Rädertier in der Flasche? = Habrotrocha angusticollis.

Begonnen von rekuwi, Juli 05, 2014, 14:42:44 NACHMITTAGS

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rekuwi

Liebe MikroskopikerInnen,

vom Pillerseetreffen brachte mir Klaus Proben vorbei. (Danke lieber Klaus für Deine Mühe!) So konnte ich doch zuhause ein wenig teilhaben an der Fülle der Kleinlebewesen dort in den Mooren.

Das Gieringer Moor ist besonders ergiebig. Neben vielen Zieralgen fand ich auch etwas sehr merkwürdiges: ein Rädertier, das offensichtlich in einer "Flasche" (ob nun von einer Schalenamöbe stammend oder von was anderem?) lebt. Ich dachte erst die Flasche ist mit der dazugehörigen Amöbe bewohnt denn es streckte sich langsam etwas bis an die Vorderkante des Halses vor. Bei größerer Vergrößerung (40x Objektiv) machte ich dann folgende Bilder, bei denen der Kauer gut zu erkennen ist:





Länge der "Flasche" ca. 200 µm.
Jetzt ist die Frage wie das Rädertier da hineinkommt. Wer hat Ähnliches schon mal beobachtet?

Noch eine weitere leere Flasche fiel mir auf:



Diese war durchsichtig und mit vielen runden Beulen und Dellen im Körper. Kommt auf dem Bild leider nicht richtig raus. Länge knapp 100 µm. Kennt jemand diese Schalenamöbe?

Herzliche Grüße
Regi




limno

#1
Liebe Regi,
ich habe mal im "Donner" d e m Bestimmungsbuch für die Bdelloidea nachgesehen- und bin mir- obgleich ich anhand deiner gelungenen Fotos nicht den ganzen Schlüssel durchackern kann, recht sicher, dass es sich bei Deiner Entdeckung um ein Häusle bauendes Rädertier, nämlich Habrotrocha angusticollis  handelt. 1. die Form des "engen "Flaschen"kragens" (Artname!) ohne dicken Wulst, 2. Gehäusegröße (und Farbe): 113 - 180µm. 3. zieht auch in leere Gehäuse moorbewohnender Schalenamöben(Nebela, Difflugia) ein, sozusagen ein Haus mit zwei Wänden. Auch der Mastax (Kaumagen) ist wie die die Abbildung im "Donner".
Freudige Mikroskopikergrüße
Heinrich(limno)
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

rekuwi

Lieber Heinrich,

oh toll, danke für Deine schnelle Antwort. Eigentlich hätte ich auch drauf kommen können, den H.a. ist sogar im "Wassertropfen" abgebildet und beschrieben. Hatte ich aber übersehen und mir kam der Hals auch so eng vor daß ich mir garnicht vorstellen konnte wie da noch die Räder rauskommen könnten. Dieses Schauspiel hatte mir das Viecherl leider nicht geboten.
Noch eine Zusatzfrage habe ich aber: wenn H.a. auch in fremde Gehäuse einzieht, wie klein oder groß ist es dabei?

Herzliche Grüße
Regi

limno

#3
Guten Morgen Regi,
Rädertiere sind zellkonstant(Eutelie) d.h. von Geburt an kommt keine Zelle mehr dazu! Zwar halte ich es für möglich, das die Zellen durch Wasseraufnahme z.B. nach dem Schlupf ein klein wenig an Größe zunehmen, aber das ist hier wohl vernachlässigbar. Laut DONNER ist das "eigene" Häuschen ein Sekret der Hautzellen. Ich vermute mal, dass sie in ihrer zarten unbehausten Jugend, falls sich ein passendes leeres Gehäuse einer Schalenamöbe anbietet, dieses beziehen und darin ihr eigenes Häuschen ausbilden.
Allzeit gut Licht und einen (noch) heiteren Sonntag wünscht
Heinrich(limno)
P:S. In meinem "Wassertropfen" 10. Auflage ist H. angusticollis noch nicht zu finden.
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Klaus Henkel

Zitat von: limno in Juli 06, 2014, 09:46:09 VORMITTAG

Heinrich(limno)
P:S. In meinem "Wassertropfen" 10. Auflage ist H. angusticollis noch nicht zu finden.

Guten Morgen Limno-Heinrich und
Guten Morgen liebe Regi!

In meiner "Wassertropfen"-Auflage 8 (1988) ist Habrotrocha angusticollis auf Seite 272 beschrieben und auf S. 273 mit Nr. 1c abgebildet.

Der Beschreibungstext: Fuß sehr klein. Hals mit 4 Wülsten. Schlundrohr sehr lang. Baut zunächst farbloses, dann grau-grün oder braun werdendes Gehäuse aus Sekret. G 250 bis 280 µm. L In Mooren zwischen Moosen, auf Quellmoos (Fontinalis).

Sonntagsgrüße!
KH

Monsti

Liebe Regi,

das letzte Foto zeigt die leere Schale von Hyalosphenia elegans, einer Schalenamöbe. Im Wassertropfen (10. Aufl.) ist sie auf S. 236 abgebildet.

Herzliche Grüße
Angie

P.S. Nahezu alle hier zu findenden Mikrorganismen sind übrigens auch in meiner Moor-Homepage zu finden.  ;)

limno

Lieber Herr Henkel,
sie haben recht, auch bei mir ist es auf S.285 abgebildet. Ich hatte den zugehörigen Text nicht gelesen und mich auf die Zeichnung verlassen.
Im "Donner" ist das Gehäuse fast schwarz und Organe fast nicht sichtbar. Vermutlich wollte Heinz Streble wohl die Ansprache eines juvenilen Tieres  erleichtern.
Herzliche Mikrogrüße
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

rekuwi

Liebe "Herrschaften",

danke für die weiteren Aufklärungen. Daß Rädertiere keine weiteren Zellen während ihres Lebens aufbauen wußte ich. Deshalb meine Verwunderung wie sie wohl in solch einen engen Hals reinschlüpfen können - wenn die abgebildete Flasche tatsächlich von einer Schalenamöbe stammen sollte. Vermutlich ist es aber doch die eigene Schale dieses Habrotrocha angusticollis Rädertiers.

Liebe Angie,

mein "Wassertropfen" ist die 9. Auflage. Da habe ich darin vergebens nach der fraglichen suchen können. Danke für die Bestimmung. Und in Zukunft werde ich auf Deiner Seite nachstöbern. Mußte mich da erstmal zurechtfinden - ist ja toll was Du alles zusammengetragen und beschrieben hast. Meine Güte, was steckt da eine Arbeit und ein Fleiß dahinter!!

Herzliche Grüße
Regi