Billige CMOS-Kamera: Wo ist das Blau?

Begonnen von Christian Linkenheld, April 21, 2009, 16:10:34 NACHMITTAGS

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Christian Linkenheld

Hallo,

die Qualitätsunterschiede von Mikroskop-Kameras sind ja bekanntlich enorm. Nachfolgend einige Effekte, die mir im Vergleich einer "Billig-CMOS-Kamera" (Auflösung 1280x1024 Pixel) mit einer Olympus Camedia 5060 aufgefallen sind. Als Präparat wurde ein Querschnitt durch einen Kiefernzweig genommen. Das Präparat an sich ist von bestenfalls mäßiger Qualität - aber darum geht es hier nicht. Die Einstellung des Mikroskops (Beleuchtung!) war bei beiden Kameras identisch. Da es sich um ein Olympus-Mikroskop BHS mit 100W-Halogenleuchte handelte musste die Beleuchtung stark heruntergeregelt werden. Der resultierende Rotstich wurde nur teilweise durch einen Konversionsfilter (KB-4 von Olympus) ausgeglichen. Die CMOS-Kamera hat einen automatischen Weißabgleich, der sich nicht abschalten läßt. Bei der Olympus habe ich im RAW-Format aufgenommen und den Weißabgleich im Raw-Konverter (Adobe Camera Raw) vorgenommen. Hier zunächst die Resultate, wobei das Ergebnis der Olympus nur einen Teilausschnitt des Gesamtbildes darstellt um möglichst den gleichen Bereich, wie bei der CMOS-Kamera zu zeigen.

Bild 1 Olympus C5060:


Bild 2 Billig-CMOS:


Während die Olympus die Farbtöne zumindest nach subjektiver Beurteilung so wiedergibt, wie man sie durch das Mikroskop sieht fehlen bei der CMOS-Kamera Blautöne nahezu völlig (man erkennt bestenfalls türkisfarbene Bereiche). Zunächst könnte man sich vortellen, dass der automatische Weißabgleich einfach völlig daneben lag. Das stimmt aber so nicht. Schaut man sich beispielsweise die ganz hellen ("weißen") Bereiche des Bilduntergrundes an, so erkennt man, dass als einziger Kanal gerade das Rot nicht den Maximalwert von 255 erreicht. Wenn es also nicht am Weißabgleich liegen sollte, könnte es auch an der Farbbalance Magenta/Grün liegen. Im nächsten Schritt wird diese also massiv zu Magenta hin verschoben.

Bild 3


Jetzt treten zwar Blaufärbungen auf, aber das Resultat an sich ist weiterhin weit von der Realität entfernt.

Durch einen Eingriff an der Gradationskurve für den blauen Kanal läßt sich dann ein Resultat erzeugen, das wenigstens näherungsweise dem  der Olympus gleicht. Ein näherer Vergleich zeigt jedoch, dass Farbnuancen weitgehend fehlen. Das Bild wirkt holzschnittartig.

Bild 3a



Der Blick auf einen Detailausschnitt (Harzkanal?) der beiden ursprünglichen Aufnahmen (Bild 1 & Bild 2) könnte Hinweise geben, wodurch das "Blauproblem" entsteht.


Bild 4 Olympus C5060: Bild 5 Billig-CMOS-Kamera:

Deutlich zu erkennen ist, dass bei der CMOS-Kamera durch Überbelichtung Details "ausgefressen" werden. Das ist sicher typisch für Kameras aus dem Niedrigpreissegment (schlechte Dynamik bzw. geringer durch die Kamera bewältigbarer Kontrastumfang). Auffallend sind auch gelbliche Flecken und Säume im überbelichteten Bereich. Man sieht deutlich, dass Informationen verfälscht werden oder schlicht verloren gehen. Der Bereich des Harzkanales selbst wirkt nicht rein weiß - es fehlt etwas an Rot.


Bild 6 RGB-Histogramm C5060 der Detailaufnahme (Bild 4):
Bild 7 RGB-Histogramm Billig-CMOS der Detailaufnahme (Bild 5):



Bild 8 Blau-Histogramm C5060 der Detailaufnahme (Bild 4):
Bild 9 Blau-Histogramm Billig-CMOS der Detailaufnahme (Bild 5):

Ein vergleichender Blick auf die Blau-Histogramme verdeutlicht dann einige interessante Details. Bei der C5060 liegt für den Blaukanal weder eine Über- noch eine Unterbelichtung vor. Bei der CMOS-Kamera sind die Blaubereiche in weiten Teilen über- oder unterbelichtet. Der mittlere Bereich des Histogramms ist nahezu völlig verarmt. Ich kann es mir nur so erklären, dass bei eh schon schlechten Dynamikeigenschaften der CMOS-Kamera die Verstärkung des Blaukanals nur dazu führt, dass die mittleren Werte noch oben in die Überbelichtung gedrängt werden, während die dunklen Werte praktisch in der Unterbelichtung verharren. Das Resultat ist eine Verarmung der Blautöne. Was mir bei (Billig-)CMOS-Kameras schon immer aufgefallen ist ist deren schlechte Dynamik (gleichzeitig über- und unterbelichtete Bereiche). Interessant scheint mir aber zu sein, dass durch den Weißabgleich dann ein Farbkanal sogar geradezu  aus dem Histogramm verdrängt wird (hier: Blau). Möglicherweise ist das die Ursache dafür, dass mir derartige Aufnahmen in ihren Farben nicht nur unnatürlich, sondern geradezu unangenehm erscheinen.

viele Grüße

Christian

Michael Plewka

hallo Herr Linkenheld,
im Vergleich mit meiner Coolpix 4500, die ich immer am Mikroskop einsetze, ist beispielsweise die Webcam Philips 740 extremst infrarotempfindlich und liefert dadurch ohne entsprechende Filter völlig falsche Farben im sichtbaren Bereich. Vielleicht liegt hier ein ähnlicher Fall vor.
beste Grüße Michael Plewka

mlippert

Hallo Christian,

Farbprobleme mit günstigen CMOS-Chips sind leider ein bekanntes Problem. Zuerst solltest Du einen Weißabgleich machen, wenn kein Präparat auf dem Objektträger liegt. Geht das nicht, ist es ziemlich problematisch, denn sobald im Bild einige oder alle Kanäle überstrahlt werden, machen die Kameras komische Sachen. Du solltest zudem absolut ausschlißen, dass hier IR mit auf den Chip gelangt. Deine Bilder sehen so ein Bisschen danach aus. Am besten eine LED-Beleuchtung verwenden. Halogen ohne Wärmeschutzfilter wird problematisch.

Grüße,
Micha

peter-h

Ein kleiner Versuch, leider nicht ganz das richtige Testpräparat.

LED

Halogen 20W mit IR-Sperrfilter

Halogen 20W ohne Filter

Die verwendete Kamera (nicht CMOS sondern CCD) hat kein eingebautes IR-Sperrfilter. Der Farbabgleich wurde auf Automatik gestellt. Bis auf die Helligkeitsanpassung wurde keine Veränderung vorgenommen.
Die LED Beleuchtung tendiert wie erwartet zu blau. Wieso dann die Halogenbeleuchtung einen leichten Grünstich ergab bleibt mir ein Rätsel. Dass ohne ein steiles IR-Sperrfilter ein Schleier über das Bild kommt ist nicht verwunderlich. Das Maximum der Empfindlichkeit liegt bei ca. 800 - 900nm !  Das verwendete IR-Sperrfilter stammt von ASTRONOMIK und kappt sehr gut und sehr steil bei 700nm.

Grüße
Peter Höbel