteren: http://www.thrips.eu/thysanoptera.de_-_Thysanopteren,_Fransenflugler,_Thripse_-_Fotos_Thripse_-_Lichtmikroskopische_Bilder.html.

Solltest Du weitere Tiere von Hopfenproben haben, so wäre es nett, wenn Du mir diese zur Bestimmung schicken könntest.

Viele Grüße

Manfred.
www.thrips-iD.de    -    www.thysanoptera.de

liftboy

Hallo Manfred,

DAS war jetz mal ein Link mit Inhalt. Derlei hat mir schon lange gefehlt.
Tret doch mal Deine Kenntnisse hier im Forum breit (incl. Bilder) das wird bestimmt alle interessieren.

Viele Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Nicola B.

Sehr geehrter Herr Ulitzka,

Ich freue mich Sie hier im Forum begrüßen zu dürfen.

Liebe Grüße

Nicola Böhner.

Winfried Todt

Hallo Manfred,

danke für die Bestimmung. Auf meinen mit Euparal bestrichenen Objektträger sind neben den Pollen vom wilden Hopfen nur drei Fransenflügler gefallen. Später, nachdem ich sie auf dem Objektträger entdeckt hatte, versuchte ich weitere lebend einzufangen, dies ist mir jedoch nicht geglückt.
Weitere Fransenflügler (jedoch verendet) fand ich auf unseren Tomatenstauden, diese sahen, nach dem ich sie unter dem Mikroskop betrachtete, teilweise angefressen aus.
Unseren wilden Hopfen habe ich in diesem Jahr nicht aus der Kirschlorbeerhecke herausgerissen und hoffe im nächsten Jahr auf besseres Jagdglück.
Auf Deine wunderbare Internetseite bin ich schon bei der Recherche zu den Thysanopteren gestoßen.
Ich bin sehr an einem Gedankenaustausch über Thysanopteren interessiert, zumal Du ja auf dem Gebiet ein anerkannter Fachmann bist.
Mein Interesse gilt der Fangmethode und wie ich die Tierchen richtig einbette.
Herzliche Grüße
Winfried

Manfred Ulitzka

Hallo Winfried,

fangen tut man Thysanopteren am besten mit dem Fangmedium nach Vitzthum, auch AGA (Alcohol-Glycerol-AceticAcid) genannt. Hierzu stellt man ein Gemenge aus 10 Teilen Ethanol 60%, 1 Teil Glycerin, 1 Teil Eisessig und einigen Tropfen Detergenz (irgendein Spülmittel zum Reduzieren der Oberflächenspannung) her. Diese Flüssigkeit wirkt auf die darin gefangenen Thripse osmotisch. Beine und Flügel werden (meist) abgespreizt und weitere Präparation wird erleichtert.

Dann erfolgt der Aufwand wie oben schon beschrieben. In der KOH (4%ig) verbleiben die Tiere je nach Sklerotisation 1 Tag (bis 2 Tage große tropische Formen).
Ich werde mal eine komplette Anleitung posten! Nur grade ist der Abend schon spät!

Wenn Dein Hopfen noch blüht, so klopf doch mal die Blütenköpfchen auf weißes Papier und schau, ob nicht was rauskrabbelt!

Herzliche Grüße

Manfred.
www.thrips-iD.de    -    www.thysanoptera.de

Manfred Ulitzka

... und an alle hier

Vielen Dank für die herzliche Aufnahme im Forum!

Beste Grüße

Manfred.
www.thrips-iD.de    -    www.thysanoptera.de

Winfried Todt

Hallo Manfred,

woher wissen die Thysanopteren, dass sie sich in AGA niederlassen sollen?
Über das Fangmedium (AGA) nach Vitzthum habe ich leider keine Literatur finden können, kannst Du mir da weiterhelfen?

Hermann Graf Vitzthum von Eckstädt (1876–1942), Dr. phil., großherzoglich sächsischer Kammerherr und Milbenforscher
war ein Mitglied der Mikrobiologischen Vereinigung München { http://www.klaus-henkel.de/vitzthum.html }.

Herzliche Grüße
Winfried

Manfred Ulitzka

Hallo Winfried,

das war jetzt ein Missverständnis.
Das Fangmedium nach Vitzthum lockt die Tierchen nicht an. Du musst sie schon selbst dor hinein verfrachten.

Ich klopfe die kleinen Insekten aus Blüten oder von Ästen auf Papier oder auf ein Klopfnetz aus Baumwolle; im Rasen fange ich mit Streifnetzen.
Dann nehme ich die Thysanopteren mit einem feuchten Pinsel vom Papier bzw. der Baumwolle auf und verfrachte sie in das Fangmedium nach Vitzthum (AGA). Selbst 5 - 7 Jahre altes Tiermaterial, das so gelagert wurde ist noch gut präparierbar (Nach 10 Jahren werden die Tiere allerdings zum Teil hart).
Die Flüssigkeit wirkt einerseits osmotisch, d.h. in den meisten Fällen spreizen die Tierchen die Beine ab uns öffnen die Flügel, was die weitere Präparation erleichtert, andererseits härten die Tiere durch das Glycerin nicht in den Intersegmentalhäuten aus. Letzteres passiert in hochprozentigem Ethanol oder in Pikrinsäure bereits nach sehr kurzer Zeit, was dann dazu führt dass solche Proben v.a. für taxonomische Studien kaum brauchbar sind.

Ich komme momentan nicht drauf, woher ich die AGA-Methode eigentlich habe - evtl. aus der Literatur (Schliephake hat glaube ich mal was darüber geschrieben) oder von Richard zur Strassen oder Laurence Mound (beide Thysanopteren-Taxonomen). Die Zusammensetzung des AGA hab ich ja gepostet. Probiers einfach mal aus.

Herzliche Grüße

Manfred
www.thrips-iD.de    -    www.thysanoptera.de