Kristallisationen-Fragen,Fragen

Begonnen von kleinlich, Januar 09, 2015, 15:56:56 NACHMITTAGS

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kleinlich

Hallo Forum,

ich muss gestehen, dass ich von der Sucht, Kristallisationen zu fotografieren und immer neue Stoffe auszuprobieren, noch nicht losgekommen bin.

Was mich nur wundert, dass der gleiche Stoff unter vermeintlich gleichen Bedingungen, völlig unterschiedliche Strukturen entwickeln kann.

So habe ich Weinsäure und Zitronensäure in Wasser gelöst. Nachdem dieses verdunstet war, waren zwar kleinere Kristallstrukturen erkennbar, aber lohnenswerte Fotomotive sehen anders aus.
Einige Tage später waren dann diese Strickmuster-Kristallisationen zu sehen.



Wie kommt es zu diesen (späten) Kristallisationsänderungen?
Dass Zucker u.U. sehr lange zur Kristallisation braucht, habe ich ja schon mitbekommen. Aber bei der Weinsäure-Zitronensäure-Mischung  hatte zunächst ja schon eine Kristallisation stattgefunden.

Was mich weiterhin wundert, dass Stoffe völlig unterschiedlich kristallisieren können.
Ein sehr gutes Beispiel ist Vanillin, zu sehen auf meiner Webseite http://thom-becker.de unter Galerie/ Kristalle/ Vanillin.

Da mich nicht nur die Sucht, sondern auch die Neugier gepackt hat, bin ich dankbar für Erklärungen. Vielleicht gibt's auch irgendetwas Lesbares zu diesem Thema.

Gruß Thomas

olaf.med

Lieber Thomas,

ich habe lange gewartet, ob nicht irgendwer etwas Vernünftiges zu Deinen Fragen beisteuern will, aber da sich andere noch höflicher zurückhalten, möchte ich mich nun doch über dieses sehr komplexe Thema äußern. Aus der Zurückhaltung siehst Du schon, dass es keine einfachen Antworten gibt, allenfalls Allgemeinplätze oder Vermutungen.

Die Kristallisation eines Stoffes wird durch eine große Zahl von Variablen beeinflußt, wie z.B. homogene oder heterogene Keimbildung (also, ob das Kristallwachstum ein Keimen der gleichen Substanz ansetzt, oder ob es fremde Substanzen sind), des Abkühlungsverlaufs bei Schmelzpräparaten, die Reinheit des Stoffes bzw. die Art der chemischen oder mechanischen Verunreinigung etc., etc., etc......

Die späten Umwandlungen, die Du für Deine Weinsäure-Zitronensäure-Mischung beschreibst, ist sicher sehr komplex und man müßte wissen, wie sich diese Mischung im Vergleich zu den reinen Substanzen verhält. Gibt es z.B. eine Mischbarkeit im nicht-physikalischen Sinne, sondern im Sinne des Einbaus beider Moleküle in eine neue Kristallstruktur, und wenn ja, geht das mit einer festen Stöchiometrie mit diskreten Verhältnissen (das wäre eine neue Kristallart mit definierter chemischer Zusammensetzung) oder sogar für ganze Bereiche von Mischungsverhältnissen (das wären Mischkristalle mit variabler chemischer Zusammensetzung)? Eigentlich müßte hier der organische Chemiker ran (Klaus, wie isses?  ;) )

Für manche Substanzen gibt es auch unterschiedliche Kristallisationsformen bei gleicher chemischer Zusammensetzung, die zu unterschiedlichen Energiegewinn bei der Kristallisation führen. Man nennt das Polymorphie. Dabei bildet sich oft zunächst die weniger stabile Kristallart (geringere Energie-Freisetzung bei der Kristallisation) und daraus wird nach einer gewissen Zeit durch Umkristallisation unter weiterer Energie-Freisetzung die stabilere Phase (Stichwort: Ostwaldsche Stufenregel).

Du siehst also: immer neue und kompliziertere Fragen - eines weiß ich aber ganz, ganz sicher, Dein Strickmuster ist wunderschön!

Herzliche Grüße,

Olaf

Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Klaus Herrmann

Lieber Thomas, lieber Olaf,

ZitatKlaus, wie isses?
Netter Versuch mich aufs dünne Eis zu locken! ;D

Natürlich hatte ich mir überlegt eine Antwort zu wagen, aber es ist schon so, wie Olaf sagt: viele Variable und wenn dann auch noch alchemistisch Substanzen gemischt werden wird es noch unübersichtlicher.
Ich kenne ein paar Substanzen, die sehr konstant immer gleiche Kristallbilder geben. Die Schmelze von Hippursäure gibt zuverlässig immer schöne Rosetten, denen man beim kristallisieren gemütlich zusehen kann. Coffein sublimiert immer in feinen Nadeln.

Bei unzersetzt schmelzenden Substanzen kann man leicht spielen indem man nochmal aufschmilzt und dann beim Abkühlen auf das Deckglas drückt um die Schichtdicke zu variieren. Auch kann man etwas tempern um den Temperaturgradienten zu verkleinern, das gibt dann oft größere Kristalle. Bei Lösungen kann man heiß sättigen und die Abkühlung verzögern oder beschleunigen.

Aber die Frage: was ist das für eine Substanz? Kann praktisch nie beantwortet werden nur auf der Basis eines auch noch so schönen Kristallbildes.

Also Feuer frei für fröhliches Experimentieren! :D
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

kleinlich

Lieber Olaf, lieber Klaus,

vielen Dank für eure Antworten.

Scheint ein ziemlich komplexes Thema zu sein, wenn selbst gestandene Chemiker sich kaum aus der Deckung wagen.
Deshalb schön, dass ihr euch trotzdem getraut habt. ;D

Ich hatte schon vermutet, dass es keine einfachen Antworten geben würde.
Wie Klaus schreibt, liefert die Komplexität auch viel Raum für`s Experimentieren.
Das macht das Ganze nicht uninteressanter, da gehen mir auf alle Fälle nie die Fotomotive aus.

Bin leider im Moment auf Entzug, da meine Kamera den Dienst quittiert hat. >:(

Auf alle Fälle: immer schön neugierig bleiben!

Gruß Thomas