Die Leitz'schen Pol-Binos

Begonnen von ortholux, September 16, 2015, 16:30:40 NACHMITTAGS

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ortholux

Liebe Kollegen,

weil in einem anderen Faden danach gefragt wurde, das Thema aber etwas weitläufiger ist, eröffne ich einen neuen Faden.

Leider sind meine Information bezüglich der Baujahre nicht so reichhaltig, so daß ich zur zeitlichen Eingrenzung den Bino-Faden (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=18032.msg138026#msg138026) empfehle. Wann dann die entsprechende Pol-Variante auf den Markt kam, lässt sich damit immerhin abschätzen. Hier werde ich mich auf die Beschreibung der Geräte beschränken.

Ferner gibt es hier etwas zu den Prismenlupen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=5510.0

Und schlußendlich gibt es bereits Informationen zu den Pol-Greenoughs, welche ich aber noch etwas ergänzen werde: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=17956.0


Die Prismenlupe

Mir ist die Pol-Version nur bei den neueren Ausführungen bekannt, welche statt des Bierhenkels eine zylindrische Stativsäule haben.
Im Prospekt von 1960 mit einfachem Drehtisch abgebildet.



Hier mit Pol-Tisch:



Im Gegensatz zu den Greenoughs war die Prismenlupe für die Polarisastion nachrüstbar. Neben dem Tisch mit Polarisator und Kompensatorschlitzen (kommt später beim Greenough noch detailiert) ist der Analysatorschieber die zweite Pol-Komponente.





Der Halter wird einfach anstatt der Beleuchtungseinrichtung in die dafür vorgesehenen Löcher geschraubt.
Ein zweiter Platz im Halter ist für einen Kompensatorschieber vorgesehen.




Das frühe Greenough

Zunächst in schwarz eingeführt, wechselte es später (ca. 1965) in das zeitgemäße Hammerschlagkleidchen.



(Foto: Peter "Mikroman")



Wie auch bei den biologischen Stativen, gibt es eine Variante mit abnehmbarem Stativ-Unterteil, um für reine Auflicht-Untersuchungen ein kompaktes Gerät zu haben.



Der "Kondensor" ist eigentlich kein Kondensor. Er besteht lediglich aus einer Streuscheibe und einem Folienpolarisator





Zur Pol-Ausstattung gehören neben dem Pol-"Kondensor" auch noch zwei Kompensatoren, die in den entsprechenden Schlitz unterhalb des Drehtischen eingeschoben werden.



Die Mechanik des Tisches sollte nicht unerwähnt bleiben.
Es handelt sich um einen Aufsatz-Poltisch ohne Kugellager, der in die 3-Punkt-Führung der üblichen Rundtische der 30er - 80er Jahre passt



Anders als die Primenlupen ist die Pol-Ausstattung nicht nachrüstbar, da die beiden (!) Analysatoren fest im Gehäuse verbaut sind. Bedient werden sie über zwei Schieber an der Rückseite des Kopfes.



Nunja - das stimmt nur fast. Wie im Katalog von 1953 abgebildet, hatte die einfache Version ohne Objektivwechsler die Poleinrichtung im Zwischentubus untergebracht. Dieser ist abnehmbar.




Die späten Greenoughs "TS-POL"

Äußerlich zu erkennen am hohen Drehtisch auf der Durchlichtbühne.



Ein kleiner Hebel am Kopf identifiziert den Analysator.



Der Tisch fällt etwas massiver aus als sein Vorgänger, hat aber wieder die bekannte Dreipunkt-Aufnahme.






Viel Spaß beim Lesen. Und wie immer gilt: Korrekturen, Ergänzungen und Kritik sind herzlich willkommen.

Wolfgang

PS: Ich suche
- Den einfachen Drehtisch für die Prismenlupe (wie auf dem gelben Katalogbild zu sehen)
- Kompensatorpärchen für die Prismenlupe

- Pol-Zwischenstück für das alte Greenough ohne Objektivwechsler (wie auf dem roten Katalogbild zu sehen)




Thomas M

Lieber Wolfgang,

vielen Dank für Deine ausführliche Vorstellung! Wie immer eine Genuss zu lesen und eine Bereicherung für dieses Forum.

Lieber Florian,
wäre das nicht ein weiterer Beitrag für die Rubrik "Mikroskopiker stellen ihr Mikroskop vor".

Wo kamen diese Pol-Versionen eigentlich zum Einsatz? Selten genug sind sie ja. Ich vermute mal in der Hauptsache wohl eher für orientierende Untersuchungen oder konnte man damit auch noch mehr machen?

Herzliche Grüße
Thomas

koestlfr

Hallo Wolfgang!

Sehr interessant, was die alles gebaut haben! Ich finde den grauen Hammerschlag besonders edel!

Danke für die Präsentation!

Liebe Grüße
Franz
Liebe Grüße
Franz

olaf.med

#3
LIeber Wolfgang,

... wieder mal toll, wobei sich stereotyp immer die Frage ergibt: wann erscheint endlich DER LEHMANN, die ultimative Bibel für alle Leitz-Interessierte?

ZitatPS: Ich suche
- Kompensatorpärchen für die Prismenlupe

Nicht verzagen, Olaf fragen...

@ Thomas:

ZitatWo kamen diese Pol-Versionen eigentlich zum Einsatz? Selten genug sind sie ja. Ich vermute mal in der Hauptsache wohl eher für orientierende Untersuchungen oder konnte man damit auch noch mehr machen?

Besonders Präparatoren schätzten die Pol-Einrichtung an den Stereolupen sehr. Bei riesigem Arbeitsabstand konnte man die Proben ausgezeichnet manipulieren. Außerdem erlaubten sie eine einfache Übersichtsbetrachtung und damit die schnelle Kontrolle während der Herstellung von Dünnschliffen.

Zur Ergänzung noch kleine Details:

Es gab zum Greenough eine Dunkelfeldbeleuchtung, also eine Art Ultropak, die durch einen Ausbruch vorne am Spezialobjektiv durch eine Monla beleuchtet wurde:



Für fotographische Arbeiten gab es einen Schwalbenschwanz-Schieber, der einen der beiden Strahlengänge senkrecht zur Tischfläche orientierte:



Für ergonomisches Arbeiten benutzte man sehr komfortable Handauflagen:



Mit herzlichen Grüßen,

Olaf


Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

ortholux

#4
Liebe Kollegen,

schön, wenn ich etwas zur Unterhaltung und zur Information beitragen kann.

Olaf,

von dem Auflicht-Dunkelfeld-Ding, da hast du nicht zufällig 2...nein?
Unglaublich. Das Teil ist nirgends dokumentiert.

Danke auch für Deine anderen Beiträge. Sehr interessant, allerdings sollte auch erwähnt werden, das die Teile nicht expilizit zum Pol-Greenough gehören.

Grundsätzlich wären die Nicht-Pol-Binos mehr als einen Artikel wert.
Schau ich mir nur die Greenoughs an, dann gäbe es viel zu schreiben.



Vielleicht kurz, worum es sich handelt:
Vordere Reihen ältere Typen mit vernickelten oder verchromten Objektiven, hintere Reihe modernerer Typ mit kunststoffummantelten Objektiv-Paaren
1 Geradtubus ohne Objektivwechsler
2 Geradtubus mit Objektivwechsler
3 Knicktubus mit Objektivwechsler
4 Geradtubus ohne Objektivwechsler mit parallelem Einblick zum ermüdungsfreien Arbeiten
5 Lagersteinmikroskop
6 Aufbereitungsmikrokop mit großem Kreuzschlitten
7 Irismikroskop, Knicktubus mit Objektivwechsler
8 Vergleichsmikroskop für Oberflächen
9 Hautkapillar-Mikroskop
10 Knicktubus ohne Objektivwechsler
11 Geradtubus ohne Objektivwechsler
12 Knicktubus ohne Objektivwechsler, mit Originalbeleuchtung. Stativ nicht trennbar
13 Knicktubus mit Objektivwechsler, Pol-Ausführung. Stativ trennbar
14 Aufbereitungsmikrokop mit großem Kreuzschlitten, Knicktubus mit Objektivwechsler
15 Irismikroskop, Knicktubus mit Objektivwechsler

Und beschreibt man auch noch die Prismenlupen, dann lohnt es sich erst recht.



1 Kolposkop (von einem Ohrenarzt)
2 Kolposkop mit "Brille" für die Fernsicht. Zwei einschwenkbare Streulinsen vergrößern den Arbeitsabstand
3 Briefmarkenmikroskop. Sehr wahrscheinlich nicht original Leitz, aber liebevoll gebaut
4 Prismenlupe für hohe Vergrößerungen mit Stativsockel für Durchlicht
5 Monokulare Prismenlupe für hohe Vergrößerungen
6 Monokulare Prismenlupe für niedrige Vergrößerungen
7 Prismenlupe für niedrige Vergrößerungen mit Fadenzähler
8 Irismikroskop
9 Prismenlupe für niedrige Vergrößerungen mit Galgen-Stativ
10 Prismenlupe für hohe Vergrößerungen mit Durchlicht-Stativ (nicht trennbar)
11 Prismenlupe für hohe Vergrößerungen mit Durchlicht-Stativ (nicht trennbar). 50er Jahre-Ausführung mit zylindrischer Stativsäule
12 Prismenlupe für niedrige Vergrößerungen. 50er Jahre-Ausführung mit zylindrischer Stativsäule
13 Prismenlupe für hohe Vergrößerungen mit Galgen-Stativ und Originalbeleuchtung

Einige davon bieten allein schon Material für ein neues Thema.

Und das ist noch lange nicht vollständig. Die Prismenlupe ist das meistverkaufte Leitz-Mikroskopmodell weil es unendlich viele Adaptionen an Maschinen gibt und mindestens genausoviele Anpassungen und Modifikationen für die verschiedensten Anwendungen.

Viele Grüße
Wolfgang


olaf.med

Lieber Wolfgang,

Irre, Deine Resourcen!!! Umso wichtiger, dass dies alles vernünftig und zusammenhängend dokumentiert und publiziert wird.

Zitatvon dem Auflicht-Dunkelfeld-Ding, da hast du nicht zufällig 2...nein?

Nein, aber das gezeigte gehört Dir, Du mußt es nur gelegentlich abholen :) :) :)

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Thomas M

Lieber Wolfgang,

da brauchst Du ja wohl einen Tanzsaal, um alles auszubreiten ...

... oder am besten gleich das Lehmann-Museum Leitz'scher opto-mechanischer Ingenieurskunst! Wobei ich den Begriff Kunst durchaus ernst meine. Und der Museumsführer wäre dann das von Olaf angefragte Buch  8)

Welchen Zeitraum decken Deine Exponate eigentlich ab? 30er bis 70er Jahre vielleicht? Unglaublich wieviel Varianten allein auf Basis einer bestimmten Grundform entwicket wurden.

Ich könnte mir gut vorstellen dort bei dem einen oder anderen Stück zu verweilen, behutsam an den Trieben drehend (natürlich nur mit einer Erlaubnis   ;D) und dabei in Gedanken in der Zeit zu verweilen, als diese aktuell und im Einsatz waren. Ach ja ...............

Dank auch an Dich Olaf,
für Deine Erläuterung und Ergänzung.

Herzliche Grüße
Thomas

Klaus Herrmann

Lieber Wolfgang,

Danke für die Bilder. Ich habe sie meiner Frau gezeigt um zu belegen, dass man durchaus mehr als 2 Mikroskope haben kann. Ihren Kommentar verschweige ich jetzt mal. ;D
Die Nr 1 (Kolposkop kommt mir bekannt vor  ;) )

Das Ganze schreit wirklich nach einer Veröffentlichung als Buch! Was sagt denn Leica dazu?
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Peter V.

#8
Lieber Klaus,

Die "Leitz Erlebniswelt Lehmann" ist wirklich sehenswert und beeindruckend! Ich versuche ja auch schon seit Langen, Herrn "ortholux" zu einem Buch über seine Schätze zu bewegen. Leider, so versichert mir Wolfgang, muss er gelegentlich noch einem Broterwerb nachgehen und ein Leitz-Foliant verspricht leider nicht eine Auflage und einen Erlös wie Harry Potter.
Das ist wirklich schade, auch ich würde mir sehnlichst einen "Katalog" der Sammlung Lehmann wünschen.

ZitatDas Ganze schreit wirklich nach einer Veröffentlichung als Buch! Was sagt denn Leica dazu?

Ich fürchte, Leica ist da völlig sentimentalitätsfrei und interessiert sich nicht mehr die Bohne für das "olle Gezumpel"  :'(  :-[. Da hat wohl kaum noch jemand eine Beziehung zu "Leitz", genau so wenig wie zu den ganzen anderen Marken, die im Laufe der Jahre im Leica-Konzern aufgegangen sind (Wild, Reichert, American Optical, Spencer, Bausch und Lomb, Cambridge Instruments, Jung).

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Oecoprotonucli

Hallo zusammen,

na die ersten Schritte sind doch schon getan: Hinein mit den Überschriften und Kurzbeschreibungen in eine (online-?) Datenbank und dann kontinuierlich erweitern...

...und wenn es dann einigermaßen gefüllt ist, kommen die ersten, zweiten, dritten... Auflagen des Katalogs. Und aus der Inventarliste wird Nachschlagewerk.

:)

Viele Grüße

Sebastian
Ich benutze privat:
Leitz SM-Lux mit (LED-) Durchlicht und Phaco-Ausrüstung (ca. 1975-77)
Hensoldt Wetzlar Stereomikroskop DIAMAL (1950er Jahre)