Orthoplan Lichtschachtdeckel - Gießtechnik

Begonnen von treinisch, Januar 17, 2015, 03:37:33 VORMITTAG

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treinisch

Hallo,

ich finde das ,,Abgüsse" eine interessante Improvisationstechnik sind, zumal keine Investition in teure Hardware nötig ist. Darum möchte ich hier am Beispiel eines Orthopplan Lichtschachtdeckels einmal zeigen, wie das geht und am Schluss einen Vergleich zeigen zwischen Original und Kopie.

Vorüberlegung: Einteilige oder zweiteilige Form.
Den Lichtschachtdeckel könnte man sowohl in einer einteiligen, als auch in einer zweiteiligen Form gießen. Der Vorteil der einteiligen Form ist, dass sie sehr viel schneller fertig ist. Schon nach 12 h könnte man mit dem Gießen beginnen.

Der Nachteil der einteiligen Form ist, dass es eine unsaubere Kante gibt, dort wo die Form offen ist, und vor allem, müsste man, wegen der Kante im Lichtschachtdeckel sehr weiches Silikon für die Form verwenden. Ich denke, es würde in diesem Fall, wegen der dünnen Schichtdicke recht schwierig werden eine Form aus sehr weichem Silikon einigermaßen maßhaltig und gerade zu handhaben.

Ich habe deswegen eine zweiteilige Form verwendet.

Vorüberlegung: Härte des Silikons
Da es keine Hinterschneidungen gibt, bietet sich an recht hartes Silikon zu verwenden, so 48 Sh-A. Dann werden alle Geraden auch schön gerade, der Grat wird schön dünn, es läuft wenig Gießharz aus der Form. Ich hatte kein 48 Sh-A Silikon mehr und habe 30 Sh-A verwendet, eigentlich zu weich.

Vorüberlegung: Schnittfläche
Wo soll der Grat verlaufen? Es gibt mehrere Möglichkeiten, zumal das 30 Sh-A Silikon noch deutliche Hinverschneidungen erlaubt. Man könnte ihn möglichst kurz halten, zum Beispiel ringsherum auf einer der ebenen Flächen oder direkt an der abfallenden Kante, dann geht die Nachbearbeitung schneller.
Ich habe mich entschieden, genau umlaufend entlang der äußeren Kante zu schneiden, weil das am billigsten ist und ich wollte nicht unnötig Geld investieren, wo doch Deckel aus dem 3D Drucker zur Verfügung stehen.

1. Schritt: Boden der zweiteiligen Form modellieren
Der Deckel wird so in Plastilin eingebettet, dass eine der beiden Hälften gegossen werden kann. Jede Plastilin-Luft-Grenzfläche ergibt später eine Schnittfläche der Gussform. Um Deckel und und Boden der Form später gut ausrichten zu können piekse ich umlaufend kleine Löcher in das Plastilin. Bei den Löchern sollte man nur dran denken, dass sie später im Silikonabdruck ja kleine Säulen bilden, es ist also praktisch, wenn die Löcher einen konischen Boden haben, dann haben die kleinen Pinne später ein spitzes oder rundes Dach. Das erleichtert das Einfädeln.

Der Lichtschachtdeckel bleibt im Plastilin zum Gießen des Bodens und muss schön sauber sein, da jeder Fingerabdruck später auf der Kopie auch vorhanden sein wird.




2. Schritt: Silikon anmischen
Am besten eignet sich Platin katalysiertes additiv vernetzendes Silikonharz. Aus dem Anmischen habe ich wegen zwei Dingen einen eigenen Punkt gemacht:
1. Nicht durchgehärtetes / durchhärtendes Silikon klebt wie die Hölle. Der Lichtschachtdeckel wäre vermutlich verloren, wenn das Silikon an wenigen dünnen Stellen nicht durchhärten würde.
2. Silikon ab Sh-A 30 ist extrem schwierig zu entgasen und man hat nicht so sehr viel Zeit dafür.

Meiner Meinung nach ist es deswegen wichtig gründlich und reproduzierbar zu mischen und dabei so wenig Luft wie möglich unterzurühren.




3. Schritt: Silikon entgasen

Entgastes Silikon ist extrem praktisch, weil sich Luft sehr gut darin löst. Kleine Blasen verschwinden beim Aushärten oft von ganz allein, man braucht deswegen keine Doktorarbeit daraus machen. Ich gehe für 1 Min. auf <100 mbar, 1 Min. warten, 1 Min. <100 mbar, 2 Min. warten, dann habe ich noch etwa 10 Minuten zum Gießen.

Das Silikon schäumt stark auf. In einem Plastik-Einmalbecher kann man 30 g Silikon entgasen.




4. Schritt: Gießen und aushärten lassen

Wenn ich mehr als 30 g Silikon brauche, dann gieße ich zuerst mit entgastem Silikon, warte 1 h und gieße dann, vorausgesetzt alle Teile des Originals sind bedeckt, mit unentgastem Silikon nach. Silikon, dass nach 1 h oder schneller nachgegossen wird verbindet sich nahtlos und untrennbar.





5. Schritt: Boden ist fertig
Nach 12 h kann der Boden ,,entformt" werden. Ich warte 24 h, weil sich das Silikon plastisch verformt, wenn es nicht ganz ausgehärtet ist.
Das Bild zeigt den fertigen Boden. Ihr seht, dass er praktisch blasenfrei ist. Ich reinige den Boden in der Spülmaschine, durch die Hitze ist dann sichergestellt, dass er wirklich gut durchgehärtet ist.

Weil ich kein Trennmittel verwenden will, warte ich noch zwei Tage, bevor ich den Deckel gieße, denn Abformsilikon klebt zwar an garnichts, aber an nicht perfekt vernetztem Abformsilikon durchaus, wenn man große Kraft aufwenden müsste, um Deckel und Boden zu trennen, könnten sich die beiden plastisch verformen, was ja nicht so gut wäre.




6. Schritt: Form für Deckel vorbereiten
Der gründlich gereinigte Lichtschachtdeckel wird gewissenhaft in den Boden eingelegt. Ich gieße relativ selten Teile und wenn, dann nicht immer unbedingt rechteckige, deswegen baue ich mir den Rand aus Plastilin.

Es müssen mindestens zwei Kanäle eingeplant werden, einer zum Befüllen, einer zum Entlüften.

Wenn der Deckel zu dünn wäre, würde er durchhängen, daran muss man denken. Entweder müsste ich härteres Silikon verwenden oder eben einen dicken Deckel gießen. Ich glaube, die Dicke, die ich hier gewählt habe, war im Prinzip o.k.

Je exakter der Abguss sein muss, um so mehr muss man sowas natürlich ins Kalkül ziehen.




7. Schritt: Formdeckel gießen
Wieder mit reproduzierbar gemischtem, gut entgastem Silikon. Hier sieht man, warum es wichtig ist, dass das Silikon lange genug flüssig ist. Es ist ja recht viskos, würde man zu aggressiv gießen, würden die frimeligen Kanäle aus Plastilin abreißen. Nach dem langsamen Gießen muss sich das Silikon ja dann auch noch gleichmäßig verteilen.




8. Schritt: Deckel entformen
Ihr seht, ein perfekter, luftblasenfreier Deckel.





9. Schritt: Form zusammenbauen
Ist mir nicht gut gelungen. Die Form wird dann wieder zusammengesteckt und mit Kapton-Tape fixiert. Der Lichtschachtdeckel bleibt natürlich draußen. Die Kunst beim Fixieren ist, die Form fest genug zuzukleben, aber nicht so viel Kraft auf die Form auszuüben, dass sie sich verformt, das Silikon ist schließlich nicht stahlhart.




10. Schritt: Vorbereitung für den Guss und Guss
Ich habe mich für eine Schlauchpumpe entschieden, damit der erste Schuss direkt möglichst gut wird, man könnte auch einfach das Harz mit einer Spritze einleiten, der erste Schuss geht dann in die Hose, weil man nicht gleichzeitig die Spritze bedienen kann, die Form neigen und kippen und beobachten, was innendrin passiert. Aber beim zweiten Versuch ist man dann gewarnt und alles klappt reibungslos.

Das Epoxidharz habe ich mit Rebschwarz schwarz gefärbt. Auch das Harz muss gründlich und möglichst blasenfrei angemischt werden und entgast. Das Harz, das ich verwende, bleibt etwa 5 Stunden dünnflüssig, ist nach 24 h etwa so fest wie sehr sehr heißer Straßenbelag (weich aber nicht fließfähig) und kann nach frühestens 48 Stunden entformt werden.




11. Schritt: Entformen des Rohlings


Ansicht Vorderseite


Ansicht Rückseite



12. Schritt: Entgraten und testen
Ich entgrate mit 240 er Korn. Das geht extrem schnell. Leider habe ich vorher nicht das Original angeschaut, so dass mit zwei scharfe Ecken ein wenig rund geraten sind.
Weil ich Probleme mit dem Entgasen des Epoxids hatte (Silikontropfen auf dem Exsikkatorrand) haben sich leider zwei kleine Luftblasen am Rand gebildet.  Aber für einen ersten Schuss bin ich persönlich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Beachtet auch, wie gut die Oberfläche des Originals nachgebildet ist.

Links oder unten ist immer die Kopie, rechts bzw. oben das Original.



Beachtet auch, wie gut die Oberfläche des Originals nachgebildet ist.


Hier kann man sehen, dass die Kopie am Rand an zwei Stellen ein klein wenig dünner ist, weil hier die Form durch die zu hohe Spannung des Kapton-Tapes komprimiert wurde.




Soviel zu meinem Bericht: Lichtschachtdeckel-Abguss.


Mit herzlichen Grüßen

Timm



Edit: Ein Nachtrag noch: In dem Formteil, den man als zweites gießt dürften dann auch Gewinde dabei sein, wenn sie maximal etwa doppelt so lang wie dick sind. Im ersten Teil darf kein Gewinde sein, denn man müsste ja nach dem Entformen die gegossene Silikonschraube wieder in das Gewinde hineinbekommen, das klappt nicht, es sei denn, das Gewinde ist extrem kurz, wie zum Beispiel das C-Mount Gewinde.
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

mikromeister

Das ist wirklich eine Beeindruckende Qualität.
Und schön beschrieben.

Wer keine Vakuumpumpe und Exsiccator hat, kann auch für ca. 25 EUR eine Wasserstrahlpumpe kaufen und zum Entgasen einen kleinen Kochtopf und eine Makrolonplatte mit Gummidichtung verwenden.

Wenn die Durchbiegeung der Form ein Problem ist, dann machen doch viele Leute eine Gipsschicht um das Silikon.
Ist das gut? Ich habe es noch nie probiert.
Vielen Dank und freundliche Grüße

Markus


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treinisch

Hallo Mikromeister,

Wasserstrahlpumpe und Kochtopf mit Einmachgummidichtung ist zum Entgasen absolut perfekt und praktisch kostenlos.


Zum Gips: Ist halt alles Geschmackssache.

Der Gips würde ja den Blick in die Form verhindern. Ich mag es, wenn ich die Luft sehe, dann kann ich die Form neigen um gegen die Luft zu kämpfen.
Gips hilft auch nur gegen das Biegen nach außen durch den Harz, ich glaube solche Fälle kommen bei ,,uns" sehr sehr selten vor.

Wenn Du Gips auf die Form gibst, biegt sie sich ja erst recht durch, oder du musst den Deckel liegend eingipsen, dann wird das Zusammensetzen ätzend. Platinsilikon würde sich auch schon allein durch das Eigengewicht vom Gips lösen.

Gips ist eine Sache für einteilige Formen mit großem Volumen / Fläche. Da bräuchte man riesige Mengen Silikon, stattdessen gießt man eine ,,Haut" und legt vor dem Entformen eine Außenform aus Gips an, in die man die ,,Haut" vor dem Gießen wieder einlegt. Eine Stuckrosette könnte man so abgießen, zum Beispiel um sie von Styropor auf Gips zu konvertieren. Wegen der hohen Dichte der Gipsmasse würde das kaum ohne Außenform gehen.

Wenn das Durchbiegen nicht nur auftreten würden, sondern ein echtes Problem wäre, würde ich eher eine Form aus mehreren verschieden harten Silikonen gießen oder einen Stab mit eingießen, den man zum Entfernen erstmal rauszieht und vor dem Gießen wieder einschiebt.

Herzliche Grüße

Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

Peter V.

Lieber Timm,

ein absolut überzeugendes Ergebnis. Aber - wie man sieht - doch recht aufwändig und für einen Ungeübten sicher keine Sache, die sofort von Erfolg gekrönt ist. Mit scheint, dass es da schon einiger Erfahrung bedarf, um einen solchen Prozess mit einem vernünftigen Ergebnis abzuschließen.

Mit einem vorliegenden Computzerdatei ist der 3D-Druck doch deutlich "einfacher"  ;), wobei man das Material für meine Begriffe auf jeden Fall nachbearbeiten muss. Zumindest so, wie ich es von Shapeways bekommen habe. Ich hoffe, dass ich heute die Deckelchen aus der Lackiererei zurück bekommen und dann Anfang der Woche versenden kann.

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.