Botanik: Spross der Tulpe und ein Geburtstagsgeschenk *

Begonnen von Fahrenheit, April 26, 2015, 09:20:56 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

Jacob, der Sohn unserer Nachbarn, interessiert sich für Mikroskopie. Zum Geburtstag habe ich ihm daher eine "Schnippelsession" versprochen. Das war letztes Jahr im Mai und wir haben es gerade noch vor seinem nächsten Geburtstag geschafft.

Wir hatten gerade einen Strauss Tulpen auf dem Tisch und so musste ein Tulpenstiel für unsere Schnitte her halten. Die Bilder hier stammen von Jacobs Schnitten, die er unter Anleitung selbst erstellt, gefärbt und eingedeckt hat. Im Alter von knapp 12 Jahren eine tolle Leistung, zumal ich nach der Vorführung der jeweiligen Tätigkeit in aller Regel nicht mehr eingreifen musste.

Bild 1: Tulpen im Botanischen Garten der Universität Bonn



Wie gewohnt, zunächst ein paar Worte zur Tulpe selbst

Die Tulpen (Tulipa) bilden eine Pflanzengattung in der Familie der Liliengewächse (Liliaceae). Die etwa 150 Arten sind in Nordafrika über Europa bis Mittel- und Zentralasien verbreitet. Zahlreiche Hybriden werden als Zierpflanzen in Parks und Gärten sowie als Schnittblumen verwendet und kommen als Gartenblumen mittlerweile in allen gemäßigten Zonen der Erde vor.

Tulpen sind ausdauernde, krautige Pflanzen, die je nach Art oder Hybride eine Wuchshöhe von 10 bis 70 Zentimetern erreichen können. Sie bilden Zwiebeln als Überdauerungsorgane aus - sind also Geophyten. Neben Tochterzwiebeln bildet die Tulpe auch Ausläufer (Stolone) zur vegetativen Vermehrung. Die äußere Haut der Zwiebeln ist meist an der Innenseite behaart. Der untere Teil des Sprosses befindet sich in der Regel im Boden. Am Spross finden sich zwischen zwei und sechs, selten bis zu zwölf wechselständigen, ungestielten Laubblätter von breit-linealischer, manchmal fast eiförmiger Gestalt. Der Blattrand ist einfach, glatt bis gewellt.

Die aufrechten Blüten stehen meist einzeln und endständig oder in wenigblütigen Blütenständen. Sie sind zwittrig, dreizählig und glocken- bis napfförmig. Es sind zwei Kreise freier Blütenhüllblätter vorhanden, wobei die Blütenhüllblätter der beiden Kreise mehr oder weniger verschieden geformt sind. In der Blüte befinden sich wieder zwei Kreise mit je drei freien, fertilen Staubblättern mit je nach Art behaarten oder unbehaarten Staubfäden. In der Mitte kliegen drei Fruchtblätter, die zu einem oberständigen Fruchtknoten verwachsen sind. Jedes enthält vielen Samenanlagen. Der säulenförmige oder sehr kurze bis fehlende Griffel endet in einer dreilappigen Narbe.

Es wird eine walzen- bis spindelförmige, dreiflügelige, ledrige Kapselfrucht gebildet. Die Samen sind meist flach.

Die gelegentlich zu sehenden gestreiften oder gefleckten Blüten gehen häufig auf ein Mosaik-Virus zurück. Allerdings existieren auch etliche Sorten (z. Bsp. Insulinde, Zomerschoon), deren gestreifte Blüten nicht auf eine Vireninfektion zurückzuführen sind.

Bild 2: Illustration der Waldtulpe (Tulipüa silvestris)

Aus Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz; von Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé, 1885, Gera, public domain. Quelle: www.biolib.de (Kurt Stüber)


Präparation:

Geschnitten haben wir den frischen Spross freistehend auf dem Zylindermikrotom mit Leica Einmalklingen im SHK-Klingenhalter. Die Schnittdicke der hier gezeigten Querschnitte beträgt ca. 50 µm. 

Anschließend haben wir die Schnitte für ca. 20 Minuten in AFE fixiert und nach der Fixierung stufenweise in Aqua dest. überführt.

Gefärbt haben wir mit W3Asim II nach einem Rezept von Rolf-Dieter Müller. Entsprechende Arbeitsblätter können im Downloadbereich der MKB-Webseite herunter geladen werden. Eine ausführliche Beschreibung der Färbung findet sich hier.

Eingedeckt sind die Schnitte - nach einer kurzen Differenzierung in Ethanol 70% und gründlichem Entwässern in reinem Isopropanol - in Euparal.


Technik:

Alle Aufnahmen auf dem Leica DME mit den 5x und 40x NPlanen sowie den 10x und 20x PlanApos. Die Kamera ist eine Canon Powershot A520 mit Herrmannscher Okularadaption. Zur Zeit nutze ich ein Zeiss KPL 10x, das mit den Leica-Objektiven sehr gut harmoniert. Die Steuerung der Kamera erfolgt am PC mit PSRemote und der Vorschub manuell anhand der Skala am Feintrieb des DME.

Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.


Nun aber zu den Schnitten!

Zunächst eine Übersicht des monokotyledonen Sprosses:

Bild 3: Makroaufnahme eines fertigen Präparates

Wie bei einer monokotyledonen Pflanze zu erwarten, finden sich im Mark eingelagert zahlreiche, geschlossen kollaterale Leitbündel. Es ist ein Ring ganz leicht sklerenchymatischer Zellen zwischen Mark- und Rindenparenchym erkennbar. Die eigentliche Stabilität erhält der Spross, der nach außen hin von einer einreihigen Epidermis mit Cuticula und einem ebenfalls einreihigen Kollenchym abgeschlossen wird, durch den Tugor.

Bild 4a,b: Etwas näher heran! Bild 4b mit Beschriftung, Vergrößerung 100x, Stapel aus je 35 Bildern


Hier sind noch einmal alle oben angesprochenen Gewebearten versammelt. Nun ist auch erkennbar, dass es zwischen Phloem und Xylem kein Cambium gibt.
Informationen zu den Abkürzungen im Bild 4b sowie den folgenden beschrifteten Bildern findet Ihr wie immer auf der Webseite des MKB: Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen.

Bild 5a,c: Die geschlossen kollateralen Leitbündel, Bild 5b mit Beschriftung, Vergrößerung 200x, Stapel aus 10 bzw. 20 Bildern



Rund um die Leitbündel fällt das wirklich nur ganz leicht ausgebildete Sklerenchym auf. Offensichtlich lohnt es sich für die Tulpe nicht, hier mehr in Stabilität zu investieren. Das führt in einer klassischen Tulpenvase zu den schönen hängenden Formen, zumal der Spross auch in der Vase noch sehr stark wächst und die vorhandenen stabilisierenden Gewebe das Gewicht der großen Blüte nicht mehr tragen können, wenn diese bereits leicht schräg in der Vase liegt.

Vielen Dank fürs Anschauen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen!

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

hajowemo

Lieber Jakob,
das hast du gut gemacht. :)
Liebe Grüße
Jochen

PS: Jörg, du natürlich auch!
Vorstellung
Homepage www.mikroskopie-hobby.de
Gerne per "Du"
Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.

Fahrenheit

Lieber Jochen,

vielen Dank für Dein Lob, das ich gerne weiter gebe!
:)

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Rawfoto

Hallo Jakob

Finde ich wirklich toll was Du uns da für einen Pflanzenschnitt zeigst, würde mich über einen weiteren Versuch freuen .-)
Der ist auf jeden Fall toll geworden ==> Gratulation

Natürlich auch ein Danke an Jörg

Liebe Grüße aus Wien

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Hans-Jürgen Koch

Hallo Jakob,

so einen exzellenten Lehrer hätte ich mir auch gewünscht.  :) Ich gratuliere Dir zum Einstieg in die Welt der Mikroskopie.

Herzliche Grüße an euch beide

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Fahrenheit

#5
Liebe Freunde,

vielen Dank für Euer Lob auch im Namen von Jacob, der sich sehr gefreut hat!

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM