Himmelsfalter - blaues Licht durch Nanostrukturen

Begonnen von Eckhard, Juni 09, 2014, 21:17:13 NACHMITTAGS

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Eckhard

Liebes Forum,

wie entkommt der Mikroskopiker der pfingstlichen Hitze? Ein kühles Kellerlabor ruft ;D

Ich habe vor kurzem Details des Schuppen eines Schmetterlings gezeigt: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=20099.0
Aber besonders spannend sind die Schuppen, die Farben nicht über Pigmente sondern über Manipulation des Lichts erzeugen! Ich habe mir deswegen einen Himmelsfalter (Morpho sp.) besorgt: http://de.wikipedia.org/wiki/Blauer_Morphofalter

Zur Präparation habe ich ein vakuumfestes Harz auf einem Probenhalter aufgeschmolzen. Dann habe ich unter der Stereolupe ein Stückchen des Flügels zerschnitten und mit einer Präpariernadel einzelne Schuppen auf mein Harz überführt. Nach Erkalten des Harzes lagen die Schuppen fest.

Ich habe 3 verschiedene Schuppentypen gefunden.


Schuppentyp 1


Schuppentyp 1

Diese Schuppen sind braun pigmentiert und ähneln den Schuppen, die ich in dem oben referenzierten Beitrag gezeigt habe. In der nächsten Aufnahme sieht man zwei verschiedene Schuppentypen. Der von mir als Typ 2 bezeichnete, hat grosse Abstände zwischen den Damm-artigen Strukturen, der Type 3 hat sehr kleine Abstände. Typ 2 ist immer oberhalb von Typ 3 zu finden. Sie überlappen teilweise.


Übersicht Schuppentyp 2 und Schuppentyp 3


Übersicht Schuppentyp 2, links und rechts Schuppentyp 3

Die die Farben erzeugende Nanostruktur ist bei diesen beiden Schuppentypen identisch.


Schuppentyp 3 mit Schaft


Schuppentyp 3



Hier sieht man die Nanostruktur des Schuppentyps 3 (identisch mit Typ 2). Es sind 7 Schichten vorhanden. Eine Schicht läuft langsam nach oben und endet irgendwann (rechts im Bild gut zu erkennen). Im Querschnitt bilden die Damm-artigen Strukturen eine Art Baum. Wie genau die Farberzeugung funktioniert ist anscheinend noch nicht restlos geklärt. Es scheint sich dabei um eine Kombination aus Beugungs- und Interferenzerscheinungen zu handeln. Die kleinen "Fenster" sind 140x120 nm gross.

Leider sind die Bilder nicht so scharf, wie ich es gerne hätte. Ein 500 Meter entferntes Volksfest ist gerade sehr störend. Es ist erstaunlich, wie weit sich niederfrequente Schwingungen (< 10 Hz) ausbreiten.

Herzliche Grüsse,
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

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steffenclauss

Hallo Eckhard,

die Kühle Luft hat gut getan! Bei diesen Bildern verliert man leicht die Beherrschung, wahnsinn!!

viele Grüße
Steffen

abbeköhl

Hallo Eckhard,

Der zweite Teil deines Beitrages hätte ich doch fast übersehen. Wahnsinn,,, super,,, diese Strukturen und Details die sich einem offenbaren, da kann ich nur staunen.
Vielen Dank fürs zeigen.

Herzliche Grüsse aus der Schweiz,,,   Reto

Rawfoto

Hallo Eckard

unglaublich, die Einblicke hatte ich noch nie ... Danke, genau das Richtige nach einem 16 Stunden Arbeitstag .-)

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

JB

"Typ 1" = Schuppen der Fluegelunterseite
"Typ 2" = Grundschuppen (ground scales)
"Typ 3" = Deckschuppen (cover scales) ?

Ground scales und cover scales sind bei den verschiedenen Morpho-Spezies recht unterschiedlich geformt ...

beamish

Hallo Eckard,

die Bilder sind unglaublich! Was meinst du mit Manipulation des Lichts? Kannst du das im REM so steuern, daß es, z.B. im 5. Bild von rechts kommt?
Und das "blaue" Licht sehe ich nicht. Bei mir ist alles in Graustufen, oder ist das im übertragenen Sinn (Wellenlänge) gemeint?

Herzlich
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Klaus Henkel

Zitat von: Eckhard in Juni 09, 2014, 21:17:13 NACHMITTAGS

Im Querschnitt bilden die Damm-artigen Strukturen eine Art Baum. Wie genau die Farberzeugung funktioniert ist anscheinend noch nicht restlos geklärt. Es scheint sich dabei um eine Kombination aus Beugungs- und Interferenzerscheinungen zu handeln. Die kleinen "Fenster" sind 140x120 nm gross.
Eckhard


Lieber Eckhard V.!

Daß es sich um Beugungs- und Interferenzerscheinungen handelt möchte ich aus meiner Kenntnis der Literatur bestätigen. Diese Farberscheinungen treten auch besonders stark bei Diatomeen, und besonders schön bei den zentrischen auf. Und zwar je kleiner die "Schalendurchbrüche", umso schöner die blaue Farbe bei zu geringer Objektivapertur. Besieht man sich die Bläulinge dann durch eine ausreichende Apertur, sind sie verschwunden und die übliche helle Farblosigkeit erscheint.

Vor vielen Jahrzehnten wurde darüber in den Wiss. Mitteilungen von Carl Zeiss Oberkochen berichtet, das muß schon bald nach 1950, etwa 1955 gewesen sein. Es war eine Artikelserie in Fortsetzungen. Die Jahresbände dieser Zeitschrift für die Wissenschaft (nicht die Zeitschrift für Kunden und Belegschaft) habe ich an ein Forumsmitglied abgegeben. An wen, weiß ich nicht mehr.

In der Artikelreihe war man jenen Farberscheinungen gründlichst nachgegangen.

Einen herzlichen Gruß
von Ihrem KH

Oecoprotonucli

#7
Hallo Martin,

sicher wird Dir Eckard das noch genauer erklären, aber er meint, dass das Licht von der Schuppenstruktur so beeinflusst wird, dass wir beim Schmetterling (makroskopisch) andere Farben sehen (wie sie reflektiert, gebeugt, gebrochen werden, wird Eckard vielleicht erklären? Obwohl:

Zitat von: Eckhard in Juni 09, 2014, 21:17:13 NACHMITTAGS
Wie genau die Farberzeugung funktioniert ist anscheinend noch nicht restlos geklärt. Es scheint sich dabei um eine Kombination aus Beugungs- und Interferenzerscheinungen zu handeln. Die kleinen "Fenster" sind 140x120 nm gross.

Auch Herr Henkel hat ja gerade noch etwas dazu geschrieben.).

Mit dem Elektronenmikroskop hat das nichts zu tun, das ist ja kein LICHTmikroskop und deshalb auch immer schwarzweiß/grau. Die Information die von den Elektronenstrahlen kommt, beinhaltet nur Intensitätsunterschiede und wird auf einem Chip/Film als solches sichtbar gemacht. Da gibt es gar kein Licht, also keine sichtbaren Farben (= unterschiedliche Wellenlängen). Das Elektronenmikroskop kann gerade deshalb so hoch auflösen, weil die Wellenlängen der Elektronen kürzer sind als die des Lichts.

Übrigens ja, man kann die Richtung der Strahlen im REM steuern, besser gesagt, das Präparat auf dem Teller im Strahl drehen.

Viele Grüße

Sebastian
Ich benutze privat:
Leitz SM-Lux mit (LED-) Durchlicht und Phaco-Ausrüstung (ca. 1975-77)
Hensoldt Wetzlar Stereomikroskop DIAMAL (1950er Jahre)

beamish

Hallo Sebastian,

daß aus dem REM keine Farbbilder rauskommen, war mir eigentlich klar. Inzwischen habe ich auch kapiert, daß hier die im realen Licht blau erscheinende Farbe der Schuppen gemeint ist. Ich sollte halt sorgfältiger lesen.
Interessieren tut mich aber nach wie vor, wie und ob man im REM die "Beleuchtungsrichtung" steuern kann.

Grüße
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Tobse

Hallo Martin,

du kannst den Effekt der Nanostrukturen auch testen in dem du im Lichtmikroskop zwischen Auflicht und Durchlicht wechselst, dann wechseln die Schuppen ihre Farben.

Ein Freund von mir (wir haben ein Video zusammen gemacht) hat auch darüber ein Video gemacht, dort erklärt er auch ein bischen wie so ein REM in etwa funktioniert.
http://youtu.be/LE2v3sUzTH4

Gruß
Tobias

Oecoprotonucli

Guten Morgen zusammen,

Zitat von: Klaus Henkel in Juni 11, 2014, 00:27:40 VORMITTAG
Die Jahresbände dieser Zeitschrift für die Wissenschaft (nicht die Zeitschrift für Kunden und Belegschaft) habe ich an ein Forumsmitglied abgegeben. An wen, weiß ich nicht mehr.

Wenn man dem auf den Grund gehen will und das Forumsmitglied nicht auszumachen ist, würde vielleicht der offizielle Titel der Zeitschrift zur Eingrenzung helfen, ist Ihnen dieser vielleicht noch bekannt, Herr Henkel?

Ich selbst will dazu jetzt keine Literaturarbeit starten, aber wenn man das hier zufügt, fände ich es gut - außerdem könnte diese Zeitschrift ja generell für die Mikroskopiker interessant sein.

Besten Gruß

Sebastian
Ich benutze privat:
Leitz SM-Lux mit (LED-) Durchlicht und Phaco-Ausrüstung (ca. 1975-77)
Hensoldt Wetzlar Stereomikroskop DIAMAL (1950er Jahre)

beamish

Hallo Tobias,

Danke, für das tolle Video!

Grüße
Martin


Zitat von: Tobse in Juni 11, 2014, 08:59:04 VORMITTAG
Hallo Martin,

du kannst den Effekt der Nanostrukturen auch testen in dem du im Lichtmikroskop zwischen Auflicht und Durchlicht wechselst, dann wechseln die Schuppen ihre Farben.

Ein Freund von mir (wir haben ein Video zusammen gemacht) hat auch darüber ein Video gemacht, dort erklärt er auch ein bischen wie so ein REM in etwa funktioniert.
http://youtu.be/LE2v3sUzTH4

Gruß
Tobias
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Klaus Henkel

Zitat von: Oecoprotonucli in Juni 11, 2014, 09:00:23 VORMITTAG

Zitat von: Klaus Henkel in Juni 11, 2014, 00:27:40 VORMITTAG
Die Jahresbände dieser Zeitschrift für die Wissenschaft (nicht die Zeitschrift für Kunden und Belegschaft) habe ich an ein Forumsmitglied abgegeben. An wen, weiß ich nicht mehr.

Wenn man dem auf den Grund gehen will und das Forumsmitglied nicht auszumachen ist, würde vielleicht der offizielle Titel der Zeitschrift zur Eingrenzung helfen, ist Ihnen dieser vielleicht noch bekannt, Herr Henkel?

Sebastian


Zeiss Mitteilungen über die Fortschritte der technischen Optik. 1. Folge. (Schriftleiter Johannes Flügge). [Gebundene Ausgabe]
Gust. Fischer 1957

Die gebundene Ausgabe eines Bandes, der wohl mehrere Jahre überspannt sieht so aus:
http://www.amazon.de/Mitteilungen-Fortschritte-technischen-1-Folge-Schriftleiter/dp/B004HXQPS2

Ich glaube nicht, daß die Zeitschrift nach 1964 weitergeführt wurde. Näheres ist sicherlich im Zeiss-Archiv in Jena zu erfragen.

Grüße
KH

Oecoprotonucli

Hallo miteinander,

zwei Mal Danke:

an Herrn Henkel für die Literaturangabe (also sollten das neben den antiquarischen Händlern auch Bibliotheken haben - und nicht nur Firmenarchive. Ist also wohl keine graue Literatur);

an Tobias für das Video!

Viele Grüße

Sebastian
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Hensoldt Wetzlar Stereomikroskop DIAMAL (1950er Jahre)

Eckhard

#14
Hallo in die Runde,

ich kenne das Video, habe aber bewusst darauf verzichtet, es in meinem Beitrag zu zitieren. Denn die Erklärung, wo die blaue Farbe herkommt, ist schlicht und ergreifend falsch (Weiss - gelb = blau)! So einfach ist es leider nicht. Wie das nächste Bild zeigt, liegt der Abstand der Damm-artigen Struktur bei den Schuppen des Typs 3 nicht im gelben Bereich des Lichtspektrums.



Die nachfolgenden Zitate sind aus:

Structural colors from Morpho peleides butterfly wing scales, Yong Ding, Sheng Xu, and Zhong Lin Wanga
JOURNAL OF APPLIED PHYSICS 106, 2009

ZitatStructurally, there are two types of scales on Morpho butterfly wings, which are named individually as cover and ground scales. The main structure on both scales is the ridges or vane with periodically arranged shelves in each ridge. It is considered that the light reflection and interference from the shelves give their shining blue color.3,13 The regularity and irregularity in the structures were further emphasized by Kinoshita and Yoshioka (2005). However, the different functions of cover and ground scales are still under debate. In this paper, using the male Morpho peleides butterfly as an example, the structural differences between the cover and ground scales have been explored by cross-sectional electron microscopy. The observed structures can be directly linked to the different reflection spectra acquired from the cover and ground scales.

ZitatIt is obvious that the ground scales can give the blue color as the cover scales ...

ZitatTotally, four peaks—assigned as A1, A2, A3, and B—have been identified. The blue color related peak B is mainly contributed by the Bragg reflection from the shelf structure in the scale ridges. The A1, A2, and A3 peaks come from the thin film interference effect of the base plate. Due to the different inclination angles of the shelves relative to their scale planes, the beams with the same incidence angle will be reflected to different directions by the cover and ground scales. The missing of A1, A2, and A3 reflection peaks in the ground scales is due to the densely arranged cross ribs and trabeculae on the scale, which screen the thin film interference effect contributed by its base plate.

Die Peaks sind, je nach Winkel des einfallenden Lichtes wie folgt:

A1: 1466-1351 nm
A2: 489-450 nm
A3: 288-259 nm
B:   418-385 nm

Da sowohl die "Cover Scales" (Typ 2) und die "Ground Scales" (Typ 3) die blaue Farbe verursachen, kann der Abstand der "Ridges" (Damm-artige Struktur) nicht für die Farbe verantwortlich sein. Und dies wird in dem Video vollkommen falsch dargestellt.

Anscheinend sind es Beugungserscheinungen (Bragg Bedingung: http://de.wikipedia.org/wiki/Bragg-Gleichung), die für die Farbe verantwortlich sind, und diese werden durch die Nanostruktur der Damm-artigen Struktur erzeugt. Verstanden habe ich das natürlich nicht wirklich.

Hier noch ein paar Bilder - ohne Volksfest. Leider ist diese Struktur sehr delikat. Der Elektronenstrahl biegt die Struktur während der Aufnahme.


Ich habe bei den Schuppen und geringer Vergrösserung mit Moiré-Effekten zu kämpfen.


Beide Schuppentypen


Damm-artigen Strukturen (Ridges) bei Schuppen des Types 3 (ground scales)


Damm-artigen Strukturen (Ridges) bei Schuppen des Types 2 (cover scales)

Herzliche Grüsse,
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
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