Zeiss West Planapo 63/1,4 - Reparatur leider erfolglos

Begonnen von Frank D., September 08, 2018, 13:51:47 NACHMITTAGS

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Frank D.

Hallo,

vielleicht ist die Beschreibung der Symptome eines vermutlich unbrauchbaren Objektivs ja doch einen Reparaturversuch wert. In meinem Fall wäre er es gewesen, wenn nicht ...

Ein Zeiss West Planapo 63/1,4 Öl 160/0 kam mit dem Verdacht auf Öleintrag auf meinen Arbeitsplatz. Eine Durchmusterung mit Lupe und Stemi ergab leider eine ausgeprägte kreisrunde konzentrische Delamination in einem der unteren Linsensegmente. So sehr ausgeprägt, dass ich anfangs Lichtreflexionen durch den teilweise abgetragenen Lackring der Frontlinse vermutete.

So lag das Objektiv einige Tage auf meinem Schreibtisch und musste immer wieder begutachtet werden. So ein tolles Teil ... unbrauchbar ... unfassbar!
Dann fiel mir etwas auf, was nicht zu meinen ersten Beobachtungen passte: Die Delamination war nicht 100%ig konzentrisch!
Was mir später bewusst wurde war, dass ich das Objektiv zeitweise waagerecht, dann aber auch senkrecht stehend abgelegt hatte. Da es wohl keine Wanderdelaminationen gibt, kam wieder das Öl ins Spiel.

Und richtig: Nach dem dokumentierten Ausbau zeigte sich ein "gewaltiger" Öleintrag zwischen der nach innen stark gewölbten Frontlinse und der nächsten Linsengruppe. Die konvexe Linsenform der Frontlinse, die im zentralen Bereich fast die nächste Linsenfläche berührt, war auch der Grund für die zum Rand hin stärker ausgeprägte Ölfüllung.

Ich hänge einmal alle gemachten Fotos an:

Die ersten drei Bilder zeigen den Öleintrag zwischen Frontlinse und erster Linsengruppe nach dem Entfernen der restlichen Segmente.
So deutlich war die Situation beim "Durchfahren" des vollständigen Objektivs nicht zu erkennen. Auch die Ausdehnung der vermuteten Delamination hatte sich nur auf den äußeren Rand beschränkt; eine Folge der hohen Apertur.














Die Ursache der Ölfüllung:
Eine defekte Kunststoffdichtung zwischen Frontlinsenfassung und innerer Messinghülse. Und auch nur dann, wenn der Öltropfen am Objektiv vor dem Revolverschwenk nicht abgetupft wird. Die Neigung des Objektivs in einem 5er-Revolver lässt es zu, dass der Tropfen entlang der konischen Linsenfassung bis zur Dichtung wandert.







Alle Linsen wurden gereinigt, die innere Frontlinsenfassung neu mattiert und die Linsengruppen in richtiger Position zueinander montiert. Der defekte Dichtungsring wurde durch einen 2K-Kleber ersetzt.
Bei der Demontage ist während der Trennung der Linsensegmente besonders auf die hauchdünnen Alu-Abstandsringe zu achten. Diese verbinden sich gerne mit beiden angrenzenden Linsenfassungen und können beim Trennen schnell reißen!





























Warum war nun die Reparatur erfolglos?
Während der Reinigung sind mir leider an zwei Linsengruppen leichte aber flächige Delaminationen aufgefallen. Auf den ersten Blick und während der Durchmusterung nicht zu erkennen, vermute ich hier den Grund, warum dieses empfindliche Objektiv den Vergleich zu einem identischen, einwandfreien Objektiv, nicht standhält.
(die ersten 6 Aufnahmen sind mit polarisiertem Licht gemacht, die Del. wäre sonst nicht so deutlich zu erkennen)

















Vielleicht zeigt das eine oder andere Objektiv ähnliche Anzeichen und vielleicht lohnt sich hier, nach sorgfältiger Begutachtung und auf Anzeichen einer Delamination achtend, eine Reparatur.

Viele Grüße
Frank

Klaus Herrmann

Hallo Frank,

eine tolle Arbeit und perfekt dokumentiert. Ich hätte mich nicht dran getraut. Schade, dass es trotzdem kein echter Erfolg war.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Bob

Hallo Frank,

vielen Dank für diese sorgfältige Dokumentation! Da steckt eine Menge Arbeit drin.
Mit so einer Vorlage macht man sich doch eher mal daran, einen Briefbeschwerer zu zerlegen.

Viele Grüße,

Bob

Frank D.

Hallo Klaus, hallo Bob,

ja, es war für mich eine herbe Enttäuschung, nach dem ich die def. Kittstellen entdeckt hatte. Es betraf aber nicht so sehr den Zeitaufwand, sondern eher die Gewissheit, dem Besitzer schließlich doch mitteilen zu müssen, dass das Objektiv nicht die volle Leistung erbringt. Dabei konnte ich zu diesem Zeitpunkt den Grad der Leistungseinbußen noch gar nicht bestimmen. Ich hatte ja nur einen 100er Planachromaten und ein Neofluar als Vergleichsobjektiv.
Natürlich wurde zum Test der geeignete Kondensor eingesetzt, nach allen Regeln der Kunst geköhlert, doppelseitig immergiert und ein Roland-Präparat benutzt. Trotzdem hätte es ja sein können, dass ich dieser Objektivklasse "nicht gewachsen" bin. Naja, meine Befürchtung wurde dann leider vom Besitzer bestätigt: "Besser als vorher, aber einem zweiten, identischen Objektiv nicht gewachsen".

Die Fotodoku nur auf der Festplatte zu horten, wäre bei so einem schönen Objektiv zu schade gewesen. Vielleicht findet sich ja mal ein 63/1,4 ohne Delamination und nur mit Öl .... wohl aber nur umgekehrt.

Viele Grüße
Frank

Klaus Schloter

Hallo Frank,
nachdem Du das Objektiv schon auseinandergebaut hast (Respekt) hätte es sich sicher gelohnt in die Fassungen der delaminierten Linsen einige Tropfen Caedax zu geben und 1-2 Wochen unter Vaccum zu inkubieren .
In der Vergangenheit konnte ich so einige Telanlinsen "reanimieren".
Bei den kleineren Linsen müsste das sogar einfacher gehen.
Schönen Abend
Klaus

Frank D.

Hallo Klaus,

ja, das wäre eine Möglichkeit. Nur, ich habe keinen Exsikkator und möchte auch ungern so eine Einrichtung über mehrere Tage unbeaufsichtigt lassen.
Randdelaminationen an ungefassten Linsen bekomme ich größtenteils in den Griff; allerdings nur in einem Balsam/Xylol-Gemisch.
Diese in Messing gefassten Linsenpakete zeigten sich, auch über mehrere Wochen eingelegt, bisher unbeeindruckt. Also habe ich es mit meinen bescheidenen Möglichkeiten verworfen, solche Delamiantionen zu reparieren.

Das zweite wäre das verwendete Einschlussmittel. Bei einem so hochgezüchteten Objektiv würde ich Einbußen durch die wahrscheinlich unterschiedlichen Brechungsindizes vermuten. Aber das wäre ja mal einen Versuch wert.

Gäbe es denn diese Vakuumgeräte in betriebssicherer Kleinstausführung zu kaufen oder könnte man sie ausleihen?

Danke für den Hinweis
Frank