Erstmals Diatomeen präparieren

Begonnen von cuwohler, September 05, 2013, 18:58:10 NACHMITTAGS

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cuwohler

Hallo Forum,

ich (Anfänger) habe zum ersten Mal vor, Diatomeen-Dauerpräparate zu erstellen.
Nach dem Studium vieler Aufsätze bin ich über diese Videos (Teil 1-3) gestolpert

http://www.youtube.com/watch?v=KOFd_EDAIeQ

und bin fasziniert, daß es so einfach gehen kann!?!

Kann ich erfolgversprechend nach diesen Videos arbeiten oder ist da ein Haken?


Viele Grüße
Cai-Uso

plaenerdd

Hallo Cai,
die Diskussion zu diesen Videos hatten wir hier:

http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=16048.0

Ich habe es auch versucht. Seit dem habe ich ein Sammlung von Rohrreinigern, die ich wohl mein Lebtag nicht aufbrauchen werde. Es geht, aber es geht nicht gut.
Ich bin bei 30%iger Wasserstoffperoxyd-Lösung (H2O2) gelandet. Die gibt es in der Apotheke. Man will dort wissen, wofür du das brauchst und das wird dann dort ins Giftbuch eingetragen, also im Prinzip frei käuflich, sofern man erwachsen ist. Damit werden die meisten Präparate schön sauber, zumindest, wenn man außer dem Zellinhalt der Diatomeen nicht zu viel andere Sachen mit auflösen muss. Es gibt da natürlich immer auch mal Misserfolge, aber wo gibt es die nicht. Wie heißt es so schön: Versuch macht kluch. Aber informiere Dich bitte über die Gefahren im Umgang mit H2O2. Ein Schutzbrille und Handschuhe sind angebracht. Ich arbeite mit sehr kleinen Mengen (30..40ml), die ich in einem Becherglas erwärme. Ich stelle dazu das Becherglas in ein Marmeladenglas mit heißem Wasser, das wiederum in einem Top mit Wasser steht. So kann das Becherglas nicht umkippen, wenns im Topf brodelt und auch wenns mal überschäumt hab ich das nicht gleich im Topf. Das köchelt dann ca. 1..2 Stunden vor sich hin.

Nach dem Erkalten kommt der Inhalt des Becherglases in ein Wegwerfweinglas und wird mit Aqua dest verdünnt. Das lasse ich einen Tag stehen, damit sich die Diatomeen absetzten können und pipetiere den Überstand vorsichtig ab. Dann wird wieder mit Aqua dest aufgefüllt und wieder gewartet bis sich alles hübsch gesetzt hat. Das Ganze mache ich mindestens 3 mal, damit die Chemie weitestgehend raus ist. Mit einer Zentrifuge geht das natürlich schneller, aber ich habe nur eine selbst gebaute Handzentrifuge, die zwar bisher anstandslos alles geschleudert hat, aber ich schäue mich doch davor dort relativ hochprozentige H2O2-Lösung vor meinem Körper kreisen zu lassen... Ich habe ja Zeit! Oder ich nehme sie mir.
Die Verarbeitung zu Dauerpräparaten mache ich wie im Video, aber auf einem umgekehrten Encaustk-Bügeleisen (schön klein, gut zu regeln).
Ich benutze Pleurax von CHEMLAB (B.Heim), das in Isopropanol gelöst ist. Mit ISO bekommt man dann auch die Ränder wieder sauber, wenn was herausgekocht ist von dem Pleurax. Ein Tropfen ISO kommt auch vor dem Pleurax auf die Diatomeen, die auf dem Deckglas getrocknet sind, damit das Pleurax besser in die Hohlräume eindringt. Allerdings bin ich davon abgegangen die Diatomeensuspension auf der Wärmeplatte einzutrocknen. Ich lasse über Nacht einfach so bei Zimmertemperatur eintrocknen. Dann kleben die Diatomeen nicht so sehr aneinander. Aber auch hier lauert ein Fallstrick: Vorsicht Staub! Der hat bei dieser Methode natürlich größere Chansen in das Präparat zu gelangen. Ganz sauberes Arbeit ist schwer, wenn man kein eigenes Labor hat, in dem nichts anderes gemacht wird, aber mir gefallen meine Präparate trotzdem, auch wenn im Polarisierten Licht mal wieder eine Baumwoll- oder Zellstofffaser aufleuchtet. Ist auf jeden Fall sehr spannend. Vergiss aber bitte nicht, Dir auch die lebende Kieselalgen vorher anzusehen und (jetzt wird's indianisch) sie um Verzeihung zu bitten, bevor Du sie kochst!

Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Werner

... noch ´ne Ergänzung zu H2O2:

Mit dem 3-%igen kann man gefahrlos rumpantschen. Beim 30-%igen sollte man schon aufpassen. Das ist zwar nicht lebensgefährlich, aber die Haut wird weiß und juckt vor Allem tagelang höllisch - schlimmer als ein Mückenstich. Alte Chemiker können das bestätigen.

Eine altbewährtes Mittel ist ein gefüllter Eimer Wasser in unmittelbarer Nähe, in den man die Hände nach einem Spritzer sofort eintauchen  kann (der Handschuh könnte ein Löchlein haben...).
Bei Arbeiten mit der lebensgefährlichen Flußsäure ist der Wassereimer zwingend erforderlich, auch wenn das nirgendwo geschrieben steht.
Das weiß ich von Glasbläsern, die arbeiten sogar mit hochkonzentrierter Flußsäure (da sprudelt das Glas vielleicht!).

Gruß   -   Werner

cuwohler

#3
Hallo Gerd und Werner,

vielen Dank für die ausführlichen Erläuterungen.
Wasserstoffperoxyd 30% benutze ich erfolgreich regelmäßig im Winter für meinen Teich. Also werde ich es damit probieren.


Viele Grüße
Cai-Uso

Jürgen Boschert

Hallo zusamme,

vor Flusssäure muss ich eindringlich warnen, das ist wirklich ein Teufelszeug: Ein einziger Trofen, der die Haut erreicht ist meist tötlich !!! Es gibt keine Gegengifte für die freigesetzten Metaboliten - also lasst doch um himmelswillen die Finger davon.

Beste Grüße !

JB

plaenerdd

Hallo,
ich verstehe nicht so richtig, warum hier eine Flusssäurediskussion los geht. Damit würde man doch auch jede Diatomee auflösen.
Mich würden viel mehr die Diatomeenpräparationen anderer Forenmitglieder interessieren. Da entwickelt doch jedeer seinen eigenen "workflow" und das könnte doch auch unserem FRagesteller weiter helfen.
Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

RainerTeubner

Hallo Cai-Uso,

ich gehe bei meinen Diatomeen-Präparationen folgendermaßen vor:

Die Probe (Aufwuchsdiatomeen aus dem Main) wird mit der Handzentrifuge auf ca. 10 ml konzentriert und in einen kleinen Weithalserlenmeyerkolben (50 ml) gegossen.

Danach werden v o r s i c h t i g 10 ml konzentrierte Schwefelsäure (Schutzbrille, Handschuhe, Laborkittel) zupipettiert, die Lösung wird schwarz und heiß. Sie schäumt etwas. Eine stabile Angstwanne ist angebracht.

Nachdem sich die Reaktion mit der Schwefelsäure etwas beruhigt hat, wird tropfenweise eine gesättigte Lösung von Kaliumpermanganat in Wasser zugetropft. Anfangs entfärbt sich die violette Reaktionslösung schnell, später immer langsamer. Ich lasse dann die Lösung dann länger (1 - 2 Tage, der Weithalserlenmeyerkolben ist mit einem Uhrglas gegen Staub geschützt) stehen, sie sollte noch leicht violett sein. Der Überschuß an Kaliumpermanganat wird mit ein paar Tropfen einer gesättigten Lösung von Oxalsäure in Wasser reduziert.

Die nun farblose, leicht trübe Lösung wird mehrmals (ca. 5 mal) mit ca. 5 ml destiliertem Wasser (hier kann man auch Leitungswasser nehmen) gewaschen, bis die Lösung neutral reagiert. (Kontrolle mit pH-Papier) Der letzte Waschgang erfolgt mit bidestilliertem Wasser, um auch alle Restsalze (Mangansulfat) zu entfernen. Gegebenenfalls, falls am Rand der getrockneten Präparate später noch Kristalle zu sehen sein sollten, muß der Waschvorgang mit bidestilliertem Wasser öfters wiederholt werden.
Diesen Arbeitsschritt kann man auch durch Zentrifugieren beschleunigen.

Die mit Brennspiritus entfetteten Deckgläser werden in die Unterschale einer Petrischale gelegt und die frisch aufgerührte Diatomeensuspension aufgetropft. Der Tropfen sollte gut verlaufen. Die Konzentration der Diatomeensuspension muß man ausprobieren, wenn die Suspension zu konzentriert ist, liegen die Formen übereinander und man erkennt kaum etwas. Anschließend wird das Unterteil der Petrischale mit dem umgedrehten Oberteil der Petrischale verschlossen, als Distanzstücke dienen zwei Objektträger. Je nach Temperatur dauert die Verdunstung des Wassers durch den schmalen Schlitz zwischen den Glasschalen 2 -3 Tage. Die Schale sollte ruhig stehen, Erschütterungen führen zu Zusammenballungen der Diatomeen im Präparat.

Die getrockneten Deckgläser werden auf einer Glaskeramikplatte, die auf der Flamme des Gasherds liegt, erhitzt, um das Wasser, das in die Diatomeenschalen noch eingeschlossen ist, zu verdampfen. Das noch warme Deckglas wird mittig auf einen mit einem Tropfen Naphrax versehenen Objektträger gelegt, die mit Diatomeen belegte Seite nach unten. Die Menge an Naphrax muß man ausprobieren, es sollte beim Einschließen möglichst wenig unter dem Deckglas hervorquellen. Der Objektträger wird anschließend auf die Glaskeramikplatte gelegt, das Lösungsmittel (Toluol) verdampft. Wenn das Lösungsmittel beginnt, langsamer zu verdampfen, wird der Objektträger mit einer Pinzette von der Glaskeramikplatte genommen und das Deckglas wird leicht angedrückt. Das Deckglas sitzt fest, das Präparat kann sofort mikroskopiert werden.

Falls zu der Arbeitsweise noch Fragen bestehen, nur zu.

Viele Grüße

Rainer



Mikroskop: Carl Zeiss Standard Universal
Bildbearbeitung: Gimp, Helicon focus und picolay
Kamera: Canon EOS 5D II

TPL

Hallo zusammen!

Meine Methoden werden in diesem Artikel beschrieben, verglichen und bewertet: http://www-odp.tamu.edu/publications/199_IR/VOLUME/CHAPTERS/IR199_06.PDF. Es dreht sich zwar vor allem um radiolarienreiche Sedimente, aber mit Diatomeen fuktioniert es noch besser ;D

Kleiner Scherz – aber jedesmal, wenn hier ausgefeilte Methoden zur Beseitigung all dessen vorgestellt werden, was mich (und ein paar Andere) interessiert, erinnere ich mich, dass ich wohl eher unbewusst schon viele Hundettausende Diatomeen weggelöst habe.

Bitte verzeiht: es ist ja immer abhängig von der Fragestellung, was man gerne in seiner Probe haben möchte...

Opalfreie Grüße,
Thomas

cuwohler

Hallo Rainer und Thomas,

vielen Dank! Das hilft mir doch schon weiter.

Flußsäure werde ich natürlich nicht nehmen.


Viele Grüße
Cai-Uso

CMB

Moin,

auf der Website http://www.mikrohamburg.de/ findest Du unter "goodies " die Anleitung von Göke, Hagen zur Präparation von Diatomeen. Vielleicht eine gute Ergänzung zu den Tips aus dem Forum.


Gruss in die Runde
CMB

treinisch

Hallo,

Zitat von: RainerTeubner in September 05, 2013, 23:37:53 NACHMITTAGS
Danach werden v o r s i c h t i g 10 ml konzentrierte Schwefelsäure (Schutzbrille, Handschuhe, Laborkittel) zupipettiert, die Lösung wird schwarz und heiß. Sie schäumt etwas. Eine stabile Angstwanne ist angebracht.

Nachdem sich die Reaktion mit der Schwefelsäure etwas beruhigt hat, wird tropfenweise eine gesättigte Lösung von Kaliumpermanganat in Wasser zugetropft.

interessant! Darf ich noch einen zusätzlichen kleinen Sicherheitshinweis loswerden?
Das W a s s e r  sollte groß und fett geschrieben werden! Der unbedarfte Nachkocher sollte sich in jedem Fall davor hüten, das Permanganat trocken in die Schwefelsäure zu geben. Das ansonsten entstehende Permangansäureanhydrid neigt zu hysterischen Anfällen.
(Wer es nicht kennt: Die Lösung von Mn2O7 in Schwefelsäure entzündet alle brennbaren Materialen (Holz, Putzlappen, Kleidung), einschließlich Aluminium, sofort. Sehr gut brennbare Materialien wie Benzin oder Ethanol können auch bei Kontakt explodieren. In Haut findet sich augenblicklich ein Krater. Auf Hitze zum Beispiel beim Eintauchen einer feuchten Pipette reagiert die Lösung mit spontaner Zersetzung. Mn2O7 war damals™ ein beliebter Show-Versuch, zum Beispiel auch in der entschärften Variante: Chemische Blitze)

Vlg

Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

felix

Hier noch einmal ein Beitrag zur Frage nach der in Youtube verbreiteten Anleitung:

http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=16586.msg127270#msg127270

Die Behandlung mit Natriumhypochlorit ist eine gute Vorreinigung. Für ein wirklich gutes Ergebnis sollte man anschließend in Peroxid (ca. 1h) köcheln.

--felix
"Du" angenehm.

RainerTeubner

Hallo Timm,

vielen Dank für die Ergänzung.

Zwar liegt keine 100%ige Schwefelsäure vor, wenn die Kaliumpermangant-Lösung zugetropft wird, denn die ca. 10 ml konzentrierte Schwefelsäure wurden ja zu ca. 10 ml Wasserprobe gegeben, so daß eine ca. 50%ige Schwefelsäure vorliegt, aber etwas Vorsicht kann niemals schaden!

Viele Grüße

Rainer
Mikroskop: Carl Zeiss Standard Universal
Bildbearbeitung: Gimp, Helicon focus und picolay
Kamera: Canon EOS 5D II

cuwohler

#13
Hallo Leute,

vielen Dank für die reichlichen Infos!
Ich werde es erstmal mit Wasserstoffperoxid probieren.
Ich melde mich mit Fotos, wenn die Aktion erfolgreich war.


Viele Grüße
Cai-Uso