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Plasmodium

Begonnen von Eckhard, Februar 10, 2014, 23:30:37 NACHMITTAGS

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Eckhard

Hallo,

in einer meiner Petrischalen entdeckte ich vor ein paar Tagen eine merkwürdige Amöbe. Ich glaube, Ernst Hippe hat auch mal Aufnahmen einer Art aus diesem Bereich gezeigt. Die Bestimmung ist nur etwas für Experten, von denen es keine gibt. Die Amöbe muss als Zyste in meine Probe gelangt sein. Als erstes entdeckte ich die Amöbe auf einem Deckglas, das sich in einer Petrischale befand, in der ich Cochliopodium Amöben züchte. Der Boden der Petrischale war ein schöner Rasen aus Bakterien und kleinen Algen. Ich fand in der selben Petrischale noch ein paar andere Exemplare.





Über diese Amöben ist sehr wenig bekannt. Corallomyxa ist ein Vertreter, über den es hier ein Video gibt (unten auf der Seite, zum AV- Medium ....):  https://getinfo.de/app/Corallomyxa-mutabilis-Amoebina-Formwechsel-des/id/kmo-av%3Asid~11391

Am nächsten Tag war von der Amöbe nichts mehr zu sehen. In einer parallel angesetzten Kultur fand ich sie aber wieder. Hier hat sie sich von einer Zyste ringförmig ausgebreitet. Man kann erkennen, wie der "Rasen" von ihr abgegrast wurde. Die Amöbe bildet ein Netzwerk aus anastomisierenden Filopodien. Dieses Netzwerk kann sich trennen und wieder vereinigen. Die hier gezeigten Übersichten sind nur kleine Ausschnitte des Rings. Ich habe zu einem Zeitpunkt 40 getrennte Plasmodien gezählt. Allerdings gerät sie nun in den Bereich, den die Cochliopodium Amöben besiedelt haben. Mal sehen, wer gewinnt :D



Entschuldigt bitte die fehlende Massangabe und die Unzulänglichkeiten der Aufnahme.

Herzliche Grüsse
Eckhard
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Martin Kreutz

Hallo Eckard,

ja, ja, die Unzulänglichkeiten der Aufnahme! Ganz schlimm ;)! Tatsächlich glaube ich diese Amöbe in meinen Proben schon öfters gefunden zu haben. Sie war jedoch immer in Detritusflocken teilweise verborgen. So schön frei habe ich sie nicht gesehen und die reticulosen Strukturen schon gar nicht. Ich meine, ich hätte auch ein paar Fotos, finde sie aber gerade nicht (wahrscheinlich im gigantischen "unknown" Ordner verborgen).

Jedenfalls ein schöner Fund und bestimmt nicht oft fotografiert!

Grüße

Martin

Daniel Steiner

Hallo,

das Wesen ähnelt etwas jenem, das ich vor Jahren mal gezeigt hatte:

http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4098.msg26594#msg26594

Ich konnte es seither nie mehr sehen, umso spannender, etwas ähnlichem hier wieder zu begegnen!
Eckhard, halt uns doch bitte auf dem Laufenden, wie es sich weiter entwickelt.

Beste Grüsse, Daniel

Eckhard

Hallo,

ursprünglich war in meiner Kultur ein halbes Dutzend Cochliopodium Amöben, das Plasmodium sowie ein paar einzellige Algen. Vor 3 Wochen kam das Plasmodium mit den Cochliopodium Amöben in Kontakt. Die Cochliopodium Amöben setzen sich auf ein Filopodium und fressen es. Anscheinend scheint das Plasmodium gute Nahrung zu sein, ich hatte nach einer Woche bestimmt 100 Cochliopodium Amöben und nur noch Reste des Plasmodiums. Nun scheint eine Art Equilibirum hergestellt zu sein. Das Plasmodium hat sich wieder stabilisiert und die Cochliopodium Amöben fressen von ihm, ohne es zu zerstören (Bild 1).

Über das Plasmodium habe ich nichts weiter herausfinden können. Kontraktile Vakuolen gibt es reichlich, Kerne habe ich nicht erkennen können. Beim Beutefang wird die Alge von Plasmaausläufern umschlossen (rote Pfeile in Bild 3) und dann zu einem "Verdauungspunkt" transportiert. Bild 2 zeigt ein solches Verdauungszentrum mit Nahrungsresten.







Herzliche Grüsse
Eckhard
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Eckhard

Hallo,

manchmal dauert es etwas, bis sich Rätsel auflösen. Die gezeigte Amöbe hört nun auf den Namen Arboramoeba reticulata Geisen, Bass and Berney 2015 und ist die Typusart der neuen Gattung.

Die genaue taxonomische Beschreibung und Einordnung ist hier zu finden: http://www.penard.de/Amoebozoa/Variosea/

Herzliche Grüsse,
Eckhard
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Ernst Hippe

Hallo Eckard,
erst jetzt stoße ich auf diesen Beitrag, der mir bisher entgangen war. Es gab einen MK-Artikel 1997 Heft 4, S.245, von Martin Kreutz und mir, in dem sehr ähnliche Organismen versuchsweise als Leptomyxa reticulata bezeichnet wurden. 1999 folgte ein weiterer Bericht im MK, wo ich eine Ähnlichkeit mit Reticulomyxa filosa erwähnte.
Solche verzweigten Plasmodien habe ich oft gefunden: in Wegpfützen, Blumentöpfen, einem österreichischen Moor und sogar einer Bromelienrosette - zuletzt 2002. Ich habe nun wieder einen Versuch mit einem früheren Fundort, einem überwässerten Kaktustopf, gestartet, bisher ohne Erfolg.
Offenbar bringt jetzt die Untersuchung mit Arboramoeba Klarheit. Jedenfalls sehr interessant!
Gruß Ernst Hippe
Vorstellung:Hier klicken

Monsti

Lieber Eckhard,

ZitatDie Bestimmung ist nur etwas für Experten, von denen es keine gibt.

Nun, die gibt es eigentlich schon. Hast Du Ferry, Norbert Hüllsmann oder Ralf Meisterfeld schon mal kontaktiert?

Zur Aufnahmequalität: Ich finde sie hervorragend. Mir sind solche Bilder viel lieber als "aufgehübschte" Objekte.

@ Martin

Zitatim gigantischen "unknown" Ordner

Es beruhigt mich außerordentlich, dass auch Du solch einen und sogar "gigantischen" Ordner hast. Mein "Unknown-Ordner" wächst täglich ...

Herzliche Grüße
Angie

Eckhard

#7
Hallo Ernst,

Du hast vollkommen recht. Diese retikulosen Amöben sind viel viel häufiger, als man denkt. Nur ist ihre ökologische Niesche eine andere. In der Erde sind die feinen, weit verzweigten Filopodien und das Fehlen eines zentralen, größeren Körpers wahrscheinlich ein Vorteil. In der Petrischale jedoch werden diese retikulosen Amöben schnell von anderen Amöben gefressen. Deswegen sind sie vielleicht nicht so bekannt wie die normalen "Bakterienfresser".

Die isolierte Amöbe, die nun Arboramoeba (Baumamöbe) heisst, kommt aus den Anden. Ich habe sie in einem Graben vor Berlin gefunden. Die Namenswahl ist genial, denn die Form der Amöbe erinnert doch stark an einen Baum.


Liebe Angie,

Ferry und Norbert kennen die Aufnahmen natürlich, bei Ralf Meisterfeld weiß ich es nicht. Die Arbeit über diese Amöbengruppe ist druckfrisch - die aktuelle Ausgabe von Protist (fka Archiv für Protistenkunde). Darin ist die Erstbeschreibung diesel Amöbe enthalten.

Die Aufnahmen sind mit dem inversen Mikroskop durch eine Petrischale gemacht.

Herzliche Grüße,
Eckhard
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