Betäubung von Wasserorganismen

Begonnen von Heiko Ressin, September 01, 2014, 16:22:50 NACHMITTAGS

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Heiko Ressin

Hallo zusammen,

gibt es ein in der Apotheke oder Drogerie erhältliches Mittel, mit dem man Mikroskopische Wasserorganismen für eine Zeitlang Betäuben kann um bessere Aufnahmen zu machen? Ich würde gerne mehrere Aufnahmen zum Stacken machen, möchte aber die Lebewesen nicht töten.
Heiko Ressin
66809 Nalbach

the_playstation

#1
Hallo Heiko.
Geht es Dir darum, daß Sie zu schnell den Sichtbereich verlassen oder z.B. zu schnell mit irgendwelchen Gliedmaßen "zucken"?
Man kann eventuell die Organismen etwas zwischen Objektträger und Deckglas einklemmen, indem man seitlich Wasser absaugt oder man engt den Wirkungsradius durch unbewegliches Material ein. Oder man lockt die Organismen durch Futterquellen an.
Ein Pantoffeltierchen bleibt dann recht ruhig beim "Futtertrog".

Blitzen (Blitz als Lichtquelle) hilft bei "zappeligen" Organismen.

Stacken wird schwierig. Ich glaube nicht, daß sich ein Organismus, auch bei Betäubung, derart still verhält. Um welchen Organismus handelt es sich?

Eventuell ein High Speed Fotoapperat mit schneller Serienbild- oder Slowmo-Funktion (Casio Exlim FC 100).

Die Viskosität der Flüssigkeit erhöhen.

LG Jorrit.
Die Realität wird bestimmt durch den Betrachter.

Dr. Jekyll

Hi,

Versuchs mal mit Sprudelwasser (langsam hoch titulieren).

Gruß
Harald
Beste Grüße
Harald

Peter V.

#3
Hallo,

lass Dir von einem begnadeten Limnologen  ;) sagen: Es gibt nix! Im Ernst: Ich bin kein großer Tümpler, habe aber mit Interesse über lange Jahre entsprechende Threads zu diesem Thema gelesen (das ja immer wider einmal aufkommt). Auch ich dachte mir anfangs: Da muss es doch etwas geben, notfalls von Ratiopharm! Weil der Anfänger natürlich am meisten mit diesem Problem kämpft und die Viecher gene "beqeuem" und wirkungvoll ruhigstellen möchte. Meine Erkenntnis aus all diesen Threads ist, dass es zwar einige Vorschläge/Ideen gibt (eben Sprudelwasser zur "CO2"-Narkose, Methycellulose(Tapetenkleister) zur Immoblisierung etc.). Aber letztlich funktioniert wohl nichts wirklich zufriedenstellend. Es muss wohl früher einmal eine Substanz namens "MS222" gegeben haben, die angeblich einigermaßen wirkungsvoll gewesen sein soll, diese ist aber nicht mehr erhältlich.

Insofern hilft wohl nur das klassische "Einklemmen" zwischen Deckglas und Objektträger durch Verringerung der Schichtdicke (Absaugen des Wassers seitlich vom Deckglas mit Filterpapier bzw. spontane Verdunstung abwarten). Und dann den rechten Moment nicht verpassen, bevor die "Viecher" durch den Deckglasdruck platzen. Es hat wohl seinen Grund, dass alle fortgeschrittenen Tümpler und Mikrofotgrafen ausschließlich mit niedriger Schichtdicke zur Immobilisierung arbeiten, da sich offenbar kein anderes Verfahren bisher wirklich bewährt hat.

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Dünnschliffbohrer

#4
In einem Buch (vieleicht im Stresemann?, hab aber gerade keine Lust nachzusuchen nein, habs jetzt doch gefunden: "Piechocki/Händel: Makroskopische Präparationstechnik, T. II., Wirbellose: S. 292)) wurde u.a. Magnesiumsulfat (Bittersalz) empfohlen (ich meine mich zu erinnern für Bryozoen). Ausprobiert habe ich es aber noch nicht. Zumindest sollte es problemlos beschaffbar sein. Und wie immer: "die Dosis macht das Gift" (Theophrastus Bombastus von Hohenheim).

Viel Erfolg, Dsb.


P.S.: Ich sehe beim Durchblättern: oft wird auch Magnesiumchlorid genommen, auch für alle möglichen anderen Wassertiere, aber auch abenteuerlichere Rezepturen bis hin zum Durchblasen von Tabakrauch...  Man findet in dem Buch viel. Vorne im Buch ist dem Thema "Betäubung" ein ganzes Kapitel gewidmet.

"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]

Kurt Wirz

#5
Hallo Heiko

Etwas das man öfters und erst noch gratis zur Verfügung hat, ist Urin.
Einige Tropfen reichen oft.
Es ist mindestens ein Versuch wert.

Kurt

Peter V.

Hallo Wolfgang,

ich meinte das auch eher als Anlehnung an die bekannte Werbung mit den Zwillingen, wonach es ja für/gegen alles auch etwas von Ratiopharm gibt.

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Piper

Hallo,

es gab genau hierzu schon einen Thread im Forum, ist aber schon länger her.

Man kann versuchen, die lebenden Objekte im Wassertropfen (ohne Deckglas!) innerhalb eines Marmeladenglases waagerecht aufzubocken. Unter den Objektträger schiebt man dann einen Wattebausch, der mit ein wenig Schwefeläther getränkt ist. Dann muss der Deckel für einige Minuten auf das Glas. Je nach Äthermenge und Einwirkzeit ergibt sich eine "Narkose" oder ein "anästhesiologisch letaler Verlauf".

Die so ruhig gstellten oder schmerzlos getöteten Mikroorganismen können hernach mit einem Deckglas bedeckt und wie üblich beobachtet und fotografiert, natürlich auch gestackt werden.

Schöne Grüße

Jörg

Heiko Ressin

Hallo zusammen,

ich möchte mich erst einmal herzlich bei euch bedanken für die vielen Ratschläge, von der Methode mit MS222 und Methylzellulose habe ich auch gelesen gestern Abend.
Schade, das es dieses MS222 (soll ein Düngemittel für Pflanzen gewesen sein) nicht mehr gibt.
Überrascht hat mich der Tipp mit dem Urin, hoffentlich stören dann die Kristalle nicht zu sehr  :D Oder muss man etwas besonderes zuvor Trinken?
Es bleibt wohl beim Ausprobieren.
Und ja, es geht mir darum die Einzeller ruhig zu stellen ohne sie zu töten um mehrere Aufnahmen machen zu könne und zu stacken.
Bei Beschalten Amöben geht es zumindest zeitweise so das man manchmal drei oder vier Bilder hinbekommt. Aber zum Beispiel Pantoffeltierchen, die sind einfach zu hektisch unterwegs.
Aber trotzdem danke euch allen, vielleicht weis ja noch jemand etwas oder es gibt ein anderes Düngemittelchen für Pflanzen mit der selben Wirkung wie das MS222.

Gruß Heiko
Heiko Ressin
66809 Nalbach


treinisch

Hallo,

Zitat von: Heiko Ressin in September 02, 2014, 15:50:25 NACHMITTAGS
Schade, das es dieses MS222 (soll ein Düngemittel für Pflanzen gewesen sein) nicht mehr gibt.

MS222 war und ist kein Düngemittel für Pflanzen.

Dürfte Dich auch nicht weiterbringen. Es wirkt schon bei Crustaceen nur sehr eingeschränkt und kaum vorhersagbar.

Bei Rädertieren, Gastrotricha und Tardigraden wirkt es fast gar nicht und bei Einzellern auch nicht.

Magnesiumsulfat wird jedenfalls bei Crustaceen, Gastrotricha und Rädertieren, ob es auch bei Einzellern wirkt?

Viele liebe Grüße!

Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

Kurt Wirz

#11
Hallo

Tricain-Methansulfonat (Metacain) wurde unter dem Handelsname MS-222 SANDOZ verkauft. Es war ein bevorzugtes Anästhetikum für Fische, Frösche und andere Kaltblüter.
Viele Jahre wurde es nicht mehr hergestellt. Inzwischen ist es wieder als Tricaine-S erhältlich, SIEHE Link von Klaus Schloter.

Kurt

Peter V.

Hallo,

mir ist auch nicht klar, wie es wirken sollte. Offenbar ist es ein Muskelrelaxans, wenn man Wikipedia glauben darf. Einzeller dürften ziemlich sicher keine Muskeln haben... ;)

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

limno

Hallo an alle Tümpler!
@ Peter: Ja,Deinen Einwand kann ich bestätigen. Im Streble/Krauter wird gemutmaßt, dass (analog zum Aktin-Myosin-System im Muskel)Magnesiumionen Calciumrezeptoren blockierten und so die Cilienbewegung bremsten. Vor längerer Zeit habe ich einmal mit verschiedenen Magnesiumsalzen experimentiert. Aber ganz gleich, welche Konzentration ich anwandte:entweder war kein Effekt zu beobachten oder die Paramecien blieben  liegen- für immer! Erhofft hatte ich mir stattdessen, dass sich mit steigender Magnesiumionenkonzentation der Cilienschlag doch stetig verlangsamen müsste. Für mich stand und steht damit fest, dass Magnesiumionen  nicht die Ursache bei der SUBSTRALdünger-Narkose sein können. Mir ist jetzt aber nicht bekannt, mit welchen Ionen das Dynein-System funktioniert. Kann dazu jemand etwas sagen?
Kurt hat mir das Stichwort geliefert: Wenn also Urin zumindest manchmal Wirkung zeigt, wie auch die Wirkung verdünnter Blumendüngerlösung, so kann das gesuchte "Ciliatennarkotikum" eigentlich nur eine Stickstoffverbindung sein! Und manche NOxe sind doch auch als Neurotransmitter bekannt, oder?? Peter, da Du Dich uns  jetzt als Limnologe geoffenbart hast und Du dich außerdem mit Urin ganz gut auskennst ;) 8) kannst Du uns sicher sagen welche Stickstoffverbindungen (Harnstoff, Harnsäure, etc.) im Urin vorhanden sind bzw. deren Abbauprodukte.
@Timm
ZitatMagnesiumsulfat wird jedenfalls bei Crustaceen, Gastrotricha und Rädertieren, ob es auch bei Einzellern wirkt?
Bei bdelloiden Rädertierchen ganz bestimmt nicht, die kontrahieren sich nämlich, statt sich zu entspannen!
Mit gespannten und neugierigen Grüßen
Heinrich(limno)
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Heiko Ressin

Hallo

wenn MS 222 ein Betäubungsmittel für Fische war bzw. ist, wie ist es dann mit anderen Betäubungsmitteln für Fische, die könnten dann doch auch wirken.
Zum Beispiel "Colombo Betäubungsmittel". Ich habe danach im Net geschaut, konnte aber keinerlei Auskunft bekommen, was da drin ist. Das Zeugs ist für Koi's gedacht.

Gruß
Heiko Ressin
66809 Nalbach