Histologie: Ein kavernöses Hämangiom der Leber

Begonnen von Heino Lauer, April 19, 2014, 07:55:55 VORMITTAG

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Heino Lauer

Hallo,

aus meiner Sammlung möchte ich Euch heute ein Präparat zeigen, das von einem kavernösen Hämangiom der Leber stammt. Das Präparat ist undatiert, Hinweise zur Herkunft fehlen, die Färbung ist HE. Alle Fotos sind am Leitz Orthoplan mit der EOS 1000 D entstanden.


Das kavernöse Hämangiom - Begriff und Definition

Angiome sind gutartige Neubildungen der Blut - und Lymphgefäße. Sie zählen zu den mesenchymalen Tumoren, deren Differenzierung dem Gefäß-, Nerven- oder Bindegewebe entspricht. Hämangiome ähneln im Aufbau den Blutgefäßen und werden, unabhängig von Ihrer Lokalisation, in verschiedene Formen  eingeteilt, darunter ist auch das kavernöse Hämangiom (Böcker 2004). Nach Noltenius besteht es ,,aus ausgeweiteten Kapillaren, die von regulären Endothelien ausgekleidet werden". Häufige Lokalisationen  dieser synonym auch als Blutschwamm oder Kavernom bezeichneten Läsion sind Leber, Gehirn, Milz, Niere und Lunge (Noltenius 1987).


Epidemiologie

Das kavernöse Hämangiom der Leber tritt bevorzugt beim Erwachsenen auf, oft im Alter zwischen 30 bis 50 Jahren. Frauen sind im Verhältnis 4:1 häufiger betroffen als Männer (Fried 2013). Das Kavernom ist der häufigste gutartige Tumor der Leber, nach Böcker wird er in ,,ca. 5% der Obduktionen" gefunden. Die Inzidenz wird sehr unterschiedlich mit weitem Spielraum von 0,4 bis 20% angegeben (Böcker 2004, Burt 2012, Fletcher 2003, Mills 2010).


Pathogenese

Für gewöhnlich findet sich das Kavernom als solitäre Läsion im rechten Leberlappen, häufig direkt unterhalb der Leberkapsel. Gefunden werden aber auch alle anderen Lokalisationen innerhalb der Leber. In 10% der Fälle findet man ein multizentrisches Auftreten (Burt 2012). Angaben zur Größe des Tumors schwanken in der Literatur zwischen unter 1 cm bis 5 cm und reichen maximal bis zu 30 cm (Böcker 2004, Burt 2012, Fletcher 2003, Mills 2010).

Der Einfluss von weiblichen Sexualhormonen auf eine mögliche Größenzunahme der Läsion, auch unter der Schwangerschaft oder bei regelmäßiger Einnahme von Verhütungsmitteln, wird vermutet, ist aber zur Zeit nicht hinreichend belegt (Burt 2012, Fried 2013). Das häufigere Vorkommen bei Frauen kann auch ein scheinbares sein, da das Kavernom bei Frauen oft etwas größer gefunden wird, damit eher Symptome verursacht und infolgedessen auch häufiger erkannt wird (Burt 2012).


Neoplasie oder tumorähnliche Fehlbildung?

Das kavernöse Hämangiom der Leber wird in der Literatur nicht einheitlich als echte Neubildung (Neoplasie) aufgefasst. Die Vermutung, daß es sich dabei vielmehr um eine Gefäßfehlbildung handelt, geht nach Kaufmann auf den Frankfurter Pathologen Eugen Albrecht (1872-1908) zurück. Dieser schlug dafür den Begriff Hamartom vor (Kaufmann 1958). In der für diesen Beitrag eingesehenen Literatur der 50er bis 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wird deutlich, daß die Einordnung als Neubildung über Jahrzehnte durchaus umstritten war (Doerr 1974, Grundmann 1979, Kaufmann 1958, Remmele 1984). Obwohl nach heutiger Überzeugung, die ihren Ausdruck in der Klassifikation der International Society for the Study of Vascular Anomalies (ISSVA) findet, das kavernöse Hämangiom eine Gefäßfehlbildung (Venous Malformation) darstellt (Bang o.J., Enjolras 2007), wird das Kavernom in der - mir zur Verfügung stehenden - gegenwärtigen Literatur als mesenchymaler, gutartiger Tumor geführt (Burt 2012, Classen 2009, Kumar 2010). Dies mag didaktische, aber auch praktische Gründe haben. Schließlich muss dem Kliniker diese Läsion zunächst als Neubildung erscheinen, mit allen diagnostischen und möglicherweise therapeutischen Konsequenzen. Zudem ist es naturgemäß so, das einige Zeit vergeht, bis eine veränderte Anschauung Eingang in die großen Lehrbücher findet.

Seit den grundlegenden Arbeiten von Mulliken und Glowacki im Jahre 1982, die die Basis für die heutige ISSVA Klassifikation darstellen, ist es offenbar gelungen, auf der Grundlage von immunhistochemischen Befunden die Neubildungen von den Fehlbildungen zu unterscheiden. Während bei den Neubildungen (syn. Tumor, Neoplasie) des Gefäßsystems ein gewuchertes (proliferiertes) Endothel gefunden wird, findet man bei den Fehlbildungen, die seit der Geburt bestehen, ein reguläres (,,quiescent") Endothel (Enjolras 2007).

Dies entspricht der heute gültigen Überzeugung, das ein Tumor aus einer Zelle mit verändertem Genom entsteht, die sich unkontrolliert teilt (wuchert, proliferiert). Das Bild des Kavernoms ist damit nicht in Einklang zu bringen, da es zum Aufbau sowohl der Zellen des Endothels, also der Gefäßinnenauskleidung, als auch der Gefäßwände bedarf. Beide Zellarten, Endothel als auch Bindegewebe, müssten hierzu im Einklang und gleichzeitig proliferieren, was dem Gedanken einer autonomen, unkoordinierten Zellteilung meinem Eindruck nach widerspricht.


Klinik

Das kavernöse Hämangiom der Leber bleibt klinisch zumeist stumm; besonders gilt dies für die kleineren mit einer Größe von unter 4 cm. Kavernome, die größer sind als 4 cm, werden nach Burt et al. in 40% der Fälle symptomatisch. Unter den möglichen Beschwerden finden sich Schmerz, ein Fremdkörpergefühl, eine Vermehrung des Bauchumfanges, seltener auch eine umschriebene, tastbare Verdickung. In der weit überwiegenden Zahl aber bleibt das Kavernom asymptomatisch, offenbart sich erst als Zufallsbefund bei einer aus anderem Anlass durchgeführten bildgebenden Diagnostik des Bauches oder gar erst nach dem Lebensende bei einer Sektion (Burt 2012, Thomas 2006).

Therapeutisch besteht ein Handlungsbedarf in der Regel erst dann, wenn das Kavernom sehr voluminös ist oder, nicht selten damit einhergehend, Beschwerden verursacht. Das Erscheinungsbild im Ultraschall wird als typisch beschrieben, die Sensitivität dieser Untersuchung bei Kavernomen mit einer Größe unter 6 cm mit 80% angegeben. Bei fehlender Symptomatik und unauffälliger Anamnese ist eine Verlaufskontrolle hinreichend (Classen 2009). Spontanrupturen mit Blutungen in die freie Bauchhöhle werden als extrem seltenes Ereignis beschrieben. Die Gerinnsel (Abb.6), die sich im Kavernom aufgrund des trägen Blutflusses nicht selten bilden, gelangen nicht in den Kreislauf, können also nicht ursächlich für Lungenembolien sein. Nach Burt besteht die Vermutung, das die Gerinnselbildung im Kavernom, bezogen auf die kleinen Thromben, einer gewissen Dynamik unterliegen könnte, indem sich Bildung und Wiederauflösung abwechseln (Burt 2012, Classen 2009). Insgesamt haben besonders die kleineren Kavernome keinen Krankheitswert, und um dies ausdrücklich zu sagen, dieser ,,Lebertumor" ist gutartig. Es findet sich in der mir vorliegenden Literatur auch kein Hinweis darauf, das sich auf dem Boden eines Kavernoms ein Malignom entwickeln könnte.


Mikroskopie

Histologisch besteht das Kavernom aus unterschiedlich großen, teilweise miteinander kommunizierenden, blutgefüllten Hohlräumen, die mit einem flachen Endothel ausgekleidet und durch schmale, manchmal auch breitere, bindegewebige Septen voneinander getrennt sind. Mitosefiguren finden sich nicht. Gerinnsel, frisch oder in Organisation befindlich, kommen vor. In der Umgebung der scharf umschriebenen Läsion findet sich in der Regel unverändertes Lebergewebe (Curran 2001, Odze 2004).




Abb.1 Kavernöses Hämangiom der Leber. Übersicht. im Bildzentrum der vom Lebergewebe
scharf umschrieben abgegrenzte Tumor mit einem Durchmesser von ca. 5 mm.  
Pl 2,5 / 0.08, Stitch aus 24 Einzelaufnahmen





Abb.2  Ausschnitt aus der Übersicht. Lebergewebe (oben rechts), an den Tumor angrenzend.
Große, blutgefüllte Hohlräume (Doppelpfeil) werden unterteilt durch unterschiedlich breite,
bindegewebige Septen (gestrichelte Pfeile). Leitz Pl 2,5





Abb.3  Der Randbereich (Kapsel) des Tumors. Links unten und rechts blutgefüllte Hohlräume, oben
Lebergewebe. Die bindegewebige Kapsel (einfache Pfeile), direkt anliegend ein Gallengang (Doppelpfeil).  Leitz Pl Fl 10





Abb.4 Ein weiterer Randbereich des Tumors bei etwas stärkerer Vergrößerung. Links typisches Lebergewebe,
rechts ein blutgefüllter Hohlraum mit gut erkennbaren Erythrozyten. Die binde- gewebige Tumorkapsel im Zentrum,
das Bild diagonal durchquerend. Gut sichtbar die scharfe Trennung zwischen Bindegewebe und Leberparenchym.
Leitz Pl Apo 25 / 0.65





Abb.5  Die blutgefüllten Hohlräume werden von Endothelzellen ausgekleidet. Die Kerne dieser
Endothelien sind im Schnitt gut zu erkennen (einfacher Pfeil). Die Zellen werden durch sie zum
Lumen hin etwas vorgewölbt. Der Nachweis dieses Endothels gibt die Gewissheit, das es sich
bei den Hohlräumen tatsächlich um (ausgeweitete) Gefäße handelt. Zentral das Bild durchquerend
ein bindegewebiges Septum (Doppelpfeil). Die Aperturblende etwas weiter geschlossen als
gewöhnlich.     Leitz Pl Apo 25 / 0.65  mit Orthoplan-Variotubus 1,6x





Abb.6  Bildung von Gerinnungsthromben. Ein in kavernösen Hämangiomen der Leber häufig
anzutreffendes Phänomen. Innerhalb des Tumors kommt es vor allem an den Stellen, an denen
Scheidewände (Septen) nahe beieinander liegen, zu einer Stagnation der ,,Blutsäule". Dies begüstigt
das Einsetzen der Blutgerinnung, in der Folge bilden sich kleine Gerinnungsthromben (Pfeil),
die eine stark eosinrote Färbung haben.     Leitz Pl Fl 10 / 0.30





Abb.7 Der gleiche Bereich wie in Abb.6 mit etwas stärkerer Vergößerung. Der Thrombus in der
Bildmitte. Weiter rechts sind noch einzelne Erythrozyten erkennbar, der Pfeilrichtung (langer Pfeil)
folgend wird zunehmend der Einfluss der Gerinnung sichtbar. Einzelne Erythrozyten sind nicht
mehr abgrenzbar. Das für die Blutgerinnung verantwortliche, klumpig erscheinende Fibrin ist
stark eosinophil (gestrichelter Pfeil). Aperturblende weit geschlossen.
Leitz PL APO 25 / 0.65





Abb.8  Der Thrombus aus Abb. 7 in stärkerer Vergrößerung. Die klumpige Schichtung des Fibrins ist gut sichtbar.  
Leitz Pl Apo Oel 40 / 1.00



Danksagung

Mein herzlicher Dank gilt Ulf Titze für freundliche Anregung und Kritik bei der Durchschau einer früheren Version dieses Beitrages, ebenso für ein Privatissimum zum Tumorbegriff. Lieber Ulf, das ist mir sehr wertvoll und hat mir große Freude gemacht!


Literatur

Bang o. Jahr. Classification of vascular anomalies. Updated ISSVA. Internetressource, ohne Jahr und Ort.
Böcker 2004. Pathologie. 3. Aufl. München: Urban & Fischer, 205, 794, 1084.
Burt 2012. MacSween`s Pathology of the Liver. 6th ed. Edinburgh: Churchill Livingstone Elsevier, 809 ff.
Classen 2009. Innere Medizin. 6. Aufl. München: Urban & Fischer, 1003 f.
Curran 2001. Atlas der Histopathologie. 5. Aufl. Berlin: Springer, 193.
Doerr 1974. Organpathologie. Stuttgart: Thieme, 4/184 f.
Enjolras 2007. Color Atlas of Vascular Tumors and Vascular Malformations. Excerpt, Introduction ISSVA Classification
Fletcher  2003. Diagnostic Histopathology of Tumors.  2nd ed. Edinburgh: Churchill Livingstone,  435 f.
Fried 2013. Magen-Darm-Trakt. Berlin: Springer,138.
Grundmann 1979. Lehrbuch der speziellen Pathologie. 6. Aufl. München: Urban & Schwarzenberg, 366.
Kaufmann 1958. Lehrbuch der speziellen pathologischen Anatomie. 11. Aufl. Berlin: De Gruyter; 1200 ff.
Kumar 2010. Robbins and Cotran Pathologic Basis of Disease. 8th ed. Philadelphia: Saunders, 520, 876.
Mills 2010. Sternberg`s Diagnostic Surgical Pathology. 5th ed. Philadelphia: Wolters Kluwer, 1578.
Noltenius 1987. Tumor - Handbuch. 2. Aufl. München: Urban & Schwarzenberg, 145 f.
Odze 2004. Surgical Pathology of the GI Tract, Liver, Biliary Tract, and Pancreas. Philadelphia: Saunders, 1019.
Remmele 1984. Pathologie.1. Aufl. Berlin: Springer, Bd.2, 730
Thomas 2006. Histopathologie. 14. Aufl. Stuttgart: Schattauer, 176.



Über Anregungen und Kritik zu meinem Beitrag würde ich mich sehr freuen!


Herzlicher Gruß

Heino



Mikroskope:
Leitz Orthoplan
Zeiss Standard 18
Leitz SM

Florian Stellmacher

Lieber Heino,

vielen Dank für diesen umfassenden, kenntnisreichen und didaktisch exzellenten Beitrag!

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Heino Lauer

Lieber Florian,

vielen Dank für Deine freundlichen und anerkennenden Worte. Das bedeutet mir sehr viel!

Die Bildqualität befriedigt sicherlich noch nicht durchgehend, insbesondere Bild 2 fällt etwas ab. Daran muss ich noch arbeiten.


Einen herzlichen Gruß an Dich

Heino

Mikroskope:
Leitz Orthoplan
Zeiss Standard 18
Leitz SM

Jürgen H.

Lieber Heino,

ganz herzlichen Dank für Deinen wunderbar verständlichen so gut bebilderten Beitrag und Deine Mühe, ihn hier ins Forum einzustellen. Als histologisch interessierter nicht Mediziner habe ich ihn mit Genuss gelesen.

Eine Nachfrage habe ich:

Unter Epidemiologie schreibst Du, dass das Hämangiom bevorzugt bei Erwachsenen oft im Alter zwischen 30 und 50 Jahren auftritt. Im weiteren Vlauf führst Du aus, dass es sich wohl um eine Fehlbildung und nicht um eine echte Neubildung handelt. Und dort steht, dass sich bei Fehlbildungen, die seit der Geburt bestehen, im Gegensatz zu Neubildungen ein reguläres Endothel findet.

Wie habe ich mir nun die Entstehung des Hämangiom vorzustellen? Ist es bei Geburt schon vorhanden und weitet sich während der Zeit aus? Findet man dann nur scheinbar häufig bei Erwachsenen im Alter zwischen 30 und 50 Hämangiome, weil sie mit fortschreitendem Alter an Größe zunehmen?

Schöne Grüsse

Jürgen

Heino Lauer

#4
Lieber Jürgen,

es freut mich sehr, daß der Beitrag Dir gefällt. Danke für Deine lobenden Worte.

Das bevorzugte Auftreten im Alter zwischen 30 bis 50 Jahren bezieht sich auf die klinische Manifestation. Das ist der Moment, in dem Beschwerden auftreten, die Betreffenden zum Arzt gehen und sich untersuchen lassen. Da das Kavernom häufig keine Beschwerden verursacht, also asymptomatisch bleibt, wird die Fehlbildung entweder bis zum Lebensende nicht entdeckt, oder sie wird zufällig gefunden, z.B. bei einem Ultraschall des Oberbauches. Wenn sie sehr klein ist und unter der Wahrnehmungschwelle der bildgebenden Diagnostik liegt, ist der Betreffende immer noch Träger, aber er wird eben nicht diagnostiziert. Angelegt ist das Kavernom als Fehlbildung aber schon bei der Geburt. Es wird allerdings - zumeist - beim Kind nicht gefunden. Remmele (immerhin Herausgeber eines Referenzwerkes) geht in der 1. Auflage seines Handbuches 1984 so weit zu sagen, das das Kavernom deshalb eine Neubildung sein müsse, da es beim Kind nicht vorkomme!

Was nun der auslösende Faktor ist, der zu einer Größenzunahme des Kavernoms führt, ist nicht bekannt. Manches spricht wohl für die weiblichen Sexualhormone als Stimulans, aber nach der Literatur ist das nicht durch Studien oder Untersuchungen belegt.

Hoffentlich war ich in der Lage, Deine Frage hinreichend zu beantworten. Danke sehr für Dein Interesse!

Herzlicher Gruß

Heino
Mikroskope:
Leitz Orthoplan
Zeiss Standard 18
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Ulf Titze

Lieber Heino,

erst jetzt sehe ich mit großer Freude, daß Du Deine Arbeit fertig gestellt hast. Das Thema ist absolut nicht einfach, mit dem Hämangiom hast Du Dir einen "Tumor" ausgesucht, der beim genauen Hinsehen wirkliche Verständnisprobleme bereitet. Dein Beitrag gefällt mir sehr.

Herzliche Grüße, jetzt aus Detmold

Ulf

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reblaus

Hallo -

schöne Arbeit -

was mich als Nichtvomfachmann aber stört ist der Begriff "gutartig". Dieser Begriff sollte in einer kurzen Ergänzung für Laien kritisch diskutiert werden. Es ist ja ein geringer Trost für jemand, dem ein gutartiger, inoperabler Tumor ein paar Hirnnerven abklemmt, dass er nicht mit Metastasen zu rechnen hat.

Viele Grüße

Rolf

Heino Lauer

#7
Lieber Ulf,

vielen Dank für Dein Lob! Ich habe mich bemüht, Deine Anregungen zu Form und Inhalt umzusetzen. Als Amateur kann man ein solches Thema nur bis zu einer geringen Tiefe wirklich durchdringen. Es ist schön zu sehen, das mir dies wenigstens teilweise wohl gelungen ist. Du hast Deinen Anteil daran, wofür ich Dir herzlich danke.

Meinen Glückwunsch zur neuen Position! Dir und Deiner Familie wünsche ich ein schönes Osterfest.

Herzlicher Gruß

Heino
Mikroskope:
Leitz Orthoplan
Zeiss Standard 18
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Heino Lauer

#8
Lieber Rolf,

vielen Dank für Deine Anerkennung und Dein Interesse. Soweit ich dazu in  der Lage bin, will ich mich an einer Diskussion über den Begriff der Gutartigkeit gerne beteiligen.

Auch ein gutartiger (benigner) Tumor kann ernsthafte Beschwerden machen, und wenn Du die gutartigen Neubildungen des Hirns ansprichst, so ist es einsehbar, das lokaler Druck auf empfindliche Strukturen Funktionsausfälle nach sich ziehen kann. Bösartige (maligne) Tumoren weisen aber tendenziell ein zerstörendes Wachstum auf, sie verdrängen ihre Umgebung nicht nur, sondern infiltrieren sie. Sie sind in der Lage, lokal über Organgrenzen hinaus zu wachsen, sie können in den Gesamtorganismus streuen und haben eine, graduell sicherlich unterschiedlich ausgeprägte Tendenz, nach der Therapie ein Rezidiv zu bilden. Insofern ist die Beurteilung der Gutartigkeit / Bösartigkeit (Dignität) von zentraler Bedeutung für  die weitere -  angepasste- Therapie und das Überleben der Betroffenen. Auch um eine Verunsicherung zu verhindern, habe ich daher bei der Beschreibung des Kavernoms mehrfach darauf hingewiesen, das diese Läsion gutartig ist.

Vielleicht kommen ja noch von berufener Seite Beiträge zum Dignitätsbegriff. Das wäre sicherlich eine Bereicherung.

Herzlicher Gruß

Heino
Mikroskope:
Leitz Orthoplan
Zeiss Standard 18
Leitz SM

Ronald Schulte

Heino,

Einfach Fantastischen Beitrag, so sollten eigentlich alle Beiträge sein! Deine Bilder sind doch Prima denke ich, keine sorge (besser kann es immer und das soll auch immer ein Herausforderung bleiben)!

Eine Frage habe ich noch zum Endothel (kann mich vorstellen das du nicht alle fragen einfach beantworten kannst aber vielleicht reagiert Ulf oder Florian nochmal):
Du schreibst:
"Die Kerne dieser Endothelien sind im Schnitt gut zu erkennen. Die Zellen werden durch sie zum Lumen hin etwas vorgewölbt. Der Nachweis dieses Endothels gibt die Gewissheit, das es sich bei den Hohlräumen tatsächlich um (ausgeweitete) Gefäße handelt."

Meine frage ist: "warum ist Endothel denn bei ausgeweitete Gefäße 'vorgewölbt'"? Mit 'vorgewölbt' denke ich 'herausstehend' zu begreifen! Hat das ein Mechanischen Grund oder vielleicht Immun?


Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Heino Lauer

Ronald,

danke für Deine freundlichen Worte, auch für die Aufmunterung zur Bildqualität!

Die einzelne Endothelzelle wird nicht als ganzes, sondern nur an der Stelle, an der sich der Kern befindet, zum Lumen hin etwas vorgewölbt. Nach meinem Kenntnisstand ist das ein mehr oder weniger stark ausgeprägter Normalbefund, der sich nicht nur auf die Innenauskleidung des Kavernoms bezieht.

Bei der folgenden Aufnahme handelt es sich um zwei Gefäße aus einer Glisson Trias. Diese Eigenart des Endothels, das sich der Kern lumenwärts etwas vorwölbt, sehe ich auch hier. Findest Du das bei Deinen Präparaten nicht?






Herzlicher Gruß

Heino
Mikroskope:
Leitz Orthoplan
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Ulf Titze

#11
Lieber Heino, lieber Rolf,

Zitat von: Heino Lauer in April 20, 2014, 08:03:32 VORMITTAG

Vielleicht kommen ja noch von berufener Seite Beiträge zum Dignitätsbegriff. Das wäre sicherlich eine Bereicherung.


Das nehme ich mal als Aufforderung. Rolfs Zweifel am Begriff der "Gutartigkeit" ist natürlich vollkommen berechtigt.

In ihrer speziellen Bedeutung sind die Begriffe "benigne" und "maligne" nicht wertend in dem Sinne, ob es für den Erkrankten jetzt gut oder schlecht ist. Diese Fachbegriffe beschreiben das biologische Verhalten eines Tumors. Das wird nur im Kontext des Tumorbegriffs im eigentlichen Sinne verständlich. Während der Begriff "Tumor" im weiteren Sinne nur eine Volumenvermehrung von Gewebe beschreibt, ohne deren Ursache anzugeben, versteht man in der Pathologie unter einem Tumor in der Regel eine Neoplasie (Gewebsneubildung). Ein neoplastischer Tumor ist demnach eine lokalisierte oder diffuse Gewebsvermehrung aufgrund autonomen Zellwachstums. Das bedeutet, dass jeder Tumor ein pathologischer Prozess ist, weil das Zellwachstum nicht mehr kontrolliert ist und die Tumorzellen sich nicht mehr in den Gewebsverband einfügen: da wächst also was Neues nach eigenen Regeln ("entartet").
Dieser neue Prozess kann nun unterschiedlich mit dem Ursprungsorganismus interagieren. Dies nennt man die Dignität des Tumors (Würde des Tumorgewebes). Tumoren, die auf Dauer einen zusammenhängenden Gewebsverband bilden und "nur" verdrängend wachsen, werden als "benigne" Tumoren aufgefasst. Rolf hat aber Recht, dass auch aus dem Verdrängenden Wachstum massive Probleme entstehen können, wenn der Raum begrenzt ist, beispielsweise in der Schädelhöhle oder im Bauchraum. Es ist also auch nicht gut, einen gutartigen Tumor zu haben.
Ein allerdings wesentlich rascheres Bedrohungspotential geht von den malignen Tumoren aus, die nicht nur verdrängend wachsen, sondern auch in andere Organe und Gefäße einwachsen können und sogar noch in entfernten Geweben Absiedlungen ("Metastasen") bilden können. Diese Metastasierung ist ein hoch komplexer Prozess! Es reicht ja nicht, dass die Tumorzellen ihren Weg in das Blut- oder Lymphgefäß finden, sondern sie müssen am anderen Ort wieder aus dem Gefäß raus und in dem anderen Gewebe "Fuß fassen" können. Dir Tumorzellen induzieren dort ihr eingenes Bindegewebsgerüst mit eigener Blutgefäßversorgung. Ein Prozess der in den letzten Jahren intensivste wissenschaftliche Aufmerksamkeit erhält.

Ob eine Entwicklung eines Tumors nun für den einzelnen Menschen ein lebensbedrohlicher Zustand ist, oder ein tolerabler, allenfalls kosmetisch störender Prozess, hängt von vielen Faktoren ab. Die Dignität eines Tumors ist hierzu ein wesentlicher (aber nicht alles entscheidender) Mosaikstein. Weitere wichtige Kenngrößen sind die Gewebsherkunft des Tumors (Histogenese) und der Sitz des Tumors. Sicherlich wird ein 1,5cm großes Lipom (ein gutartiger Tumor des Fettgewebes) im Unterheutgewebe am Unterarm nicht lebensbegrenzend wirken. Ein solches Lipom im Rückenmarkskanal kann aber lebensbedrohlich sein. Ein 1,5 cm dickes malignes Melanom in der Haut oder ein 2 cm großes Karzinom der Bauchspeicheldrüse sind sehr ernste Tumorerkrankungen!

Heino ist in seinem Beitrag ja bereits auf die Diskussion eingegangen, ob ein Hämangiom nun ein neoplastischer Tumor im eigentlichen Sinne ist, oder vieleicht doch nur ein "Zuviel" an reifem Gewebe: ein Hamartom. Vieles spricht für die zweite Annahme. Denn bei einer Neoplasie geht man ja von einer einzigen Ursprungszelle aus. Ein Hämangiom ist aber - wie Heino sehr schön abgebildet hat - ein System aus reifen Gefäßwandstrukturen und reifen Endothelien. Daher wird in der Systematik eher von angiovenösen Malformationen gesprochen und diese von echten (neoplastischen) Gefäßtumoren abgerenzt. Aber im Sprachgebrauch der klinisch tätigen Kollegen ist der Begriff des Hämangioms nunmal fest verankert und wohl nicht mehr rauszukriegen.....

Herzliche Grüße

Ulf
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Heino Lauer

Lieber Ulf,

das war als Aufforderung gemeint, gerne! Ich danke Dir sehr für Deine Erläuterungen!


Lieber Rolf,

hoffentlich ist in meinem Beitrag nicht der Eindruck entstanden, gutartige Tumore verharmlosen zu wollen. Das war wirklich nicht meine Absicht. Es lag mir allerdings daran, mit speziellem Blick auf das kavernöse Hämangiom der Leber darzustellen, das dieser "Tumor" kein Krebs ist. Daher meine Betonung der Gutartigkeit. Der eine oder andere Leser, ausserhalb dieses Forums, könnte zu einer ganz unkritischen Gleichsetzung von Kavernom, Tumor und Krebs neigen, und die daraus resultierende Verunsicherung wollte ich vermeiden.

Herzlicher Gruß

Heino

Mikroskope:
Leitz Orthoplan
Zeiss Standard 18
Leitz SM

Ronald Schulte

Heino,

Wie Epithelzellen bei Pathologische Schnitte aussehen weis ich eigentlich nicht so gut weil ich nur wenige davon habe.
So wie ich Epithelzellen in Blutgefäße kenne ist so wie in diesen Bild. Natürlich kenne ich wohl die HEV in Lymphknoten.



Grusse Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Heino Lauer

Ronald,

ein fantastisches Bild! Wie man es von Dir nicht anders kennt. Die leichte Vorwölbung an den Kernen des Endothels sieht man auch gut. Mit solchen Präparaten können die Routineschnitte aus meiner Sammlung natürlich nicht mithalten! Beeindruckend, danke für das Bild.

Herzlicher Gruß

Heino
Mikroskope:
Leitz Orthoplan
Zeiss Standard 18
Leitz SM