Zeiss-Drehtisch: Wartung und Pflege des Drehlagers

Begonnen von -JS-, Juli 28, 2014, 14:19:36 NACHMITTAGS

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-JS-

Liebes Forum,

der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Wartung und Pflege des Hauptlagers eines zentrierbaren Drehtisches aus der Standard-Serie von Zeiss. Es wird die Demontage des Lagers, die Reinigung, das Neu-Fetten sowie die Rückmontage gezeigt.

Benötigtes Werkzeug und Material: Schraubendreher mit 2,5mm Klingenbreite, verstellbarer Stirnlochmutternschlüssel, Pinzette für Kugellager-Kugeln, Zahnstocher, WD40, Waschbenzin, mittelviskoses Nadellagerfett, Putzlappen, Ohrreinigungsstäbchen.
Eine mit Tuch ausgelegte Fotoschale ohne Sicken hilft sehr, die oftmals ungeahnt weiten Fluchtwege von Kugellagerkugeln auf ein überschaubares Maß zu begrenzen.



Bild 1

Die Ausgangssituation:
Der Tisch ist mitsamt seinem Halter vom Mikroskop abgebaut, die X-Führung des Kreuztisches ist bereits unter Verwendung eines kleinen Stirnlochmutternschlüssel demontiert.



Bild 2

Der Tischträger ist vom Drehtisch abgenommen und dessen Unterseite gezeigt. Auf ca. 1 Uhr ist die (noch festgezogene) Arretierung des Drehtisches, auf 3 Uhr die Rändelschraube für die Y-Führung des Kreuztisches zu sehen, zusammen mit der kleinen Rändelschraube darunter für das Feststellen des Y-Vorschubes.
Das gesamte Drehlager wird von der großen matt verchromten Ringschraube gehalten.



Bild 3

Li: Zum Entfernen der großen Halteschraube sind zunächst drei Gewindestifte zu lösen. Ein vollständiger Ausbau der 'Maden' ist nicht notwendig, sie können, halb herausgeschraubt, sehr gut als Handgriff verwendet werden.
Re: Rote Markierungen: die halb herausgedrehten Gewindestifte. Bei festsitzendem Haltering ist die Verwendung eines wie im Bild gezeigten verstellbaren Stirnlochmutternschlüssels empfohlen.
Hilfsweise tut es ein Vierkantstab aus Hartholz mit in passendem Abstand eingeschlagenen und anschließend auf den erforderlichen Durchmesser beschliffenen Messingstiften genau so gut.



Bild 4

Li: Die Halteschraube ist abgenommen und mit ihrer Unterseite nach oben abgelegt. Das erste Kugellager (im eingebauten Zustand des Tisches das untere) ist nun zugänglich, man erkennt die insgesamt 60 Kugeln sowie den Abstandsring aus Messing.
Re: Der Abstandsring ist vorsichtig mittels Zahnstocher angehoben und abgenommen, die Kugeln des ersten Lagers liegen nun frei.



Bild 5

Li: Mit der absolut 'stylishen' Kugel-Pinzette aus der Schmiede von Frank Donat (Danke, Frank!) lassen sich die Kugeln mühelos absammeln
Re: Die 60 Kugeln werden in einer kleinen Petrischale verwahrt.



Bild 6

Li: Wenn die Kugeln des ersten (unteren) Kugellagers entfernt sind, wird die Arretierung für die Tischdrehung gelöst und der Drehring vorsichtig senkrecht nach oben abgenommen. Damit wird das zweite (obere) Kugellager freigelegt.
Re: Das zweite Lager ist genau wie das erste aufgebaut: Abstandsring, 60 Kugeln. Eventuell fehlende Kugeln können möglicherweise am Drehring 'kleben', dieser ist daher sofort nach der Abnahme auf die Anwesenheit von 'flüchtig gewordenen' Kugeln zu prüfen.



Bild 7

Li: Der zweite Abstandsring aus Messing wird abgenommen und die Kugeln des zweiten Lagers liegen frei.
Re: Die Kugeln sind abgesammelt und warten zusammen mit denen aus dem ersten Lager auf ihr Bad in Waschbenzin.



Bild 8

Li: Die 124 Einzelteile des Lagers (120 Kugeln, zwei Abstandsringe, Drehring, Haltemutter), nach der Reinigung.
Re: Der Lagerträger aus Messing unterhalb des Mikroskoptisches, ebenfalls mit WD40 und Waschbenzin unter Verwendung von Putzlappen und Ohrreinigungsstäbchen gereinigt.

Der Rückbau umfasst neben dem Neu-Fetten die gleichen Arbeitsschritte in umgekehrter Reihenfolge.



Bild 9

Li: Einsetzen des Abstandsringes in das zweite (obere) Lager.
Re: Einfüllen von frischem Fett in die Aussparungen des Abstandsringes. Die im Bild gezeigte Menge ist vollkommen ausreichend, ein Mikroskop-Drehtisch ist ja kein Portalkran...



Bild 10

Li: Einbringen der Kugeln mittels mit Fett 'befeuchtetem' Zahnstocher. Die Kugeln werden bis zu ihrem Sitz hinunter gedrückt.
Re: zweites (oberes) Lager komplett mit Kugeln aufgefüllt, Drehring aufgesetzt und zur Vorsicht die Klemmung angezogen, damit nicht durch eine ungewollte Bewegung die Kugeln in Unordnung geraten oder aus dem Abstandsring gedrückt werden können.



Bild 11

Li: Wie in Bild Nr. 9 Rechts gezeigt, erfolgt nach dem Einsetzen des zweiten Abstandsringes auch im ersten (unteren) Lager ein sparsames Einbringen von frischem Fett und das anschließende Einlegen der anderen 60 Kugeln.
Re: Das untere Lager, frisch gefettet und mit den Kugeln komplettiert.



Bild 12

Li: Die Haltemutter wird innen dünn mit Fett bestrichen, anschließend vorsichtig genau senkrecht auf das Gewinde des Lagerträgers gesetzt und mit Bedacht angeschraubt. Ein Verkanten der Haltemutter ist auf jeden Fall zu vermeiden, dies kann unter Umständen dazu führen, dass einzelne Kugeln aus dem Haltering gedrückt werden. In diesem Fall muss der Vorgang gemäß Bild 11 wiederholt werden.
Re: Die Haltemutter wird moderat bis zum ersten spürbaren Widerstand angezogen.
Danach wird allerdings eine Drehbewegung des Tisches (vorher bitte die Klemmung lösen) nur schwer oder gar nicht möglich sein.
Anschließend wird die Haltemutter wieder um ca. 45 Grad gelöst und die Drehbewegung des Tisches erneut geprüft. Dieser Vorgang ist nach individuellem Geschmack so lange vorzunehmen, bis die Drehbewegung des Tisches eine ansprechende Haptik hat.
Anschließend werden die drei in der Haltemutter befindlichen Stiftschrauben angezogen.



Bild 13

Nach Komplettierung des Drehtisches mit der X-Führung des Kreuztisches ist die Arbeit am Hauptlager des Drehtisches beendet.

Die abschließende Prüfung erfolgt mit einem Objektiv 20 und einem Objektmikrometer. Die Tischdrehung ist dann sauber eingestellt, wenn bei führiger Bewegung das scharf eingestellte Objekt über 360 Grad in der Schärfeebene verbleibt.
Anderenfalls ist das Lager zu locker eingestellt und muss entsprechend korrigiert werden.

Herzlichen Dank für's Lesen.

Ich freue mich sowohl über Anregungen als auch über kritische Bemerkungen.

Joachim
... bevorzugt es, ge_Du_zt zu werden ...

Klaus Herrmann

ZitatIch freue mich sowohl über Anregungen als auch über kritische Bemerkungen.

Würdest du ausnahmsweise auch volles Lob für diese prefekte Dokumentation annehmen lieber Joachim? ;) :)
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

A. Büschlen

Hallo Joachim,

ich danke dir für diese ausführliche und klar verständliche Anleitung. Sie ist sehr gut dokumentiert!

Gruss Arnold

Kennst du das Originalwerkzeug von Zeiss um die Schraube der X-Führung zu lösen? Ich fand Dies zufällig beim Zubehör eines Phomi II. Noch original-verpackt und das seit 1970!
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

pantani

Lieber Joachim,

eine perfekte Anleitung hast Du da wieder zusammengestellt.
Schade, daß mein Tisch noch ausreichend gut funktioniert  ;) . Man könnte glatt der Versuchung erlegen mit dieser Dokumentation der perfekten Einstellung nahe zu kommen.
Bei 120 Kügelchen, die gebändigt werden wollen, ist mir aber noch rechtzeitig eingefallen, daß ich dann doch nicht vergnügungssüchtig bin.

Viele Grüße,
Peter