Botanik: Gewöhnlicher Natternkopf, Echium vulgare *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, September 07, 2013, 10:28:00 VORMITTAG

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

im Mittelmeergebiet, auf den Kanarischen Inseln und Madeira ist die Gattung Echium durch eine Vielzahl zum Teil strauchförmige mehr oder weniger wärmeliebende Arten vertreten. Einige von ihnen besitzen riesige pyramidenförmige Blütenstände. Nur eine Art der Gattung, der Gewöhnliche Natternkopf, konnte bis nach Mitteleuropa vordringen.
Diese zweijährige Pflanze treibt im 1. Jahr nur eine steifhaarige Blattrosette mit einer langen kräftigen Pfahlwurzel und im 2. Jahr den manchmal bis über 1,5 Meter hohen Blütenstand.
Der Natternkopf kann seine Wurzeln mehr als 2 Meter in die Tiefe vortreiben, damit  die Pflanze  auf trockenen Standorten überleben kann.
Die erst rötlichen dann azurblauen, kelchförmigen Blüten werden von Hummeln, Bienen sowie Tag- und Nachtfaltern bestäubt.
Ihre Färbung hängt wie beim Lungenkraut mit dem Säuregehalt des Zellsaftes zusammen.
Hinsichtlich des pH-Wertes werden zwei Typen von Vacuolen (mit Zellsaft gefüllte Hohlräume) erkannt. Der alkalische Typ färbt sich mit Neutralrot orangenrot, und der saure Typ nimmt mit demselben Farbstoff blaupurpurrote Färbung an.
In der Knospe (sauer) sind die Anthocyanfarbstoffe rot, in der offenen Blüte (neutral) zunächst blauviolett und später (schwach basisch) blau.
Die Samen werden vom Wind mitgenommen oder sie bleiben klettenähnlich an vorbeikommenden Tieren hängen. Der Gewöhnliche Natternkopf ist von Nordafrika bis nach Kleinasien sowie bis nach England und Skandinavien verbreitet.
Die Blüten des Natternkopfes wurden von dem englischen Kräuterarzt  W. Coles (1656) als Heilmittel gegen Schlangenbisse empfohlen, da die Blüten einem Schlangenkopf ( griech. echis = Otter, Nattere) gleichen (Signaturenlehre).
Insbesondere sollen die herausragenden Staubgefäße an die Schlangenzunge erinnern. Die Griffel und Staubbeutel dienen als Landeplatz für die Bestäuber. Der Griffel ist zweispaltig und zwischen den Klausen grundständig  (die Spaltfrüchte zerfallen in 4 kleine, glatte Teilfrüchte, sogenannte Klausen).

Die Signaturenlehre ist die Lehre von den Zeichen in der Natur, die als Merkmale auf Ähnlichkeiten, Verwandtschaften und innere Zusammenhänge hinweisen. Analogien bestehen demnach zwischen Form, Farbe, Charakter, Geruch, Geschmack, Standort, Entstehungszeit, Farben, humoralpathologischen und astrologischen Zuordnungen und vielen weiteren Aspekten. Die Signaturenlehre beruht auf einem kosmischen Denken in Entsprechungen (universale Sympathie bzw. Mikrokosmos-Makrokosmos-Lehre) – eine Bohne habe eine Heilwirkung bei Nierenleiden; die Form der Walnuss prädestinierte sie für Behandlungen des Gehirns – und ist als typische Denkform nicht-naturwissenschaftlicher Welterklärungsmodelle weltweit zu finden.
Quelle: Wikipedia

Der Natternkopf ist eine alte Heilpflanze, er enthält ein für Warmblüter nicht giftiges Alkaloid und Gerbstoffe.
Die Droge ist schwach giftig. Inhaltsstoffe sind:  Alkaloide (u. a. Cynoglossin, Consolidin), Cholin Allantoin(ca. 1,2 %), Heliosupin   und Bornesit. Die Pflanze enthält Pyrrolizidinalkaloide, die die Leber schädigen und Krebs auslösen können.

Bild 01 Gewöhnlicher Natternkopf, Echium vulgare

Bild aus unserem Garten
Der Spross ist rauh und drüsig  mit stehenden Haaren besetzt.

Bild 02 Illustration, Gewöhnlicher Natternkopf, Echium vulgare

Quelle: Bilder ur Nordens Flora
http://caliban.mpiz-koeln.mpg.de/lindman/
Dieses Werk ist gemeinfrei

Bild 03 Schnittstelle, Gewöhnlicher Natternkopf, Echium vulgare


Systematik:  

Familie: Raublattgewächse (Boraginaceae)
Die Raublattgewächse oder Borretschgewächse (Boraginaceae) sind eine Familie der Bedecktsamigen Pflanzen (Magnoliopsida).
Gattung: Natternköpfe (Echium)
Art: Gewöhnlicher Natternkopf
Wissenschaftlicher Name: Echium vulgare
Volkstümlicher Name: Blaue Ochsenzunge, Blauer Natternkopf,  Gemeiner Natternkopf, Gewöhnlicher Natternkopf, Himmelbrand,  Starrer Hansi und Stolzer Heinrich.
englischer Name: Viper's bugloss  


W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Arbeitsablauf :

Schnitte  liegen in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung  8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca.    12 Sekunden !!!.
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 2 Minute.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis  4 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % ).
10. Als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol einsetzen.
11. Einschluss in DePeX.
Ergebnis :
Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Fotos: Nikon D5000, die Übersichtsaufnahmen wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Spross, Querschnitt, 40 µm

Die hier gezeigten Schnitte sind alle 40 µm dick. Ich habe versucht dünner zu schneiden, leider bleibt dann von dem weichen Martkparenchym nur noch wenig übrig.

Bild 04 Übersicht, Echium vulgare


Bild 05 Übersicht, Negativ,  Echium vulgare

Trichome (Haare). Als Trichome bezeichnet man Anhangsgebilde der Epidermis, die durch Auswachsen einzelner Epidermiszellen entstanden sind.

Bild 06 Übersicht, Negativ,  Echium vulgare


Bild 07 Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Echium vulgare

R = Rindenparenchym, PH = Phloem, PPH = Protophloem Rindenparenchym, K = Kambium, XY = Xylem, T = Trachee, PXY = Protoxylem, MP = Markparenchym

Bild 08 Vergrößerung, schwarz-weiß,  Echium vulgare


Bild 09 Epidermis mit Rindenparenchym,  Echium vulgare


Bild 10 Drüsenschuppe (?),  Echium vulgare


Bild 11 Trichom, Echium vulgare


Bild 12 Trichom, Echium vulgare

Der Schaft ist mehrzellig, verzweigt und am Rand sieht man noch kleine Borsten.
Zwillingshaare ?

Bild 13 Trichom, Polarisation,  Echium vulgare,


Bild 14 Polarisationsaufnahme, Echium vulgare

Ich vermute, dass es sich hier um eine Drüsenschuppe handelt.

Bild 15 Trichom, Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Echium vulgare

Das Haar ist mit dem unteren Teil, dem Fuß, in der Epidermis verankert.
Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10

Bild 16 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Echium vulgare

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10


Quellen:

Rita Lüder: Grundkurs Pflanzenbestimmung, ISBN 3-494-01418-3
Was blüht denn da ? ISBN 978-3-440-11379-0
Der Kosmos Pflanzenführer, ISBN 3-86047-394-8
Die große Enzyklopädie der Arzneipflanzen und Drogen, ISBN 987-3-89996-508-7
Der neue Kosmos Tier- und Pflanzenführer, ISBN 3-440-07286-X
Taschenbuch der heimischen Frühjahrsblumen, 1953
Katherina Esau:  Pflanzenanatomie, 1969
Pflanzennamen und botanische Fachwörter; 1984
Wikipedia

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

koestlfr

#1
Hallo Hans-Jürgen!

Sehr interessant - wie immer und sehr schöne Bilder! Ein Genuss!

Eine kleine Anregung: ich würde bei den Blauanregungen die Tiefen heben und die Lichter senken und die Balance mit Kontrast und Helligkeit einstellen - dann werden die Exponate schöner durchgezeichnet, auch in den dunklen Bereichen.

Liebe Grüße
Franz
Liebe Grüße
Franz

Detlef Kramer

Lieber Hans-Jürgen,

die übliche, von uns mittlerweile als selbstverständlich erwartete Qualität und Gründlichkeit!

Mit Protophloem liegst Du sicherlich falsch. Das ist Rindenparenchym. Die Zellen des Protophloems müssten sehr klein und zusammen gedrückt aussehen.

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Hans-Jürgen Koch

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Jan Kros

Lieber Hans-Juergen,
ich schliesse mich andere Schreibern an
herzlichen Gruss
Jan

Hans-Jürgen Koch

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...

#6
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Klaus Herrmann

Lieber Hans-Jürgen,

wie immer ein schöner sorgfältig erstellter Beitrag!

Ich möchte gerne einen Zusatz machen, der für die Schnibblerriege vielleicht auch noch ganz interessant ist. Im Septemberheft 2005 habe ich mit Heinz Streble einen Beitrag veröffentlicht mit einem Schnitt durch den Spross vom Natternkopf. Das Übersichtsbild hat es sogar auf die Titelseite geschafft.
Das war aber eigentlich nur der Aufhänger für die Vorstellung des Einmalklingenhalters, den Heinz kreiert hatte und den ich dann in der Anwendung noch 2x verbessert habe. Inzwischen wurde daraus der SHK Streble-Herrmann-Kramer mit weiteren Optimierungen ein Klassiker. Man kann auch ohne ihn leben - aber nicht ohne ihn schnibbeln! ;)

Die Beschreibung des Schnittes stammt von Heinz, der Rest von mir.



Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

ein sehr schöner Beitrag über eine schöne und bei uns an der Sieg eher seltene Pflanze! Es ist ihr in den Siegauen wohl zu feucht. :-)

Bei dem Trichom in Bild 11 denke ich aber eher an ein Schnitt-Artefakt aus gegeneinander verdrehten Zellwandteilen. Sicher ist das Haar der Klinge beim Schnitt ausgewichen. Es sind ja "einreihige" Trichome, bei denen immer eine Zelle auf die andere folgt - oder sogar einzellige Trichome, wie in Deiner Aufnahme 13 schön zu sehen. Nur der Fuß scheint mehrzellig zu sein, dazu passt m.E. auch Dein Bild 10 ganz gut.
Die Riffelung an den zwei "Haarteilen"  ;D würde dann auf eine kleine Scharte oder Unebenheit der Mikrotomklinge hinweisen, an der das ja bewegliche und aufgrund seiner Eigenstabilität federnde Haar beim Schnitt vorbei geruckelt ist.

letztendlich ist so was aber nur anhand von Fotos schwer zu sagen. Vielleicht kannst Du uns noch weitere Bilder zeigen, die die eine oder andere Aussage stützen?

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

danke für Eure netten Worte.

@ Klaus,

ein sehr interessanter Beitrag im Mikrokosmos. Leider fehlt mir der gesamte Jahrgang 2005.

@ Jörg,

Schnitt-Artefakte  beim Trichom sind durchaus möglich. Der Spross war ja nur in  Styrodur eingeklemmt.
So wie ich Zeit finde, werde ich den Spross in Polyethylenglykol einbetten und schneiden.

Gruß

Hans-Jürgen
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Klaus Herrmann

Lieber Hans-Jürgen,

Zitatein sehr interessanter Beitrag im Mikrokosmos. Leider fehlt mir der gesamte Jahrgang 2005.

Das Heft habe ich leider nicht doppelt, man hat damals Sonderdrucke bekommen. Und das war ja noch die Zeit vor der Umstellung auf durchgehend farbige Bilder, so dass das Detailbild im Beitrag als sw-Bild nicht so doll ist.

Aber wenn du möchtest schick ich dir gerne einen Sonderdruck.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Hans-Jürgen Koch

Lieber Klaus,

über den "Mikrokosmos" Sonderdruck würde ich mich freuen.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
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Klaus Herrmann

Lieber Hans-Jürgen,

Zitatüber den "Mikrokosmos" Sonderdruck würde ich mich freuen.

...schon im veilchenblauen (wenigstens etwas Farbe!) Umschlag an dich unterwegs!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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