Gastrotrichen Chaetonotus laroides, Ch. hystrix und Lepidodermella squamata

Begonnen von Ole Riemann, April 13, 2015, 14:04:55 NACHMITTAGS

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Ole Riemann

Liebe Tümpler,

ich möchte hier einen hübschen Gastrotrichen vorstellen, den ich in älteren Proben (vorrangig fädige Cyanobakterien und Diatomeen) aus einem Seitenarm des Mains bei Würzburg gefunden habe. Ich halte ihn für Chaetonotus laroides, werde aber noch einmal genauer recherchieren.

Auffällig sind die sehr zahlreichen dorsalen Schuppenstachel (C), die von einer abgerundeten Basisschuppe mit tiefer Einschnürung ausgehen (E). In der Literatur heißt diese Schuppenform häufig "pflugscharförmig". Weiterhin finden sich auf der Bauchseite (A und D) zarte, rundlich-gekielte Schuppen sowie zwei blattartige Terminalplatten (D). Die Gesamtlänge des Tieres beträgt ca. 250 µm.

A-C: Zeiss Planapo 40/1,0 - D-E: Zeiss Planapo 63/1,4, jeweils DIK am Zeiss Standard WL



Hier noch einige Fotos eines weiteren, sehr kleinen Gastrotrichen (Chaetonotus hystrix). Diese Art gilt als sehr häufig und anspruchslos und kommt in den unterschiedlichsten Habitaten vor. Insgesamt erreicht das Tier eine Gesamtlänge von nur ca. 100 µm. Die Rückenstacheln zeigen eine feine Nebenspitze, die Basalschuppen (B) sind dreilappig. Am Rumpfende liegen 2 Paar charakteristisch angeordnete Schüppchen, die abweichend von den anderen Rückenschuppen stachellos sind (D). Auf der Bauchseite (A, C) finden sich rundliche Kielschuppen sowie zwei ovale Terminalplatten (C).



Lepidodermella squamata ist durch sein auffallendes Schuppenkleid aus unbestachelten, dicht an dicht sitzenden Schuppen besonders attraktiv (C, E). Das Tier bewegt sich in der Petrischale elegant mit raschen Schwimm- bzw. Gleitbewegungen auf den Cilienbändern der Bauchseite (A). Die Art ist sicher anhand der Rückenschuppen und der Querschienen (D) auf der Bauchseite entlang des Pharynx zu erkennen. Das fotografierte Exemplar trägt eine große Eizelle (B, links neben dem Darm).


JB


Michael L.

Hallo Ole,

Wirklich ausgezeichnete Aufnahmen zumal die Viecher ja unaufhörlich in Bewegung sind.

Viele Grüße

Michael

Ole Riemann

#3
Hallo Michael,

ja, viel Zeit für die Fotos bleibt nicht, sobald man die Gastrotrichen mit sanftem Deckglasdruck und optimaler Schichtdicke festgelegt hat (ca. 3-5 min.). Bei robusteren Arten kann man auch immer wieder Wasser an den Deckglasrand setzen, das sich kapillar unter das Deckglas zieht. Aber die empfindlichen Arten wie Ch. hystrix sind sehr problematisch. Mir ist daher auch nicht so richtig klar, wie es die Bearbeiter in der taxonomischen Spezialliteratur geschafft haben, so genaue Zeichnungen anzufertigen. Dauerpräparate funktionieren nicht, einen Zeichentubus kann man gar nicht nutzen. Ich würde mit der digitalen Technik heute vermutlich verschiedene Schärfeebenen aufnehmen und daraus dann Zeichnungen ableiten.

Viele Grüße

Ole

Michael

Hallo Ole,

Zitat von: Ole Riemann in April 17, 2015, 16:17:27 NACHMITTAGS
Mir ist daher auch nicht so richtig klar, wie es die Bearbeiter in der taxonomischen Spezialliteratur geschafft haben, so genaue Zeichnungen anzufertigen. Dauerpräparate funktionieren nicht, einen Zeichentubus kann man gar nicht nutzen.

die "Alten" hatten schon ein paar Tricks drauf. Bei kontraktilen Tieren wurden diese z.B. vor dem Fixieren mit Cocain, Mentol od. Ähnlichen narkotisiert. Prinzipiell kann von fast Allem Dauerpräparate erstellen.
Gastrotrichen haben die unangenehme Eigenschaft, sich beim Fixieren zu einer Kugel zusammen zu rollen. Da sie aber nicht kontraktil sind, kann man sie direkt unter dem Deckglas bei kleiner Schichtdicke fixieren. Zusammenrollen klappt dann nicht und mit etwas Glück bleiben die Tiere schön gestreckt.
Ich habe letztens bei einer Schichtdicke um 10µ damit Erfolg gehabt. Als Fixierung habe ich stark verdünnte Lugolsche Lösung verwendet. Einfach kapillar unter das Deckglas ziehen lassen. Lugol färbt die Tiere auch noch etwas an und erhöht damit den Kontrast. Wenn Du dann das Deckglas mit Nagellack umrandest, hast Du ein Präparat, das zumindest einige Tage (oft auch wesendlich länger) hällt.

Viele Grüße,

Michael
Gerne per Du

Ole Riemann

Hallo Michael,

vielen Dank für Deine Hinweise. Du hast Recht - auch von Gastrotrichen habe ich schon Dauerpräparate hergestellt, die aber nicht so recht befriedigten. Dies lag aber weniger an der Güte der Fixierung und dem Strukturerhalt (4% Formol), sondern an der Krümmung der Tiere. Deine Idee, sie unter dem Deckglas zu fixieren, ist gut. Vermutlich ziehen sie sich dann höchstens etwas zusammen, bleiben aber plan. Ich werde das mal probieren!

Ich habe übrigens noch einige weitere Fotos im initialen Beitrag eingestellt (Lepidodermella squamata).

Viele Grüße

Ole

Ole Riemann

#6
Hallo Tümpler,

ich habe diesen alten Faden noch einmal aufgegriffen, um eine interessante Beobachtung an einer Chaetonotus-Art aus dem Murnauer Moos vorzustellen.

In den allermeisten Fällen begegnen dem Mikroskopiker, der Süßwassergastrotrichen untersucht, weibliche Tiere mit häufig auffallend großen Eizellen. Diese Tiere befinden sich in der parthenogenetischen Phase und pflanzen sich über unbefruchtete Eier, die entweder sofort oder erst nach einer gewissen Latenzzeit schlüpfen, fort. Für lange Zeit hielt man diese Fortpflanzungsweise für die einzige, die bei Süßwassergastrotrichen vorkommt. Anders dagegen verhalten sich die im Meer lebenden Gastrotrichen aus der Gruppe der Macrodasyiden, die zwittrige Organismen sind, also männliche und weibliche Keimzellen in einem Tier ausbilden und sich kreuzweise befruchten.

In den letzten Jahrzehnten haben systematische Untersuchungen gezeigt, dass in gewissen Phasen der Entwicklung einer Population von Süßwassergastrotrichen ebenfalls zwittrige Tiere auftreten. Eine ausschließlich parthenogenetische Fortpflanzung liegt hier also nicht vor. Unklar ist jedoch, ob es bei den Süßwasserarten zu einer kreuzweisen oder zu einer Selbstbefruchtung kommt. Möglicherweise sind die gebildeten Spermien auch gar nicht funktionsfähig, sondern Rudimente. Nur warum sollten sie dann überhaupt gebildet werden?

Das abbgebildete Exemplar aus dem Murnauer Moos zeigt neben den gewöhnlichen Eizellkernen Bündel von aufgewickelten, fadenförmigen Spermien beiderseits der Darmes (Pfeilspitzen in C). Ebenfalls zu erkennen ist das X-Organ (Pfeilspitzen in D), ein Organ, über dessen Funktion meines Wissens nur Mutmaßungen angestellt werden. Denkbar ist, dass das X-Organ Dottermaterial für die Eizellen bildet. Typisch ist seine granulierte Struktur mit zwei spiegelbildlichen Hälften.

Haben einige Experten schon ähnliche Beobachtungen an Gastrotrichen aus dem Süßwasser gemacht? Der Literatur entnehme ich, dass sich diese zwittrigen Formen nur selten entwickeln.



(Zeiss Axioplan, Plan Neofluar 40/0,75, DIC)

Viele Grüße

Ole