Botanik: Blatt und Blattstiel vom Chinesischen Blauregen - Wisteria sinensis *

Begonnen von Fahrenheit, Dezember 07, 2014, 21:22:00 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

gestern hatte ich Gelegenheit, noch eines der letzten frischen grünen Blätter vom Chinesischen Blauregen (Wisteria sinensis) an Nachbars Carport zu ergattern. Und Ihr ahnt es schon: hier kommen die Bilder. ;)

Sicher erinnert Ihr Euch an den Thread zum Spross des Chinesischen Blauregens, der in diesem Frühjahr hier im Forum gelaufen ist und seinen Abschluss in Bodos meisterlichem Schnitt eines mehr als zwei Zentimeter dicken und sieben Jahre alten Sprossstücks gefunden hat. Dort ging es um die Entwicklung des Sprosses, daher und wegen der vergangenen Zeit möchte ich das Folgende nicht einfach dort anhängen. Wer aber mehr zum Chinesischen Blauregen erfahren möchte, wird in der Einleitung zum alten Thread fündig:

Sprossentwickung beim Chinesischen Blauregen mit Beschreibung der Pflanze

Damit hier nur noch einmal kurz das Wichtigste:

Die Chinesische Wisteria (Wisteria sinensis), auch Chinesischer Blauregen oder Glyzine genannt, ist eine Pflanzenart der Gattung Blauregen (Wisteria) in der Unterfamilie der Schmetterlingsblütler (Faboideae).
Sie stammt ursprünglich aus Ostasien, insbesondere aus China und dort insbesondere aus den Provinzen Guangxi, Guizhou, Hebei, Henan, Hubei, Shaanxi und Yunnan. Sie ist heute aber auch als Zierpflanze in Europa und Nordamerika weit verbreitet und kann bis zu 100 Jahre alt werden. W. sinensis bevorzugt feuchte Böden, wächst auch im Schatten, blüht aber nur, wenn sie mindestens teilweise von der Sonne beschienen wird.

Bild 1: Illustration zur Wisteria sinensis

Aus Flora Japonica (Sectio prima), Philipp Franz von Siebold und Joseph Gerhard Zuccarini, 1870; http://www.biolib.de, Kurt Stüber, Public Domain

Bild 2: Eine Blütentraube der Pflanze


Und natürlich die gefiederten Blätter, um die es hier gehen soll:

Bild 3: Laub des Chinesischen Blauregens



Kurz zur Präparation:

Geschnitten habe ich den frischen Blattstiel und den Spreit auf dem Zylindermikrotom mit Leica Einmalklingen im SHK-Klingenhalter. Die Schnittdicke der hier gezeigten Querschnitte beträgt ca. 50 µm.  

Anschließend wurden die Schnitte für ca. 40 Minuten in AFE fixiert. Zwischenzeitlich habe ich einige Aufnahmen von den frischen, ungefärbten Schnitten gemacht.

Bild 4: Fiederblatt mit Schnittführung

Die "Zahnlücke" hat das Blatt meiner Probenahme zu verdanken ... :)

Nach der Fixierung habe ich stufenweise in Aqua dest. überführt und da der Spross von W. sinensis leicht schleimig ist (die Exkretzellen des jungen Sprosses haben mir seinerzeit einige Rätsel auf gegeben ...), habe ich die Schnitte für rund 2 Minuten mit Klorix 1:4 in Wasser gebleicht. Anschließend habe ich mehrfach mit Aqua dest. gespült, um eine Beeinträchtigung der Färbung zu vermeiden.

Gefärbt habe ich mit W3Asim II nach einem Rezept von Rolf-Dieter Müller. Entsprechende Arbeitsblätter können im Downloadbereich der MKB-Webseite herunter geladen werden. Eine ausführliche Beschreibung der Färbung findet sich hier.

Eingedeckt sind die Schnitte - nach gründlichem Entwässern in reinem Isopropanol - in Euparal.


Und noch ein wenig zur Technik:

Alle Aufnahmen auf dem Leica DME mit den 5x und 40x NPlanen sowie den 10x und 20x PlanApos. Die Kamera ist eine Canon Powershot A520 mit Herrmannscher Okularadaption. Zur Zeit nutze ich ein Zeiss KPL 10x, das mit den Leica-Objektiven sehr gut harmoniert. Die Steuerung der Kamera erfolgt am PC mit PSRemote und der Vorschub manuell anhand der Skala am Feintrieb des DME.

Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.

Die Fotos von den gefärbten Schnitten habe ich dieses Mal nur rund 12 Stunden nach dem Eindecken gemacht, da bei meinen Präparaten insbesondere die Epidermis in den ersten beiden Tagen deutlich verblasst. Das zu diesem Zeitpunkt noch sehr intensive Rot der verholzten Zellen mag meine alte Canon PS A520 aber gar nicht, diese saufen leider ein wenig ab. Man kann eben nicht alles haben :)
Ich bin nun gespannt, wie die Schnitte nach einigen Tagen aussehen und lege dann ggf. noch mal nach.


Nun aber zu den Schnitten!

Beginnen wir mit dem Blattstiel, der hier einen Durchmesser von maximal rund 2 mm hat.

Bild 5a-c: Blattstiel vom Chinesischen Blauregen in der Übersicht, Bild 5a der ungefärbte, frische Schnitt, Bild 5c mit Beschriftung. Vergrößerung 50x, Stapel aus 14 bzw. 13 Bildern



Der Blattstiel hat auf seiner Oberseite (im Bild links) zwei "Hörnchen", in denen je mehrere Nebenleitbündel verlaufen. Diese haben ausgeprägte Sklerenchymkappen und auch der zentrale Leitbündelring ist von einem massiven Sklerenchymring umgeben, der dem Blattstiel eine gute Festigkeit verleiht. Unter der Epidermis mit ihrer kräftigen Cuticula liegt ein mehrreihiges Kollenchym und ein Rindenparenchym, das manchmal nur wenige Zellreihen stark ist. Zwischen dem Phloem (zu dem ich gleich noch einmal zurück komme) und dem Xylem mit den vielen großen Tracheen liegt kein Cambium und im Inneren des Leitbündelrings finden wir ein Markparenchym mit großen, dünnwandigen Zellen.
Das Phloem weist aber schon einige Besonderheiten auf: das eigentliche Leitgewebe aus Siebröhren und Geleitzellen ist in Gruppen angeordnet und von Phloemparenchym umgeben. Dazwischen liegen sehr großlumige Zellen mit dünnen Wänden, die wir schon aus dem jungen Spross des Chinesischen Blauregens kennen: Exkretzellen (ExZ), die sekundäre Pflanzenstoffe enthalten. Das Ganze schauen wir uns in den folgenden Bildern noch etwas detaillierter an.
Informationen zu den Abkürzungen im Bild 9c sowie den folgenden beschrifteten Bildern findet Ihr wie immer auf der Webseite des MKB: Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen.

Bild 6a-c: Die Leitgewebe aus der Nähe, Bild 6a wieder vom frischen Schnitt, Bild 6c mit Beschriftung. Vergrößerung 100x, Stapel aus 11 bzw. 9 Bildern



Hier nun ein Teil des Querschnitts in höherer Vergrößerung. Zwischen Epidermis und Sklerenchymring können wir nun deutlich zwischen Kollenchym und Rindenparenchym unterscheiden.
Man könnte fast den Eindruck gewinnen, als gebe es ein Cambium zwischen Phloem und Xylem, dem ist aber nicht so. Dafür wird die recht komplexe Struktur des Leitbündelrings deutlich.

Der Spross geht da allerdings noch ein Stückchen weiter, wie die folgenden Bilder zum Vergleich zeigen:

Bild 7a-c: Einjähriger Spross des Chinesischen Blauregens aus dem oben verlinkten alten Thread zum Vergleich, Bild 7a wieder von der frischen Probe, Bild 7 C mit Beschriftung. Die Färbung ist hier ebenfalls W3Asim II nach dem gleichen Protokoll, allerdings sind die Aufnahmen rund drei Tage nach dem Eindecken entstanden und natürlich bestimmt das Gewebe selbst auch die konkrete Farbwirkung mit. Vergrößerung 100x, Stapel aus 18 bzw. 16 Bildern



Im Spross ist natürlich alles noch eine Nummer größer (die Probe hatte einen Durchmesser von ca. 6 mm und war somit drei mal so stark, wie der Blattstiel hier), besonders auffällig ist aber der komplexe, quasi "zweistufige" Aufbau des Phloems mit chloroplastenhaltigen Parenchymzellen dazwischen, was besonders in 7a gut zu erkennen ist. Natürlich sehen wir auch hier die schon angekündigten großen Exkretzellen, die aber im Spross schon mit Beginn des sekundären Dickenwachstums zusammen geschoben werden.

Nun noch einmal Phloem und Xylem des Blattstiels im Detail!

Bild 8a-c: Näher heran! Bild 8a vom frischen Schnitt, Bild 8c mit Beschriftung. Vergrößerung 200x, Stapel aus 10 bzw. 12 Bildern



Hier finden wir alle schon angesprochenen Strukturen und eben kein Cambium. :)
Spannend: Bild 8a zeigt, dass es nicht nur im Phloemparenchym sondern auch bis weit ins Xylem hinein (in den Markstrahlen) noch Zellen mit Chloroplasten gibt.

Nun wird es aber zeit, auch die Nebenleitbündel in den "Hörnchen" eines Blickes zu würdigen!

Bild 9a-c: Nebenleitbündel im Blattstiel, Bild 9a vom frischen Schnitt, Bild 9c mit Beschriftung. Vergrößerung 200x, Stapel aus je 12 Bildern



In jedem Hörnchen finden sich 3 unterschiedlich stark ausgeprägte Nebenleitbündel. Diese verfügen im Phloem wieder über eigene Exkretzellen.
Vom der Struktur her denke ich nicht, dass diese Nebenleitbündel der Versorgung der folgenden Fiederblättchen dienen, da dann in etwa gleich starke Bündel zu erwarten wären - außerdem lag der Schnitt recht weit am unteren Ende des Blattstiels. Es handelt sich also wohl wieder um eine der anatomischen Extravaganzen der Blattstiele ...

Natürlich finden sich am Blattstiel auch Stomata, von denen wir uns nun noch eines ansehen, bevor wir zum Blattspreit wechseln.

Bild 10a-c: Stoma am Blattstiel, Bild 10a vom frischen Schnitt, Bild 10c mit Beschriftung. Vergrößerung 400x, Stapel aus 7 bzw. 5 Bildern



Am Stoma selbst fallen die großen Zellkerne der Schließzellen und die - zumindest in der Schnittebene - vergleichsweise kleinen Nebenzellen auf. Die Zellen rund um den substomatären Interzellularraum tragen viele Chloroplasten, was freilich nur in der Aufnahme 10a zu erkennen ist. Auffällig sind die vielen rhomboedrischen Calciumoxalatkristalle  in den entsprechenden Idioblasten des Rindenparenchyms (D).

Nun aber zum Blattspreit, der bei meiner Probe abseits der Mittelrippe nur einen Dicke von etwa 120 µm hat. Die Mittelrippe selbst erreicht einen Durchmesser von etwa 700 bis 850 µm.

Bild 11a-c: Blattspreit mit Mittelrippe von W. sinensis, Bild 11a vom frischen Schnitt, Bild 11c mit Beschriftung. Vergrößerung 100x, Stapel aus 12 bzw. 13 Bildern



Der Aufbau des hier sichelförmigen Leitgewebes unterscheidet sich nicht grundsätzlich von dem im Blattstiel, auch die Exkretzellen sind wieder da. Nebenleitbündel sind jedoch keine vorhanden. Auch hier sehen wir wieder einige rhomboedrische Calciumoxalatkristalle und der gefärbte Schnitt trägt einige Ansätze mehrzelliger Haare (Trichome, Tr), die darauf hin weisen, dass die Blattrippen leicht behaart sind.  

Bild 12a-c: Blattspreit im Detail, Bild 12a vom frischen Schnitt (aus der "Schulter" zur Mittelrippe), Bild 12c mit Beschriftung. Vergrößerung 400x, Stapel aus 10 bzw. 9 Bildern



Wir finden ein Assimilationsparenchym in Form eines Palisadenparenchyms und darunter ein Schwammparenchym, dessen äußere Zelllage ebenfalls Chloroplasten enthält. Die eingebetteten Nebenleitbündel sind sehr fein und tragen erstmals keine Exkretzellen im Phloem.

Bild 13a-b: Leitbündel längs angeschnitten und Stomata, Bild 13b mit Beschriftung. Vergrößerung 400x, Stapel aus je 24 Bildern


Die etwas chaotische Aufnahme zeigt im Zentrum ein schräg angeschnittenes Nebenleitbündel und darunter einige Stomata.

Vielen Dank fürs Lesen! Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg

Edit: Bilderhost gewechselt
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Ronald Schulte

Jörg,

Deine Präparier-, Farbe- und Kamera Technik hat sich in die letzten Jahren aber auch deutlich verbessert. Die Differenzierung von die Färbung ist Fantastisch und die Kamera Technik hervorragend, meine ich zu sehen.

Mache weiter so, grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

hajowemo

Lieber Jörg,
wieder Mal klasse gemacht.
Danke fürs zeigen.
Liebe Grüße
Jochen
Vorstellung
Homepage www.mikroskopie-hobby.de
Gerne per "Du"
Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.

HDD

Lieber Jörg

Sehr gute Arbeit mit wunderschönen Bildern. Die ungefärbten Schnitte hinterlassen einen faszinierend räumlichen Eindruck, der vermutlich durch unterschiedliche Schattierungen innerhalb des Schnittes entsteht. Oder hast Du da seitlich ein wenig Licht rangeführt?
Auf jeden Fall eine tolle Arbeit, die Du uns hier präsentierst.

Danke und viele Grüße

Horst-Dieter

Jan Kros

Lieber Jörg,
wieder sehr schoen gemacht.
Danke fürs zeigen.
Liebe Grüße
Jan

Bernhard Kaiser


koestlfr

Liebe Grüße
Franz

talrand

Wunderschöne Bilder, einfach toll. Meisterliche Schnitte und Färbungen.
Könnt ich ganz bestimmt nicht, Bewunderung!

Randolf aus Duisburg

Hund Medicus HF mit schiefer Beleuchtung (Kreutzblende) und Dunkelfeld.

Fahrenheit

Liebe Freunde,

herzlichen Dank für das vielstimmige Lob, das mich sehr freut!
Es ist immer schön zu sehen, dass ein Artikel gut an kommt und gerne gelesen wird.
Und ja, ich werde ganz bestimmt weiter machen. :)

Lieber Horst-Dieter,

nein, ich habe nicht mit Seitenlicht gearbeitet, es sind die Schatten der noch vorhandenen Zellinhaltsstoffe sicher auch im Zusammenspiel mit der recht hohen Schnittdicke von 50 µm. Wie Du finde ich die ungefärbten Schnitte mittlerweile genau so faszinierend wie die fertig präparierten Pendants, zumal man mit etwas Übung die Details der einzelnen Gewebe fast genau so gut erkennen kann.

Lieber Randolf,

das ist gar nicht so schwer und braucht nur etwas Übung. Das bekommst Du auf jeden Fall auch hin. :)

Allen herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM