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Großer Ciliat am Faden

Begonnen von Monsti, Januar 02, 2015, 20:18:47 NACHMITTAGS

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Monsti

Liebe Tümpler(innen),

diesen 142 µm langen Ciliaten fand ich mehrfach in einer Hochmoorprobe:



Er steht i.d.R. vollkommen still und hängt oft an einem dünnen Faden:



Ich habe überhaupt keine Idee, wohin ich dieses Viech stecken könnte. Kann mir von Euch vielleicht jemand weiterhelfen?

Danke und herzliche Grüße
Angie

limno

#1
Liebe Angie,
zwar habe ich das Tierchen  noch nicht systematisch bestimmt, bin mir aber recht sicher, dass es sich hierbei um Strongylidium crassum "Wassertropfen" S.268 10. Auflage handelt. Ich habe es nämlich derzeit  in Kultur. Dort lebt es in einigergermaßen friedlicher Koexistenz mit mehreren Arten der Gattung Lecane seit vielen Wochen zusammen, die aber noch ihrer (schwierigen) Bestimmung harren. Gehalten werden sie von mir in Mikrotiterplatten mit 6 Vertiefungen mit je 5ml Inhalt. Medium ist eine 5%ige Erdabkochung aus Buchenlauberde, mit einer winzigen Prise Reismehl(siehe Kulturanleitungen für Paramecium caudatum, hier in diesem Forum); seit der Inkulturnahme wurde nichts gefüttert oder wesentiches verändert.
Dieses Exemplar ist wegen des Schocks aus seinem Gallerthäuschen geflohen. Typisch ist die "Federholle" am Vorderende, die mich irgendwie an eine Gürtelzange erinnert. Am Körper verlaufen gewundene Cirrenbänder. Es lebt mit Zoochlorellen in Symbiose Mit welcher Verschlusszeit hast Du geblitzt?
Dir und allen Mitforisten ein gesegnetes Neujahr und Weihnachten, dass ja noch zum 2. Februar anhält (oder zumindest bis der Christbaum wegen Nadelfalls hinausgeworfen wird)
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Monsti

Lieber Heinrich,

zunächst auch für Dich ein gesundes 2015 und vielen Dank für Deine Antwort!

Meine Tierchen halte ich in der originalen Hochmoorprobe (ursprünglich pH 4,3) mit Detritus und zwei Sphagnum-Pflänzchen. Hier finde ich neben vielen Rädertieren und Schalenamöben u.a. auch den auf den ersten Blick ähnlichen Ciliaten Uroleptus:



Bei dem eingangs gezeigten Tierchen konnte ich (im Gegensatz zu Uroleptus) keine schräg verlaufenden Zirrenbänder erkennen.

Fotografiert habe ich übrigens ohne Blitz.

Herzliche Grüße
Angie

limno

#3
Hallo Angie,
ich denke , dass ich meine "Blitzdiagnose" >:( revidieren  und wohl den KAHL noch studieren muss, denn Caudalcirren kann ich keine erkennen. Wenn Du schreibst, dass Du keinen Blitz verwendest, und Du zudem  vermeidest das Tier zu quetschen, wundert mich das sehr.  Trotzdem sehen die Bilder eigentlich nicht verschwommen aus, wie ich es diesen Einstellungen vermutet hätte! Wie bist Du vorgegangen? Bilder von meinen Strongylidien (die es aber wirklich sind !) werde ich später zeigen; derzeit bin ich aber noch anderweitig beschäftigt! Mach' Dir vielleicht eine Skizze, dann kann ich den KAHL "befragen".
Viele Mikrogrüße von
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Monsti

Guten Abend, Heinrich,

hier noch weitere Fotos derselben Art:





Du siehst, die Form ist variabel. Auffällig ist die geringe Bewimperung der Tierchen. Auf dem letzten Foto liegt der Focus auf der Membran.

Du fragst, wie ich bei meinen Fotos vorgegangen bin. Meine am Mikroskop adaptierte Canon 600D steht auf Av. Je nach Beweglichkeit der Viecher verändere ich die LED-Beleuchtung und bearbeite die Fotos anschließend per Photoshop. Habe ich damit Deine Frage beantwortet? (Sorry, alles Technische ist bei mir eher nebensächlich, das handhabe ich quasi aus dem Bauch ...)

Herzliche Grüße
Angie

limno

#5
Hallo Angie,
hab' Dank für die weiteren Fotos. Allerdings bringen sie kaum neue Informationen.Die Schichtdicke scheint da schon ziemlich gering gewesen zu sein, anders sind die Auflösungserscheinungen nicht zu erklären. Meine Recherchen im KAHL haben auch nicht recht weitergeführt. Ich komme nicht mehr weiter, zumal ich mich mit Arten im Moor nicht auskenne, weil ich keins in der Nähe habe. Da helfen nur noch unsere Experten wie Ernst Hippe, Martin Kreutz oder Michael Plewka weiter, aber ich fürchte, wenn man diese Art nicht schon einmal bestimmt hat, wird man nicht weit kommen. Tut mir leid, Angie!
Bei mir ist es übrigens so, dass ich weder vom "Photoshoppen" (bei mir müsste es "Gimpen" heissen) noch von der Mikrofotografie viel Ahnung habe.
Langsam aber sicher, beginnen mir meine Foto doch zu gefallen, und der Tag ist nicht mehr fern, an dem Du mir helfen könntest, diesen den letzten Schliff zu verpassen. Mein Ziel ist es so gute Fotos zu machen, dass die Bildbearbeitung minimal ist. So wagemutig wie Du bin ich nicht, reproduzierbar soll es schon sein, die Tierchen sind unberechenbar genug!
Herzliche Grüße
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Monsti

#6
Hallo Heinrich,

tja, schade. Im Moment komme ich leider auch nicht weiter. Aber vielen Dank für Deinen Versuch, Licht ins Dunkle zu bringen.

Mein Problem ist auch, dass die Kutikula ziemlich derb ist und sich das Tierchen meist voller Algen präsentiert, so dass kaum ein Zellkern erkennbar ist. Teilweise glaubte ich zwei Zellkerne zu sehen, sicher bin ich mir aber nicht.  :-[

ZitatMein Ziel ist es so gute Fotos zu machen, dass die Bildbearbeitung minimal ist.

Das wollen wir eigentlich alle. Leider klappt dies oft genug nicht. Gerade beim Fotografieren von sehr munteren Organismen geht es i.d.R. nicht ohne nachträgliche Bildbearbeitung.

Dies ist z.B. ein sehr agiles Viech (noch unbestimmt ...), das auf dem Originalfoto so aussah:



Der extreme Gelbstich entstand dadurch, dass ich die LED-Beleuchtung auf volle Pulle gedreht hatte (beim Blick durchs Okular tat es richtig weh). Nach Bearbeitung sieht das Foto so aus:



Weil ich mit Schieflicht arbeite, drehte ich das Foto so, dass das Licht von links oben einfällt. Ansonsten hatte ich nur ein paar kleine Artefakte entfernt und die Beleuchtung/Bildfarbe angepasst. Mir ist vor allem wichtig, dass keine Informationen verloren gehen bzw. dass wichtige Informationen hervorgehoben werden.

Herzliche Grüße
Angie

limno

#7
Nochmals: Guten Abend Angie,
bei Deinem letzten Foto, da wäre Paraurostyla weissei wirklich drin! Denk an das Gold im Namen! Ansonsten gilt das, was ich im vorherigen Beitrag gesagt habe.
Gute Nacht
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Monsti

Hallo zusammen, hallo Heinrich,

das Rätsel ist fast gelöst! Gestern beobachtete ich einen Uroleptus-Kandidaten über einige Zeit. Gleich nach dem Auflegen des Deckglases sah er noch so aus:



Obwohl die Wasserschicht relativ dick war, begann das Tier schon nach ganz kurzer Zeit Zirren abzuwerfen. Die anfangs kreisförmigen Bewegungen wurden immer geringer, bis es schließlich an einer Stelle stehen blieb. Im weiteren Verlauf veränderte sich dann die Körperform, u.a. deshalb, weil sich das Tier seines Algen-Inhalts entledigte. Dies erstaunte mich, denn die Wasserschicht war nach wie vor bei weitem nicht zu dünn. Bei den anderen Exemplaren passierte das gleiche.

Bleiben für mich also noch zwei Rätsel:
1. Was hatte es mit dem langen Faden auf sich?
2. Was veranlasst die Tiere zu derart empfindlicher Reaktion auf das Deckglas?

Uroleptus caudatus hatte ich in meinen Wasserproben schon sehr oft, aber obiges konnte ich bei dieser Art noch nie beobachten. Könnte es sein, dass es sich hier um U. piscis handelt?

Herzliche Grüße
Angie

reblaus

Hallo Angie -

wie kommt es, dass sich bei dir die Farbtemperatur der LED so stark ändert, wenn du sie ganz aufdrehst? Das ist ungewöhnlich.

Ändert aber nichts daran, dass mich die Fotos von deinen Neu- bzw. Wiederentdeckungen immer sehr freuen.

Viele Grüße

Rolf

limno

Hallo Angie,
Ich meine, Du präsentierst hier gerade den 3. Bestimmungskandidaten! Denn die Fotos des im Verlauf der Zeit sich auflösenden Ciliaten haben ein spitzes Hinterende! Ein wichtiges Bestimmungsmerkmal! Wir stehen da und sehen betroffen, der Vorhang zu, und alle Fragen offen!  ??? :-[ Wenn das Foto mit dem schon korrigierten Gelbstich die Farben einigermaßen richtig wiedergibt, ist Paraurostyla weissei ein heisser Kandidat! Die kleinen subpellikulären Granulae, welche die Tierchen bei geringer Vergrößerung gelblich erscheinen lassen, sind bei FOISSNER ("blaue Ordner")unabdingbares Bestimmungsmerkmal! Ein weiteres Merkmal scheint mir das auffallend breite Vestibulum zu sein! Länge des Ciliaten???. (Im Nachhinein auf Rolfs(reblaus)Einwand hin, fällt auch mir das anomale Verhalten der LED auf, deren Vorteil es doch eigentlich ist, dass sie sich dimmen lassen, ohne dass sich das Spektrum ändert.)Was Du und ich für Paraurostyla weissei gehalten haben, ist demnach keine! Über den letzten Kandidaten muss ich noch brüten....
Bis dahin noch ein bisschen Geduld
und viele Grüße
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Monsti

Hallo Rolf,

Zitatwie kommt es, dass sich bei dir die Farbtemperatur der LED so stark ändert, wenn du sie ganz aufdrehst?

Wenn ich das wüsste! Es liegt nicht an der LED, sondern an der Kamera, die offensichtlich mit dem Weißabgleich nicht klar kommt. Durch das Okular ist nur ein grelles Weiß zu sehen.

Hallo Heinrich,

das Tier auf dem letzten Foto war ziemlich genau 200 µm lang. Beim anderen hatte ich nicht gemessen, es dürfte aber noch länger gewesen sein.

Herzliche Grüße
Angie

limno

#12
Guten Abend, Angie,
jetzt wirst Du über meinen neuen Vorschlag seufzen: Kandidat Nr.3  könnte Paruroleptus lacteus sein, KAHL S.587f."Größe 180-200 µm. Mit auffallend milchig glänzendem Ectoplasma und sehr durchsichtigen Cirren und Dorsalborsten". Die Zeichnung scheint meine Diagnose zu bestätigen: Die langen Dorsalborsten stehen auffallend weit auseinander und auch die Caudalregion stimmt bezüglich ihrer Proportionen und der Beborstung mit der Zeichnung überein. Die besagte Art wurde von KAHL  entdeckt: ABER: Zitat KAHL:"Eine Sapropelform,die sich nur von Rhodobakterien zu nähren scheint und die ich nur im Weiher des Botanischen Gartens zu Hamburg im Wintersapropel angetroffen habe; nie zahlreich."
Jetzt hoffe ich mit Dir, dass diese Art nicht so stenök ist, wie es diese Beschreibung vermuten lässt.
@Jorrit(playstation) und die anderen Hamburger: Auf in den Botanischen Garten und eine Planktonprobe nehmen und fotografieren, falls das Tierchen sich dort finden lässt! ;)
Den KAHL gibt's übrigens auch online:http://ameba.i.hosei.ac.jp/DIB/Kahl/index.html
Paraurostyla weissei ist weiterhin ein heisser Kandidat, denn im "FOISSNER",1. BD. S.198 wird als Größe 150-300µm angegeben.
Bei Kandidat Nr.1 könnnte es sich um Paradileptus elephantinus handeln. Die Ciliatur ist sehr kurz: Größe bei FOISSNER BD. IV:100- 450µm; meist 150-350µm, bewegt sich rotierend fort.
Eine gute Nacht wünscht allen
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.