Liebe Pflanzenfreunde
Hinweis: der unten genannte kleine Fund bezog sich auf einen vermuteten Pilzbefall. In der Diskussion des Beitrags hat sich dank der Unterstützung der Kommentatoren herausgestellt, dass es sich um schuppenförmige Trichome handelt. Dafür allen Beteiligten herzlichen Dank!
Ich habe den Ursprungstext hier entsprechend angepasst und kommentiert. (05.01.2015)Fortschreibung des Beitrags:
- Wedelstiel: siehe unten

- Fiederblatt:
siehe hier- Wurzel:
siehe hier- Spross:
siehe hierIn unserem Haus fristen einige Goldfruchtpalmen (Dypsis lutescens) ein bescheidenes Dasein in einem gemeinsamen Topf. Den Stiel eines Wedels habe ich mir zum Auftakt des neuen Jahres vorgenommen - nicht ohne wieder einen kleinen Fund zu machen.
Bild 1: Die Goldfruchtpalme als Topfpflanze

Aufnahme aus Wikipedia, User "Mokkie" unter CC BY-SA 3.0 (Februar 2014). Unsere eigene Pflanze ist gerade in einem nicht sehr fotogenen Zustand: sie hatte zu wenig Wasser ...
Die Goldfruchtpalme ist eine in Madagaskar beheimatete Palmenart aus der Familie der Palmengewächse (Arecaceae) in der Ordnung der Palmenartigen (Arecales). Die Art wurde 1878 vom deutschen Botaniker Hermann Wendland als Chrysalidocarpus lutescens erstmalig beschrieben. Wie einige andere madagassische Gattungen wurde die monotypische Gattung Chrysalidocarpus 1995 von Henk Jaap Beentje und John Dransfield in ihrem Werk Palms of Madagascar als D. lutescens in die Gattung Dypsis gestellt.
Das Art-Epipethon "lutescens" (lat.) bedeutet "gelbwüchsig".
Bild 2: Ausgewachsene Pflanzen auf Hawaii

Aufnahme aus Wikipedia, User Forest & Kim Starr, unter CC BY-SA 3.0 (24.01.2007)
Während die Goldfruchtpalme an ihrem natürlichen Standort zumindest stark gefährdet ist, sie ist die am häufigsten verkauften Zimmerpalme und wird in großem Stil gezogen. Im Gartenfachhandel findet man sie oft als Areca lutescens, der Name ist jedoch kein gültiges Synonym.
Dypsis lutescens ist ein Endemit Ost-Madagaskars, sie wächst auf sandigen Flussbänken und in Lichtungen feuchter Wälder und ist somit "nasse Füße gewohnt". Ihr natürliches Habitat ist klein und besteht nur noch aus mehreren isolierten Standorten, die durch die Ausweitung der Landwirtschaft gefährdet sind.
Die Goldfruchtpalme ist mehrstämmig, ihre schlanken Stämme erreichen bei einem Durchmesser von nur 5 bis 12 cm eine Höhe von bis zu 10 m. Die jüngeren Stammabschnitte sind dunkelgrün bis gelb oder orange. Die Farbe ist dabei abhängig von der Lichtintensität am Standort: ist diese hoch, wird färbt sich der Stamm gelb und schließlich orange. Die Blattnarben der abgestorbenen Blätter bilden im unteren Bereich des Stammes ein dichtes, ringförmiges Muster. Die Krone ist bis vier Meter breit und 3,3 Meter hoch. Eine ausgewachsene Stammgruppe kann so eine Höhe von 12 m und eine Breite von 6,5 m erreichen. Der Kronenschaft ist rund einen Meter lang, gräulich grün bis fast silbergrau und an der Basis leicht erweitert.
Junge Pflanzen zeigen nach einer Weile an Spross und Blattstiel (Petiolus) charakteristische braune, lappige Trichome von etwa 200 bis 400 µm Durchmesser. Diese verschwinden mit dem Altern der Pflanze wieder
Bild 3: Makro von einem jungen Wedel

Die Wedel sind 1,8 bis 2,4 m lang, schmal eiförmig und gebogen. Die Krone eines Stammes trägt sechs bis 8, manchmal auch 10 Wedel, deren Blattstiele gut 60 cm lang sind. Dies gilt auch für die dünnen und schmal-lanzettlichen, gelbgrünen bis dunkelgrünen Fiederblättchen. Jeder Wedel trägt 80 bis 100 Fiederblättchen, die in einem 40°-Winkel von der Rhachis ab stehen und so die deutliche V-Form der Wedelspreite bilden. Blattstiel und Rhachis sind hell grün bis fast orange, ebenfalls abhängig von der Lichtintensität.
Bild 4: Blütenstand der Goldfruchtpalme

Aufnahme von Ian Edwards,
www.pacsoa.org.au Die Blütenstandsstiele sind hängend, verzweigt und entspringen unterhalb des Kronenschafts. Sie tragen gelbe Blüten, aus denen sich eiförmige Früchte entwickeln. Diese sind ca. 2,5 cm lang und in reifem Zustand gelb-orange bis bis purpur gefärbt.
Bild 5: Früchte der Goldfruchtpalme

Aufnahme von Ian Edwards,
www.pacsoa.org.au Kurz zur Präparation:Geschnitten habe ich den frischen Wedelstiel freistehend auf dem Zylindermikrotom mit Leica Einmalklingen im SHK-Klingenhalter. Die Schnittdicke der hier gezeigten Querschnitte beträgt ca. 50 µm.
Anschließend wurden die Schnitte für ca. 40 Minuten in AFE fixiert. Zwischenzeitlich habe ich einige Aufnahmen von den frischen, ungefärbten Schnitten gemacht.
Nach der Fixierung habe ich stufenweise in Aqua dest. überführt.
Gefärbt habe ich mit W3Asim II nach einem Rezept von Rolf-Dieter Müller. Entsprechende Arbeitsblätter können im
Downloadbereich der MKB-Webseite herunter geladen werden. Eine ausführliche Beschreibung der Färbung findet sich
hier.
Eingedeckt sind die Schnitte - nach gründlichem Entwässern in reinem Isopropanol - in Euparal.
Und noch ein wenig zur Technik:Alle Aufnahmen auf dem Leica DME mit den 5x und 40x NPlanen sowie den 10x und 20x PlanApos. Die Kamera ist eine Canon Powershot A520 mit Herrmannscher Okularadaption. Zur Zeit nutze ich ein Zeiss KPL 10x, das mit den Leica-Objektiven sehr gut harmoniert. Die Steuerung der Kamera erfolgt am PC mit PSRemote und der Vorschub manuell anhand der Skala am Feintrieb des DME.
Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.
Nun aber zu den Schnitten!Bild 6: Makro vom Wedelstiel mit der Schnittführung

Auffällig sind die schwärzlichen Flecken auf dem Wedelstiel, da werden wir nachher noch einmal genauer hin sehen. Zunächst aber werfen wir einen Blick auf die Anatomie der Probe.
Bild 7: Makro von einem mit W3Asim II gefärbten Schnitt

Die Übersichtsaufnahme lässt schon einige grundlegende Dinge erkennen: die Goldfruchtpalme gehört wie alle Arecales zu den Monokotyledonen und zeigt auch im Wedelstiel deren typische Struktur: eingebettet im Parenchym liegen viele einzelne Leitbündel unterschiedlicher Größer und unterschiedlichen Alters. Wächst die Pflanze, werden einfach neue Leitbündel zu den bestehenden alten gebildet. Ein sekundäres Dickenwachstum wie bei den Dikotyledonen ist somit nicht zu beobachten.
Der Querschnitt des Wedelstiels ist leicht herzförmig, wobei die abgeflachte Seite (hier oben) zum Spross zeigt. Auffällig ist die V-förmige Anordnung der Leitbündel, diese entsteht durch die Art, wie der Wedel mit dem Spross verwachsen ist: der dünne Blattgrund umfasst den gesamten Spross und aus ihm bildet sich der dann vom Spross abstehende Wedelstiel (Blattstiel, Petiolus).
Wer genau hin schaut, erkennt auf etwa 4 und 8 Uhr eine dunkle Stelle auf der Epidermis. Jeweils eines der Trichome aus Bild 6 im Querschnitt.
So, nun wird es mikroskopisch! Schauen wir uns den Aufbau des Wedelstiels etwas genauer an.
Bild 8a-c: V-förmige Anordnung der Leitbündel, Bild 8a ungefärbt, Bild 8c mit Beschriftung; Vergrößerung 50x, Stapel aus 26 bzw. 24 Bildern



Schön sind die unterschiedlich großen Leitbündel zu sehen, die in recht regelmäßiger Anordnung im Markparenchym liegen. Alle tragen mehr oder weniger massive Sklerenchymkappen, die um so stärker ausgeprägt sind, je näher die Leitbündel am Außenrand liegen.
Informationen zu den Abkürzungen im Bild 8c sowie den folgenden beschrifteten Bildern findet Ihr wie immer auf der Webseite des MKB:
Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen.
Bild 9a-c: Leitbündel am Außenrand des Wedelstiels, Bild 9a ungefärbt, Bild 9c mit Beschriftung; Vergrößerung 100x, Stapel aus 19 bzw. 23 Bildern



Während der frische, ungefärbte Schnitt in 9a die Chloroplasten in den Zellen des Rindenparenchyms gut erkennen lässt, ist es anhand der gefärbten Schnitte einfacher, die Struktur der Leitbündel zu sehen. Die Stabilität und Flexibilität des Wedelstiels ist ein Ergebnis der massiven festen Sklerenchymkappen, die im weichen Markparenchym eingebettet sind. Markparenchym und Rindenparenchym? Die Unterscheidung ist hier recht willkürlich. Ich hätte auch Markparenchym und Assimilationsparenchym sagen können, denn nur die Parenchymzellen vor dem äußersten Leitbündeln (und einige Ausnahmen an den Flanken der großen Leitbündel ...) verfügen über Chloroplasten und leisten so einen Beitrag zur Photosynthese. Die paar grünen Pünktchen sorgen übrigens auch für den für uns sichtbaren satt grünen Farbeindruck, wie er sich in Bild 6 darstellt.
Bild 10a-c: Das Rindenparenchym, Bild 10a ungefärbt, Bild 10c mit Beschriftung; Vergrößerung 400x, Stapel aus 15 bzw. 6 Bildern



Auch hier die erste Aufnahme vom frischen Schnitt mit den kräftig grünen Chloroplasten, die im fertigen Präparat nur noch als blasse Reste in den Parenchymzellen zwischen der Epidermis und der Sklerenchymkappe des darunter liegenden Leitbündels erkennbar sind. Hier ist auch die Cuticula gut zu sehen, die dieses Mal nur ganz schwach angefärbt ist.
Bild 11a,b: Ein Stoma in der Epidermis des Wedelstiels, Bild 11b mit Beschriftung, Vergrößerung 400x, Stapel aus je 8 Bildern


Man kann erahnen, dass sowohl die Innenwände des Spalts als auch die zum substomatären Interzellularraum (früher Atemhöhle) liegende Seite der Schließzellen von der Cuticula überzogen sind. Am inneren Ende des Spaltes sind kleine Cuticularhörnchen (CuH) zu erkennen und vor dem Spalt liegt ein kleiner Vorhof (VH).
Kehren wir noch einmal zu den Leitbündel zurück:
Bild 12a-e: Leitbündel aus dem Querschnitt des Wedelstiels, Bild 12a ungefärbt, Bilder 12d und e mit Thyllen und Bilder 12c und e mit Beschriftung, Vergrößerung 200x, Stapel aus 10, 8 und wieder 10 Bildern





Wie oben schon beschrieben, tragen die Leitbündel an beiden Seiten stark ausgeprägte Sklerenchymkappen. Auch sind sie von einer Leitbündelscheide aus hier ebenfalls rötlich angefärbten Zellen umgeben. Auffällig ist das aufgeteilte Phloem, das in mehreren "Kammern" - im Längsschnitt währen es Röhren - aus sklerenchymatischen Zellen liegt.
In den Bilder 12a und b erkennen wir am unteren rechten Rand des unteren Phloemstranges eine Abzweigung - sprich die Bildung eines weiteren Stranges. In den Bildern 12b und c zählen wir 5 Stränge, in den Bildern 12d und e 4.
Das Xylem wird aus einer großen Haupttracheiden gebildet, an die sich mehrere kleinere Tracheiden anschließen, die von einigen Zellen Xylemparenchyms umgeben sind. In den Bildern 12d und e können wir in die Tracheen (T) eingewachsene Thyllen (Thy) erkennen. Mit diesen verschließen Pflanzen verletzte Tracheen oder auch Tracheiden, um den Unterdruck und damit auch den Wassertransport von den Wurzeln zu den Stomata aufrecht zu erhalten.
Warum passiert das hier mitten im Wedelstiel? Eine größere äußere Verletzung war nicht erkennbar ... es könnte es sich um die "Stilllegung" alter, nicht mehr benötigter Bündel handeln. Ein Hinweis darauf bildet die Lage der Leitbündel mit Thylosen: sie liegen alle im Inneren des Wedelstiels und sind somit die Ältesten. Die Verteilung ist allerdings nicht regelmäßig, wie das folgende Bild erahnen lässt:
Bild 13: Thylosen im Wedelstiel, Aufnahme 8b mit entsprechender Beschriftung; Vergrößerung 50x, Stapel aus 24 Bildern

Nun also zu den Trichomen (hier vermutete ich zunächst einen Pilzbefall):
Bild 14: Vorweg noch einmal die Makroaufnahme vom Wedelstiel

Bilder 15 a,b: Auflichtaufnahmen von den Flecken, Vergrößerung 50x (Stapel aus 38 Bilder) und 100x (Stapel aus 160 Bilder)


Wir erkennen lappige Strukturen, die auf der Cuticula zu sitzen scheinen. Es handelt sich um Pflanzenhaare (Trichome), die bei den Arten der Ordnung der Palmenartigen häufig und in vielen verschiedenen Formen vor kommen. Ungewöhnlich ist die Pigmentierung der Haare, die sie im Auflicht braunschwarz erscheinen lassen.
Der Nutzen dieser Trichome, die bei D. lutescens nur während einer kurzen Zeit an der jungen Pflanze zu finden sind, ist nicht entgültig erforscht. Man vermutet, dass sie die Reibung zwischen unterschiedlich schnell wachsenden Pflanzenteilen vermindern und an den Blättern ein leichteres Entfalten ermöglichen.
Nun wieder Schnittbilder:
Bild 16a,b: Ein beim Präparieren abgerissenes Thrichom in der Aufsicht, Bild 16b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus 29 Bildern


Auch hier wieder die lappige Struktur, die wir schon aus den Auflichtaufnahmen kennen. Im Bild noch die alte Beschriftung "FK" als Fruchtkörper.
Bild 17a,b: Ein Trichom im Querschnitt lässt den leicht eingesenkten Ansatz in der Epidermis erkennen; Vergrößerung 400x, Stapel aus 20 Bildern


Auch hier ist das Trichom noch fälschlich als FK für Fruchtkörper bezeichnet.
Zur Vermutung Pilzbefall schrieb ich anfänglich:
Aufklärung kann hier nur eine Färbung bringen, die die Chitinstrukturen des Pilzes spezifisch anfärbt. Eventuell hilft Baumwollblau (Lactophenol) weiter, leider habe ich den Farbstoff jedoch nicht. Vielleicht kennt aber einer von Euch den Pilz anhand seiner Fruchtkörper oder kann meine Theorie widerlegen? Über entsprechende Infos würde ich mich sehr freuen.
Die Vermutung eines Pilzbefalls wurde in der folgenden Diskussion erfolgreich widerlegt.
Schnitte vom Fiederblättchen und den anderen Pflanzenteilen bin ich ebenfalls schuldig geblieben, hier werde ich versuchen, nach zu liefern, zumal sich das Material sehr leicht schneiden lässt.
Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.
Herzliche Grüße
Jörg
Edit: Korrektur Tracheen / Tracheiden auf Hinweis von Detlef - bedankt!

Edit: Tausch der Bilder von Blüte und Frucht der Goldfruchtpalme - vermutlich falsche Benennung der Art bei den zunächst gezeigten Aufnahmen aus der Wikipedia
Edit: Textänderung nach Widerlegung der Pilz-Hypothese
Edit: Wechsel Bilderhost