Liebe Pflanzenfreunde,
nach etwas längerer Pause kann ich nun Schnitte vom Spross der Goldfruchtpalme zeigen.
Auch wenn die Wedel der jungen Pflanze schon 80 Zentimeter in die Höhe ragen, ist dieser sehr klein und unscheinbar, da er - in diesem Beispiel bei einer Gesamtlänge von ca. 3 cm - zum großen Teil von den Blattgründen der Wedel verdeckt ist. In diesem zarten Alter kann man seine Form als annähernd birnenförmig beschreiben: aus dem unteren, ca. 1,5 cm durchmessenden Teil entspringen die wurzeln und der obere, stark verdünnte Teil liegt innerhalb der umhüllenden Blattgründe und endet im Wachstumskegel, aus dem ständig neue Wedel gebildet werden.
Im Rahmen des weiteren Wachstums welken die alten Wedel und fallen dann ab. Nach und nach bildet sich so der "typische" Stamm einer Palme heraus.
Dazu hier noch einmal Bild 2 mit einigen ausgewachsenen Palmen:

Keine Frage, die Sprosse sind klar auszumachen.

Im Bild 1 wird das mit den Sprossen schon schwieriger:

So kennen wir die Goldfruchtpalme aus dem Pflanzenhandel - zumindest, wenn wir uns für einen Topf mit größeren Exemplaren interessieren. Der Spross ist hier, wenn überhaupt, nur als kurzes Stückchen zwischen dem Wurzelansatz und dem Blattgrund des ersten Blattes zu erkennen.
Eine Bemerkung am Rande: so ein kleines Pälmchen ist alles andere als eindrucksvoll und so setzt der Handel auf "Massenpalmenhaltung" im Topf. 20 bis 30 Pflänzchen werden dicht an dicht eingesetzt, um den Eindruck von Fülle zu erzeugen, was natürlich besser ausschaut, als ein bis 3 kleine Pflänzchen auf gleicher Fläche. Was viele nicht wissen: 70 bis 80% der viel zu dicht sitzenden Pflänzchen gehen meist nach gar nicht all zu langer Zeit ein.
Das schaut unschön aus und dann ist ein neuer Topf fällig ...
Wie ist das denn aber nun mit dem Spross der jungen Pflanze? Da die kleinen Dinger eh zu dicht sitzen, habe ich eine heraus genommen:
Bild 38a,b: Makroaufnahme von der Sprossregion der jungen Pflanze, Bild 38b mit Beschriftung


Es handelt sich um die Pflanze, die bereits ihre älteren Wedel meiner Neugier opfern musste. Das arme Ding hat sich aber nicht unter kriegen lassen und ein neues Blatt getrieben, dessen Spitze hier an der Schnittstelle hervorlugt.
Schön zu erkennen der noch grüne Blattgrund eines der älteren Blätter und darunter der alte, vertrocknete Blattgrund des ersten Blattes. Dann kommen auch schon gleich die Wurzeln. Der eigentliche Spross liegt unter dem Blattgrund des ersten Blattes und seine Oberfläche ist auch hier nur schlecht zu sehen.
An der in Bild 38b gekennzeichnete Stelle habe ich den Spross quer geschnitten, da mir der Ansatzpunkt der Wurzeln zunächst interessanter schien, als das undifferenzierte Meristem des Palmherzens. Schnitt und Präparation erfolgten wieder nach den im Eingangsthread beschriebenen Methoden.
Mit rund 15 mm lag der Durchmesser des Sprossstücks an der Schnittstelle hart an der Grenze dessen, was mit dem Handzylindermikrotom zu verarbeiten ist. Aufgrund der Einkerbung in der Gleitfläche des verwendeten SHK Klingenhalters musste ich das Probenstück sogar noch ein wenig tournieren, da es sonst nicht zu schneiden gewesen wäre. Der große Durchmesser und die unterschiedliche Härte der zu schneidenden Gewebe fordern beim freistehenden Schnitt jedoch ihren Tribut: die Schnittdicke ist etwas ungleichmäßig und Teile der Schnitte sind leider zu dick geraten.
Aber genug der Vorrede, verschaffen wir uns zunächst einen Überblick anhand einer Makroaufnahme eines der Präparate:
Bild 39a,b: Makroaufnahme eines Schnittes, Färbung W3Asim II; Bild 39b mit Beschriftung


In der Übersicht ist der Aufbau des Sprosses an seinem unteren Ende gut zu erkennen: da hier die Wurzeln abzweigen, zeigt sich im zentralen Teil ein wildes Durcheinander von längs und quer verlaufenden Leitbündeln, die in allen möglichen und unmöglichen Lagen angeschnitten sind. Um diesen Teil des Sprosses herum erkennen wir einen dünnen Ring sklerenchymatischer Zellen, den ich hier als Durchlassgewebe (DLG) gekennzeichnet habe. Diesen schauen wir uns später noch einmal genauer an. Weiter nach außen folgt ein Rindenparenchym, in dem viele Sklerenschymzellennester eingelagert sind. Den Abschluss bildet eine Art Phelem mit Resten der abgestorbenen Epidermis.
Links und rechts oben sehen wir die Enden zweier Wurzeln, die auch den typischen Aufbau erkennen lassen (siehe weiter oben im Thread). Auch in der Mitte des oberen Randes ist ein solcher Ansatz zu sehen, allerdings in einer anderen Ebene getroffen.
Spannend finde ich die in Bild 39b mit To? gekennzeichnete Stelle. Wir sehen wieder Leitbündel, aber nicht in der Form der oben ansitzenden Wurzeln sondern eher in Form und Aufbau eines Sprosses. Wie im Eingangsthread beschrieben, bildet eine Pflanze 8 bis 12 Sprosse aus - ob sich hier schon ein solcher "Tochtertrieb" bildet?
Schauen wir uns nun die einzelnen Gewebearten des Sprosses etwas genauer an!
Bild 40a,b: Leitbündel im Zentrum des Sprosses, Bild 40b mit Beschriftung; Vergrößerung 50x, Stapel aus je 36 Bildern


Im Zentrum des Sprosses liegen die Leitbündel eher senkrecht zur Schnittrichtung, wie wir es gewohnt sind. Ihr Aufbau unterscheidet sich nicht von dem der Bündel in der Rachis oder im Blattstiel. An einigen Stellen sind aber beginnende Verzweigungen zu erkennen. Interessant sind die großen Zellen im Markparenchym, die ich für Reste von Raphiden-Idioblasten halte.
Informationen zu den Abkürzungen im Bild 40b sowie den folgenden beschrifteten Bildern findet Ihr wie immer auf der Webseite des MKB:
Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen.
Bild 41: Leitbündel am Übergang zum Rindenparenchym, Vergrößerung 50x, Stapel aus 30 Bildern

Hier sieht die Situation schon anders aus. Links oben, außerhalb des Bildausschnittes, liegt einer der Wurzelansätze und hier finden wir deutlich verdrehte Leitbündel und im Zentrum auch eines, das längs angeschnitten ist und zur Wurzel führt.
Bild 42a,b: Leitbündel längs und quer im Detail, Bild 42b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus je 16 Bildern


Noch einmal zwei quer angeschnittene Leitbündel, zwischen denen ein längs angeschnittenes Bündel verläuft, an dessen unterem "Ende" auch einige quer geschnittene Phloemzellen zu sehen sind.
Bild 43a,b: Ein Leitbündel mit "Abzweigung", Bild 43b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus je 20 Bildern


An diesem Leitbündel lässt sich schön eine Abzweigung in ein dann längs nach rechts aus dem Bild laufendes neues Bündel erkennen. Sowohl aus dem Xylem (Tracheen) als auch aus dem Phloem sind längs verlaufende Zellen getroffen.
Bild 44a,b: Leitbündel, sklerenchymatischer Ring und Rindenparenchym, Bild 44b mit Beschriftung; Vergrößerung 50x, Stapel aus je 34 Bildern


Wie schon in der Makroaufnahme in Bild 39 sind hier die unterschiedlichen Gewebetypen gut zu erkennen. Den sklerenchymatischen Ring (DLG) schauen wir uns im folgenden Bild noch einmal genauer an.
Bild 45a,b: Das "Duchlassgewebe" im Detail, Bild 45b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus je 22 Bildern


Hier noch einmal die sklerifizierten Zellen aus dem Ring um die zentralen Leitbündel im Detail. Für ein Stützgewebe sind mir die Zellwände, anders als bei den Sklerenchymkappen der Leitbündel unten am Bildrand, hier zu dünn. Daher vermute ich, dass der Ring mit den vielen stark getüpfelten Zellen zur Verteilung des Wassers aus den Wurzeln dient, weswegen ich ihn als "Durchlassgewebe" bezeichnet habe. Sicher bin ich mir da aber nicht.
Bild 46a,b: Sklerenchymzellennest und Raphidenbündel, Bild 46b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus je 16 Bildern


Hier sehen wir links oben ein Raphidenbündel, das beim Schnitt aus seinem Idioblasten gerissen wurde. Ich vermute, dass der blaugrüne "Schmodder" oberhalb der Calciumoxalat-Nadeln aus Resten des Schleims besteht, in dem das Bündel normalerweise eingelagert ist.
Etwas unterhalb auf der rechten Seite eines der vielen Sklerenchymzellennester, die das Rindenparenchym durchziehen.
Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen!
Herzliche Grüße
Jörg