Prismenjustage am Binokulartubus des MBS-10

Begonnen von Gerd Schmahl, April 18, 2018, 18:42:14 NACHMITTAGS

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Gerd Schmahl

Am besten arbeitet man mit einem gut justierten Tubus als Referenz. Ich hatte einen Tubus zu justieren, an dem der Besitzer leider beide Prismen dejustiert hatte. Deshalb habe ich mit meinem guten Tubus ein Zielobjekt mittig eingestellt und dann den dejustierten Tubus nach diesem Ziel justiert. Meist wird das aber nicht nötig sein, weil nur ein Prisma dejustiert ist, das man entweder daran erkennt, dass das Bild offensichtlich aus der Reihe tanzt, oder weil es von außen betrachtet schief in der Fassung sitzt. Der häufigste Fall dürfte sein, dass es lediglich seitlich verschoben ist. In diesem Fall brauchen nur die Halteschrauben des Prismas etwas gelöst zu werden, das Prisma wieder an seinen Platz geschoben und dann wieder befestigt zu werden. Hört sich ganz einfach an, ist meistens aber dennoch eine zeitraubende Aktion. Aber der Reihe nach! Zuerst muss man an die Prismen heran kommen.
Ich habe folgendes Werkzeug dazu benutzt:

- 3 verschieden gruße Uhrmacher-Schraubendreher für Schlitzschrauben
- einen Lenswrench*
- eine Fotoschale nicht zwingend nötig, aber beruhigend
- ein Paar Baumwollhandschuh

1. beide Okularstutzen heraus schrauben.


2. Die drei Schrauben der Abdeckung lösen und Abdeckung zur Seite der Stellschraube für den Augenabstand abziehen. Dabei fällt ein kleiner ,,Knochen" heraus, der im zusammengebauten Zustand die Stellschraube gelenkig mit dem Verstellmechanismus für den Augenabstand verbindet.

3. Die beiden Gummidichtungen um die Gewinde der Okularstutzen abziehen
4. Okularstutzen wieder einschrauben, Tubus auf Mikroskop setzen und Okulare einstecken
5. Kontrollieren, welches Prisma dejustiert ist. Ich habe als Zielscheibe einen Objekträger mit Zielkreuz benutzt, der eigentlich zum Zentrieren von Objektiven gedacht war. Er hat einen dicken äußeren Kreis von ca. 9mm Durchmesser und einen sehr feinen inneren Kreis, sowie das ebenfalls sehr feine Zielkreuz. Der äußere Kreis hat dabei den genau passenden Durchmesser, dass er bei der Vergrößerung ,,2" und dem 8x-Okular gerade so in das Bildfeld passt. Am Kreuz kann ich außerdem erken-nen, ob ein Prisma verkippt ist, wie im Bild. Welches die dejustierte Seite ist stellt man durch wechselseitiges Augenschließen fest.

6. Jetzt werden die Befestigungsschrauben oberhalb des betroffenen Prismas gelöst (1und 2 oder 3 und 4) und das kleine Blech mit der Gummischicht herausgezogen

7. Mit Handschuhen, damit man die Prismen nicht mit Fingerabdrücken bedruckt, wird das Prisma zurecht geschoben. Wenn es nur seitlich verschoben war und keiner an den Justierschrauben gedreht hat, sollte es sich einfach wieder in die richtige Postion verschieben lassen und man braucht ,,nur noch" das Blech einfädeln und das Prisma wieder befestigen. Wenn die Dejustage tiefgreifender ist, geht jetzt das Spiel mit Versuch und Irrtum los, bei dem man die Justierschrauben des betroffenen Prismas vorsichtig vor und zurück dreht. Dabei muss man immer schön das Prisma gegen die beiden kleinen Metallklötzchen drücken, auf die die Justierschrauben wirken.

8. Die Justierschrauben erreicht man, indem man die Achse des Augenabstands-mechanismus anhebt:

9. Das Festschrauben des Prismas führt i.d.R. wieder zu einer geringfügigen Verschiebung. Dann sollte man die Befestigungsschrauben nur leicht lösen, so dass das Blech nicht heraus fällt und an den Justierschrauben nachziehen. Befestigungsschrauben und Justierschrauben abwechselnd fest ziehen, bis die Justage stimmt und das Prisma richtig befestigt ist.
Wenn man auf das linke Prisma justieren muss, muss man zuvor die Aufnahme für den ,,Knochen" von der Achse der Augenabstandsregelung abbauen: Madenschraube lösen und Aufnahme abziehen.

Der Zusammenbau:
Vor dem Zusammenbau, müssen wir erst noch etwas weiter zerlegen. Der Drehknopf für die Regelung des Augenabstandes muss raus. Also:
1. Madenschraube am Drehknopf lösen und den Knopf, der auf einem Gewinde sitzt, abdrehen.
2. Die kleine Achse mit der äußeren Aufnahme für den ,,Knochen" nach innen aus der Lagerbuchse ziehen.

3. Die Lagerbuchse mit einem Lenswrench* herausdrehen. Diese Buchsen sitzen oft sehr fest. Moderates Erwärmen mit dem Föhn kann sehr hilfreich sein.

Hier der ganze Verbindungsmechanismus in Einzelteilen:

Diese Zerlegung war notwendig, um den Knochen wieder zwischen die beiden Aufnahmen zu bekommen. Jetzt beginnt der eigentliche Zusammenbau:
4. Mikroskop so auf die Seite legen, dass das Ende der Achse für die Verstellung des Augenabstandes nach oben zeigt; Gummidichtungen aufsetzten und die Aufnahme 2 wieder auf der Achse befestigen, ,,Knochen" einstecken und die Aufnahme 1 mit den beiden Messingringen auf den Knochen stecken.

5. Abdeckhaube so auffädeln, dass die kurze Achse der Aufnahme 1 durch die Öffnung schaut.
6. Die drei Halteschrauben der Abdeckung einschrauben
7. Lagerbuchse von außen einschrauben. Das geht gut mit einem Lenswrench*.
8. Drehknopf auf das Gewinde der kleinen Achse von Aufnahme 1 schrauben und mit der Madenschraube sichern
Geschafft!
...................................................
*alternativ sollte zum Herausdrehen der Lagerbuchse auch ein großen aber scharfen Schraubendreher oder ein stabiles Blech reichen. Hier ließe sich auch ein kleine Kerbe ausfeilen, um die nur wenig überstehende Achse der Aufnahme 1 zu umgehen.

Ich habe ein PDF-Dokument erstellt, dass mit 1,4MB etwas zu groß ist, um es direkt an diesen Beitrag zu heften. Wolfgang (liftboy) wird es aber sicher in seine LOMO-Infothek aufnehmen und verlinken.

Hoffe es hilft anderen sich da auch heran zu wagen! Beste Grüße
Gerd
Mikroskopischer Allesfresser

Bob

Hallo Gerd,
das ist ja mal wieder ganz große Klasse, tolle Arbeit!
Ich habe so ein Ding zwar nicht, aber es ist offenbar eines der häufigsten gebrauchten Stereomikroskope auf dem Gebrauchtmarkt, und da wird Deine erstklassige Anleitung sicherlich vielen Leuten helfen. Ich habe den Eindruck, dass gebrauchte Stereomikroskope oft ein schlechteres Leben geführt haben, als normale Mikroskope, und dass gerade die Prismenjustage oft ein Problem ist.
Es ist sehr nett, dass Du Dir die viele Arbeit gemacht hast, diesen Vorgang so genau zu beschreiben.

Viele Grüße,

Bob

TPL

#2
Lieber Gerd,
danke, ich schließe mich Bobs Lob gerne an – sehr instruktiv und behaltenswert!
Herzliche Grüße
Thomas

liftboy

Hallo erstmal,

für Interessenten hat Gerd das Ganze als PDF zum herunterladen zur Verfügung gestellt:

http://www.mikroskopfreunde-nordhessen.de/dateien/MBS-10-Tubusjustage.pdf

Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Gerd Schmahl

Hallo,
danke für die Blumen und Wlfgang: Danke, dass Du das PDF-Dokument in Deine LOMO-Infothek aufgenommen hast.
Möge es helfen!
Gerd
Mikroskopischer Allesfresser

rlu

#5
Hallo Gerd,

ich habe jetzt vier Stück vom Verein bei mir rumstehen.

Woher kommt die Fehljustage
Alle sind mehr oder weniger dejustiert.
Das kommt aber nicht davon, dass sich das Prisma gelöst hat, sondern durch brutale Gewalt an den langen Okulartuben. Die Prismen können sich natürlich auch lösen.
Die Leute denken am Anfang, es ist ein normales Mikroskop und wollen den Augenabstand einstellen und das geht nicht. Dann werden mit Gewalt die Okulartuben zusammengedrückt und so verbiegen sich die Auflagen, obwohl das Mikroskop wie ein Panzer gebaut ist.
Grmmmmmm ist mir auch beim ersten Mal passiert, damn it.
Zweite Möglichkeit es fällt um und dann auf die Okulartuben.

Wie zentrieren?
Frage 1. Mir ist jetzt folgendes noch nicht klar.
Bei Stereobildern ist es so, dass sie eigentlich nicht aufeinanderliegen.
Muss man zwischen dem linken und dem rechten Bild einen Abstand lassen?
Oder muss man die beiden Bilder auf einen Punkt ausrichten, also aufeinanderlegen?

Frage 2. Es ist extrem schwierig die Bilder wirklich aufeinanderzukriegen, weil das Auge es schafft Abweichungen auszugleichen. Soweit ich es verstanden habe, legst du dein Zielkreuz nur unters Mikroskop. Und blendest wechselseitig ein Auge aus. So mache ich es auch. Aber geht das besser?

Frage 3. Die Fein-Justage erfolgt meiner Meinung nach hier über die beiden Madenschrauben(nicht vom Prisma). Wobei die Einstellung so erfolgt wie beim Kondensor. Der läuft ja auch nicht senkrecht von links-rechts, oben-unten, also Tricky.

Was mir noch aufgefallen ist
Schauen, ob die Okulartuben locker sind. Meine waren es.
Platte die oben aufgelegt wird, hat eine Metallplatte und darunter Papier. Papier auf das Prisma.
Wenn die Prismen links oder rechts über die Auflageplatte vom Prisma verschoben sind, dann ist was falsch.
Auch wenn das Bild im erstem Moment passt. Meist kommt es dann zu einer Abschattung.
Die Prismen liegen unten auf einem dickeren Papier auf; prüfen ist das da?


Zusammenbau Alternative
Den Knochen kann man auch einbauen, ohne das Drehrad zu zerlegen.
Man stellt den Schlitz von der Welle innen quer. Und schaut außen wo sich der Inbus der Drehschraube befindet. Diesen so drehen, dass der Knochen eingeführt werden kann, Bei ausgeschraubten Tuben, aber eingelegtem Gummiringen durch die Öffnung links mit einer Pinzette den Knochen auf der Seite der Abdeckung festhalten und einfädeln. Braucht etwas Übung; aber es geht.

Liebe Grüße
Rudolf

Mit einem Aufkleber sieht das schöner aus. Liest aber auch keiner.
2025-03-26 10_41_09-Medienbetrachter.jpg

die beiden Madenschrauben justieren das Bild, wenn das Prisma paßt.
2025-03-26 10_47_08-Präsentation1 - Microsoft PowerPoint.jpg

Auflage daran auch denken
2025-03-26 10_51_14-Präsentation1 - Microsoft PowerPoint.jpg

Gerd Schmahl

#6
Hallo Rudolf,
danke für die Ergänzungen!
Tja, müssen die Bilder versetzt sein? Jain!
Natürlich sind das zwei verschiedene Bilder, aber der Stereoeffekt beruht nicht darauf, dass man zwei versetzte Bilder paralleler Strahlengänge betrachtet, sonder darauf, dass man aus unterschiedlichen Winkeln, auf den gleichen Punkt sieht. Jedenfalls sollte nach meinem Verständnis zumindest das Bild-Zentrum eines flachen Objektes (Fadenkreuz) bei beiden Bildern in einem Punkt liegen. Deshalb ist es auch machbar, abwechselnd mit beiden Augen das Objekt zu betrachten und dann das Bild das abweicht zu korrigieren. Nun ist es aber gar nicht so einfach herauszufinden, welches Bild "falsch" ist. Ich hatte das Glück mit meinem gut justierten Tubus herauszufinden, wo ich am dejustierten Tubus ansetzten muss, da der Besitzer leider schon an beiden Seiten herumgeschraubt hatte...

lockere Tuben können natürlich auch immer eine Grund für nicht deckungsgleiche Bilder sein. Hatte ich schon 2x an einem SMXX von Zeiss-Jena.

Was meinst Du mit "Madenschraube justiert das Bild"? Damit wird sicher die Platte geneigt und man kann somit das Bild in einer Richtung justieren, aber dass dort der Fehler liegt, ist eher unwahrscheinlich, es sei denn es hat jemand planlos daran herumgeschraubt. Bei der Benutzung (auch der gewaltsamen), sollte sich da wohl nichts verstellen. Die schweren Prismen hingegen können sich bei starken Beschleunigungskräften, wie sie bei einem Sturz z.B. bei Transportschäden auftreten, durchaus in Bewegung setzen.

LG Gerd
Mikroskopischer Allesfresser

rlu

#7
Hallo Gerd,

Justierhilfe.
Ich bin selber noch am Experimentieren.
A. Polfilter-Schnipsel auf Okular mit Tesa fixieren. 2xPolfilter-Schnipsel links und rechts die auf Walze legen, damit sie besser aufliegen.
Abwechselnd drehen und damit ausblenden.
Ergebnis: ~; könnte besser sein, leider dynamisch, das macht das Einstellen schwierig

B. Scharf stellen. Okulare wechselseitig rausziehen
Ergebnis: ~; könnte besser sein, leider dynamisch, das macht das Einstellen schwierig

C.
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?msg=192179
"Der minimale Versatz macht nach einiger Zeit Kopfschmerzen, daher würde ich noch versuchen, die Justage zu optimieren. Es gibt einige gute Anleitungen im Netz zum justieren von Ferngläsern und astronomischen Binos. Generell ist eine Punktlichtquelle hilfreich. Und um die Korrekturmechanismen im Hirn auszuschalten, hat es sich bewährt eine Seite unscharf zu stellen und die andere Seite dann optisch ins Zentrum zu justieren. Damit sollte eine hohe Genauigkeit erreichbar sein..."


Habe jetzt gerade mit Herrn Linkenheld gesprochen. Er meint die Bilder links und rechts müssen im Zentrum auf einem Punkt liegen. Genau wie du gesagt hast.

Madenschraube
Ich glaube, dass das schon ein Fehler sein kann, weil man ja einen unglaublichen Hebel hat. Wenn man an den Okulartuben zieht und drückt, kann sich schon was verbiegen. Ich schaue mir die anderen MBS-10 an und werde berichten.


Liebe Grüße
Rudolf

P.S.:
Neue Vorgehensweise:
Möglichst alles auf Null stellen, d.h. die Schrauben, die die Prismen nach vorne drücken, plan eindrehen.
Markierung mit Edding in der Mitte der weißen Scheibe.
Mitte mehrfach anzeichnen mit Meßschieber, Durchmesser halbe.
Bei jedem Strahlengang Okulare(Prismen, Verstellung auf Auflage) auf diese Mitte einstellen.
Aufpassen, ob es ein rundes und sauberes, nicht abgeschattetes Sichtfeld gibt.
Dann kann mit den Madenschrauben und evtl. mit der Zentrierung der Okularbefestigung die Laget verändert werden.
Wirklich darauf achten, dass beide Augen auf den Punkt in der Mitte scharf eingestellt sind. Dazu am Okular die Schärfe verändern.

Bei einem MBS war ein Sichtfeld höher als das andere. Das wurde von einem Okular verursacht.
Das Feld konnte nicht korrigiert werden wie bei den anderen Mikroskopen.
Mit einem anderen Okular hat es gepasst.



Gerd Schmahl

Hallo Rudolf,
was noch ein gutes Hilfsmittel ist, um die Mitte nicht schätzen zu müssen ist ein Okular mit Fadenkreuz, wie es in der Polarisationsmikroskopie üblich ist. Ich weiß aber gerade nicht, ob es das auch für das MBS10 gibt. Eine Zählplatte (Netz) und eine Meßplatte sind aber auf jeden Fall Teil der Standartausrüstung beim Neukauf und ein einstellbares Okular auch. Ich muss mir die Platten heute Abend mal angucken. Da sollte was dabei sein, was eine klare Mitte hat.
LG Gerd
Mikroskopischer Allesfresser