Blendet man mit dem Kondensor das Objektiv ab? (Antwort auf Husemann)

Begonnen von Klaus Henkel, April 08, 2009, 17:52:41 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Klaus Henkel

Zitat von: hinrich husemann in April 08, 2009, 13:10:49 NACHMITTAGS
"Pipapo" (als Amateur nehme ich mir immer die Zeit dazu) betrachte und durch Drehen an der Kondensorblende (damit blende nicht das Objektiv ab, Herr Henkel!)

Sehr geehrter und lieber Herr Husemann!

Ihre vielfältigen und fachkundigen Äußerungen hier im Forum und Ihre kenntnisreichen Artikel im Mikrokosmos schätze ich sehr. Ich glaube nicht, daß ich einen davon versehentlich nicht aufmerksam mindestens einmal mit Gewinn gelesen habe. Auf dem Fachgebiet sind Sie mir "über"! Das soll kein "Schmus" sein, sondern ich meine das so.
Wenn ich nun doch Ihrer Anmerkung in obigem Zitat widersprechen möchte, geschieht das mit allem Respekt und - da ich kein wie auch immer gelernter "Optiker" bin - auch eher als Frage denn als Einwand. Mögen Sie darüber entscheiden oder, falls Ihnen das Thema auch für andere Leser, besonders Anfänger, lohnend erscheint, in eine Diskussion eintreten.

Als jemand, der nun seit über 55 Jahren fotografiert, davon auch einen erheblichen Zeitraum in Makro- und Mikrofotografie, kenne ich mich ein wenig mit Blenden, Blendenebenen usw. aus. Mit Interesse habe ich die damaligen Versuche von Hertel & Reuss in Kassel verfolgt, für ihre Objektive Zwischenstücke mit mechan. Irisblende zu konstruieren und anzubieten. Zum ersten Mal hatte ich Gerlachs Das Lichtmikroskop davon gelesen. Doch die Methode erwies sich letzten Endes als zu teuer, denn die Löhne für die Mechaniker, welche die diffizil-winzigen Irisblenden zusammensetzten, stiegen seit den sechziger Jahren unaufhörlich. Der Gedanke von H&R konnte sich also nicht durchsetzen gegen diejenige, die auf Ernst Abbe zurückging: Weil die mech.-opt. Abstände im Stahlengang des Mikroskops ziemlich konstant sind, brauchte man zur Aperturminderung nicht in jedem einzelnen Objektiv eine eigene, mechanisch aufwendige Irisblende vorzusehen, sondern es genügte, eine solche nur einmal im Kondensor anzubringen, um sie von dessen Linsen in die Brennebene des Objektis projizieren zu lassen. Mikroskopobjektive haben also keine mechanische Blende, sondern eine solche, die optisch dorthin als Bild abgebildet wird, also das Bild einer Blende. Jedoch hat dieses Blendenbild dieselbe Wirkung wie eine echte mech. Irisblende, sie mindert die Apertur des Objektivs!

(Bei Fotoobjektiven für Hand-Kameras liegen die Verhältnisse anders, dort haben wir keinen konstanten Abstand zwischen Objektiv und Objekt, sondern einen stark wechselnden. Deshalb muß ein Objektiv für eine Handkamera stets eine eigene Aperturblende haben.)

Fazit: Die Blende schließen am Kondensor eines Mikroskops bedeutet nichts anderes als das Objektiv abblenden. - Das ist's, was ich mit dem langen Sermon eigentlich sagen möchte. -

Einverstanden?



Christian Linkenheld

Zitat von: Klaus Henkel in April 08, 2009, 17:52:41 NACHMITTAGS
Fazit: Die Blende schließen am Kondensor eines Mikroskops bedeutet nichts anderes als das Objektiv abblenden.

Hallo Herr Henkel,

ich bin zwar nicht angesprochen, wage aber dennoch einen Widerspruch.
In der folgenden Darstellung - ich hoffe, dass sie allgemein sichtbar ist - kann man den Unterschied zwischen Aperturblende und der Apertur des Objektivs sehen. Befände sich die Aperturblende im Objektiv, so würden die Nebenmaxima im primären Beugungsbild restlos ausgeblendet und die Schalenstruktur würde im Zwischenbild nicht aufgelöst. Genau genommen gilt diese Aussage natürlich nur, wenn gleichzeitig noch die Aperturblende des Kondensors gleich weit geschlossen ist. Bei völlig fehlender Aperturblende würde man wohl bei einem Bild mit überwiegendem Dunkelfeld-Charakter landen.





Konsequenterweise lautet die Formel für die Auflösung ja auch eigentlich:


viele Grüße

Christian Linkenheld
               

Rene

Hallo Herr Henkel, Herr Husemann,

I guess Her Henkel wants to make clear that by closing the condenser, the whole NA of the system is getting smaller; in effect an Abblendung of the objective.

Now my question, in theory, is the possible quality of image of a 60/1.4 objective at 0.5 NA condenser aperture  similar to a fully lighted 60/0.95 objective?

Sincerely,

Rene van Wezel.

Robert Götz


Als völlig Ahnungsloser möchte ich mich nicht in die Diskussion von Fachleuten einmischen, aber die Zwischenstücke von H&R waren nur für Dunkelfeld gedacht und nicht als Alternative zur Kondensorblende. Ich habe Ende der 60er Jahre ein H&R-Mikroskop gekauft mit Dunkelfeldkondensor und dem Zwischenstück mit Blende für die stärkeren Objektive, das ausdrücklich als nur erforderlich bei Dunkelfeld angeboten wurde.




hinrich husemann

#4
Lieber Herr Henkel,
über dieses Thema haben wir doch schon mal vor längerer Zeit im alten Forum diskutiert. Bleiben wir im Bild der Abbeschen Theorie und erinnern uns doch an seine berühmten Versuche: Wenn Sie ein geeignetes Gitter als Objekt mit möglichst eng zugezogener Kondensorblende abbilden und nach Herausnehmen des Okulars von oben auf die Aperturblende des Objektivs schauen, dann sehen Sie zunächst in der Mitte das nahezu punktförmige direkte Bild (0. Ordnung) der Kondensorblende, dann aber zu beiden Seiten deren gleichartige Beugungsbilder aufsteigender Ordnung bis jeweils zum Rand der Aperturblende. Diese wird also voll ausgenutzt und nicht durch das zentrale Blendenbild eingeschränkt! Extremes Beispiel: Bei einem Objektiv 40/0,95 und einer (Vakuum)wellenlänge von 550 nm und einem Objektmikrometer als Objektgitter (g = 10 µm) kommen Sie dabei bis zur 17. Ordnung (und damit im Okular ein ausgeprägtes Bild des Gitters!) Ich preise meine Werke ja im Allgemeinen nicht an; aber betrachten Sie dazu doch mal solche Bilder im MK 94, Heft 6, S.337 - 344 (2005)!
Wenn Sie allerdings diese Beugungsbilder wie durch eine reale Blende wegblenden würden (und so verstehe ich jedenfalls Ihr Argument) bliebe  u.U. nur noch die 0. Ordnung stehen und das Gitter würde nicht mehr aufgelöst, d.h. nicht auch mehr abgebildet!
Das vom Objektiv (zusammen mit dem Kondensor) in seiner Aperturblende entworfene Bild der Kondensorblende hat also  - im Gegensatz zu Ihrer Vorstellung - keine Blendenwirkung. Es mindert nicht die Apertur des Objektivs !
Was die genutzte Numerische Apertur NA(Beleuchtung) des Kondensors und damit die Einstellung seiner Blende in bestimmten Grenzen beeinflussen kann, ist das Auflösungsvermögen. Nach Abbe gilt bekanntlich für die Auflösunggsgrenze d :  d = lambda(v)/[NA(objektiv) + NA(Beleuchtung)]  mit der Einschränkung: NA(Beleuchtung) ist kleiner oder höchstens gleich NA(Objektiv). Für die Grenzfälle NA(Beleuchtung) = 0 (enge Kondensorblende) und NA(Beleuchtung) = NA(Objektiv) gilt damit d = lambda(v)/NA(Objektiv) bzw. d = 0,5*(lambda(v)/NA(Objektiv); die Numerische Apertur des Objektivs wird durch die Stellung der Kondensorblende nicht berührt.
Ergänzende Anmerkung: Das diese mehr theoretischen Aspekte behandelnde Kapitel in Ihrer sonst von mir sehr geschätzen Mikrofibel sollten Sie vielleicht etwas überarbeiten.
Stets freundliche Mikrogrüsse
H. Husemann

PS. Wie ich erst nachträglich sehe, hat ja auch schon Herr Linkenheld entsprechendes dargestellt.

hinrich husemann

Hallo Herr van Wezel,
wendet man die Abbesche Formel für die Auflösungsgrenze an, dann erhält man - zumindest rechnerisch - für den Fall Objektiv 60/1,4 mit Kondensor-NA = 0,5 bei einer Vakuum-Wellenlänge von 0,55µm (grün) als Auflösungsgrenze d = 0,55 µm /(1,4 + 0,5)  =  0,29 µm ; bei voll ausgeleuchtetem Objektiv 60/0,95 (Kondensor-NA = 0.95) ebenfalls 0,29 µm.
Anders wäre es aber umgekehrt: Mit einem Objektiv der NA = 0,5 und Kondensor-Apertur 1,4 (dort stünde im Nenner zunächst ja auch 0,5 + 1,4 = 1,9) erhielte man dennoch bestenfalls d = 0,55 µm, weil - zumindest nach der Abbeschen Betrachtungsweise - hier die Kondensor-Apertur nicht größer wirksam werden kann, als die des Objektivs. Wegen dieser Unsymmetrie ist es meiner Meinung nach etwas problematisch und kann irreführend sein, von einer "Gesamtapertur" oder einer mittleren Apertur zu sprechen.
Es handelt sich aber hier stets um für idealisierte Bedingungen (aberrationsfreie Abbildung etc.) berechnete Grenzwerte; etwaige Fragen des Kontrastes und damit verbundene Minderungen der Auflösung sind ebenfalls nicht einbezogen; darüber sollte man sich immer klar sein.
So sehe ich es jedenfalls.
Freundliche Mikrogrüsse
H. Husemann

wilfried48

Zitat von: hinrich husemann in April 08, 2009, 19:55:31 NACHMITTAGS
Lieber Herr Henkel,
....
Das vom Objektiv (zusammen mit dem Kondensor) in seiner Aperturblende entworfene Bild der Kondensorblende hat also  - im Gegensatz zu Ihrer Vorstellung - keine Blendenwirkung. Es mindert nicht die Apertur des Objektivs !
Was die genutzte Numerische Apertur NA(Beleuchtung) des Kondensors und damit die Einstellung seiner Blende in bestimmten Grenzen beeinflussen kann, ist das Auflösungsvermögen. Nach Abbe gilt bekanntlich für die Auflösunggsgrenze d :  d = lambda(v)/[NA(objektiv) + NA(Beleuchtung)]  mit der Einschränkung: NA(Beleuchtung) ist kleiner oder höchstens gleich NA(Objektiv). Für die Grenzfälle NA(Beleuchtung) = 0 (enge Kondensorblende) und NA(Beleuchtung) = NA(Objektiv) gilt damit d = lambda(v)/NA(Objektiv) bzw. d = 0,5*(lambda(v)/NA(Objektiv); die Numerische Apertur des Objektivs wird durch die Stellung der Kondensorblende nicht berührt.
.......

Lieber Herr Henkel,
da muss ich leider den theoretischen Ausführungen von Herrn Husemann uneingeschränkt recht geben.
Man ist zwar aus der Erfahrung in der Praxis, wenn man beispielsweise eine Pleurosigma Angulatum mit 0,5 µm Strukturen und 40er Objektiven mit Aperturen max. 1 mit weit geöffneter Kondensorblende gerade noch auflöst und die Auflösung dann bei Schliessen der Kondensoraperturblende weggeht, geneigt zu glauben, dass dies dadurch geschieht, dass die Kondensorblende die Objektivapertur einschränkt.
Aber in Wirklichkeit wird nur die Kondensorapertur eingeschränkt und dann schaffen man ab einer bestimmten Kondensorapertur eben die Auflösung selbst mit einer Objektivapertur von 1  gerade nicht mehr. Würden sie das gleiche Experiment mit z.B. mit einer sehr hohen Objektivapertur von
z.B. 1.3 machen, dann könnten sie die Kondensoraperturblende voll zuziehen und die Diatomee wäre noch aufgelöst, weil wie Herr Husemann richtig erklärt hat, diese hohe Objektivapertur dadurch nicht berührt würde und allein ausreicht die Auflösung selbst bei Kondensorapertur 0 zu bringen.

viele Grüsse

Wilfried


vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Rene

Hallo Herr Husemann,
I am referring to a diagram by Pluta (Adv Light Micr vol I figure 3.59), did I interprete his diagram right by translating his work into 

(originally: OTF, curves correspond to differences in coherence as when closing condenser iris?)

This implies that even when the combined NA of the system is similar, the objective behaves markedly different when the condenser iris is closed, compared to a lower NA objective that is used with full illumination cone.
Am I making a thinking mistake?

Slighty confused,
René van Wezel.

hinrich husemann

#8
Hallo Herr van Wezel,
das Bild zeigt zunächst einmal genau das, was ich am Ende des vorangegangenen Threads (aus dem Herr Henkel mit seiner Antwort "umgestiegen" ist in diesen Thread) zur Wirkung der Kondensorblende dargelegt habe: Bei voll ausgeleuchteter Apertur des Objektivs, d.h. NA(Kond.) = NA(obj , ist das Auflösungsvermögen im Prinzip am größten, aber der Kontrastverlauf am flachsten und damit am ungünstigsten. Mit abnehmendem Verhältnis Kondensorapertur/Objektivapertur, d.h. zunehmender Schliessung der Kondensorblende, verringert sich das theoretisch erreichbare Auflösungsvermögen, aber der Kontrastverlauf wird günstiger, weil größer (ob die Kurven im Bild wirklich quantitativ oder mehr schematisch sind, sei dahingestellt. Meiner Rechnung nach müssten die Auflösungsgrenzen für Kurve 3 bei 3,75 l/µm , für Kurve 2 bei 4,25 l/µm liegen ). Die theoretische Deutung würde hier wohl zu weit führen (ich habe sie in meinem vorletzten MK-Artikel versucht zu geben). Ergänzung: Wenn Sie die Kondensorblende weitgehend zuziehen, d.h. das Verhältnis  NA(Kond) / NA(obj.) gegen 0 geht, dann verläuft die OTF-Kurve in diesem Diagramm waagerecht (contrast = 1) bis 2,5 lines/µm (0,4 µm) und fällt dann senkrecht ("binär") auf Contast = 0 ab.
Wenn Sie ein Objektiv mit geringerer NA voll ausleuchten, bekommen Sie wieder einen flachen Kurvenverlauf analog Kurve 1, nur verläuft diese dann unter letzterer und endet bei einem entsprechend niedrigeren Auflösungsvermögen. Das wiederum kann dann aber - je nach Objektivapertur - eventuell größer sein als es z.B. bei der Kurve 3 (für das Objektiv mit höherer NA) vorliegt!
Reichlich späte, freundliche Mikrogrüsse
H. Husemann

Habe noch mal eben kurz redigiert, war gestern doch etwas spät

Rene

#9
Danke Herr Husemann, now back to the original remarks of Herr Henkel and Alemanne:

ZitatDenn beim Abblenden wird ja nicht wirklich der Kontrast erhöht, sondern die Strukturen werden nur "fetter" und fallen deshalb besser auf, zum Nachteil ihrer Feinheit, die erst dann erkannt wird, wenn man sich auf das Mikrobild "einlässt". Bei einem flüchtigen Blick mag das abgeblendete Mikrobild "kontrastreicher" erscheinen, weil es eher unseren plakativen Sehgewohnheiten entspricht.

This sounds true. If I watch a thin detail, like a diatom seta or spine, the structure does not darken while closing the condenser iris. However, the whole background darkens! That sounds to me like reduced contrast because the difference between structure and background is getting smaller. Even though I can see the structure more clearly. I can't fit that experience/intuition in with the theory.

Best wishes,

Rene van Wezel.



hinrich husemann

Hallo Herr van Wezel,
ich will hier nur noch kurz auf das Zitat eingehen (ich habe das an sich schon im vorangegangenen Thread getan): Dass die Konturen im Bild beim Verringern der Beleuchtungsapertur "fetter", das meint wohl unschärfer, erscheinen, hängt doch mit der Verringerung des Auflösungsvermögens zusammen. Die höheren Ortsfrequenzen, die ja für die "Schärfe" des Bildes sorgen, werden dann doch zunehmend "gekappt".
Und "einlassen" kann ich mich nur auf etwas, was ich auch erkennen kann. Und dazu bedarf es nun mal eines gewissen Mindestkontrastes. Meiner Erfahrung nach erzielt man den  - und da stehe ich sicher nicht allein -, falls er bei offener Kondensorblende noch nicht gegeben ist, im Allgemeinen durch Verringerung der Beleuchtungsapertur, natürlich auf Kosten des Auflösungsvermögens und damit der "Feinheit", siehe oben.
Freundliche Mikrogrüsse
H. Husemann

***