Botanik: Weiße Lichtnelke Silene latifolia, ein typischer „Nachtblüher“. *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, September 23, 2013, 17:45:28 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

die Weiße Lichtnelke hat eine ganze Reihe von Synonymen. Der vollständige Taxonname ist Silene latifolia subsp. alba (Mill.) Dazu existieren die folgenden Synonyme (jeweils mit den Referenzen).

•Lychnis alba Mill. - Gard. Dict., ed. 8: no. 4 (1768)
•Lychnis arvensis P. Gaertn., B. Mey. & Scherb. - Oekonom.-Techn. Fl. Wetterau, 2: 117 (1800)
•Lychnis pratensis Rafn - Danm. Holst. Fl., 2: 792 (1800)
•Melandrium pratense (Rafn) Röhl. - Deutschl. Fl., ed. 2,, 2: 274 (1812)
•Lychnis divaricata Rchb. - Iconogr. Bot. Pl. Crit., 4: 3 (1826)
•Silene pratensis (Rafn) Godr. - Mém. Soc. Roy. Sci. Nancy, 1846: 171 (1847)
•Melandrium album (Mill.) Garcke - Fl. N. Mitt.-Deutschland, ed. 4: 55 (1858)
•Silene alba (Mill.) E. H. L. Krause - in: Sturm, Deutschl. Fl., ed. 2,, 5: 98 (1901) non Muhl. ex Britton 1893, nom. illeg.
•Silene alba subsp. Alba

Die Weiße Lichtnelke (Silene latifolia) gehört zur Familie der Nelkengewächse (Caryophyllaceae). Die Weiße Lichtnelke ist in Europa und Asien heimisch, in Nordamerika wurde sie erst durch menschliche Einflüsse verbreitet. Sie gedeiht in meridionalen bis borealen Klimazonen -  die Pflanze kommt in der Nordhalbkugel von Nord-Amerika über Europa bis nach West-Asien sowohl im Flach- als auch im Hügelland vor. In Tiefen bis mittleren Höhenlagen (max. 700 Meter). Man findet die Weiße Lichtnelke ziemlich häufig in Unkrautfluren der Schuttplätze, sowie an Wegen und Ackerrändern. Sie liebt ziemlich stickstoffreiche, nicht allzu basenarme Lehmböden. Es ist eine Lichtpflanze und bevorzugt helle, leicht basische und stickstoffreiche Standorte.
Die Pflanze ist zwei- bis mehrjährig, die Wuchshöhen betragen 30 bis 120 Zentimeter. Der Stängel, meist mit großen Ästen, ist dicht weich behaart. Die Blätter sind länglich eiförmig, die oberen länglich sitzend, alle kurz zugespitzt.
Die Pflanze ist ein typischer ,,Nachtblüher", tagsüber wirken die Blüten durch eingerollte Kronblätter wie verwelkt.
Ihre Blüten öffnen sich erst in der Dämmerung vollständig und verströmen dann ihren angenehmen Duft. Die meist nachts geöffneten Blüten reflektieren das Mondlicht und locken damit verschiedene Nachtfalter an. Bereits in der Dämmerung schließen sie sich wieder.
Die Rote Lichtnelke zeigt rote, tagsüber geöffnete Blüten.
Die Blüten enthalten entweder nur Staubgefäße oder nur Stempel. Die verschiedenen Geschlechter zeigen äußerlich Unterschiede und zwar sind die weiblichen Blüten öfters kleiner und besitzen stets einen 20 - rippigen Kelch, während die Kronblätter der männlichen Blüten oftmals länger, aber etwas schmäler sind. Der Kelch dieser Blüten ist nur 10 - rippig. Die Blüten stehen getrennt auf  verschiedenen Pflanzen (eine zweihäusige Pflanzenart).
In der Naturheilkunde werden der Pflanzensaft und die Wurzeln  bei Atemwegserkrankungen, Husten,  Gicht, Hautkrankheiten und Rheuma eingesetzt.
Einige Leute setzen die Droge auch gegen Krebs ein (es ist keine Erfolgsberichte bekannt).

Bild 01 Silene latifolia

Diese Bild ist gemeinfrei.

Nur bei der weiblichen Blüte und bei zwittrigen Blüten ist der Kelch aufgeblasen. Die Zwitterblüten sind vormännlich. Das bedeutet, dass zuerst der Pollen gebildet ist, und erst wenn die Blüte älter und sich im weiblichen Stadium befindet, nehmen die nun reifen Narben den mitgebrachten Pollen bestäubender Insekten (langrüsselige Nachtfalter) auf. Mit diesem Mechanismus wird verhindert, dass sich die Pflanze selbst bestäubt.
Kleinere Insekten werden zurückgewiesen. Dafür sorgen die 2 mm hohen Schlundschuppen, die als Nebenkrone den Schlundeingang umgeben. Der Nektar wird vom fleischigen Blütenboden abgeschieden. Bei weiblichen Blüten ist er 2,0 bis 2,5 cm, bei männlichen 1,5 bis 1,8 cm tief verborgen. Die Blütezeit dauert von Juli bis September.

Systematik:

Ordnung: Nelkenartige (Caryophyllales)
Familie: Nelkengewächse (Caryophyllaceae)
Unterfamilie: Caryophylloideae
Tribus: Sileneae
Gattung: Leimkräuter (Silene)
Art: Weiße Lichtnelke
Wissenschaftlicher Name: Silene latifolia
Volkstümliche Bezeichnung: Weiße Nachtnelke, Weißes Leimkraut, Nacht-Lichtnelke, Weiße Nacht, Weiße Narzisse, Weiße-Seifenwurz und Nachtnelke
englischer Name:  White Campion

Bild 02 Silene latifolia

Standort: Ristedter Moor – Niedersachsen
Die Blätter sind gegenständig, lanzettich.

Bild 03 Silene latifolia

Tagsüber wirken die Blüten durch eingerollte Kronblätter (Petalen) wie verwelkt.

Bild 04 Silene latifolia

Weibliche Blüte mit aufgeblasen Kelch (Calyx)

Spross, Querschnitt, 40 µm

Spross aufrecht, verzweigt, kurzhaarig, oben zusätzlich mit Drüsenhaaren.

Bild 05 Schnittstelle, Silene latifolia


W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Arbeitsablauf :

1. Schnitte  liegen in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung  8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca.    12 Sekunden !!!.
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 2 Minute.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis  3 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % ).
10. Als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol einsetzen.
11. Einschluss in DePeX.

Ergebnis :

Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Fotos: Nikon D5000, die Übersichtsaufnahmen wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 06 Übersicht, Silene latifolia

Im Zentrum erkennt man einen  Hohlraum – Markhöhle.

Bild 07 Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Silene latifolia

EP = Epidermis, R = Rindenparenchym, SK = Sklerenchymring, K = Kambium, PH = Phloem, XY = Xylem, T = Trachee, MP = Markparenchym.
Sklerenchymatische Gewebe bestehen stets aus toten Zellen. Ihre Festigkeit erhalten Sklerenchymzellen durch sehr dicke Sekundärwände.

Bild 08 Unterschiedliche Darstellungen vom Spross, Silene latifolia


Bild 09 Trichome, Silene latifolia

Bei vielen Haaren stirbt nach deren Fertigstellung der plasmatische Inhalt der Zellen ab. Sie sind stellenweise dann von Luft erfüllt und sehen infolge der Totalreflektion des Lichtes weiß aus.

Bild 10 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Silene latifolia

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10

Bild 11 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Silene latifolia

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10

Wurzel, Querschnitt, 30 µm

Die Wurzeln sind rübenförmig, sie wurden früher wegen ihres Gehalts an Saponinen als ,,Weiße Seifenwurz" arzneilich sowie zum Waschen benutzt.
Saponine  (lat. Sapo ,Seife') werden so bezeichnet, da sie beim Schütteln mit Wasser oft einen seifenartigen Schaum ergeben
Man findet Saponine auch in Gemüsepflanzen, wie Sojabohnen, Erbsen, Spinat, Tomaten und  Kartoffeln.

Bild 12  Schnittstelle, Silene latifolia


Bild 13  Übersicht, Silene latifolia

Es handelt sich um eine alte Wurzel, mit einer kräftigen Seitenwurzelabzweigung bei 14.00 Uhr.


Bild 14  Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Silene latifolia

R = Rindengewebe, K = Kambium, PH = Phloem, T = Trachee, XY = Xylem, XYP = Xylem – Parenchym, St = Strahl ( elliptische Zellen)
Die Trachee ist von einem Kranz flacher, lebender Zellen umgeben, das ist das Xylem – Parenchym.


Bild 15  Vergrößerung mit Beschriftung, Silene latifolia


Bild 16  Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Silene latifolia

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10


Bild 17  Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Silene latifolia

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10

Bild 18  Zentrum der Wurzel,


Bild 19  Polarisation, Silene latifolia

Einlagerung von Calciumoxalat – Kristallen

Fazit:
Die sehr robust aussehende Wurzel (siehe Bild 12 Schnittstelle) lag ca. 1 Woche in AFE III und die Schnitte habe ich 14 Tage in Ethanol 70 % aufbewahrt. Trotzdem blieb das Zellgewebe weich und schwammig (einige Zellen sind längs angeschnitten).

Quellen und weiterführende Informationen:

Oskar Sebald: Wegweiser durch die Natur Wildpflanzen Mitteleuropas, ADAC Verlag, München 1989, ISBN 3-87003-352-5
Schubert + Wagner: Pflanzennamen und botanische Fachwörter, 1961
Katherina Esau:  Pflanzenanatomie, 1969
Spacer A. Poletti; H. Schilcher; A.Müller: HEILKRÄFTIGE PFLANZEN, Walter Hädecke Verlag, (1982). ISBN 3-7750-0104-2.
Spacer H. Schilcher: Kleines Heilkräuter-Lexikon; Walter Hädecke Verlag, 1999; ISBN 3-7750-0316-9.  
Spacer Hagers Enzyklopädie der Arzneistoffe und Drogen; Springer Medizin Verlag, Heidelberg, 2008.
Spacer Wikipedia; Freie Enzyklopädie.

Danke an Detlef Kramer für seine Hilfe bei der Zellbestimmung der Wurzel.
Ich hoffe alles richtig verstanden zu haben. Für Anregungen bin ich dankbar.

Mit freundlichem Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

...


Hans-Jürgen Koch

Hallo Mario,

danke für das Interesse und Dein Lob.
Evtl. hätte ich bei der Wurzel doch etwas dickere Schnitte anfertigen sollen um die Strukturen klarer darzustellen.
Bin auf Deinen neuen Beitrag schon gespannt.

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Jan Kros

Lieber Hans-Juergen,
es ist immer schon etwas von dir zu sehen
wunderschoene Schnitte und gut gefaerbt, ich habe alles ausgedruckt.
herzlichen Gruss aus den Niederlanden
Jan

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

Deinen Artikel zur Weißen Lichtnelke habe ich wie immer mit Freude und Interesse gelesen. Sehr schöne Fotos von tollen Präparaten.

Bei Deinem Bild 15 bin ich etwas unsicher, es zeigt doch einen Querschnitt der Wurzel? Müsste es da nicht (Wurzel)rinde, Exodermis und Rhizodermis heißen?

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jan,

danke für Deine Antwort auf meinen Beitrag.
Herzliche Grüße

Lieber Jörg,

auch Dir sage ich danke für Dein Lob.
Bei dem Bild 15 handelt es sich um einen Querschnitt der Wurzel.
Ich sehe hier ein fast komplett ausdifferenziertes Periderm, bin mir aber auch nicht sicher.
Vielleicht kann Detlef sich das Bild ja noch einmal ansehen.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Rolf-Dieter Müller

Lieber Hans-Jürgen,

ich kann mich nur den vorhergehenden Kommentaren anschließen, Dir ist wieder ein hervorragender Beitrag gelungen. Aber das kennen wir ja von Dir nicht anders.

Besonders gefällt mir Bild 07, zeigt es doch wie Deine Färbung klar und differenziert ausgefallen ist. Und auch Bild 19 mit der Darstellung von Einlagerungen gehört zu meinen Favoriten.

Viele Grüße
Rolf-Dieter

Hans-Jürgen Koch

Lieber Rolf-Dieter,

danke für Dein Feedback.
Die feinen Zellstrukturen vom Spross der Weißen Lichtnelke (Bild 07) ließen sich mit der W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau) gut darstellen.

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Detlef Kramer

Lieber Jörg, lieber Hans-Jürgen,

Rhizodermis (syn. Wurzel-Epidermis) und Exodermis sind Merkmale der jungen Wurzel. Hier handelt es sich um eine ältere Wurzel mit fortgeschrittenem sekundären Dickenwachstum und da ist alles mehr oder weniger, wie im Spross. Ich meine, die Interpretation ist korrekt (habe sie schon vorab begutachten dürfen).

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Fahrenheit

Lieber Detlef,

danke für Deinen Hinweis! Wieder was gelernt. Es sieht auch verdammt nach einem Periderm aus, was mich zunächst verunsichert hat.  :)

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Lieber Detlef,

danke für die Erläuterungen zur älteren Wurzel.
Auch ich habe etwas gelernt.

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"