Eocranothrips - Ein "Schmankerl" in Baltischem Bernstein

Begonnen von Manfred Ulitzka, November 16, 2013, 17:40:01 NACHMITTAGS

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Manfred Ulitzka

Hallo,

ich möchte Euch ein kleines "Schmakerl" zeigen, auch wenn das Foto nicht ganz so gut ist. Der Berstein, in dem sich die Inkluse befindet, ist leider voll von Rissen, so dass es zu vielen Reflektionen kommt. Zudem sind die Inklusen ja hohl, was auch manchmal Schwierigkeiten beim Fotografieren bereitet:
Wenn ich von oben draufblitze schillern die Flügel weiß, wenn ich von unten beleuchte erscheint alles schwarz  :'(  oder es ist alles einfarbig (gelber Thrips in gelbem Bernstein), so dass man garnix erkennt  >:(.
Nach langem Probieren und Überlegen  ???  habe ich dann von unten durch einen Blaufilter beleuchtet und zusätzlich von seitlich über zwei Lichtleiter geblitzt. Resultat: gelber Thrips in blauem Bernstein!

Warum "Schmankerl"? Das Tier ist eine neue Art der Gattung Eocranothrips. Bisher sind aus dieser Gattung nur 3 Individuen aus Baltischem Bernstein, eines aus Bitterfelder Bernstein und eines aus Rovno-Bernstein bekannt. Nur eines der 5 genannten ist ein Männchen. Rezente Vertreter dieser Gattung gibt es nicht.


Eocranothrips n.sp. (männlich). In Baltischem Bernstein (Eozän, ca. 40 Mio Jahre alt) aus Polen (Fundort nahe Danzig).

Das Tier ist winzig und hat eine Körperlänge (ohne Fühler) von nur 0,9mm.

Foto: mit Nikon M-Plan 20 als Stack aus 34 Einzelbildern.

Präparation des Steins wie hier beschrieben https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=18039.msg137857#msg137857.

Herzliche Grüße

Manfred.
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Winfried Todt

Hallo Manfred,

eine interessante Aufnahme. Das Tierchen ist also ausgestorben (keine rezente Vertreter mehr vorhanden).
Du schreibst: ,,Nur eines der 5 genannten ist ein Männchen", was meinst Du damit?
Ich habe vier Arten im Netz gefunden:
† Eocranothrips annulicornis (Bagnall, 1923)
† Eocranothrips compacticornis (Schliephake, 1999)
† Eocranothrips leptocerus (Schliephake, 1999)
† Eocranothrips samlandi (Schliephake, 1999)
Wie heißt die neue Art, hast Du sie entdeckt?
Bei Eocranothrips n.sp., was bedeutet das ,,n.sp." ?
Ich weiß, ich stelle viele Fragen, aber ich bin halt nicht vom Fach und habe keine Lust alles im Netz zu suchen.
Die kleinen Tierchen interessieren mich immer mehr.

Herzliche Grüße
Winfried

Manfred Ulitzka

Hallo Winfried,

gut recherchiert!

Es wurde je beschriebener Art nur ein eniziges Individuum entdeckt. Die Beschreibungen basieren also alle auf Monotypie (nur ein Holotypus, keine Paratypen).

Eocranothrips annulicornis (Bagnall, 1923) beschrieben durch Monotypie, Holotypus 1 Weibchen, in der Sammlung von Bagnall, heute im British Museum of Natural History in London.
Eocranothrips compacticornis (Schliephake, 1999) beschrieben durch Monotypie, Holotypus 1 Männchen, Bernsteinsammlung Hoffeins.
Eocranothrips leptocerus (Schliephake, 1999) beschrieben durch Monotypie, Holotypus 1 Weibchen, Bernsteinsammlung Hoffeins.
Eocranothrips samlandi (Schliephake, 1999) beschrieben durch Monotypie, Holotypus 1 Weibchen, Bernsteinsammlung Hoffeins.
Eocranothrips sp. (publiziert in: Shmakov A.S. & Perkovsky, E.E. 2009: Thrips (Thysanoptera, Insecta) from Rovno Amber, Eocene of Ukraine. Palaeontological Journal 43: 669-674. 1 Weibchen. Art durch Lage im Stein nicht bestimmbar.

Mein Männchen ist also das zweite je entdeckte Männchen neben 4 Weibchen. Das Tier unterscheidet sich in mehreren wichtigen Merkmalen stark von den Weibchen bzw. dem Männchen der oben aufgezählten Arten. Es ist eine neue, bisher unbekannte Art (n.sp. bedeutet nova species, also nichts anderes als neue Art).

Ich bereite momentan eine Publikation über Thysanopteren-Inklusen in Baltischem Bernstein vor. Die neue Art wird neben weiteren dort publiziert. Hier also sozusagen ein "exklusives Vorab-Foto".

Herzliche Grüße

Manfred.
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koestlfr

Hallo Manfred!

Tolle Arbeit die du hier präsentierst!

Sag, von diesem Tier ist nur das Chitin übergeblieben, wieso? Ich dachte, die werden mumifiziert wie bei deinem Archankothrips.

Liebe Grüße
Franz
Liebe Grüße
Franz

Manfred Ulitzka

Hallo Franz,

ich stelle hier als Antwort mal einen Bericht von Prof. Dr. Wolfgang Weitschat (Geologisch-Paläontologisches Institut der Universität Hamburg) rein.

"Im Bernstein eingeschlossene Fossilien nennt man Inklusen. Die Einbettung von pflanzlichen und tierischen Organismen im Baumharz gilt als einzigartiges Naturphänomen. Wie ein gläserner Sarg umschließt das fossile Harz Jahrmillionen alte Lebewesen und erlaubt die dreidimensionale Beobachtung ihrer feinsten Strukturen. Inklusen unterscheiden sich von anderen Fossilien dadurch, dass die Organismen meist lebend in das klebrige Harz gerieten. Es entsteht so der Eindruck einer  Momentaufnahme des bewegten Lebens und zwar der letzten Sekunden.

Der bei weitem größte Anteil der Inklusen wird in den Schlauben gefunden. Die klebrigen Harzflächen wirken wie ein Fliegenfänger. Die Mehrzahl der Inklusen ist auf den Schichtgrenzen der einzelnen Harzflüsse zu finden. Etwa 30% der Schlauben enthalten Einschlüsse.

In vielerlei Hinsicht sind Inklusen anders als die übrigen Fossilen. Wer würde schon auf die Idee kommen, ein im Bernstein eingeschlossenes Insekt als ,,Versteinerung" zu bezeichnen? In früheren Zeiten hat es sicher nicht an Versuchen gefehlt, ein auf so wunderbare Weise konserviertes Insekt aus dem Harz herauszulösen. Wie groß muß jedoch die Enttäuschung gewesen sein, als man feststellte, das dies zum vollständigen Zerfall des Einschlusses führte. Der Grund dafür ist, dass es sich bei Bernsteininklusen prinzipiell nur um dünn ausgekleidete Hohlräume handelt. Erhalten ist lediglich die widerstandsfähige und schwer zersetzbare Chitinhülle, innen sind Inklusen, abgesehen von wenigen Ausnahmen, hohl. Trotz dieses wenig günstig erscheinenden Umstandes ist die Harzkonservierung bezüglich der Erhaltung von Feinstrukturen und Beobachtungsmöglichkeiten einzigartig in der Paläontologie. Die Art der Fossilisation erlaubt es, Strukturen bis zur Auflösungsgrenze des Lichtmikroskopes zu untersuchen."


Inklusen sind also fast immer hohl. Kritisch für das Fotografieren ist, wenn sich die Chitinhülle komplett auflöst oder sich vom Bernstein ablöst. Dann treten diese weißen Schillereffekte beim Draufblitzen auf.

Anders ist es bei Kopal (z.B. aus Madagaskar), der ja wesentlich jünger ist. Da ist tatsächlich das Insekt (komplett) enthalten.

Beste Grüße

Manfred.



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koestlfr

Hallo Manfred!

Besten Dank, sehr interessant!

Hast du schon mal Fluoreszenz bzw. IR-Mikroskopie an deinen Präparaten probiert?

IR z.B. ab 950nm geht ja durch Chitin durch.

Liebe Grüße
Franz
Liebe Grüße
Franz

Manfred Ulitzka

Hallo Franz,

habe ich leider noch nicht. Dazu fehlen mir - da ich als Leherer und nicht an einem Institut arbeite - die Möglichkeiten.

Herzliche Grüße

Manfred.
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koestlfr

Hallo Manfred!

Das klingt extremer als es ist....du kannst dir ja auch mit LED´s und Dunkelfeld helfen (für den Versuch), allerdings brauchst du im Falle des IR-Versuchs einen SW-Sensor zum Betrachten und Fotografieren.
Liebe Grüße
Franz

Manfred Ulitzka

Hallo Franz,

ich habe mich damit noch nie befasst. Was meinst Du wäre der Vorteil in der Darstellung?

Grüße

Manfred.
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Hallo Manfred!

Ich könnte mir vorstellen, dass du einfach ergänzende Informationen dadurch erhältst, möglicherweise ergeben sich aussagekräftige Overlays mit den lichtmikroskopischen Aufnahmen. In anderen Bereichen wird das bereits so gemacht.

Man sollte es einfach mal ausprobieren!
Liebe Grüße
Franz

Manfred Ulitzka

Hallo Franz,

wie müsste ich vorgehen? Ich bin nie abgeneigt Neues auszuprobieren.

Momentan denke ich da an ein Tier, bei dem ich die Fühler wegen Verwerfungen im Bernstein nicht sehen kann.

Gibt es eine Anleitung für den IR- / Fluoreszensaufbau?

Danke für die Anregungen

Manfred.
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Hallo Manfred!

Ich habe dir einmal die Links zu meiner Lieblingsprofessorin kopiert:
http://www.univie.ac.at/mikroskopie/4_advanced/ir/1_einleitung.htm
http://www.univie.ac.at/mikroskopie/4_advanced/uv/1_einleitung.htm

Autofluoreszenz kann man relativ einfach im Durchlichtdunkelfeld machen, wenn man entweder gleich mit der Halogenlampe einem blauen Erregerfilter "Blaulichtfluoreszenz" macht, oder mit einer blauen LRD machen, das gelbe Sperrfilter nicht vergessen!

Die Frequenzen kann man googeln. Man kann den Aufbau bei Aussicht auf Erfolg dann auch wissenschaftlicher angehen....:-))

Liebe Grüße
Franz
Liebe Grüße
Franz

Frank D.

Hallo Manfred,

meinen Glückwunsch zu der gefundenen Inkluse und ihrer gelungenen Ablichtung.
Bei unter einem Millimeter Körperlänge muss das Harz schon sehr klar sein oder der Einschluss nahe der Oberfläche liegen, um den Einschluss überhaupt zu entdecken. Wie bist Du auf diese Rarität gestoßen?

Zu dem Stichwort "abgelöste Chitinhülle": Hier gab es vor Jahren eine freudige Überraschung, als ich beim Durchmustern einer Schlaube auf einen Käfer stieß, dessen obere Hälfte von der darüber liegenden Schicht getrennt war. Blauäugig wie ich war, wurde die noch bestehende Verbindung mit dem Fingernagel abgebrochen.
Das Ergebnis - ich meine es ist ein Baummulmkäfer, 3mm lang - darf ich hoffentlich in Deinem Beitrag einmal zeigen.

Herzliche Grüße und Danke für Deinen Beitrag
Frank



Manfred Ulitzka

Hallo Frank,

wow, das ist selten so zu sehen. Tolles Objekt und tolles Foto! Hoffentlich hält es sich auf Dauer! Bernstein altert ja und vermutlich leider auch die Inkluse, die nun an der Oberfläche liegt. Ist das auch Baltischer Bernstein?

Der Einschluss bei meinen Winzlingen muss immer sehr nahe an der Oberfläche liegen, ich präpariere mir die Steine zurecht und schleife bis nahe an das Tier heran. Ich habe die Vorgehensweise hier geschildert: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=18039.0.
Auch hier ist nochmals ein Foto: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=18072.0.

Die Steine kaufe ich bei unterschiedlichen Händlern in Polen und Litauen oder auf Ebay entweder schon als dünne Scheibchen oder ich säge mir das so zurecht und verkaufe den restlichen verbleibenden Stein wieder.

Herzliche Grüße und danke für's Zeigen Deiner Rarität.

Manfred.

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Manfred Ulitzka

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