Botanik: eine wilde Schönheit aus Cornwall - Crocosmia × crocosmiiflora *

Begonnen von Fahrenheit, Oktober 25, 2013, 17:44:15 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

diesmal soll es um die Garten-Montbretie gehen, von der es z.B. in Cornwall große verwilderte Bestände gibt. Nachdem wir die schöne Pflanze dort im Gelände und in jedem zweiten Vorgarten gesehen haben, haben wir uns im heimatlichen Pflanzenhandel auch eine zugelegt. :)
Nun reifen die Samen und ich habe mir erlaubt, einen Stängel samt umhüllenden Blatt zu schneiden.

Bild 1: Urlaubserinnerung: eine blühende Montbretie im Garten unseres (gemieteten) Cottages in Cornwall


Die Garten-Montbretie (Crocosmia × crocosmiiflora) aus der Gattung der Montbretien (Crocosmia) gehört in die Familie der Schwertliliengewächse (Iridaceae). Sie ist eine in Kultur entstandene Hybride aus der Gold-Montbretie (Crocosmia aurea) und der Potts-Montbretie (Crocosmia pottsii).
Eine kleine Anmerkung zum wissenschaftlichen Namen sei mir erlaubt: übersetzt heißt die schöne Wilde "Crocosmienblütige Crocosmie": sehr sinnig und fast so schön wie der "Sandige Sandfreund" - vulgo Strandhafer.  ;D

Bild 2: Blatt, Fruchtstand und Früchte


Crocosmia × crocosmiiflora ist eine ausdauernde Knollenpflanze, die Wuchshöhen von 30 bis 90 Zentimeter erreicht. Der Stängel weist 2 bis 3 Rippen auf. Die 4 bis 8 Blätter erreichen eine Länge von 30 bis 50 Zentimeter bei einer Breite von 0,8 bis 3 Zentimeter. Wie alle Liliengewächse bildet auch die Garten-Montbretie Knollen, die dicht unter der Erde liegen.

Bild 3: Blütendstand mit noch nicht geöffneten Blütenknospen


Die Perigon-Blüten sind in zweizeiligen Ähren angeordnet. Dabei bilden sich neben dem Hauptblütenstand regelmäßig 3 bis 5 Seitenähren an einem Spross. Die Perigonblätter sind gelborange bis rot gefärbt und 15 bis 25 Millimeter lang. Griffel und Staubblätter sind so lang wie die Perigonzipfel. Die Perigonröhre hat eine Länge von 10 bis 15 Millimeter. Die Blütezeit reicht von Juli bis Oktober.

Bild 4: Blüten der Gartenmontbretie

Aufnahme von V. Bukowski (2013)

Die Garten-Montbretie ist samensteril und vermehrt sich vegetativ durch die Bildung von Tochterknollen. Das aber sehr gut: die blühenden wilden Montbretien waren in Cornwall ein so häufiger Anblick, dass wir nicht einmal ein Foto davon haben. :)
Außer in Großbritannien gibt es auch in Irland, Portugal und Frankreich verwilderte Vorkommen.

Die Garten-Montbretie wird verbreitet als Zierpflanze in Rabatten und Staudenbeeten sowie als Schnittblume genutzt. Sie ist seit ca. 1880 in Kultur und es gibt zahlreiche Sorten mit roten, orangen oder gelben Blüten sowie solche, die am Grund der Perigonblätter dunklere Flecken aufweisen.

Die Gold-Montbretie (Crocosmia aurea) als eine der Ausgangssorten der Garten-Montbretie kommt in Afrika verbreitet an Bachufern, in Waldschluchten und an Waldrändern vor.

Bild 5: Illustration der Gold-Montbretie

Aus Paxton's Magazine of Botany (16 Bände von 1834 bis 1849), Joseph Paxton (1803-1865), Public Domain


Bevor wir zu den Schnittbilder kommen, wie immer kurz zur Präparation:

Ein frisches Stück vom Spross wurde knapp oberhalb eines Knotens freistehend auf dem Handzylindermikrotom mit DurAedge Einmalklingen im SHK-Klingenhalter geschnitten werden. Die Schnittdicke beträgt ca. 50 µm.

Bild 6: Schnittführung

Knapp oberhalb des Knotens ist der Spross noch ganz von einem Blatt umhüllt, das im Knoten entspringt.

Vor der Färbung habe ich einige Aufnahmen vom frischen Material gemacht.

Gefärbt habe ich hier nach der Schnittfixierung in AFE für ca. 20 Minuten nach W3Asim II von Rolf-Dieter Müller. Entsprechende Arbeitsblätter können im Downloadbereich der MKB-Webseite herunter geladen werden. Nach der Färbung habe ich vor dem Entwässern durch häufiges Spülen mit jeweils frischem Aqua dest. sanft differenziert.
Eine ausführliche Beschreibung der Färbung findet sich hier.


Und noch ein wenig zur Technik:

Alle Aufnahmen auf dem Leica DME mit den Objektiven NPlan 5x sowie dem 10x und 20x PlanApo. Die Kamera ist eine Canon Powershot A520 mit Herrmannscher Okularadaption, zur Zeit nutze ich ein Zeiss KPL 10x, das mit den Leica-Objektiven sehr gut harmoniert. Die Steuerung der Kamera erfolgt am PC mit PSRemote und der Vorschub manuell anhand der Skala am Feintrieb des DME.

Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.


So, nun aber zu den Schnitten!

Bild 7: Zuerst der Spross in der Übersicht, Vergrößerung 50x, Stapel aus 9 Bildern

Wir sehen den typischen Sprossquerschnitt einer einkeimblättrigen (monokotylen) Pflanze: die geschlossen kollateralen Leitbündel sind gleichmäßig über den ganzen Spross verteilt. Es gibt jedoch auch einen stabilisierenden Sklerenchymring unter dem Rindenparenchym.

Bild 8a..c: Etwas näher heran. Querschnitt des Sprosses in Bild 8a ungefärbt und in Bild 8c mit Beschriftung; Vergrößerung 100x, Stapel aus 21 bzw. 10 Bildern



Im ungefärbten Bild 8a ist unterhalb der Epidermis und verteilt im Rindenparenchym schön das Grün des Chlorophylls in den Chloroplasten zu erkennen. Interessant auch, dass eines der Leitbündel ausserhalb des Sklerenchymrings liegt. Ergänzung von Detlef: es handelt sich wahrscheinlich um eines der Leitbündel zur Versorgung des nächsten Blattes oberhalb der Schnittstelle.
Wer die Beschriftung in Bild 8c nachlesen möchte, findet auf der MKB Webseite eine Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen zum Herunterladen. Diese gilt natürlich auch für die noch folgenden Bilder.

Bild 9a/b: Eines der geschlossen kollateralen Leitbündel, Bild 9b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus je 9 Bildern


Das geschlossen kollaterale Leitbündel enthält kein Cambium zwischen Xylem und Phoelm. Bei den Monokotylen wachsen die ausdifferenzierten Leitbündel nicht weiter. Braucht die Pflanze im Rahmen ihres Wachstums mehr "Versorgungsleitungen", werden im Randbereich des Sprosses neue Leitbündel gebildet, was auch schön in den Bildern 8 zu sehen ist.
Glück gehabt: im hier gezeigten Leitbündel sind auch zwei Siebplatten (SP) in den Siebröhren zu erkennen.

Bild 10a/b: Nun das Blatt, zunächst wieder in der Übersicht, Bild 10b mit Maßstab; Vergrößerung 50x, Stapel aus 10 Bildern



Bild 11a..c: Und wieder im Detail, Bild 11a zeigt das Blatt ungefärbt, Bild 11c mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus 16 bzw. 11 Bildern



Auch hier sind die Chloroplasten im ungefärbten Bild 11a wieder gut zu sehen, aber auch nach der W3Asim II - Färbung kann man sie noch erkennen. Wie die meisten einkeimblättrigen Pflanzen hat die Garten-Montbretie parallel-nervige Blätter und auch die Leitbündel im Blattquerschnitt sind wieder geschlossen kollateral ohne Cambium.

Vielen Dank fürs Lesen! Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

ein super Beitrag. Von den Blattschnitten und der Färbung bin ich begeistert.
Sind die DurAedge Einmalklingen kürzer als die Feather – Klingen ?

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Jan Kros

Hallo Joerg,
Ich schliesse mich Hans-Juergen an.
schoene Schnitte
Gruss
Jan

Fahrenheit

#3
Lieber Hans-Jürgen, lieber Jan,

vielen Dank für Euer Lob! Es freut mich, dass Euch die Darstellung der "Schönen Wilden" gefällt.  ;)

Die DurAedge Klingen sind 8 mm breit (schmale Bauform) und 78 mm lang. Zu den Maßen der Feather-Klingen kann ich leider nichts sagen, ich hatte noch nie welche.

Herzliche Grüße
Jörg
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Fahrenheit

#4
Liebe Pflanzenfreunde,

Anfang der Woche ist Franks Leitz Stativ E aus dem Mikromarkt bei mir angekommen. Besonders reizvoll an dem auch so sehr schönen und klassischen Mikroskop war das Leitz Zeichenokular 164 mit 45° Prisma. Das musste natürlich ausprobiert werden! Als Objekt kam mir das geschlossen kollaterale Leitbündel aus den Montbretien-Schnitten in den Sinn, da es eine klar begrenzte Struktur ist.

Bild 12: das Zeichenokular an seinem Platz


Also auf den Schreibtisch mit dem bestens erhaltenen Mikroskop und an die Arbeit! Leider passt mein Diffusor-Filter nicht in die Filterhalterung, also musste ein Trennblättchen aus der Objektträgerpackung als provisorischer Diffusor her halten. Somit konnte ich eine Jansjö als Lichtquelle nutzen.

Der Blick durch das Zeichenokular ist zunächst gewöhnungsbedürftig, da das mikroskopische Bild mit der eingespiegelten Zeichenfläche vor dem Mikroskop überlagert wird. Wie das so entstehende Überlagerungsbild wahr genommen wird, hängt zum einen von der Beleuchtung (dazu auch die beiden einklappbaren Graufilter an der Seite des Objektivs in Bild 12) aber auch von der eigenen Übung ab. Mit der Zeit kann man, je nach Bedarf, die Präparateebene oder die Zeichenebene des Bilder quasi in den Vordergrund holen. Die Erfahrung ist für mich schwer zu beschreiben, zumal es ganz eindeutig noch an Erfahrung mangelt - man muss es wohl selbst durchs Okular gesehen haben.
Am Anfang habe ich jedenfalls erst mal die Beistiftspitze gesucht und es war gar nicht so einfach, sie einigermaßen sauber an den Zellwandgrenzen entlang zu führen ... :)

Bild 13a/b: die Anordnung von Vorne und von der Seite


Die Zeichnung ist schon teilweise nachbearbeitet.

So entstand dann eine Vorzeichnung mit dem Bleistift. Diese ist nicht wirklich optimal, da die Zellecken oft nicht aneinander stoßen und so manche Linie ein wenig vom Original abweicht. Das lässt sich mit etwas Übung sicher verbessern, aber die Zeichnung muss auf jeden Fall nachgearbeitet werden.
Mangels klassischem Tuschestift habe ich die Zellen mit einem schwarzen Fineliner nachgezeichnet und Details wie z.B. die röhrenartige Wandung der Tracheen eingebracht. Dabei hilft ein gelegentlicher Blick durchs Mikroskop.

Bild 14: Die überarbeitete Zeichnung noch vor dem Mikroskop


Ein S/W-Scan bringt das Bild dann in den Rechner und "entfernt" die noch sichtbaren Bleistiftlinien. An den Radiergummi habe ich mich nicht ran getraut, da ich weder dem Papier noch dem Fineliner traue ...  ;D

Bild 15a/b: Hier nun meine erste, sicher nicht optimale Zeichnung im Vergleich mit dem mikroskopischen Bild



Diesmal würde ich mich ganz besonders über Eure Kommentare und auch Kritik freuen. Vielleicht hat sogar jemand Erfahrung mit dem Okular und/oder der Technik und kann mir noch einige Tipps geben?

Herzliche Grüße
Jörg
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Detlef Kramer

Lieber Jörg,

ein Kommentar zu Deiner Aussage:
ZitatBraucht die Pflanze im Rahmen ihres Wachstums mehr "Versorgungsleitungen", werden im Randbereich des Sprosses neue Leitbündel gebildet, was auch schön in den Bildern 8 zu sehen ist.

Das stimmt nur, so weit ich weiß, in einer prominenten Ausnahme: den Dracenaceae. Hier entstehen tatsächlich aus einem Kambium neue Leitbündel, also ein sekundäres Dickenwachstum aus einem Kambium heraus.

Was Du an Deinen Schnitten in der Peripherie siehst, sind die Leitbündel, die in die Blätter gehen (Blattspuren). Ich hoffe, ich liege damit richtig?!

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Fahrenheit

#6
Lieber Detlef,

vielen Dank für Deine Hinweise! nach dem Kanarischen Drachenbaum (Dracaena draco) habe ich mal ein wenig gegoogled. Es gibt auf den populären Seiten (z.B. Wikipedia) zwar immer den Hinweis auf das außergewöhnliche Sekundäre Wachstum, aber keine Erläuterung. Da hast Du nun Abhilfe geschaffen.  :D

Mit Deinem Hinweis auf ein Leitbündel zur Versorgung des nächsten Blattes scheinst Du richtig zu liegen, obwohl der Schnitt nur knapp oberhalb eines Knotens, an dem auch das ältere Blatt ansetzt, erfolgte. Es wundert mich nur, dass diese Leitbündel dann noch quasi durch den Knoten durch müssen, an dem das nächste Blatt entspringt.

Und dann noch zu Deinem Hinweis per Mail, bei Zeichnungen, die keine abgeschlossenen Pflanzenteile zeigen, "stets die Wände der Anschlusszellen anzudeuten, um zu dokumentieren, dass es sich um einen Ausschnitt aus einem Gewebe handelt." Dem komme ich natürlich gerne nach, ich habe meine Zeichnung entsprechend ergänzt.

Bild 16: Korrigierte Zeichnung


Nochmals Danke und herzliche Grüße
Jörg
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