Botanik: Stinkender Storchenschnabel Geranium robertianum *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Oktober 09, 2013, 13:17:36 NACHMITTAGS

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

der Storchenschnabel ist zwar keine spezifische Felsenpflanze, siedelt aber gern auf Geröll und schattigen Felsen. Dort fallen seine kleinen, aber hübschen Blüten weit stärker auf als beispielsweise am Waldrand. Die Blüten des Storchenschnabels werden von Insekten bestäubt, können sich aber auch selbst befruchten.

Bild 01 Geranium robertianum

Der Name Storchenschnabel bezieht sich auf die langen, schnabelartigen Früchte aller Geranium – Arten. Bei der Reife lösen sich die Fruchtwände von der Mittelsäule (sie springen auf) und schleudern die Samen bis 6 Meter weg.

Bild 02 Geranium robertianum

Der Fruchtknoten, der mit seinem Griffel zur langgeschnäbelten Frucht heranwächst, ist der Anlass für den Gattungsnamen: griech. geranos = Kranich.
Der Storchenschnabel ist fossil seit dem Tertiär.
Das Tertiär begann vor 65 Millionen Jahren (Ende der Kreidezeit) und dauerte bis zum Beginn der Klimaveränderung vor rund 2,6 Millionen Jahren, in deren Folge das Eiszeitalter im Quartär einen Wechsel von Kalt- und Warmzeiten brachte.
Der früher auch als Heilpflanze oder des unangenehmen Geruchs wegen als Mottenpulver verwendete ,,Stinkende Storchenschnabel" ist in Europa, Nordamerika sowie weiten Teilen Asiens, Nordamerikas und Südamerikas verbreitet.
Geranium robertianum ist ein einjähriges Kraut und blüht von April bis September, es erreicht eine Höhe von 50 cm und hat reich verzweigte, teilweise, am Boden, rötliche Stängel.
Die dreieckigen Blätter sind drei- bis fünfteilig fiederschnittig gelappt. Der Stinkende Storchenschnabel ist eine Schattenpflanze. Er hat verdickte Blattgelenke, mit denen er seine Blätter nach dem Licht ausrichten kann.

Bild 03 Geranium robertianum

Die kleinen, aber hübschen Blüten sind rosafarben bis violett. Jede Blüte hat fünf Blütenblätter, die in der Mitte durch eine dunklere Linie geziert werden.

Bild 04  Geranium robertianum

Die Kronblätter sind 5 – 12 mm lang.
Die Pflanze riecht beim Zerreiben widerlich. Sie enthält ätherisches Öl (Geruch), Gerbstoffe (ca. 5 – 14 %) und Bitterstoffe.
Wirkstoffe sind: Ellagitannine wie Geraniin und Isogeranniin und Flavonoide.
Flavonoide gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen, denen gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben werden.
Der Storchenschnabel wurde früher als Heilpflanze gegen Durchfall, Nieren-  und Blasenentzündung verwendet. Die Wirksamkeit ist bei innerer Anwendung mit Ausnahme der Verwendung bei Durchfall nicht belegt bzw. plausibel.

Bild 05 Illustration, Geranium robertianum

Dieses Bild ist gemeinfrei.

Systematik:

Ordnung: Storchschnabelartige (Geraniales)
Familie: Storchschnabelgewächse (Geraniaceae)
Gattung: Storchschnäbel (Geranium)
Art: Stinkender Storchenschnabel
Wissenschaftlicher Name: Geranium robertianum
Volkstümliche Namen: Stinkender Storchschnabel, Ruprechtskraut, Robertskraut, Gottensgnadenkraut, Warzenkraut, Orvale, Bockskraut und Rotlaufskraut.
Englischer Name: Herb Robert

Spross, Querschnitt 30 µm

Blätter und Spross sind weich, drüsig behaart.
W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Arbeitsablauf :

1. Schnitte  liegen in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung  8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca.    12 Sekunden !!!.
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 2 Minute.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis  3 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % ).
10. Als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol einsetzen.
11. Einschluss in Entellan

Ergebnis :

Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Fotos: Nikon D5000, die Übersichtsaufnahmen wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 06 Übersicht, Geranium robertianum

Junger Spross Ø 3 mm
Im Gegensatz zu den dikotylen (zweikeimblättrigen) Pflanzen sind die Leitbündel quer über den Sproßquerschnitt verteilt. Ansonsten findet man ebenfalls eine Epidermis und das innere Füllgewebe aus Parenchymzellen.
Ebenso wie die Stengel, von Drüsenhaaren bedeckt. Sie enthalten ein auch bei der Parfümherstellung verwendetes ätherisches Öl, das Geraniol und Citronellol als monoterpene Hauptbestandteile enthält.
Quelle Wikipedia:
Geraniol ist ein acyclischer Monoterpen-Allylalkohol und steht in E/Z-Isomerie zum Nerol: Geraniol ist das E-Isomer, Nerol das Z-Isomer. Als blumige Note ist es Bestandteil vieler Parfums. Dichte: 889,00 kg/m³

Bild 07 Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Geranium robertianum

CU = Cuticula, EP = Epidermis, R = Rindenparenchym, SK = Sklerenchym – Ring, T = Trachee, PH = Phloem, Xy = Xylem, PXY = Protoxylem

Bild 08 Vergrößerung, Geranium robertianum

Der rote  Sklerenchymring gibt dem Spross die Festigkeit

Bild 09 Vergrößerung, Geranium robertianum

Kleines Nebenleitbündel

Bild 10 Vergrößerung,  mit Beschriftung, Geranium robertianum

Ph = Phloem, T = Trachee, XY = Xylem, K = Kambium, PXY = Protoxylem
Leitbündel sind für den Ferntransport von Wasser, gelösten Stoffen und organischen Substanzen im Spross, von höheren Pflanzen (Gefäßpflanzen) verantwortlich.

Bild 11 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Geranium robertianum

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10

Bild 12 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Geranium robertianum

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10

Bild 13 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Geranium robertianum

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10

Bild 14 Polarisation, Geranium robertianum


Bild 15 Polarisation, Geranium robertianum

Eingelagerte Stärkekörner (Nachweis mit Jodjokalium-Lösung)

Bild 16 Polarisation, Geranium robertianum


Bild 17 Polarisation, Geranium robertianum


Bild 18 Dunkeleld, Geranium robertianum


Zum Abschluss möchte ich noch ein Präparat von Bernard Boher zeigen.
Blutroter Storchenschnabel Geranium sanguineum

Querschnitt einer jungen Frucht; gefärbt mit Etzold – grün.


Quellen und weiterführende Informationen:

Schubert + Wagner: Pflanzennamen und botanische Fachwörter, 1961
Katherina Esau:  Pflanzenanatomie, 1969
Spacer A. Poletti; H. Schilcher; A.Müller: HEILKRÄFTIGE PFLANZEN, Walter Hädecke Verlag, (1982). ISBN 3-7750-0104-2.
Spacer H. Schilcher: Kleines Heilkräuter-Lexikon; Walter Hädecke Verlag, 1999; ISBN 3-7750-0316-9.  
Spacer Hagers Enzyklopädie der Arzneistoffe und Drogen; Springer Medizin Verlag, Heidelberg, 2008.
Spacer Wikipedia; Freie Enzyklopädie.
Peter Frederick Yeo: Geranium, Stuttgart 1988.
R. Düll/ H. Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. 6. Auflage, Quelle & Meyer-Verlag, 2005, ISBN 3-494-01397-7

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen

Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

koestlfr

Hallo Hans-Jürgen!

Toller Beitrag, ein echter Koch!

Liebe Grüße
Franz

Liebe Grüße
Franz

JaRo

Hallo,
ja wirklich schön und sehr detailliert.
Viele Grüße
Jan

Rawfoto

Hallo Hans-Jürgen

Franz hat wie (fast) immer Recht, der "Abschluss" ist eine Bereicherung, so etwas bekommt man selten zu Gesicht ==> Danke für den Beitrag ...

Was mir auffällt, dieses Mal hast Du bei einigen Bildern Probleme mit dem Weisabgleich (z. B. Bild 1 - Rosa - und 3 - vergrautes Weis)

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

hajowemo

Lieber Hans-Jürgen,
wie immer ein toller Beitrag.
Danke für deine Mühe. Ich lerne durch deine Bezeichnungen der Zellen
immer wieder was Neues.
Liebe Grüße
Jochen
Vorstellung
Homepage www.mikroskopie-hobby.de
Gerne per "Du"
Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.

Eckhard F. H.

Hallo Hans Jürgen,
Gratulation für die wunderbare Doku und danke die Mühe dafür. Erst vor zwei Jahren hatte ich den Storchenschnabel als solchen registriert und seitdem wird er immer freundlich gegrüßt.  :D
Gruß - EFH

Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

danke für Euer Interesse und das Lob zu meinem Beitrag.

@ Gerhard,

Deinem geschulten Auge entgeht nichts.
Die Pflanzenbilder sind bei hellem Sonnenlicht auf der Fensterbank entstanden. Die zu dunkleren Bereiche (Schatten) habe ich aufgehellt. Eine zweite Lichtquelle wäre sicher besser gewesen.
Danke für Deinen Hinweis.

@ Jochen,

das Buch ,,Farbatlas Pflanzenanatomie" ISBN: 3-8263-3379-9 ist sicher eine interessante Lektüre für Dich.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
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Jan Kros

Lieber Hans-Juergen,
schoene Beitrag, Bilder und Beschreibung
Herzlichen Gruss
Jan

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jan,

ich freue mich immer, wenn ich hier im Forum Deinen Namen lese und Du mir schreibst. Wir sehen uns sicher im nächsten Jahr auf dem ,,Wohldenberg".

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
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Walter Engler

Lieber Hans-Jürgen

ganz wunderbarer und sehr informativer Beitrag über diese kleine, unscheinbare Pflanze.
Du hast sie für mich zum Leben erweckt.

Vielen Dank für deine interessanten Ausführungen mit deinen, wie gewohnt, "gestochenen" Präparaten.
Einfach toll!

Herzlichen Gruss

Walter

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

wie immer informativ und mit guten Bildern!  :)

Wer möchte, kann hier mit den Schnitten vom Balkan-Storchenschnabel (Geranium macrorrhizum oder einer Hybriden) vergleichen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Ronald Schulte

Hans-Jürgen,

Ein schöne lehrsamen Beitrag, gratuliere!

Grusse Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Hans-Jürgen Koch

Lieber Walter,

danke für Dein Feedback.

Lieber Jörg,

Deinen Beitrag vom Balkan-Storchenschnabel habe ich im Forum leider nicht gefunden.
Die ,,Such – Funktion" ist für mich etwas gewöhnungsbedürftig.
Danke für den Link.

Hallo Ronald,

danke und Gruß in die Niederlande

Hans-Jürgen
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schuppi

#13
Lieber Hans-Jürgen,

zur Ergänzung Deines tollen Beitrags (danke dafür!) habe ich noch zwei Bilder der Blüte beizusteuern. Ich hoffe, dass diese Ansicht ihn sinnvoll erzänzt:

Bildbreite ca. 4 mm:



und hier in 3D für die Anaglyphenbrille:



Wer noch ein paar Bilder mehr sehen möchte, sei hierauf http://www.mikroskopie-bilder.de/MBilder/Pflanzen/Storchenschnabel/index.html verwiesen.

Viele Grüße
Rainer
DFK 72AUC02 an
- Motic BA310 Trino LED
- Motic SMZ-168 Trino LED
Web-Site: http://www.mikroskopie-bilder.de

Hans-Jürgen Koch

Guten Tag Rainer,

Das 3D Bild ist schon klasse. Meine 3D Aufnahmen sind leider fast immer in der Versuchsreihe steckengeblieben, es ist mir zu aufwendig.

Gruß

Hans-Jürgen
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