Botanik: Weiße Taubnessel Lamium album *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, März 02, 2023, 14:44:05 NACHMITTAGS

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Hans-Jürgen Koch

Weiße Taubnessel Lamium album; syn. Lamium capitatum, Lamium vulgatum
Die Weiße Taubnessel ist eine ausdauernde, krautige Pflanze, die eine Wuchshöhe von bis 95 Zentimetern erreicht.
Lamium album ist ein Kraut mit kriechendem, verzweigtem Rhizom.
Ursprünglich wahrscheinlich in der gemäßigten Zone Europas und Asiens heimisch; nach Amerika wurde sie verschleppt und hat sich dort eingebürgert.
In Mitteleuropa findet man sie häufig auf Schuttplätzen, Ödland, an Hecken, Zäunen und Wegen von der Ebene bis in die subalpine Höhenstufe.
Ohne Blüten könnte man sie vielleicht mit der Brennnessel verwechseln, aber sie hat keine Brennhaare und ist auch nicht direkt mit ihr verwandt.

Bild 01 Ausschnitt des Blütenstandes, gut zu erkennen ist der vierkantige Stängel, Weiße Taubnessel Lamium album

Urheber: Jörg Hempel

Systematik:
Ordnung:   Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie: Lippenblütler (Lamiaceae)
Unterfamilie: Lamioideae
Gattung: Taubnesseln (Lamium)
Art: Weiße Taubnessel
Wissenschaftlicher Name: Lamium album
Deutschsprachige Synonyme die sich auf die brennnesselartigen Blätter beziehen:
Blinde Brennnessel, Doofnettel, Hühnernessel, Hundsnessel, Sengnessel, Staubbrennnessel, Taube Nessel, Wilde Brennnessel und Zahme Brennnessel

Synonyme auf das Vorhandensein von Nektar, welcher von Kindern aus den Blüten gesaugt wurde, beziehen sich Namen wie Sauger, Honigsauger, Lutschblom, Suggelblume, Zuckersauger und Zuckerschnuller.
Weitere Namen sind Bienesaug, Erzengel, Heilig Fleisch, Honigblume, Hummel, Immenblume, Löffelblume, Milchblume, Windisch und Wurmnessel.
Synonyme für Weiße Taubnessel sind u. a. Gewitterblume, Weiße Goldessel, Weiße Brennnessel, Weiße Hummel, Weißer Kuckuck und Weißes Taubenkröpfchen.
Englische Bezeichnung: White dead-nettle

Bild 02 Illustration, Weiße Taubnessel Lamium album

a = vierkantiger Stängel, b = Krone 2 – 3 cm lang, e = behaarte Anthere (Staubbeutel), i = Querschnitt Spross, g = Kelch mit 5 Zähnen.
Quelle: Deutschlands Flora http://www.biolib.de
Urheber   Johann Georg Sturm (Painter: Jacob Sturm)

Dieses Werk ist gemeinfrei (gesetzlichen Schutzfrist von 100 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers).

Entsprechend der Signaturenlehre wurde die Weiße Taubnessel in den Kräuterbüchern des 16. Und 17. Jahrhunderts als Arzneimittel gegen Gonorrhoe empfohlen.
Sebastian Kneipp empfahl die Dämpfe der Abkochung bei Ohrenleiden.
Die Signaturenlehre oder Lehre von den Signaturen (lateinisch signatura rerum; von signare = bezeichnen, kennzeichnen) ist die Lehre von den Zeichen in der Natur, die als Merkmale auf Ähnlichkeiten, Verwandtschaften und innere Zusammenhänge hinweisen.
Der Gattungsname Lamium ist ist vom griechischen" lamos" (Schlund, Rachen) abgeleitet und bezieht sich auf die Gestalt der Blüte; ,,album" (lat. weiß).

Volkstümliche Anwendung in der Kräutermedizin:
Blutreinigungsmittel und Katarrhe der oberen Luftwege.
Drogengewinnung: Die Taubnesselblüten - Lamii albi flos besteht aus den rasch im Schatten getrockneten Blütenkronen mit den anhaftenden Staubgefäßen, aber ohne Kelche.
Taubnesselblätter gehören zu den empfindlichen Drogen, sie sind sehr hygroskopisch und müssen absolut trocken, am besten über gebranntem Kalk aufbewahrt werden.
Braun gewordene Blüten sind wertlos.
Die Droge ist geruchslos und schmeckt schleimig, fade.

Als wichtigste Inhaltsstoffgruppe gelten:
Iridoidglykoside: Lamalbid, Caryoptosid und Albosid A und B
(leider fehlen mir die Gehaltsangaben).

Phenylpropanderivate
: Freie Säuren Chlorogensäure, das Glykosid Lamalbosid und Acteosid.

Flavonoide:
Unter anderem Rutosid, Quercetinglykoside und Tilirosid.

Weitere Verbindungen: ca. 5% Gerbstoffe, Schleimstoffe und Triterpensaponine.
In der Literatur wird ferner häufig die Anwesenheit von Saponinen beschrieben. Diese konnten jedoch in Untersuchungen nicht gefunden werden.

Die Blütezeit ist von März bis Oktober, die Pflanze gilt als Stickstoffanzeiger (hoher Gehalt an Bodenstickstoff).
Junge Sprosse und Blätter können gut als Gemüse gegessen werden, besonders in Schweden und Norddeutschland geschätzt.
Aus dem Kraut wurde ein gelber Farbstoff gewonnen, dem man Zauberkräfte nachsagt (na ja, mir fehlt da der Glaube).

Anatomie der Pflanze:
Ein aufrechter 4kantiger hohler Stängel, außen behaart und in Bodennähe meist rot unterlaufend.
Der Stängel ist 20 bis 95 cm hoch, von unten bis oben beblättert, mehr oder weniger violett gefärbt, einfach oder ästig verzweigt und überwiegend locker abstehend behaart.
Die Blätter sind kreuzgegenständig angeordnet und relativ lang gestielt. Die Blattspreite ist zugespitzt, eiherzförmig, blasig-runzelig und rundherum fein behaart, der Blattrand ist grobkerbig gezähnt.
Da wo die Blätter entspringen, ist der Stängel verdickt (Stängelknoten).
Blüte:
Die weißen Lippenblüten sind 2 cm lang und stehen in Scheinquirlen. Die weißen oft schmutzig-rötlichen Kronenröhren sind von einer gewölbten Oberlippe überdeckt.
Der Kelch ist radiärsymmetrisch und besteht aus sternförmig ausgebreiteten Zähnen, die länger als die Röhre sind, durch weite Buchten getrennt sind und in Spitzen auslaufen.
Radiärsymmetrie: in der Biologie verwendeter Begriff für eine spezielle Symmetrieform mit mehreren strahlenförmig, strahlig, radiär, radial durch die Längsachse verlaufenden Symmetrieebenen, bei der identische Teile kreisförmig, dreidimensional um eine zentrale Achse angeordnet sind.
Die 20 bis 25 mm lange Krone ist schmutzig weiß bis schwach gelblichweiß.
An ihrem Schlund befinden sich olivfarbene Flecken. Die Kronröhre ist aufwärts gebogen und innen über dem Grund mit einem schrägen Haarring versehen.
Die Oberlippe ist etwa 7 mm lang, gewölbt, ganzrandig und dicht behaart. Die etwas längere Unterlippe besitzt einen breiten, gestielten, durch einen tiefen Einschnitt in 2 ausgerandete Zipfel geteilten Mittellappen und Seitenlappen, die einen Fortsatz tragen. Die dunkelbraunen Staubbeutel liegen unter der Oberlippe, der Fruchtknoten ist oberständig und weist die für die Familie typische Vierteilung auf.
Die Frucht zerfällt bei der Reife in 4 einsamige Klausen (Nüsschen).

Teil 1
Spross, Querschnitte
25 Mikrometer

Bild 03 Übersicht, ungefärbter Schnitt, Weiße Taubnessel Lamium album

Die Kantenlänge beträgt 3 mm.
Die festen Teile liegen außen. Sie bilden 4 Stränge, die am Stängel herablaufen, wodurch er vierkantig erscheint. Wird er von einem Windstoß getroffen und zur Seite gebogen, so werden die Teile an der jetzt erhabenen Seite stark ausgedehnt, an der anderen aber zusammengedrückt. Die Teile, die bei vollem Stängel in der Mitte liegen, haben bei einer Biegung also nur wenig oder gar nichts auszuhalten.

Bild 04 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 05 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 06 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 07 Autofluoreszenz, Detailaufnahme, Weiße Taubnessel Lamium album

LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 08 Autofluoreszenz, sekretorisches Haar, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 09 Autofluoreszenz, Detailaufnahme, Weiße Taubnessel Lamium album

Drüsenhaare sind pflanzliche epidermale Haare, die aus köpfchenförmigen Drüsenzellen (Drüse) Sekrete abscheiden, z.B. etherische Öle, Harze, ...

W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau) modifiziert

Arbeitsablauf:
1.Pflanzenprobe liegt in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung 30 Sekunden.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca.20 Sekunden!!!
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 30 Sekunden.
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 3x gewechseltem Isopropylalkohol (99,9 %)
10. Einschluss in Euparal.

Ergebnis :
Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Bei der Betrachtung wird eine Kontrastverbesserung bei Verwendung eines BG 38 Filters (blaugrün, 3mm dick) erreicht.
Fotos: Nikon D5000

Bild 10 Übersicht, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 11 Detailaufnahme mit Beschriftung, Weiße Taubnessel Lamium album

R = Rindenparenchym, KK = Kantenkollenchym, T = Trichom, PPH = Protophloem, EP = Epidermis, XY = Xylem, PH = Phloem, MP = Markparenchym, H = Hypodermis
Das Ecken-/Kantenkollenchym gehört zu den Festigungsgeweben von Pflanzen.
(starke Zellwandverdickungen an den Kanten der aufeinanderstoßenden Zellen, weniger bis kaum Verdickung an den Flächen).
Das Wort leitet sich ab von griechisch kolla = Leim und enchyma = das Eingegossene.

Bild 12 Detailaufnahme, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 13 Detailaufnahme, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 14 Detailaufnahme, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 15 Detailaufnahme, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 16 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Weiße Taubnessel Lamium album

LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 17 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Weiße Taubnessel Lamium album

Mir unbekannte Zellschicht. Gibt es Casparische Streifen im Spross einer Pflanze ?

Bild 18 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Weiße Taubnessel Lamium album

Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Hans-Jürgen Koch

Teil 2
Spross, Längsschnitt
35 Mikrometer

Bild 19 Übersicht, ungefärbter Schnitt, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 20 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 21 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 22 Gliederhaar (Trichom), ungefärbter Schnitt, Weiße Taubnessel Lamium album

Mehrzelliges, gebogenes Gliederhaar mit warzig, rauher Oberfläche. Gliederhaare sind, pflanzliche Haare, die aus einer an den Querwänden eingeschnürten Zellreihe aufgebaut sind.
Sie schützen die Blattoberfläche vor starker Verdunstung durch Wind und schützen somit vor Austrocknung. Sie dienen auch als Fraßschutz (vor allem durch Insekten und Schnecken).

Bild 23 Autofluoreszenz, Detailaufnahme, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 24 Autofluoreszenz, Schraubengefäß, Weiße Taubnessel Lamium album

Schraubentracheide, Holzelement des Xylems mit schraubenförmig verdickter Leiste.

Bild 25 Autofluoreszenz, Detailaufnahme, Weiße Taubnessel Lamium album


W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Bild 26 Übersicht, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 27 Detailaufnahme, Weiße Taubnessel Lamium album



Bild 28 Detailaufnahme, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 29 Detailaufnahme, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 30 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Weiße Taubnessel Lamium album


Bild 31 Schraubengefäß, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Weiße Taubnessel Lamium album


Quellen und weiterführende Informationen:

Wikipedia; Freie Enzyklopädie
Frank Erdnüß ,,Pflanzen bestimmen für Dummies", ISBN: 978-3-527-71428-5
Dieter Ennet, ,,Lexikon der Heilpflanzen" , ISBN: 3-933203-96-1
Hans Jürgen Pfänder ,,Farbatlas der Drogenkunde", ISBN: 3-437-00627-4
Rettennaier ,,Botanik-Drogenkunde,1968
Schönfelder ,,Das neue Handbuch der Heilpflanzen", ISBN: 978-3-440-12932-6
,,Botanica" Das Abc der Pflanzen, ISBN: 3-8290-0868-6
,,Heilpflanzen und ihre Kräfte", 1985
,,Die große Enzyklopädie der Arzneipflanzen und Drogen", ISBN: 978-3-89996-508-7
,,Heilpflanzen erkennen und anwenden", 1987
,,Welche Heilpflanze ist das", 978-3-440-10798-0
,,Kosmos Blumenführer für unterwegs", ISBN: 978-3-440-13012-4
,,Exkursionsflora von Deutschland", Band 4, Gefäßpflanzen: Kritischer Band, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin 2002
,,Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen", Verlag Leipzig 1943

Die Informationen für Beschreibungen werden von mir selbst aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Dabei benutze ich sowohl Bücher als auch Internet Quellen.
Gerne zeige ich euch die schönen Seiten der Pflanzen.
Viele Aufnahmen von einer Pflanze ermöglichen eine umfassende Wahrnehmung.
Es freut mich natürlich sehr, wenn auch euch die Bilder gefallen.
Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Fahrenheit

#2
Lieber Hans-Jürgen,

wieder ein sehr schöner Thread, den ich gerne gelistet habe.

Es gibt einen Thread von der Rolf "Reblaus" aus dem Jahr 2014, der die gleiche Endodermis beschreibt, wie Du in Deinem Bild 17:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=19656.0

In Wikipedia scheint es laut Rolf entsprechende Hinweise zu geben und vielleicht meldet sich auch Detlef noch dazu.
Ich werde mal in meine Literatur schauen, wie es da bei den Lamiaceae aussieht.

Herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Was ich auf die Schnelle zu Endodermis im Spross im Netz gefunden habe:

"Gelegentlich findet sich auch in Sproßorganen (Sproß) eine Endodermis, so z.B. in Erdsprossen (Rhizomen) oder in Nadelblättern (Blatt)."
Spektrum.de, Lexikon
https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/endodermis/21197
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piu58

Die Taubnessel (und ersatzweise auch die Brennessel)  sind schöne Beispiel für die verschiedenartigen Pflanezngewebe. Danke für diese  lehrreiche Darstellung.

Was sind die hellen Pünktchen innerhalb der Zellen im Fluoreszensbild? Artefakte oder wirkliche Strukturen?
Bleibt dran, am Okular.
--
Uwe

Wutsdorff Peter

Grüß´ Dich Hans-Jürgen,
ich bin wieder einmal "BAFF" !! ein toller Beitrag!  Gratulation
Die Längsschn.: Tang. und oder Rad?
Bild 31 die Schraubengefäße: Suuuper.

Uwe:
""Was sind die hellen Pünktchen innerhalb der Zellen im Fluoreszensbild? ""
Auf welches Bild beziehst Du Dich?
Vielleicht hilft ein Polbild weiter?
Gruß vom Inschenör
Peter

Fahrenheit

#5
Liebe Pflanzenanatomen,

bezüglich des Auftretens einer Edodermis im Spross wird man im guten, alten Esau fündig:

Pflanzenanatomis, Esau 1969, S. 272 ff "Endodermis"

Relevant für die Taubnessel sind einige Sätze auf Seite 273, linke Spalte, unten:

ZitatEs gibt aber eine Anzahl Angiospermen - meist krautige Arten - bei denen auch der Stengel eine Endodermis mit Caspari-Streifen entwickelt (Carlquist, 1959b; Courtot und Baillaud, 1960; Guttenberg, 1943; Van Fleet,1961)

Die üblichen Fundorte der Endodermis, wie oben angesprochen z.B. in Nadelblättern und natürlich in den Wurzel der allermeisten Pflanzen, werden natürlich auch angesprochen.

Der Hans-Jürgen und der Rolf haben ein scharfes Auge!

Herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Prof. Sherwin Carlquist! Ein aus meiner Sicht ganz hervorrangender Botaniker und Lehrer, der leider vor einigen Jahren in hohem Alter verstorben ist. Wir hatten einmal Kontakt zum Thema Nacré-Zellwände bei der Wollemie, was mich sehr gefreut hat. Seine wirklich tolle Webseite ist leider ebenfalls erloschen. 
Bei archive.org aber noch zu finden:
https://web.archive.org/web/20211112100724/http://www.sherwincarlquist.com/index.html
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Vorticella

#6
Hallo Hans-Jürgen,
wieder einmal ein toller Beitrag. Darf ich fragen, zu welcher Jahreszeit du das Material gesammelt hast? Wie wurde es gelagert / fixiert? Zufälligerweise habe ich gerade mit der gleichen Pflanze experimentiert. Auch eine W3A – Färbung. Mein Material stammt aus dem Februar und wurde in 70%igem Ethanol fixiert. Auch wenn meine fotografischen Fähigkeiten noch etwas zu wünschen übrig lassen,  hänge ich mal einen Schnappschuss an..
Beste Grüße
Jan

Fahrenheit

Hallo Jan,

das schaut doch sehr gut aus!

Schau doch mal, ob Du die Endodermis respektive die Caspari-Streifen (die müssten ganz leicht rot gefärbt sein) in Deinen Schnitten ausmachen kannst.

Herzliche Grüße
Jörg
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Fahrenheit

Liebe Pflanzenanatomen,

nach dem Fund der Beschreibung einer Endodermis im Spross bei Esau habe ich einmal meine Präparatekästen nach Sprossquerschnitten von Lamiaceen durchgesehen. Längst nicht bei allen Vertretern ist eine Endodermis eindeutig zu erkennen oder vorhanden. Bei Lavendel war meine Suche nach eindeutigen Bildern z.B. vergeblich. Bei Mentha bin ich fündig geworden.

Zunächst Bilder von der Grünen Minze (Mentha spicata):

Bild I: Sprossquerschnitt in der Übersicht, W-Asim III


Hier ist die Endodermis zwischen Phloem und Rindenparenchym eindeutig zu erkennen.

Bild II: Die Endodermis bei 100 facher Vergrößerung


Leider sind die Casparistreifen nicht typisch Rot gefärbt, das in der Färbung als Ersatz für das Acridinrot verwendete Rhodamin B schafft dies wohl nicht.
Beschriftung nach:
Häufig verwendete Bezeichnungen in botanischen Schnitten, MKB
Mehr zur Färbung findet Ihr hier:
Wacker Simultanfärbung mit Rhodamin B

Und nun schauen wir bei der Schwarzen Pfeferminze (Mentha * piperita var piperita L.):

Bild III: Sprossquerschnitt mit der Endodermis im Gewebeverbund, W3A


Hier sind die Caspari Streifen schon in der Aufnahme mit dem 40er Objektiv gut zu erkennen.

Bild IV: Wieder nachgeschaut mit dem 100er Objektiv


Caspari Streifen wie auf dem Präsentierteller.

Wir sehen also, bei den Lippenblütlern (Lamiales) kann man auf der Suche nach einer Endodermis im Spross gut fündig werden.

Herzliche Grüße
Jörg
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Hans-Jürgen Koch

Hallo Jörg, Uwe, Peter und Jan,

Danke für Euer Feedback.

Hauptaufgabe der Caspari-Streifen

Der Casparische Streifen oder Caspary-Streifen befindet sich in den Zellwänden von Endodermis- und Hypodermiszellen der Wurzeln. Eine Hypodermis, die mit einem Caspary-Streifen ausgestattet ist, wird Exodermis genannt.

Der Casparische Streifen blockiert die Passage von gelösten Mineralstoffen, Wasser und Gasen durch die Zellwände und Interzellularräume in den Zentralzylinder. Der Transport im apoplastischen Raum – zwischen den Endodermiszellen hindurch – wird damit gestoppt. Auf diese Weise müssen Mineralstoffe durch die Durchlasszellen der Endodermis wandern und sind folglich der Kontrolle und Selektion des symplastischen Raumes ausgesetzt.

Im primären Zustand ist der Caspary-Streifen wenige µm breit und besteht überwiegend aus Lignin sowie aus Endodermin, einem dem Suberin ähnlichen Stoff, der sich im Inneren jeder Endodermiszelle befindet. Im sekundären Zustand lagern die meisten Zellen als sekundäre Zellwand Suberinlamellen auf. Neueste Untersuchungen zeigten, dass, trotz sekundärer und tertiärer Auflagerung in Endodermiszellen Wasser relativ ungehindert über den apoplastischen Weg in den Zentralzylinder gelangt. Gehindert werden besonders im Wasser gelöste Stoffe, wie Ionen und organische Verbindungen. Die Hauptaufgabe, welche diesen apoplastischen Barrieren zukommt, ist vor allem zu verhindern, dass aktiv in das Xylem gepumpte Ionen zurück in den Wurzelcortex fließen können. Das so aufgebaute negative Wasserpotential lässt Wasser passiv ins Xylem nachfließen. Der so aufgebaute Wurzeldruck sorgt für eine permanente Wasserversorgung. Besonders bei Monokotylen wird zusätzlich auf die äußeren und seitlichen Zellwände verholzte Cellulose aufgelagert. Dieser Zustand wird tertiäre Endodermis genannt.

Quelle: Wikipedia

@ Jan,

Pflanzenprobe im Sommer 2022 gesammelt-

Fixierung und Lagerung in AFE III

www.aisner.de Mikroskopische Färbemethoden (Rezepte).

@ Peter,

Tangentialschnitte.

@ Jörg,

Danke für deine Informationen und die interessanten Bilder.

Ich richte gerade meinen neuen PC ein, leider keine Zeit mehr.

Gruß

Hans-Jürgen

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Vorticella

Hallo Hans-Jürgen,
vielen Dank für dein Feedback. Es ist doch erstaunlich, wie sehr die Färbung ein und derselben Art von der Jahreszeit abhängt. Daher freue ich mich schon auf den Sommer. Dann werde ich die Taubnessel noch einmal sammeln und färben.
Beste Grüße und bis bald
Jan

Fahrenheit

#11
Lieber Jan,

der Unterschied kommt hier sicherlich nicht nur von der Jahreszeit der Probenahme, sondern auch von der langen Lagerung in AFE.

Konntest Du in Deinen Schnitten Caspari Streifen erkennen?

Herzliche Grüße
Jörg
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Vorticella

Hallo Jörg,
vielen Dank für dein Feedback. Im Durchlicht kann ich den CASPARYschen Streifen nicht sehen. In der Fluoreszenz mit Blauanregung leuchtet allerdings das Acridin-Rot rechts und links der der Zellen, welche an die Leitbündel anschließen. Bin ich da richtig? Entschuldigt bitte meine recht schlechten Fotos. Ich bin noch am üben.
@ Hans-Jürgen
Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, dass ich deinen super Beitrag genutzt habe, um eigene Bilder zu ergänzen...
Beste Grüße
Jan

Fahrenheit

#13
Lieber Jan,

Ja, das passt! Noch ein Beleg.

Herzliche Grüße
Jörg
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