Phasenkontrast, Apertur und Auflösung

Begonnen von wilfried48, September 04, 2013, 13:24:11 NACHMITTAGS

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wilfried48

Liebes forum,

warum nutzen eigentlich bei Phasenkontrastobjektiven die Phasenringe nie die volle Apertur der Objektive ?

Kennt jemand den physikalisch/technischen Grund für diesen Auflösungsverzicht ?

etwa weil sie dann im normalen Hellfeld noch schlechter wären oder weil dann der störende Halo noch stärker wird ?

Kennt jemand eine Literaturstelle, wo man darüber etwas nachlesen kann ?

viele Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
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Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Rene

Hi Wilfried, Pluta has a couple of good tables on this matter: effect of ring aperture, and also the width of the ring. There was a phase contrast system with large aperture phase rings: Anoptral. Also with the Heine system from Leitz the rings are larger then usual. Nice for smallest diatoms and such, for normal 'thickish' things (starting from whole cells), a medium sized aperture is a better compromis.

Best wishes, René

(Replies in Deutsch welcome)

Detlef Kramer

Lieber Winfried,

das Problem interessiert mich, aber ich verstehe Deine Frage nicht. Du verstehst mehr von Physik, als ich und kannst mir das bestimmt erklären. Das PH-Objekiv nutzt theoretisch die volle Apertur, für die es gerechnet ist. D.h. alle gestreuten Strahlen, die in das Objektiv unter dem Apertur-Winkel eindringen, kommen im Zwischenbild zur Interferenz. Der Phasenring dient doch nur dazu, einen kleinen Teil des Beleuchtungslichts um Lambda/4 zu verzögern. Daraus ergibt sich natürlich eine kleine Verschlechterung der Auflösung, die z.B. dazu führt, dass viele PH-Objektive mit NA 0,65 die Pleurosigma nicht auflösen können. Manche können es im HF, aber nicht im PH, bei anderen ist es genau umgekehrt. Ich nehme an, das liegt tatsächlich in etwas komplizierten Details der Geometrie der Ringe, wie René geschrieben hat. Mehr weiß ich leider im Moment nicht dazu beizutragen. Jedenfalls wüsste ich im Moment nicht, wie man ein PH-Objektiv ohne Phasenring konstruieren sollte?!

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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koestlfr

Hallo Wilfried!

Interessante Fragestellung über die wir schon öfter diskutiert haben und keine befriedigende physikalische Erklärung bekommen haben.

@Detlef

Man kann ein "PH-Objektiv" ohne Phasenring konstruieren, indem man das wie Reichert einst bei Polvar & Univar bewerkstelligt, als Blenden im Bereich des unendlichen Strahlenganges nach dem Objektiv. Hat ja angeblich gut funktioniert!

Liebe Grüße
Franz
Liebe Grüße
Franz

JB

#4
Hallo Wilfried,

Wie von Rene beschrieben findet sich eine umfangreiche Darstellung bei Pluta (Adv. Light Micros. Vol. 2) und auch bei Beyer (Handb. Mikroskopie) zu diesem Thema.

Pluta schreibt: "[Der Phasenring-Radius] ist ein Kompromiss zwischen Aufloesung, Kontrast und allgemeiner Bildqualitaet ..." p.20

Kleinerer Radius: Verringerte Halos, verbesserter Kontrast bei optisch dicken Objekten (siehe Beyers Phv Phasenkontrast), weniger Streulicht

Grosser Radius: verbesserte Aufloesung; verbesserter Kontrast bei optisch duennen Objekten; mehr Streulicht; gleichzeitig ergibt sich das Problem, dass der Phasenring naeher an Linsenrand rueckt und damit das System fuer Aberrationen anfaelliger wird (ich vermute, dass Leitz mit seinen Pv Objektiven, mit sehr grossen Ring-Radien, auch deshalb die Objektive mit hoher Vergroesserung als Apos gebaut hatte)

Beide Buecher sind sehr lesenswert!

Jon

wilfried48

Hallo,

vielen Dank für die Literaturhinweise, jetzt erinnere mich eine ähnliche Diskussion auch im Michel schon mal gelesen zu haben.

Der Anlass meiner Frage war, dass mir bei einem Blick mit dem Hilfsokular auf den Phasenring des Zeiss 25/0.8 PH2 Planneofluar Multiimmersionsobjektiv aufgefallen ist dass der Phasenring nur bei etwa der halben Apertur dieses schönen Objektivs liegt. Und beim Planapo 40/0.95 PH3 ist der Phasenring nur etwa bei Apertur 0,6 .

@ Detlef
Lieber Detlef,
natürlich wird von dem im Objekt gestreuten Licht die volle Objektivapertur ausgenutzt, aber die Beleuchtungsapertur geht doch genauso in die Auflösung ein. Und diese ist dann bei einem Objektiv mit der Apertur 0,8 eben nur die Hälfte, sodass dieses Objektiv in der Auflösung bei weitem nicht ausgenutzt wird.

viele Grüsse
Wilfried
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abbeköhl


peter-h

Lieber Wilfried,

nun bräuchte man nur einen alten AXIOMAT  :D, dort kann man die Pupille des Objektivs an einer frei zugänglichen Stelle abbbilden. Wie sieht es beim Jenaval aus? Sind da nicht auch solche Versuche möglich? Diese Geräte gibt es doch noch.

Viel Glück
Peter

JB

Hallo Wilfried,

Die Beobachtung beschreibt Pluta auch (vorhergehender Satz zu oben auf Seite 20): "In typischen Phasenkontrasteinrichtungen ist r fuer gewoehnlich gleich r(E'ob)/2. Dieser Wert ist ein Kompromiss zwischen Aufloesung, Kontrast und allgemeiner Bildqualitaet [...]."

r: Radius des Phasenrings
r(E'ob): Radius der Austrittspupille des Objektivs

Hat man also bei Zeiss mal richtig gemacht ;) Der genaue Wert schwankt dann etwas, weil Zeiss nur 3 verschiedene Standard-Ringgroessen hatte.

Beste Gruesse,

Jon

wilfried48

#9
Zitat von: peter-h in September 04, 2013, 23:15:59 NACHMITTAGS
Lieber Wilfried,

nun bräuchte man nur einen alten AXIOMAT  :D, dort kann man die Pupille des Objektivs an einer frei zugänglichen Stelle abbbilden. Wie sieht es beim Jenaval aus? Sind da nicht auch solche Versuche möglich? Diese Geräte gibt es doch noch.

Viel Glück
Peter


Lieber Peter,

das ging auch schon mal etwas kleiner mit einem L Stativ und Zwischenabbildung der Objektivpupille. Siedentopf und Köhler haben 1936 bei Zeiss mit einem solchen das Phasenkontrastverfahren nach Zernike realisiert.

siehe: http://www.zellbiologie.de/download.php?f=db3a50b34c8f359d1a8e2e97bd2b7888&target=0


der Vorteil ist, dass man keine speziellen Phasenkontrastobjektive braucht und dass man mit einem Kondensorblendenrevolver und einem Phasenringrevolver in dieser Zwischenabbildungsebene die Phasenringe je nach Objekt anpassen könnte.

Wenn du die Optik und Mechanik baust dampfe ich dir die halbdurchlassigen lambda/4 Phaseneringe auf.  ;D

viele Grüsse
Wilfried



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Holger Adelmann

#10
Liebe Kollegen,

ein paar Anmerkungen zur ursprüglichen Fragestellung:

Der objektivsseitige Phasenring befindet sich optisch in der hinteren Objektivbrennebene (siehe hierzu die diversen Schemazeichnungen zum Phaco von Leitz, Zeiss etc.).
Ich sage bewusst optisch, da er bei Systemen wie dem Interphako zwar nicht im Objektiv selbst liegt aber in einer optisch dazu konjugierten Ebene, was m.E. also nur mechanische Konsequenzen hat und weniger einen optischen Unterschied machen sollte.

Die hintere Objektivbrennebene wird auch Fourier-Ebene genannt. In ihr erscheint das Beugungsbild des Objektes.
Im Beugungsbild befinden sich die stark abgebeugten, feinen Objektdetails, bzw. deren Ortsfrequenzen weit aussen.
Es wäre daher ungeschickt, das Beugungsbild in diesem Ortsfrequenzbereich durch einen Phasenring zu stören - das Resultat wäre ein merklicher Verlust an Auflösung.
Und dieser Verlust wäre umso grösser spürbar je höher die Auflösung des Objektives ist.
Daher muss für die Lage des Phasenringes ein Kompromiss gefunden werden.
Es folgt aus dem Gesagten aber auch, dass im Phasenkontrast irgendein Ortsfrequenzbereich immer leiden wird, da irgendein Frequenzbereich immer durch den Phasenring beeinträchtigt wird.
Je breiter der Phasenring, umso grösser der gestörte Ortsfrequenzbereich. (bei einem typischen Phasenring allerdings nicht-azimutal, das heisst für alle Richtungen gleich gestört).

Bei einem schwächer vergrössernden Objektiv mit niedrigerer Apertur ist eine äussere Lage des Phasenringes weniger schlimm, da hier oft die Maximalauflösung im Bild nicht abgerufen wird.
Bei den hochaperturigen Objektiven will man aber das letzte Quäntchen Auflösung haben, daher ist ein aussenliegender Phasenring hier unbedingt zu vermeiden.

Ich habe mal konsequenterweise meine Heine Pv 10x und 40x Apo Objektive angeschaut:
Beim 10er ist der Phasenring sogar ganz am Rand und recht schmal, beim 40er am Übergang zum äusseren Drittel.
Das passt also zum Gesagten.

Übrigens - zur Auflösungsfrage folgendes.
(1) Nach den üblichen Formeln zur Aperturberechnung des abbildenden Systems Mikroskop sollen die Kondensorapertur und die Objektivapertur jeweils zu gleichen Teilen eingehen.
Das wird aber von Einigen bezweifelt. Auch ich bin der Meinung dass die Kondensorapertur (in Grenzen) einen geringeren Einfluss auf die praktische Gesamtapertur des Systems hat als die Objektivapertur.
Das ist für mich aus der Beugungstherorie durchaus logisch nachzuvollziehen (und ggfalls in einem weiteren Thread zu diskutieren, siehe hierzu auch: http://www.zeiss.de/C1257173002D0F60/0/3FFEDBC575A9392CC1257185003F3C48/$File/Innovation_15_12.pdf).
(2) Ob wir Objekt-Details im mikroskopischen Bild erkennen ist eine Funktion von Auflösung UND Kontrast, falls der Phasenkontrast also beleuchtungsseitig etwas weniger Apertur aufzubieten hat als das Hellfeld,
sollte er das mit höherem Kontrast wieder wettmachen, was also unterm Strich mindestens eine ähnliche Detailerkennbarkeit ergeben sollte wie das Hellfeld.
Aus 1 und 2 oben ersehe ich also keinen nennenswerten praktischen Nachteil für den Phasenkontrast. Die mir bisher untergekommenen Phaco-Objektive mit n.A. 0,65 lösten Pleurosigma angulatum jedenfalls alle auf....
Fazit: Für mich wiegt der in der Fourierebene bewirkte Auflösungsverlust durch einen ganz aussen liegenden Phasenring deutlich schwerer als der Zugewinn durch eine etwas grössere Beleuchtungsapertur.

Es bleibt zum Nachteil einer möglichst objektgetreuen Abbildung m.E. aber die durch den Phasenring in einem bestimmten Ortsfrequenzbereichs des Beugungsbildes hervorgerufene Störung.
Ich kenne aber keine Literatur, die das systematisch untersucht hat.

Herzliche Grüsse
Holger


PS: @ Detlev: Beim üblichen positiven Phasenkontrast lässt der Phasenring das Beleuchtungsbündel um lambda/4 vorauseilen und schwächt es gleichzeitig ab (ca. 70-85%).
Wenn der (anders konstruierte) Phasenring das Beleuchtungsbündel um lambda/4 verzögert, erhält man negativen Phasenkontrast.

rhamvossen

#11
Hallo Holger,

ZitatDie mir bisher untergekommenen Phaco-Objektive mit n.A. 0,65 lösten Pleurosigma angulatum jedenfalls alle auf....

Die Erfahrung habe ich nicht. Keiner meine Phasenobjektive 40/0.65 (Zeiss, Leitz, Olympus) lösen P angulatum auf in Phasenkontrast. Aber mein Neofluar 40/0.75 Ph2 löst sie in Phasenkontrast fast auf. Dabei nütze ich nicht das Präparat von Ralf Nützel, da ist die P angulatum relativ leicht auf zu lösen. Beste Grüsse,

Rolf

Holger Adelmann

Hallo Rolf,

ich denke es kommt sicher auch darauf an, ob die Diatomeen in Luft oder in einem hochbrechenden Medium eingeschlossen sind.
Was verwendest Du?

Herzliche Grüsse
Holger

peter-h

#13
Liebe Phasenfreunde,

es ist immer wieder spannend wie Beobachtungen gedeutet werden können. Kann also ein Objektiv mit Phasenring und NA 0,65 die Pleurosigma angulatum auflösen oder nicht? Wie überlegen ist ein Objektiv mit NA 0,75 und Phasenring?
Per Zufall habe ich ein Zeiss F 40/0,65 Ph2 und ein Zeiss Neofluar 40/0,75 Ph2. Zunächst die Bilder :



Bild 1 + 3 mit F 40/0,65 Ph2
Bild 2 + 4 mit Neofluar 40/0,75 Ph2

Im Vergleich 1 zu 2 hat klar das Neofluar einen besseren Kontrast, aber auch Bild 1 ist aufgelöst.
Wie wurde beleuchtet? Mit dem Heinekondensor kann man den Durchmesser des Phasenrings in sehr weiten Bereichen variieren. Wie im nächsten Bild zu sehen wurde also die volle Apertur des Objektivs genutzt.



Bilder 3 + 4 sind dann mit "richtiger" Einstellung des Phasenrings entstanden. Absolut keine Chance eine Auflösung beim F 40/0,65 Ph2 zu erkennen. Beide Phasenringe (Zeiss Ph2) haben identischen Durchmesser. Liegt es also an der kleinen Differenz von 0,65 zu 0,75? Aber wieso ein so geringer Unterschied in den Bildern 1 + 2 ?
Sicher eine nette Denksportaufgabe fürs Wochenende  ;)

Viele Grüße
Peter





Rene

Hi Holger, I have the same experience as Rolf with Pleurosigma in diatom mountant in phase contrast with objective NA 0.65 (eg the Wild plan fluotars phase 40/0.65). My guess is that the NA of most of the 40x phase fluotars is choosen to reflect the expectation of the average user that such a nice 'modern' contrast enhancement technique should at least resolve the ubiquitous Pleurosigma test object for the 40x.

Two more remarks,

- I'm not sure you can say that the presence of the phase ring causes the reduction in resolution, as the maximum aperture stays the same. The reduction in contrast causes the reduction in resolution! A theoretical point though, not important in practice.

Second, practically speaking, brightfield microscopy is generally used with stopped down condenser. Unfortunately, with the higher NA objectives I tend to stop down the condenser to a level near to the aperture of the phase ring. And then the negative effect of the phase ring becomes painly visible. Sitting behind a microscope most days, that's unacceptable to me.

Best wishes, René.

(replies in Deutsch appreciated)