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Johnstonsches Organ

Begonnen von Jürgen H., Juni 03, 2009, 15:59:32 NACHMITTAGS

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Jürgen H.

Liebe Mitmikroskopiker,

Das folgende Bild zeigt einen Längsschnitt durch das Johnstonsche Organ einer Wintermücke (Trichocera hiemalis)




Sc Scapus (Erstes Antennenglied), angeschlossen an die Kopfkapsel, die hier nicht im Bild zu sehen ist, mit diversen Muskelsträngen, mit denen

Pe Pedicellus, das zweite Antennenglied offensichtlich bewegt werden kann. Die

GH Gelenkhäute stellen die Beweglichkeit anscheinend sicher. Im kugelrundlichen Pedicellus selbst befinden sich die eigentlichen Sinnesorgane, mit denen die Bewegungen der

A Antenne (hier nur drittes Antennenglied zu sehen)  wahrgenommen werden, die sogenannten

SC Scolopidien, Nervenzellen, die  wohl auf Zug einen Nervenimpuls zum Mückengehirn schicken. Der Nerv zum Gehirn, der durch den Scapus führt, und die Scolopidien anschließt, ist nicht zu erkennen, wohl aber mittig eine

T Trachee zur Luftversorgung, die sich in die Antenne fortsetzt und ein

AN Antennennerv, der ebenfalls nicht im Schnitt erkennbar, in die Antenne als paariger Nerv läuft, um die dortigen zahlreichen Sinneszellen anzuschließen.

Das dritte Glied der

A Antenne selbst ist nur als kleiner Stummel im Schnitt sichtbar, es folgen beim Tier jedoch noch eine Vielzahl von perlenartig aufgereihten Antennengliedern.

Interessant scheint mir, wie die Scolopidien Bewegungen der Antenne wahrnehmen können: Um den untersten Teil des dritten Antennengliedes verläuft ein chitinöser Ring in einem kleinen Abstand vom Beginn des dritten Antennengliedes. Dieser Ring selbst ist nicht fest mit dem chitinösen Hohlkörper des Pedicellus verbunden, sondern ebenfalls nur locker auf Abstand in die obere Öffnung des Hohlkörpers eingepasst. Die Verbindung scheint über eine im Schnitt hellblau gefärbte Weichmasse zu erfolgen, die oben und unten scharfblau begrenzt ist. In sie ist der chitinöse Ring vollständig eingelassen. Vielleicht ist es eine gallertartige Masse, die aber doch eine gewissen Steifheitsgrad aufweisen muss.

In einem Querschnitt sieht dies so aus:



Der Querschnitt verläuft leicht schräg durch das Organ, so dass in der Reihenfolge von von links unten nach rechts oben hin im Bild  zu sehen sind:

der äußere Rand des Pedicellus,
anschließend der hellblau gefärbte Zwischenraum zum chitinösen Ring
der chitinöse Ring selbst, genauer, ein kleiner Teil des Rings wegen des schrägen Anschnitts
ein weiterer hellblau gefärbter Zwischenraum mit vielen dunkelblauen Stellen darin
und dann der Querschnitt, ringförmig, durch das dritte Antennenglied.

In der Mitte dieses Querschnitts durch das dritte Antennenglied ist hier auch dunkelblau gefärbt, der paarige Antennennerv zu erahnen und ein kleiner blau gefärbter Kreis bei 11 Uhr: eine quer geschnittene Trachee.

Die Skolopidien inserieren nun kreisförmig zwischen dem chitinösen Ring und dem Beginn des dritten Antennengliedes. Bewegt sich die Antenne nach links oder rechts, wird dementsprechend rechts oder links an den fädigen Enden der Scolopidien gezogen.

Kommentare sind wie immer erwünscht.

Viel Spaß beim Betrachten wünscht

Jürgen Harst


A. Büschlen

Lieber Herr Harst,

ihre Arbeit beeindruckt sehr. Ich stelle mir vor, wie sie dieses kleine Objekt scheiden, auf dem Objekträger anordnen, färben und eindecken... !

Freundliche Grüsse

Arnold Büschlen
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

Fahrenheit

Hallo Jürgen,

schönen Dank für den informativen Beitrag und die tollen Bilder. Wieder was gelernt!

Zeigst Du uns hier auch noch mal was von den Wandelnden Blättern?

Schöne Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Jürgen H.

Hallo lieber Arnold Büschlen,

vielen Dank für Ihre Worte, allerdings sind solche Schnitte von der Lage her einfach ein bisschen Glückssache. Ich habe leider auch die Bedeutung der Schnittserie hinsichtlich des Organs vor dem Färben nicht erkannt, sonst hätte ich wohl eine andere Färbung als die in Anilinblau vorgezogen. Das ist leider eines meiner Probleme, ich hatte es bereits geschildert: Bei solch kleinen Tierchen sieht man erst hinterher, was man da überhaupt geschnitten hat. Die Ausrichtung im Paraffin während der kurzen Erstarrungszeit erfolgt recht schnell. Durchs Paraffin sieht man das Tierchen zwar auch in etwa, aber doch nicht so deutlich, dass man die Schnittebene danach bestimmen könnte. Das Verfahren ist noch weniger als ein Pröbeln: Wenn man einmal im Körper drin ist, hilft das Verändern der Schnittachse nur noch wenig, weil ja selbst das ganze Köpfchen der Mücke nur wenige Millimeter Durchmesser hat und der Pedicellus nur einen Bruchteil davon misst. Denkbar wäre vielleicht, das Organ mit der Antenne unter dem Bino vom Kopf abzuschneiden. Dann hätte man die Antennenlängsachse in etwa zur Orientierung. Nur: Wie transportiere ich so ein feines Teilchen durch die Lösungen? Festkleben an einem Zigarettenpapier mit einem Sekundenkleber, dachte ich. Aber trotz des vorherigen positiven Versuches: Auf Dauer ist der nicht lösungsmittelresistent.

Daher habe ich, lieber Jörg ein Beinchen Deines wandelnden Blattes versuchsweise einmal in Celloidin eingebettet.  Das Celloidin ist nach der Härtung immer noch ziemlich gut durchsichtig, so dass ich das Blöckchen entsprechend der Längsachse ausgeschnitten habe um das Beinchen mit dem Mikrotom quer schneiden zu können. Wenns was wird, folgen also noch Bilder des wandelnden Blattes.

Ich habe aber noch keine Ahnung, wie sich Celloidin schneidet, insbesondere, ob es für mein kleines Mikrotom nicht zu hart ist. Auch rätsele ich noch darüber, wie es am besten aufzukleben wäre. Färbung vorab im Stück? Färbung der Schnitte vor dem Aufkleben? Aufkleben mit Glyceringelatine oder Eiweiß? Ganz ohne? Hält das die Färbungen aus? Ich brauche ein langes Wochenende...

Schöne Grüße

Jürgen (Harst)

Ralf Feller

Hallo Herr Harst,
das sind wundervoll getroffene Schnitte.
Was für ein Anillinblau verwenden Sie zum Färben? Ich verwende meist HE oder Azan.
Von Celloidin für die Insekteneinbettung habe ich auch schon gehört, habe es aber nie
in der Hand gehabt. Ich würde mich freuen von Ihren Versuchen zu hören.
Vor einiger Zeit habe ich einen Beitrag über das gerichtete Einbetten in Paraffin gelesen. Man soll dabei ein kleines Blockschälchen erst mit Paraffin ausgießen, das Objekt dann ausrichten und das Blöckchen dann auffüllen.
Übrigens, ich habe zwar einen Wärmeschrank, zum Einbetten in Paraffin verwende ich aber immer nur Wasserbäder. Wasser hat eine höhere Wärmekapazität als Luft, das Paraffin reagiert hier sehr viel schneller auf Wärme.

Danke für die schönen Aufnahmen,
und ein schönes Wochenende,
Ralf Feller

Jürgen H.

Liebe Herr Feller,

Schlichtes Anilinblau von Chroma. Normalerweise färbe ich auch in HE oder in einer Azankombination, entweder der von Geidies oder der Sterba Pseudoazan, mitunter auch in einer Eisenhämatoxylinfärbung. An Azan Heidenhain habe ich mich noch nicht herangewagt. Da bräuchte ich wohl auch einen Wärmeschrank, wenn ich das richtig im Kopf habe.

Mein Celloidinblöckchen habe ich heute versucht zu schneiden. Dabei stelle ich, entsprechend der Literatur fest: Es muss schräg geschnitten werden. Das Messer parallel zur Blockkante ausrichten funktioniert nicht, dafür ist das Material offensichtlich zu hart. Schräg gestellt geht das Messer durchs Blöckchen wie durch Butter, aber ich komme mir vor wie damals, als ich in den Anfangsgründen des Paraffinschneidens steckte: Die Schnitte formen sich zu kleinen Röllchen. Bei Paraffinschnitten wäre jetzt dünner schneiden angesagt, oder höhere Raumtemperatur (weicheres Material) oder eine flachere Messerstellung. Dünner schneiden hilft jedoch beim Celloidin anscheinend nicht. Das Material weicher machen,  geht auch nicht mehr. Das Messer noch weniger schräg stellen als es steht, kann ich bei meinem Messerhalter nicht. Das liegt daran, dass ich für diese Schnitte ein Einmalmesser verwende und der Messerhalter für das Einmalmesser eine Stärke besitzt, mit der ich das Messer nicht noch flacher stellen kann. Für Paraffinschnitte ist die Neigung des Messers so aber auch richtig. Im Augenblick weiß ich keine Lösung.

Interessant, dass Sie nur Wasserbäder verwenden. Ich habe mir auch schon theoretisch gedacht, dass es schwierig werden dürfte, die Türe des Wärmeschrankes zu öffnen, den Wechsel des Objektes in einen neue Flüssigkeit vorzunehmen, z.B. ins Paraffinbad 2 und dann noch im Schrank  eine Temperatur sofort zu haben, die nicht zu einem Erstarren des Paraffins führt.

Schöne Grüße

Jürgen Harst

P.S.

Die Culex soll noch ein wesentlich komplizierteres gebautes Johnstonsches Organ besitzen, eine wahre Schönheit der Natur. Ich habe es noch nicht zwischen Objektträger und Deckglas gehabt.

Jürgen H.

Liebe Mitmikroskopiker,

ZU der Insertionstelle der Skolopidien an der Antenne möchte ich noch einmal zwei neue Bilder zeigen.

Zunächst aber noch einmal das Ausgangsbild:





Am oberen Rand des Pedicellus ist der "Fuß" der Antenne, genauer, der Fuß des dritten Antennengliedes eingelassen, umgeben von einem chitinösen Ring, links und rechts des Fußes im Querschnitt getroffen. Die chitinöse Hohlkörperwand des Pedicellus, der chitinöse Ring und der Fuß sind über eine hellblau gefärbte Masse miteinander verbunden. Auffällig ist ein U-förmiger Einschnitt in diese Masse zwischen dem Ring und dem Fuß. Und die "Verbindungsmasse" ist am oberen Rand durch eine scharfe dunkelblaue Linie begrenzt.

Offensichtlich dient dieser U-förmige Einschnitt dazu, die Beweglichkeit der Antenne gegenüber dem Pedicellus in alle Richtungen zu erleichtern.

Zwei Schnittebenen tiefer sieht das Präparat nun so aus:



Ganz unten ist bereits die Außenwand des Scapus von innen zu sehen. Im Pedicellus ist auf der rechten Seite am oberen Rand der Querschnitt des chitinösen Rings herausgebrochen. Auf dieser Seite sieht man am Fuß der Antenne aber auch recht deutlich blaue Striche, die senkrecht verlaufen. Sie liegen in der optischen Ebene hinter dem Fuß, zeigen also die Rückseite des Fußes. Ob es sich hier um dünne Verstärkungsstreben sozusagen um dünne Gräten handelt?

Die Vergrößerung des bereits im ersten Beitrag gezeigten Querschnittes liefert keinen genauen Aufschluss:



Hier sieht man allerdings zwischen dem chitinösen Ring und dem Antennenfuß deutlich tiefblaue Punkte, die die Querschnitte von den tiefblauen Linien am Antennenfuß im zweiten Bild sein könnten.

Mikrogrüße

Jürgen Harst

Ralf Feller

Tolle Zusammenfassung!

Und hier ist das Johnstonsche Organ drin (Culex pipiens)



Gruss Ralf Feller

Jürgen H.

Lieber Herr Feller,

ein wunderbares Bild.

Und Anlass für mich, sich zu wundern. Denn die Antennen stehen so etwa in einem Winkel von 45 Grad zueinander. Dennoch habe ich Schnitte der Wintermücke, in denen die zweiten Antennenglieder beide nahezu quer geschnitten nebeneinanderliegen, also einen wesentlich kleineren Winkel als 45 Grad zueinander bilden. Die Muskulatur im Scapus muss also in der Lage sein, den Pedicellus, und damit die gesamte Antenne, weitgehend zu verstellen. Oder es gibt bei der Wintermücke generell einen anderen Winkel der Antennen zueinander.

In meinem Längsschnittbild ist im Scapus ja auch Muskulatur zu sehen. Diese habe ich auch schon bei einer Stelzmücke ermittelt. Wozu das Tierchen allerdings diese Beweglichkeit der Antennen zu besitzen scheint, kann ich nur vermuten. Gehe ich von der Funktion eines Gehörs aus - ich habe einmal einen Bericht gelesen, nach dem die Antennen des Männchens starke Schwingungen aufgrund der Resonanz zeigen, wenn der Flugton des Weibchens ertönt - dann wäre zu überlegen, ob, die Resonanz besonders gut funktioniert, wenn die Spitzen der Antennenbüschel in Richtung des Weibchens zeigen. Auffällig ist ja, dass  beim Männchen der Culex - Sie zeigen ein Weibchen - die fiederige Gestalt der Antennen besonders stark ausgeprägt ist. Sollte die Vermutung zutreffen, dann wäre es sicher ein Vorteil, wenn man mit einer beweglichen Antenne die Schallquelle besser orten kann. Im Vergleich zum Menschen, der über keine beweglichen Ohren besitzt, müsste dann allerdings die Verrechnung im Gehirn eher noch komplexer ablaufen, da die jeweilige variable Stellung der Antennen mit in die Berechnung einbezogen werden müsste, oder? Haben Sie die Möglichkeit, in Ihrem Versuchslab. die Beweglichkeit von Antennen zu beobachten? Und wenn, gibt es nur eine Beweglichkeit, mit der der Winkel zwischen den Antennen vergrößert oder verkleinert wird, oder gibt es auch andere Bewegungsformen?

Über die Funktion eines Gehörs hinaus könnte die Beweglichkeit natürlich auch von Nutzen sein, wenn die Antennen auch als Tastorgan genutzt werden. Schließlich besitzen die oberen Antennenglieder eine Vielzahl von Sensillen, die als Tastorgane genutzt werden könnten.

Mikrogrüße

Jürgen Harst




Ralf Feller

Hallo Herr Harst,
danke für Ihre interessanten Anregungen. Wenn man über die Dinge die man sieht nachdenkt, kann man zu interessanten neuen Anregungen kommen. Leider habe ich momentan keine lebende Zucht, ist einfach ganzjährig zu aufwendig denn man kämpft ständig gegen Schimmelpilze und Milben. Aber man könnte ja mal mit der Videokamera die Bewegungsmöglichkeiten anschauen-oder manchmal hilft einfach googeln um Zeit zu sparen. Ich bin voller Spannung auf Ihre Versuche mit Celloidin-was könnte man alles sehen wenn man die zeitaufwendige Präparation vereinfachen könnte. Dennoch gehört die Präparation ja doch auch zum Bild, uns bei so manchem Mikrofoto wird nicht gesehen dass der Weg dorthin viel aufwendiger war als die Optik und Bildtechnik.
Ohne gute Präparationstechnik und know-how nützt die beste Optik nichts.

ein schönes Wochenende wünscht
Ralf Feller