Alge mit Leiterbildung: Mougeotia

Begonnen von Ernst Hippe, Mai 20, 2009, 16:18:32 NACHMITTAGS

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Ernst Hippe

Hallo Algenfreunde,
In einer Moorprobe fanden sich dünne Mougeotia-ähnliche Zellfäden mit leiterartigen Verbindungen:





Niemals waren aber Zygoten zu sehen, so daß auch Experten eine Konjugation ausschlossen und keine Jochalge vermuteten. Was kann das sein?
Gruß Ernst Hippe
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Ralf

Hallo Herr Hippe,

ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich um etwas anderes als die Konjugation einer Fadenjochalge handelt und widerspreche hiermit den Experten  ;D.

Die Chloroplasten sehen recht vergammelt aus und ich halte es für möglich, dass eine beginnende Konjugation durch ungünstige Lebensumstände (Tod?) abgebrochen wurde.

Man bedenke, dass weder im Algenführer noch im Wassertropfen eine Gattung mit solch exponiertem Merkmal wie der Leiterbildung beschrieben ist. Die Entdeckung einer neuen Gattung möchte ich jetzt mal ausschließen, da unwahrscheinlich.

Ernst Hippe

Hallo Herr Wagner,

Ihre Zweifel teile ich durchaus. Ich habe auch noch Fott und Klotter zu Rate gezogen, ohne fündig zu werden. Denn Wassertropfen und Algenführer reichen ja bei sowas nicht aus, und weitere Literatur habe ich nicht.
Mir ist noch aufgefallen, daß beim ersten Bild die "Brücken" teilweise durch eine Zellwand von den Längsfäden getrennt sind, soweit man das bei dem Freihandschuß erkennen kann. Das wäre doch untypisch für einen Konjugationskanal?
Ich will noch nach weiteren Exemplaren suchen; die übrige Probe ist überhaupt nicht abgestorben.
Vielleicht gibt es auch noch mehr Meinungen.

Schönen Feiertag!
Gruß Ernst Hippe
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Ralf

#3
Zitat von: Ernst Hippe in Mai 21, 2009, 08:36:06 VORMITTAG

Mir ist noch aufgefallen, daß beim ersten Bild die "Brücken" teilweise durch eine Zellwand von den Längsfäden getrennt sind, soweit man das bei dem Freihandschuß erkennen kann. Das wäre doch untypisch für einen Konjugationskanal?


Für mich, Herr Hippe, spricht genau die Zellwand oder vielleicht nur Zellwandreste für eine nicht vollständige Konjugation. Diese beginnt ja gerade mit der beidseitigen Ausbildung von Papillen:



Später werden beide Zellwände dann aufgelöst und der Kopulationskanal ist fertig. Ich denke, es gibt hier alle möglichen Übergangsstadien.

Schönen Vatertag !


Ernst Hippe

Diese Bildungen kenne ich, und bei Mougotia sehen sie sicher noch etwas anders aus. Was mich wundert, sind die zusätzlichen Zellwände (rote Pfeile):



Nach längerer Suche habe ich dieses und noch ein paar Beispiele gefunden mit bis zu 5 Brücken und alle ohne Zygoten. Ohne die ist ja leider eine Zuordnung nicht möglich, und dabei wird es wohl bleiben.
Gruß Ernst Hippe
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Ernst Hippe

#5
Hier noch zwei weitere Beispiele.
Beim ersten sind keine Zellwände an den Enden der Brücken zu erkennen (Obj. 10x):



Bei dem zweiten hat die Brücke einseitig eine Zellwand (Obj. 40x Wasserimm.):



Bei keinem der bisher gefundenen 8 Beispiele gibt es eine Zygote. Es ist doch sehr unwahrscheinlich, daß solche "unvollständige Konjugation" an vielen Exemplaren zugleich auftritt. Noch scheint mir daher die Diskussion offen!
Gruß Ernst Hippe
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Michael Plewka

hallo Herr Hippe, hallo Herr Wagner,

im (hier im Forum oft gescholtenen) Kosmos Algenführer wird gesagt, dass Mougeotia mit z.B. Temnogametum verwechselt werden kann. Ich habe mal im Netz geschaut und finde eine Beschreibung, die m.E. auf die gezeigten Fotos zutreffen könnte, z.B. hier: https://kb.osu.edu/dspace/bitstream/1811/2596/1/V32N06_487.pdf aber auch noch weitere pdf´s. Nach der Konjugation wird offenbar zwischen  der Zygote und den angrenzenden  Zellen eine Zellwand eingezogen, so wie  Herr Hippe im letzten Foto zeigt. Auch bleiben die benachbarten Zellen am Leben, d.h. der Zellinhalt wird nich abgebaut, so wie man das von Spirogyra kennt, auch das würde für Temnogametum sprechen.
Auch ist mir aufgefallen, dass die gezeigten Thalli sehr kurz sind, die Endzellen sind apikal gerundet. Stellt sich die Frage: wachsen diese  Thalli noch oder sind sie in kleinere Bruchstücke zerfallen Das wäre meiner Erfahrung nach nicht  untypisch für Mougeotia (siehe auch hier: http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/Conjugatophycea/source/Mougeotia%20sp..html) und damit die Jochalgen. Zu Temnogametum kann ich  bezüglich des Zerfalls nichts sagen, dennoch finde ich die wenigen Zellen, aus denen der  Thallus besteht,  für bedeutsam

beste Grüße Michael Plewka

Ernst Hippe

Hallo Herr Plewka,
das scheint ein wichtiger Hinweis zu sein; ich werde mir die zitierten Links noch genauer ansehen. Auch dort sind Zygoten gezeigt, aber keine Brücken ohne Zygoten, soweit ich bisher sehe. Heute kann ich noch eine Mehrfachbildung zufügen, wobei offenbar zwischen Brücken und Längsfäden keine Zellwände erscheinen:



Eine ähnliche Anordnung hatte ich etwas zu sehr mit dem Deckglas flachlegen wollen, wobei sie in Bruchstücke zerfiel. Die früher gezeigten kleinen Beispiele könnten also Bruchstücke größerer Anordnungen sein. Die Zellen selbst waren bei dem Zerfall unbeschädigt geblieben.
Obj. 20x, Stack aus 8 Bildern (ohne Deckglas).
Gruß Ernst Hippe
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Ernst Hippe

Jetzt habe ich eine Internetseite gefunden, auf der "Brücken" ohne Zygoten zu erkennen sind: centexnaturalist.com/.../mougeotia .
Erklärt wird da allerdings nicht, warum so etwas auftritt.
Gruß Ernst Hippe
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Ralf

Hallo,

auch eine dreifach-Leiter kommt bei der geschlechtlichen Vermehrung von Jochalgen vor:



Temnogametum scheint mir den Bildern nach zu urteilen nicht ganz zu passen, aber der Hinweis auf Temnogametum und die zugehörige Beschreibung bestärken mich in der Annahme, dass es sich um die typische Leiterbildung während der Vermehrung von Jochalgen handelt. Die Chloroplasten sehen mir in ihrer Gesamtheit nach Mougetia aus.




Ernst Hippe

Hallo,
Mougeotia ist - auch nach der Form der Chromatophoren - wohl am wahrscheinlichsten. Immer noch erscheint mir aber unklar, wieso bei meinen vielen Beispielen einheitlich keine Zygoten gebildet wurden bzw. daß darüber in der Literatur nichts zu finden sein soll. Dieser Zustand weicht ja von allem sonst Beschriebenen doch deutlich ab.
Gruß Ernst Hippe
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Lenzenweger

Lieber Herr Hippe,
es besteht für mich kein Zweifel, dass es sich bei "leiterbildenden" Alge um eine Mougeotia handelt. Bei Mougeotia pulchella kommt es mitunter zu einer sog. "vegetaven Konjugation",bei der wohl die Bildung von Papillen und Kopulationsbrücken mit darin erfolgender Fusion der Gameten beobachtet wurde, die Kerne aber nicht verschmelzen. Bei Mougeotia heterogama kommt es zum Beispiel bei unterbrochenen Kopulation (z. B. Absterben der männlichen Partner) zur Bildung von Parthenosporen. (Nachzulesen bei H. ETTL (1980): Grundriß der allgemienen Algologie). Bei Deinem vorliegenden Fall dürfte es sich wohl um ein ähnliches Phänomen handeln.
Herzliche Grüße
Rupert Lenzenweger   

Ernst Hippe

Lieber Rupert,
danke für diese Klärung! Wenn ich das richtig verstehe, entsteht bei der "vegetativen Konjugation" also keine Zygote, genau so wie ich es gefunden habe. Womit dann wohl das Problem gelöst wäre. Wieder mal war die Schwemm für etwas Seltenes gut!
Gruß Ernst Hippe
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Lenzenweger

Lieber Ernst,
ja, es stimmt, es werden bei diesem Vorgang keine Zygoten gebildet, das ist sozusagen die elegante Methode der Empfängnisverhütung bei Mougeotia !
Herzliche Grüße
Rupert

Ernst Hippe

#14
Noch zur Ergänzung (aus Plant Systematics and Evolution,Springer Wien, Vol.118 Nr.3/ Juni 1970):

Gruß Ernst Hippe
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