Taeniothrips sp. fossil in Baltischem Bernstein

Begonnen von Manfred Ulitzka, November 26, 2013, 22:16:02 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Manfred Ulitzka

Hallo alle!

An dem Tierchen habe ich mir gerade den ganzen Abend die Zähne ausgebissen (und die Augen ausgeguckt ::)) ohne bei der Bestimmung wirklich weitergekommen zu sein :'( .
Nun habe ich es eben mal fotografiert. Langsam komme ich mit der Auflösung dorthin, wo ich hin wollte!


Taeniothrips sp. weiblich (fossil in Baltischem Bernstein - ca. 40 Mio Jahre alt).

Der Winzling ist von den Augen bis zur hintersten Kante des Abdomens nur 0,8mm lang!

Die Gattung ist geklärt: Taeniothrips. Die Fühler gleichen in der Form des dritten und vierten Gliedes denen von T. amphoroideus, sie sind "amphorenartig", d.h. zum Ende hin vasenartig verjüngt (ist auf dem JPG nicht ganz so gut zu erkennen). Dies ist aber eigentlich nichts ungewöhnliches; findet man auch bei rezenten Taeniothrips-Arten.
Zum einen passen aber einige Messwerte nicht, zum anderen wurde die Art T. amphoroideus aus Bitterfelder Bernstein beschrieben. Wirklichen Aufschluss kann vermutlich nur ein Vergleich mit dem Typusexemplar geben, das in der Sammlung Hoffeins schlummern sollte.

Auch muss ich mich erstmal schlau machen wie alt der Bitterfelder Bernstein ist und ob dort die gleichen Arten vorkommen können wie im Baltischen Bernstein. Vielleicht gibt es einen Experten hier, der helfen könnte das zu klären. ???

Foto:
Schwaches Durchlicht durch weißes Papier, Auflicht durch zwei Blitze (durch eine dicke Papierhülse als Diffusor).
Objektiv Nikon M Plan 20
27 Aufnahmen gestackt mit Helicon Focus.

Ich hoffe Euch gefällt's.

Herzliche Grüße

Manfred.
www.thrips-iD.de    -    www.thysanoptera.de

beamish

Hallo Manfred,

ich kann das die ganze Zeit noch gar nicht glauben, daß das Bernstein-Inklusen sind, die du da zeigst. Die Bilder sind so klar, als ob es Frischmaterial wäre!

Bewundernde Grüße

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Bernd Kaufmann

Hallo Manfred,

man kann sich nur Martin anschließen. Unfassbar!
Viele Grüße
Bernd ©¿©
www.aquamax.de
Lieber per Du.

Manfred Ulitzka

#3
Hallo Martin,

na ja, um Bestimmungen durchzuführen muss der Bernstein klar sein. Dies ist eigentlich auch gleichbedeutend mit dünn.

Ich stelle meine Methode einfach nochmals hier rein:

Der Bernstein wird auf ein dünnes Scheibchen von zunächst etwa 2mm Dicke (von Hand) gesägt und dann zurechtgeschliffen (ca. 1mm Dicke) und poliert. Das Steinscheibchen wird dann in XOR-Harz eingegossen, die Formen dazu mache ich bis jetzt selbst aus Kopierfolien, die ich zurechtfalte. Ich bin aber gerade dabei Gussformen aus Silikon-Kautschuk herzustellen. Nach dem Härten des Harzes wird der Rohling auf Objektträger-Größe und -Dicke geschliffen und wieder poliert.
Die Methode macht zum einen den Umgang mit den winzigen Fossilien leichter, aber den Bernstein auch haltbar. Da meist der Bernstein beim Polieren wieder mit angeschliffen wird, wird der gesamte fertige Objektträger in einen speziellen Lack, der sich für die Konservierung von Bernstein seit langem bewährt hat, getaucht (Acrüdur, Fa. Adolf Rügg GmbH). Dies passiert unter einer Glasglocke und dadurch staubfrei.

Hier nochmals das Foto eines fertigen "Objektträgers":



Die Methode bietet zudem den Vorteil, dass ich die Tiere auch gut von unten betrachten kann. Oft brauche ich zur Bestimmung Merkmale auf der U-Seite.
Außerdem lassen sie sich leicht in Objektträgerkästen einsortieren.

Die Inkluse ist dadurch eigentlich immer ganz nahe an der Oberfläche; in keinem Fall tiefer als 0,5mm. Man muss halt aufpassen, dass man die Inklusen nicht anschleift!
Dadurch ist klare Sicht gewährleistet, außer es sind Luftblasen oder Brüche vorhanden. Da lässt sich dann kaum etwas machen.

Die Fotografie der Inklusen ist von der Beleuchtung her nicht so einfach. Man muss bei jedem Stück probieren, wie es sich am besten darstellen lässt. Oft ist eine Mischung aus Auflicht und Durchlicht ganz gut. Aber auch Dunkelfeld kann interessant sein, wie bei diesem Protoxythrips bagnalli (weiblich). Hier ist noch ein Pflanzenhaar mit im Bernstein.


Protoxythrips bagnalli (weiblich) (Baltischer Bernstein).

Ich habe mir für die Aufnahmen extra Nikon M Plan ELWD Objektive gekauft. Das ELWD steht für Extra Long Working Distance. Ich habe da beim 40er immer noch über 10mm Arbeitsabstand. Dadurch kann ich von allen Richtungen beleuchten und blitzen wie es mir gefällt!

Herzliche Grüße

Manfred.



www.thrips-iD.de    -    www.thysanoptera.de

beamish

Hallo Manfred,

was für ein Wahnsinns-Aufwand wenn ich das mit meiner Pilzmikroskopie vergleiche: Pilz aus dem Wald holen, dünnstes Scheibchen in nen Wassertropfen, Deckglas drauf, beobachten, knipsen, fertig. Nagut, zwischendurch manchmal noch mit Chemie panschen...
Aber dein Aufwand lohnt sich! Und du hast länger was vom Präparat ;-)

Herzlich
Martin

Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Manfred Ulitzka

Hallo Martin,

aufwand ist es schon. Ich hoffe, dass das XOR Harz auch wirklich langlebig ist!

Meine rezenten Thysanopteren sind alle in Kanadabalsam präpariert. Da sehen auch 20 Jahre alte Objektträger aus wie am ersten Tag.
Am Senckenberg Museum in der Sammlung lagern Präparate in Kanadabalsam von Priesner und Uzel (um 1900). Auch die sehen top aus.
Ich habe halt bei den Kunststoffen so meine Zweifel, hoffe aber, dass diese unberechtigt sind!

Pilze landen bei mir weniger unter dem Mikroskop und eher im Kochtopf ... der Schwarzwald ist da keine schlechte Gegend!

Herzliche Grüße

Manfred.
www.thrips-iD.de    -    www.thysanoptera.de

Bernd Kaufmann

Hallo Manfred,

vielen Dank für Deine ausführliche Beschreibung der Präparation! Es ist zweifellos ein großer Aufwand, aber die Ergebnisse freuen ganz bestimmt nicht nur uns, sondern auch Dich selbst.
Viele Grüße
Bernd ©¿©
www.aquamax.de
Lieber per Du.

HDD

Hallo Manfred

Faszinierend! Hut ab vor dieser Arbeit und Danke fürs Zeigen.

viele Grüße

Horst-Dieter

koestlfr

Liebe Grüße
Franz

Manfred Ulitzka

Hallo Bernd,

Zitat von: Bernd Kaufmann in November 27, 2013, 01:58:59 VORMITTAG
Es ist zweifellos ein großer Aufwand, aber die Ergebnisse freuen ganz bestimmt nicht nur uns, sondern auch Dich selbst.

Es sollte nie so klingen, als wollte ich mich über den Aufwand, den ich betreibe, beschweren. Ich glaube, wenn es mir nicht wirklich auch riesigen Spaß machen würde, so würde ich es sein lassen.
Das einzige, was ich echt als lästig empfinde ist das Falten und Kleben der Gießformen für das XOR-Harz aus Kopierfolien. Ich bin eben nicht so origami-affin und Bastelei! Da das Harz dann relativ stark darin haftet, sind die Formen auch nach einmaliger Verwendung hinüber. Ein Kollege hat mich nun draufgebracht, dass ich die Formen aus Silikon-Kautschuk machen könnte. Wenn das funktioniert, so habe ich eine enorme Erleichterung. Ich habe bereits Negativformen aus Holz fertig und sobald das Silikon-Kautschuk geliefert wird (... hoffentlich heute) mach ich mich ans Werk!

Herzliche Grüße

Manfred.
www.thrips-iD.de    -    www.thysanoptera.de

rheinweib

Hallo Manfred,
fantastisch.....einfach nur fantastisch!!! 40 Millionen Jahre alt!!!!! Vierzig Millionen Jahre!!!
Danke für diese umwerfenden Einblicke in die lange vergangene Vergangenheit. Ich bin
tief beeindruckt.

Gruss
Heike

Manfred Ulitzka

Hallo Heike,

schön, dass Dir meine Tierchen gefallen  ;D!

Ich frag mich auch immer, was von uns in 40 Mio Jahren so übrig ist! Das sind so "unmenschliche" Dimensionen.
Ich interessiere mich auch für steinzeitliche Artefakte und habe inzwischen eine schöne Sammlung von Faustkeilen. Viele neolithisch, aber auch einige, die auf (Prä-)Neanderthaler und auf späte Homo erectus (=H. heidelbergensis) zurückgehen. Aber da sind wir dann halt erst bei etwa 250.000 - 400.000 Jahren!

Ich habe zwei Bernsteine aus aus North Carolina. Dort gibt es eine relativ wenig bekannte Fundstelle am Neuse River mit Bernstein aus der Oberkreide (Campan 71 - 83 (!!!) Mio Jahre) und einen ganz kleinen Krümel burmesischen Bernstein mit Thrips-Inkluse (Ebenfalls Kreide: 100 - 120 !!! Mio Jahre alt)
Zwei der Bernsteine sind sehr klar und enthalten jeweils einen Fransenflügler, der auch sehr ähnlich den heutigen Arten aussieht. Diese Inklusen habe ich noch nicht in Kunstharz eingebettet. Sobald das getan ist poste ich ein Foto.

Herzliche Grüße

Manfred.


www.thrips-iD.de    -    www.thysanoptera.de

rheinweib

Hallo Manfred,
40, 83 oder 120 Millionen Jahre, mein Vorstellungsvermögen kapituliert schon viel
früher. Ähnlich ist mit einem Lichtjahr, oder "nur" einer Lichtminute, da bin ich raus.... ;D
Allein die Vorstellung, das Licht unseres Sterns braucht 8 Minuten, bis es bei uns ankommt.
Das sind Dimensionen, ich sich wohl kaum einer wirklich vorstellen kann.
Freue mich schon sehr auf Deine seeeehr alten Inclusenbilder.

Gruss
Heike

TPL

Zitat von: Manfred Ulitzka in November 29, 2013, 00:29:15 VORMITTAGIch frag mich auch immer, was von uns in 40 Mio Jahren so übrig ist! Das sind so "unmenschliche" Dimensionen.
(...)Ich habe zwei Bernsteine aus aus North Carolina. Dort gibt es eine relativ wenig bekannte Fundstelle am Neuse River mit Bernstein aus der Oberkreide (Campan 71 - 83 (!!!) Mio Jahre) und einen ganz kleinen Krümel burmesischen Bernstein mit Thrips-Inkluse (Ebenfalls Kreide: 100 - 120 !!! Mio Jahre alt)(...)

Hallo Manfred,
glaube mir, es ist genau diese Vorstellung, die Deine Untersuchungen und Bilder für mich so faszinierend und schön machen: lange vor uns existierende Lebewelten und ihre Bewohner. Science Fiction ist ein matter Abglanz gegen diese Realität!

Der birmanische Bernstein ("Burma" ist nicht nur politisch inkorrekt, sondern auch linguistisch ein Irrweg) lässt sich sicher auch noch besser datieren. Apt und Alb (die mittlere Kreide zwischen etwa 120 und 100 Ma) gehören zu den sehr gut gegliederten Zeitaltern...

Herzliche Grüße
Thomas

Manfred Ulitzka

Hallo Thomas,

warum muss alles immer so kompliziert sein!?  ???

... eigentlich spricht man in "Insider Kreisen" immer von "Burmesischem Berstein".

Im Internet habe ich nun folgenden Text gefunden und bin nach dem Lesen der Wirren auch etwas verwirrt :-\:
http://www.peterschanz.de/fileadmin/user_upload/pdf/www%20Burma%201%20Burma%20Birma%20Myanmar.pdf

Vielleicht sollte ich den burmesischen Bernstein, der eigentlich burmanischer Berstein heißen sollte, der aus Myanmar kommt, dem früheren Burma und einstigen Birma, der Verständlichkeit halber einfach als Birmit bezeichnen...
... oder wäre Burmit etwa korrekter?

Aber wie im Text genannt: Hauptsache man weiß was gerade gemeint ist!

Versteht Ihr mich ???

Herzliche Grüße

Manfred.
www.thrips-iD.de    -    www.thysanoptera.de